Dossier "20 Juli 1944"

Die „Wolfsschanze“. Hitlers Machtzentrale in Ostpreußen

Die „Wolfsschanze“. Hitlers Machtzentrale in Ostpreußen

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Sie gilt als das bekannteste „Führerhauptquartier“ (FHQForce Headquarters) während des Zweiten Weltkrieges: die „Wolfsschanze“ bei Rastenburg in Ostpreußen (heute: Kętrzyn, Polen). Hier verbrachte Adolf Hitler zwischen Juni 1941 und November 1944 mehr als 800 Tage. Und an diesem Ort verübte Oberst i.G.im Generalstabsdienst Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 das Attentat auf den deutschen Diktator.

Hitler steht umgeben von Generalen und Parteifunktionären in der Wolfsschanze.

Im Führungskreis: Adolf Hitler anlässlich seines Geburtstages am 20. April 1942 im Gespräch mit Generalen und hohen Parteifunktionären in der "Wolfsschanze", seiner wichtigsten Machtzentrale im Osten.

bpk

Fast 20 „Führerhauptquartiere“ gab es im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten. Sie waren die Befehlsstellen Adolf Hitlers als Obersten Befehlshaber der Wehrmacht. Dazu wurden bereits bestehende Anlagen um- und ausgebaut sowie andere unter einem enormen Ressourcenaufwand komplett neu errichtet. Die „Wolfsschanze“ im damaligen Ostpreußen wurde neben der Berliner Reichskanzlei und dem „Berghof“ in den bayerischen Alpen – die beide nicht offiziell als „Führerhauptquartier“ bezeichnet wurden – zu Hitlers wichtigster Machtzentrale.

Der Ort: Rastenburg

Fotografie von Hitler, der mit einer Gruppe weiterer Personen das Baugelände der "Wolfsschanze" besichtigt.

Neues Lagezentrum im Osten: Hitler mit Angehörigen der "Organisation Todt", die für die Errichtung der "Wolfsschanze" als Teil eines ab Ende 1940 in Ostpreußen errichteten Systems von Feldquartieren zuständig war.

bpk/Arthur Grimm

Die damalige ostpreußische Stadt Rastenburg, am westlichen Rand der Masurischen Seenplatte gelegen, verfügte über einen Stadtwald bei Görlitz. Dieser hatte schon eine lange Historie: Zur Zeit des Deutschen Ordens diente er als natürlicher Schutzwall vor gegnerischen Angriffen. Über Jahrhunderte hinweg bot er den Einwohnern von Rastenburg zudem Nutz- und Brennholz. Vor dem Ersten Weltkrieg entstanden hier eine Eisenbahnlinie sowie ein Kurhaus, sodass sich der Wald auch zu einem Erholungs- und Ausflugsgebiet entwickelte. Doch 1940 änderte sich die Lage. Der Rastenburger Wald war als Ort für Hitlers neues „Führerhauptquartier Wolfsschanze“ ausgewählt worden. Dies hatte mehrere Gründe: Ostwärts des Waldes befand sich die Masurische Seenplatte, die als natürliches Hindernis für Angriffe aus dem Osten diente. Das Areal lag abseits wichtiger Verkehrsverbindungen, und der alte dichte Mischwald bot eine natürliche Tarnung sowie Schutz gegen die Einsicht aus der Luft. Ferner war Ostpreußen mit vielen Festungen und Panzergräben der am stärksten befestigte Wehrkreis. Und schließlich lag das Gelände der späteren „Wolfsschanze“ nahe der sowjetischen Grenze, wodurch Hitler in unmittelbarer Nähe den Eroberungs- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion führen konnte.

In der näheren Umgebung der „Wolfsschanze“ befanden sich weitere politische und militärische Feldquartiere, die um den Mauersee herum gelegen waren: der „Mauerwald“ des Oberkommandos des Heeres im gleichnamigen Wald (heute: Mamerki), die Feldkommandostelle „Hochwald“ des Reichsführers-SSSchutzstaffel Heinrich Himmler bei Possessern (heute: Pozezdrze) sowie das Schloss Steinort von Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop.

Der Name: „Wolfsschanze“

Den Namen „Wolfsschanze“ soll Hitler selbst ausgewählt haben. Sein Spitzname war „Wolf“. Dieser leitete sich von seinem Vornamen Adolf ab, der im Althochdeutschen „edler Wolf“ bedeutete. Die Bezeichnung „Wolf“ hatte Hitler überwiegend in seiner privaten Korrespondenz in den 1920er Jahren genutzt. Neben der „Wolfsschanze“ gab es noch weitere Führerhauptquartiere, die sich auf Hitlers Spitznamen bezogen: „Werwolf“ in der Ukraine sowie „Wolfsschlucht“ in mehreren Versionen in Belgien und Frankreich.

