Der 20. Juli 1944. Protokoll eines Staatsstreiches
Der 20. Juli 1944. Protokoll eines Staatsstreiches
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Die nachfolgende Übersicht stellt die Chronologie der Ereignisse während des Staatsstreiches am 20. Juli 1944 in Berlin und im sogenannten Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ dar.
Uhrzeit | Berlin | „Wolfsschanze“ |
---|---|---|
06.00 Uhr | Oberst i. G. Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Chef des Stabes beim Befehlshaber des Ersatzheeres, fährt von seiner Wohnung in Berlin-Nikolassee, zusammen mit seinem Bruder Berthold, zum Flughafen Rangsdorf. | |
07.00 Uhr | Stauffenberg trifft sich mit seinem Adjutanten, Oberleutnant Werner von Haeften, am Flughafen. | |
Gegen 08.00 Uhr | Stauffenberg, Haeften und Generalmajor Hellmuth Stieff, Chef der Organisationsabteilung im Oberkommando des Heeres (OKH), fliegen mit einer Heinkel He 111 nach Rastenburg (Ostpreußen). | |
10.15 Uhr | Stauffenberg und Haeften treffen auf dem Flugplatz des Führerhauptquartiers (FHQForce Headquarters) „Wolfsschanze“ beim Gut Wilhelmsdorf ein. Haeften und Stieff fahren zunächst zum „Mauerwald“, dem Hauptquartier des OKH am nahegelegenen Mauersee. Stauffenberg fährt zur „Wolfsschanze“. | |
10.30 Uhr | Stauffenberg frühstückt zusammen mit anderen Offizieren im Kasino „Kurhaus“ im sog. Sperrkreis II. | |
11.00 Uhr | Stauffenberg nimmt an einer Dienstbesprechung in der Baracke des Chefs des Wehrmachtführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) mit General der Infanterie Walther Buhle, Chef des Heeresstabes beim OKW, und Generalleutnant Henning von Thadden, Befehlshaber im Wehrkreis I (Königsberg), im sog. Sperrkreis I teil. Haeften stößt zu dem Gespräch dazu. | |
11.30 Uhr | Stauffenberg meldet sich beim Chef des OKW, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel. Währenddessen erfolgt in den Sperrkreisen die routinemäßige Wachablösung. | |
Gegen 12.00 Uhr | General der Nachrichtentruppe Erich Fellgiebel, Generalbevollmächtigter für das Nachrichtenwesen, fährt vom OKH „Mauerwald“ zur „Wolfsschanze“ und begibt sich zum Wehrmachtnachrichtenoffizier Oberstleutnant Ludolf Gerhard Sander, der für alle Nachrichtenverbindungen im FHQForce Headquarters zuständig ist. Hitlers Diener, SSSchutzstaffel-Hauptsturmführer Heinz Lingen, informiert Keitel darüber, dass die Lagebesprechung von 13.00 auf 12.30 Uhr vorverlegt worden ist. | |
12.00 Uhr | Generalleutnant Paul von Hase, Stadtkommandant von Berlin, wird durch Major i.G.im Generalstabsdienst Egbert Hayessen über das beabsichtigte Attentat informiert. | |
12.30 Uhr | Hase fordert auf Anordnung des Chefs des Stabes beim Allgemeinen Heeresamt (AHA), Oberst i.G.im Generalstabsdienst Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim, beim Berliner Polizeipräsidenten, Wolf Heinrich Graf von Helldorf, acht bis zehn Kriminalbeamte an, die über die Lage in den Berliner Ministerien informiert sind. Im Bendlerblock finden sich mehrere Verschwörer ein. | Stauffenberg und Haeften begeben sich unter dem Vorwand, Stauffenbergs Hemd wechseln zu wollen, in das Schlafzimmer von Keitels Adjutanten, Major Ernst John von Freyend, und bereiten die Sprengladung vor. Aufgrund seiner Kriegsverletzung nutzt Stauffenberg eine Spezialzange, um den Zeitzünder zu aktivieren. Nur eine der beiden 1-kg-Sprengladungen können sie vorbereiten, dann stört Oberfeldwebel Werner Vogel die Vorbereitung, der wegen der Lagebesprechung zur Eile drängt. Die zweite Ladung verbleibt in Haeftens Aktentasche. |
