"Die Geschichte kennen wir jetzt". Der 20. Juli 1944 im Spielfilm
"Die Geschichte kennen wir jetzt". Der 20. Juli 1944 im Spielfilm
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Kein Spielfilm über den 20. Juli war ein ausschließlich kommerzielles Unternehmen. Kassenknüller waren schlicht nicht zu erwarten von der Schilderung eines Attentats- und Staatsstreichversuchs, dessen Scheitern von vornherein bekannt war. Vielmehr ging es auch um Deutungshoheit und Einflussnahme auf die Wahrnehmung in der Bevölkerung.
Den beiden ersten, 1955 erschienenen Spielfilmen „Der 20. Juli“ (Regie: Falck Harnack, mit Wolfgang Preiss, Maximilian Schell u.a.) und „Es geschah am 20. Juli“ (Regie: Georg Wilhelm Pabst, mit Bernhard Wicki, Siegfried Lowitz u.a.) ging es vor allem um eine Einflussnahme auf die Wahrnehmung der historischen Ereignisse. Beide Filme bemühten sich um eine Rehabilitierung nicht nur der zu dieser Zeit noch hoch umstrittenen Widerstandskämpfer, sondern – im Kontext der westdeutschen Wiederbewaffnungsdebatte der 1950er Jahre – auch des deutschen Militärs generell. Wolfgang Preiss leistete hierzu mit seiner Darstellung Claus Schenk Graf von Stauffenbergs in „Der 20. Juli“ den deutlichsten Beitrag, indem er militärische Schneidigkeit mit ehrlich erscheinender Sorge um den Staat verband – ein früher Prototyp eines Staatsbürgers in Uniform, wie er zum Leitbild der neuen Armee werden sollte.
Während die „Helden“ in diesen frühen Filmen eher blutleer und langweilig bleiben, ist das Gegenteil für ihre Gegenspieler festzuhalten. So bleibt aus den Stauffenberg-Filmen von 1955 vor allem Ernst Schröder als SSSchutzstaffel-Obergruppenführer und zentraler Kontrahent der Widerständler im Gedächtnis. Seine überzeugend-beängstigende Darstellung eines fiktiven gnadenlosen Menschenjägers in SSSchutzstaffel-Uniform entsprach dem zeitgenössischen gesellschaftlichen Erinnerungskonsens, wonach allein die SSSchutzstaffel als das personifizierte Böse galt. 30 Jahre später fand das Fernsehen in Franz-Peter Wirths „Operation Walküre“ (WDR 1971) mit dem „Doku-Spiel“ zu einer neuen Erzählform (mit Joachim C. Fest als Moderator), in der Spielszenen und vorzugsweise an Originalschauplätzen gedrehte Interviews miteinander kombiniert wurden. Wiederum 30 Jahre später präsentierte Jo Baier in „Stauffenberg“ (2004, mit Sebastian Koch, Ulrich Tukur u.a.) mit Nina Stauffenberg als Mitverschwörerin und Partnerin erstmalig eine Frau als zentrale handelnde Person innerhalb der historischen Ereignisse. Vier Jahre nach Baiers preisgekrönter Verfilmung entdeckte schließlich Hollywood das Thema „20. Juli“. Mit Brian Singers „Valkyrie“ entstand 2008 eine viel diskutierte amerikanisch-deutsche Co-Produktion mit USUnited States-Star Tom Cruise in der Hauptrolle. Schnell wurden Befürchtungen laut, was „die Amerikaner“ mit „unserem Stauffenberg“ wohl anstellen würden. Das ZDF präsentierte daher eigens kurz vor der Premiere von „Valkyrie“ die „wahre Geschichte“ Stauffenbergs als zweiteilige Dokumentation. Eklatante historische Ungenauigkeiten waren dann aber auch in der Hollywood-Produktion nicht zu finden. Der Journalist und Filmhistoriker Hans Schmid forderte angesichts der zahlreichen Verfilmungen schon 2009: „Die Geschichte vom Umsturzversuch, der tragisch endete, kennen wir jetzt schon. Wann dreht endlich einer den Stauffenberg-Film mit einem tollen Aufstand, der gelingt, weil nicht erst die Befehle gestempelt werden müssen? Ein Film, bei dem Hitler in die Luft fliegt ...?“ Für historische Figuren wie Stauffenberg oder Henning von Tresckow ist ein solcher Schritt in die narrative Utopie kaum vorstellbar, zu stark gilt für sie die Notwendigkeit historischer Faktentreue. Denkbar wäre jedoch ein Film, der nicht nur vor dem 20. Juli beginnt, sondern über den Abend des Attentats hinausgeht, der die Verfolgungen im Anschluss und auch den Kampf der Angehörigen und Überlebenden um ihre Rehabilitierung nach 1945 in den Blick nimmt. Dies ist kaum zu leisten für einen Spielfilm, böte aber Potenzial für eine professionell produzierte Serie.