Baugeschichte

Fotografie einer der Bunkerruinen in der "Wolfsschanze" von Bäumen umgeben und mit Moss überwuchert.

Praktisch unzerstörbar: Auch heute kann man in der "Wolfsschanze" noch zahlreiche der vormaligen Bunkeranlagen sehen, deren massive Bauweise eine vollständige Beseitigung durch die Alliierten unmöglich machte.

ullstein bild - imageBROKER/Markus Beck

Unter dem Decknamen „Chemische Werke Askania“ begann die „Organisation Todt“ Ende 1940 mit den Bauarbeiten für das neue „Führerhauptquartier“. Aus Geheimhaltungsgründen wurde das ehemalige Erholungsgebiet für die Öffentlichkeit ab dem Frühjahr 1941 gesperrt. Die Stadt Rastenburg erfuhr nur, dass ein Teil des Stadtforsts „für militärische Zwecke“ genutzt werden sollte: Offiziell entstanden hier Produktionsstätten eines damals bekannten Rüstungsunternehmens, der Askania-Werke. Der Bau sowie die ständigen Erweiterungen des „Führerhauptquartiers“ vollzogen sich in drei Abschnitten mit einer größeren Pause zwischen September 1941 und Oktober 1942. In Hochphasen waren hier über 4500 Arbeitskräfte eingesetzt. Diese gehörten vor allem der „Organisation Todt“ an, stammten aber auch von regionalen Unternehmen. Jedoch wurden – im Gegensatz zu anderen Großprojekten – keine ausländischen Arbeiter beschäftigt. Die Arbeiter wurden vom Reichssicherheitsdienst überprüft und wechselten regelmäßig, sodass der Einzelne nur wenige Monate vor Ort war. Für Arbeiten im weiteren Umfeld, etwa beim Bau von Zufahrtsstraßen, wurden auch Zwangsarbeiter herangezogen.

Ausgeklügelte Tarnung

Ort und Betrieb des „Führerhauptquartiers“ unterlagen strengster Geheimhaltung. So lag bereits während des Bauens auf der Tarnung ein besonderes Augenmerk. Und diese war wichtig, denn noch bis Juni 1941 überflog täglich ein sowjetisches Linienflugzeug zwischen Moskau und Berlin das Areal. Schneisen wurden nur dort geschlagen, wo sie notwendig waren. Ausgewachsene Bäume wurden umgesetzt, zudem der Bestand später durch künstliche Bäume ergänzt. Die Ausrichtung der Gebäude orientierte sich am vorhandenen Wegenetz und erfolgte unregelmäßig, ohne eine auffällige Symmetrie.

Die Stuttgarter Gartenbaufirma „Seidenspinner“ war für die Tarnung zuständig. Über Gebäude und Wege wurden Tarnnetze gespannt. Gebäudedächer wurden mit Vertiefungen konstruiert, die dann mit Erde aufgefüllt und mit Gras sowie Sträuchern bepflanzt wurden. Die Außenwände der Gebäude erhielten einen speziellen Putz, der mit Seegras und Holzspänen vermischt sowie mit Tarnfarbe angestrichen war.

Die Anlage

Der Kernbereich der „Wolfsschanze“ war etwa 250 Hektar groß. Bis Ende 1944 entstanden über ein halbes Dutzend massive und 40 leichte Stahlbetonbunker sowie 40 Wohn- und Arbeitsgebäude. Damit war die „Wolfsschanze“ nicht nur das bekannteste, sondern auch das größte „Führerhauptquartier“. Das Areal war in drei sogenannte Sperrkreise gegliedert, gesichert durch Stacheldraht, Panzergräben, Wachtürme und einen Minengürtel (siehe Aktuelle Karte: Lageplan der „Wolfsschanze“). Wegen der natürlichen und künstlichen Tarnung konnten die Alliierten die Anlage nie vollständig aufklären. Aufgrund des Anrückens sowjetischer Truppen wurde die „Wolfsschanze“ im November 1944 evakuiert. Kurz vor der Einnahme durch die Rote Armee im Januar 1945 versuchten Pioniere der Wehrmacht, die Gebäude zu sprengen. Doch die Massivität der Bunker verhinderte eine vollständige Zerstörung.

Lageplan des Führerhauptquartier "Wolfsschanze" mit eingezeichneten Sperrkreisen

Ausgeklügeltes Sicherungssystem: In der "Wolfsschanze" gab es drei Sperrkreise, die den größtmöglichen Schutz für Adolf Hitler gewährleisten sollten.