Nach 12.30 Uhr | Stauffenberg geht 400 Meter zu Fuß zur Lagebaracke. Die Morgenlage hat begonnen. | |
12.37 Uhr | Keitel stellt Stauffenberg Hitler vor und meldet, dass dieser über den Einsatz der „Sperrdivisionen“ berichten werde. Stauffenberg stellt die Tasche mit dem Sprengstoff in der Nähe Hitlers rechts vom rechten Tischbein ab. Näher kommt er wegen des Gedränges im Besprechungsraum nicht. | |
12.40 Uhr | Stauffenberg verlässt die Besprechung unter dem Vorwand eines dringenden Telefonats. Er eilt zum Dienstzimmer des Wehrmachtnachrichtenoffiziers in der „Adjutantur der Wehrmacht beim Führer“, Oberstleutnant Sander. Dort wartet Haeften auf ihn. Hier trifft er ebenfalls auf Fellgiebel. Sander bestellt für Stauffenberg und Haeften einen Wagen. | |
12.42 Uhr | Detonation in der Lagebaracke. Vier der 24 anwesenden Personen erleiden tödliche Verletzungen. Hitler überlebt das Attentat leicht verletzt. Stauffenberg beobachtet die Explosion aus etwa 200 Metern Entfernung. Er und Haeften verlassen in einem Wagen mit Leutnant Erich Kretz als Fahrer den Sperrkreis I. | |
12.43 Uhr | Der wachhabende Leutnant der Wache 1 ordnet die Schließung des Sperrkreises I an. | |
12.44 Uhr | Stauffenberg und Haeften passieren die Wache am Sperrkreis I. Stauffenbergs Ausweis wird vom Wachhabenden anerkannt. Zudem ist er diesem vom Sehen her bekannt, sodass der Leutnant keinen Verdacht schöpft. | |
12.45 Uhr | Auslösung des Alarms für beide Sperrkreise. Stauffenberg wird an der „Wache Süd“ durch den Wachhabenden, Oberfeldwebel Kolbe, aufgehalten, erhält aber von Rittmeister Leonhard von Möllendorff nach telefonischer Rücksprache die Erlaubnis zu passieren. | |
Vor 13.00 Uhr | Stauffenberg und Haeften fahren zum Flugplatz. Unterwegs wirft Haeften die zweite Sprengladung aus dem Wagen. | |
13.00 Uhr | Fellgiebel verhängt eine Nachrichtensperre über das FHQForce Headquarters. Die Leitungen der SSSchutzstaffel bleiben davon allerdings unberührt. | |
Nach 13.00 Uhr | Reichspropagandaminister Joseph Goebbels erfährt vom Attentat, jedoch ohne Einzelheiten. | Sander wird zu Hitler befohlen, der eine baldige Rundfunkübertragung wünscht. Ein Übertragungswagen aus Königsberg wird angefordert, der aber erst abends in der „Wolfsschanze“ eintrifft. |
13.15 Uhr | Stauffenberg und Haeften fliegen nach Berlin zurück. | |
13.45 Uhr | Reichsführer-SSSchutzstaffel, Heinrich Himmler, trifft in der „Wolfsschanze“ ein. Zunächst richtet sich der Verdacht gegen die Arbeiter der „Organisation Todt“, die festgesetzt werden. Doch schnell steht Stauffenberg als Attentäter fest. | |
Gegen 14.00 Uhr | Mertz gibt ohne Genehmigung von Generaloberst Erich Fromm, dem Befehlshaber des Ersatzheeres, die vorbereitenden Befehle für „Walküre“ aus. | Himmler fordert vom Chef des Reichssicherheitshauptamtes, SSSchutzstaffel-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner, Tatort- und Sabotagespezialisten zur Aufklärung des Attentats an. Zudem ordnet er an, Stauffenberg nach der Landung in Rangsdorf festnehmen zu lassen. Reichsmarschall Hermann Göring trifft in der „Wolfsschanze“ ein. |
Gegen 15.00 Uhr | Stauffenberg und Haeften landen in Rangsdorf. Haeften informiert telefonisch die Verschwörer im Bendlerblock, dass Hitler tot ist. | |
Vor 16.00 Uhr | Olbricht meldet Fromm, dass Hitler tot ist und „Walküre“ ausgelöst werden müsse. Fromm prüft das telefonisch bei Keitel und erfährt, dass Hitler am Leben ist. | |
Gegen 16.00 Uhr | Himmler lässt die Nachrichtensperre im FHQForce Headquarters aufheben. Die Wehrkreiskommandos werden über das gescheiterte Attentat informiert. Gegenbefehle werden ausgegeben. | |
Nach 16.00 Uhr | Das Wachbataillon „Großdeutschland“ erhält die Alarmanweisung „Walküre“. Der Bataillonskommandeur, Major Otto Ernst Remer, fährt zur Einweisung zum Stadtkommandanten, Generalleutnant Hase. | |
16.20 Uhr | Fromm befiehlt, „Walküre“ nicht auszulösen. | |
16.30 Uhr | Leutnant Friedrich Karl Klausing übergibt ein Fernschreiben „Der Führer ist tot …“ an den Nachrichtendienst des OKW. Er ändert die erste Zeile zu „Innere Unruhen“ ab. Zwischen 17.35 und 21.03 Uhr geht das Fernschreiben an 20 Adressen. | |
16.30–17.00 Uhr | Stauffenberg und Haeften treffen im Bendlerblock ein. Stauffenberg meldet Fromm den Tod Hitlers und bekennt sich zum Attentat. Olbricht meldet Fromm, er habe „Walküre“ bereits ausgelöst. Fromm verweigert die Unterstützung und wird von den Verschwörern festgenommen. | |
16.45 Uhr | Major Remer kehrt mit dem Befehl zu seinem Bataillon zurück, das Regierungsviertel abzuriegeln. | |
17.00 Uhr | Himmler ruft im Reichssicherheitshauptamt an und befiehlt, Stauffenberg unauffällig im Bendlerblock festzunehmen. In der „Wolfsschanze“ gehen von verschiedenen Befehlshabern ständig Rückfragen zum Tode Hitlers ein. | |
Nach 17.00 Uhr | Generaloberst Ludwig Beck bestimmt Generaloberst Erich Hoepner zum Befehlshaber des Ersatzheeres. | Rundfunkmeldungen werden veranlasst, die vom Attentat und dem Überleben Hitlers berichten. |
17.00–17.30 Uhr | Remer weist seine Offiziere in die Lage eine. | |
17.20 Uhr | Blitzgespräch zwischen Hitler und Goebbels. Goebbels soll eine Rundfunkmeldung zum Attentat senden lassen. | |
Bis 17.30 Uhr | Die außerhalb von Berlin liegenden Truppen sind alarmiert. | |
17.50 Uhr | Klausing übergibt ein neues Fernschreiben an die Nachrichtenzentrale des OKW mit der Anordnung, dass die Gewalt in den Wehrkreisen an die stellvertretenden Kommandierenden Generale übergehe. Der Leiter der Nachrichtenzentrale, Oberleutnant Wolfram Röhrig, kommen erste Zweifel. | |
18.00 Uhr | Haeften übergibt Röhrig ein Fernschreiben, das die zweite Stufe von „Walküre“ auslösen soll. | |
Nach 18.00 Uhr | Hitler ernennt Himmler zum Befehlshaber des Ersatzheeres. Generaloberst Heinz Guderian soll die Geschäfte des Chefs des Generalstabes des Heeres übernehmen. | |
18.30 Uhr | Das Wachbataillon hat das Regierungsviertel abgeriegelt. | |
19.00 Uhr | Remer meldet sich bei Goebbels und wird von diesem telefonisch mit Hitler verbunden. Remer wird Hitler direkt unterstellt und erhält den Befehl, den Putschversuch sofort niederzuschlagen. Remer lässt die Abriegelung des Regierungsviertels aufheben. | |
Gegen 19.00 Uhr | Ständige Nachfragen von stellvertretenden Kommandierenden Generalen zu den widersprüchlichen Meldungen. Stauffenberg bestätigt immer wieder die Richtigkeit der „Walküre“-Maßnahmen. | |