Bundeswehr/Nogli

Dienst und Alltag in der „Wolfsschanze“

Am 24. Juni 1941, zwei Tage nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, traf Hitler mit seinem Sonderzug in der „Wolfsschanze“ ein. Mit mehreren Unterbrechungen hielt er sich dort über 800 Tage auf. Im November 1944 verließ er dieses „Führerhauptquartier“ endgültig. Über 2000 Personen, darunter etwa 20 Frauen, lebten und arbeiteten hier.

Bild des Friseursalons in der "Wolfsschanze", zwei Männern in Friseurstühlen werden die Haare geschnitten.

Das Leben neben dem Krieg: In der "Wolfsschanze" gab es auch Freizeiteinrichtungen wie ein Kino oder einen Friseur, die das Personal bei Laune halten sollten.

ullstein bild - ullstein bild

Der Dienstalltag richtete sich nach den Vorgaben Hitlers. In der Regel fand nach einem späten Frühstück und Spaziergang Hitlers gegen 13.00 Uhr eine erste, teils mehrstündige Lagebesprechung statt. Aufgrund dabei immer wieder auftretender Meinungsverschiedenheiten zwischen Hitler und der Generalität ließ der Diktator ab September 1942 Stenografen einsetzen, die über Besprechungen und Anordnungen Protokoll führten. Nach der Lagebesprechung folgte das Mittagessen im Kasino. Am Abend wurde, etwa ab 18.00 Uhr, eine zweite Lagebesprechung im Arbeitszimmer Hitlers abgehalten. Daran schlossen sich das Abendessen sowie Gespräche, mitunter bis tief in die Nacht, an. Auszüge, Wahrheiten und Legenden von Letzteren wurden später unter der Bezeichnung „Tischgespräche“ oder „Monologe im Führerhauptquartier“ veröffentlicht.

Für das Wohl und die Freizeitgestaltung des Personals gab es verschiedene Einrichtungen. In den Sperrkreisen gab es mehrere Kasinos. Für das Personal im Sperrkreis I gab es zusätzlich ein Kino, in dem täglich Vorführungen stattfanden. Im Sommer konnte am nahegelegenen Moysee gebadet werden. Zur Sicherheit wurde an der Badestelle ein kleiner Luftschutzbunker errichtet.

Tourismus und Dokumentation

Seit 1959 ist die Anlage für die Öffentlichkeit zugänglich. Während des Kalten Krieges gab es jedoch kein kritisches Begleitprogramm, das Attentat vom 20. Juli 1944 wurde nicht gewürdigt. Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes übernahm die Wolfsnest GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung, die mehrheitlich einem polnisch-österreichischen Süßwarenproduzenten gehörte, die Vermarktung der „Wolfsschanze“. Der Schwerpunkt lag hierbei eher auf Tourismus als auf der Schaffung einer historisch-kritischen Ausstellung. So wurde etwa ein Bunker zu einem Schießstand umfunktioniert.

Nachbau der Lagebaracke in der "Wolfsschanze", zwei lebensgroße Figuren stellen eine Szene mit Hitler und Stauffenberg nach.

Fakt oder Fiktion? In der neu gestalteten Ausstellung in der "Wolfsschanze" finden sich auch nachgestellte Szenen, wie hier vom Tag des Attentatsversuchs in der Lagebaracke.

Bundeswehr/Helmecke

Nach einem Besitzerwechsel hat sich das Bild der „Wolfsschanze“ in den letzten Jahren aber erheblich geändert: Touristische Programmpunkte wurden entfernt oder zumindest reduziert. Information und Dokumentation stehen im Vordergrund. Es gibt ausgeschilderte Rundgänge durch den Sperrkreis I. Vor den Gebäuden befinden sich Informationstafeln. Die meisten Bunker dürfen aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden; ausgewählte Zugänge sind entsprechend markiert. An den Ort des Attentats erinnert eine Gedenktafel. Die zerstörte Lagebaracke wurde in einem anderen Gebäude detailliert nachgebaut. Ferner gibt es eine Ausstellung zum Warschauer Aufstand. Noch erfüllt das Dokumentationszentrum „Wolfsschanze“ nicht alle museumspädagogischen Ansprüche, doch befindet es sich auf einem guten Weg.

Literaturhinweise

Peter Hoffmann, Die Sicherheit des Diktators. Hitlers Leibwachen, Schutzmaßnahmen, Residenzen, Hauptquartiere, München 1975.
Uwe Neumärker/Robert Conrad/Cord Woywodt, Wolfsschanze. Hitlers Machtzentrale im II. Weltkrieg, Berlin 1999.
Johannes Tuchel/Uwe Neumärker, Der 20. Juli im „Führerhauptquartier Wolfschanze“, Berlin 2021.

von Chris Helmecke

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