19.15 Uhr | Fernschreiben geht an Röhrig, in dem die Rundfunkmeldung als falsch dargestellt und erneut mitgeteilt wird, dass Hitler tot sei. | |
19.30 Uhr | Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben, der vorgesehene neue Oberbefehlshaber der Wehrmacht, trifft im Bendlerblock ein. | |
19.45 Uhr | Röhrig meldet seinem Abteilungschef, Oberst Otto Köllner, seine Bedenken und seine bereits erfolgten Verzögerungen bei der Weitergabe der Fernschreiben. | |
20.00 Uhr | Verschiedene Kommandeure reagieren immer abweisender auf Stauffenbergs Anordnungen, denn über jeden Nachrichtenstrang wird bereits seit Stunden von Hitlers Überleben berichtet. Die in Berlin eingetroffene Panzer-Ersatzbrigade soll den Putschversuch niederschlagen. | |
Nach 20.00 Uhr | Neue Fernschreiben der Verschwörer werden von Röhrig nicht mehr abgesetzt. | |
20.15 Uhr | Witzleben verlässt den Bendlerblock, wohl weil er den Staatsstreich für gescheitert hält. | |
20.20 Uhr | Fernschreiben Keitels geht an alle Wehrkreisbefehlshaber, wonach nur noch den Befehlen Himmlers als neuen Befehlshabers des Ersatzheeres zu folgen ist. | |
20.35 Uhr | Olbricht untersagt die Weitergabe des eingetroffenen Fernschreibens Keitels. | |
Ab 21.25 Uhr | Keitels Fernschreiben wird von Röhrig weitergeleitet. Die bisherigen Fernschreiben werden für ungültig erklärt. | |
Nach 21.30 Uhr | Der Stadtkommandant, Generalleutnant Hase, wird verhaftet. | |
22.30 Uhr | Truppen des Wachbataillons sind aus dem Bendlerblock abgezogen. Olbricht befiehlt sechs Generalstabsoffiziere als Wachhabende an die sechs Ausgänge. | |
Gegen 22.30 Uhr | Eine Gruppe von Offizieren, die nicht in die Verschwörung eingeweiht war, sammelt sich im Bendlerblock für einen „bewaffneten Gegenstoß“. Im Zuge dessen kommt es zum Schusswechsel auf den Fluren des Bendlerblocks, bei dem Stauffenberg verwundet wird. Schließlich gelingt den regimetreuen Offizieren die Befreiung Fromms. | |
23.00 Uhr | Fromm übernimmt wieder das Kommando im Bendlerblock. Er lässt die Verschwörer verhaften und verkündet ein standgerichtliches Urteil wegen Hoch- und Landesverrat. Beck erhält die Möglichkeit der Selbsttötung und wird nach dem Misslingen erschossen. | Fellgiebel und Stieff werden verhaftet. |
23.15 Uhr | Die ersten Kräfte des Wachbataillons besetzen den Bendlerblock. Es ist unklar, warum dies nach Remers Telefonat mit Hitler so lang dauerte. | |
Nach 00.00 Uhr | Fromm lässt ein Fernschreiben über die Niederschlagung des Staatsstreiches an alle Wehrkreise senden. | |
Gegen 00.15 Uhr | Im Hof des Bendlerblocks werden Olbricht, Haeften, Stauffenberg und Mertz von einem Erschießungskommando hingerichtet. | |
Gegen 01.00 Uhr | Hitler spricht im Rundfunk. |
Literaturhinweise
Winfried Heinemann, Unternehmen „Walküre“. Eine Militärgeschichte des 20. Juli 1944, Berlin/Boston 2019.
Johannes Tuchel/Uwe Neumärker, Der 20. Juli im „Führerhauptquartier Wolfschanze“, Berlin 2021.
Ueberschär, Gerd R., Stauffenberg. Der 20. Juli 1944, Frankfurt a. M. 2004.
Heinrich Walle, Der 20. Juli 1944. Eine Chronik der Ereignisse von Attentat und Umsturzversuch. In: Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Hrsg. von Peter Steinbach und Johannes Tuchel, Berlin 1994, S. 364–376.