ZMG 2/2025

"In den Staub mit allen Feinden Brandenburgs". Fehrbellin, 18. Juni 1675: Mythos einer Schlacht

"In den Staub mit allen Feinden Brandenburgs". Fehrbellin, 18. Juni 1675: Mythos einer Schlacht

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Sie galt als erster brandenburgisch-preußischer Sieg: die Schlacht bei Fehrbellin vor 350 Jahren. Schon die Zeitgenossen legten den Grundstein für ihre Mythisierung. Friedrich der Große, Heinrich von Kleist und Theodor Fontane veränderten, propagierten und verfestigten damit den Mythos dieses Sieges.

Gemälde des Schlachtgetümmels bei Fehrbellin mit unzähligen Soldaten, vorne Soldaten zu Pferd

Wimmelbild: Die Schlacht von Fehrbellin in einer zeitgenössischen Darstellung des Malers Romeyn de Hooghe; neukoloriert.

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Die goldene Siegesgöttin steht über ihm, das Portrait des „Großen“ Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1640‑1688) ist als Relief an seinem Fuß angebracht und eine Lindenallee führt von einem kleinen Denkmal zu ihm hin. Die Rede ist von dem Aussichts- und Denkmalturm auf dem Schlachtfeld von Fehrbellin (Brandenburg), dessen Grundstein am 200. Jahrestag dieser kriegerischen Begegnung am 18. Juni 1875 gelegt wurde. Er befindet sich am Standort der brandenburgischen Artillerie, die hier 1675 ihr Feuer auf die Armee des Königs von Schweden eröffnete.

Beginn des Gedenkens

Siegessäule mit goldenem Engel als Denkmal der Schlacht umgeben von Bäumen

Die Siegessäule Hakenberg ist ein 36 Meter hohes Denkmal bei Fehrbellin. Sie erinnert an die Schlacht bei Fehrbellin am
18. Juni 1675 und steht auf dem Hügel, wo sich während der Schlacht die Geschützstellung der Brandenburger befand.

picture alliance / Jörg Carstensen / Joerg Carstensen

Das erwähnte kleine Denkmal an dem Ort, wo die brandenburgische Kavallerie die schwedische Infanterie niederritt, wurde anlässlich des 125-jährigen Jubiläums der Schlacht errichtet. Es trägt unter anderem die Aufschriften: „Friedrich Wilhelm der Grosse kam sah und siegte“ sowie »Hier legten die braven Brandenburger den Grund zu Preussens Grösse«. Somit wurde der Schlacht von Fehrbellin im Nachhinein eine besondere Rolle beim Aufstieg des kleinen Brandenburgs zur Großmacht Preußen zugeschrieben, an dem Kurfürst Friedrich Wilhelm persönlich angeblich bedeutenden Anteil gehabt hatte. 

Steindenkmal für die Schlacht von Fehrbellin, umzäunt, rechts daneben steht ein Baum

"Er kam sah und siegte": Denkmal auf dem Schlachtfeld von Fehrbellin aus dem Jahre 1800 zum 125. Jahrestag der Schlacht.

Doris Potempa

In diese Richtung geht auch die Wertung Theodor Fontanes, der dem dritten Band seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ 1873 statt eines Vorwortes ein Gedicht voranstellte, in dem es heißt: „Nun klärt sich das Wetter, Sonnenschein, Trompetengeschmetter, Derfflinger greift an, die Schweden fliehn, Grüß Gott Dich Tag von Fehrbellin. Grüß Gott Dich Tag, Du Preußen-Wiege, Geburtstag und Ahnherr unserer Siege, Und Gruß Dir, wo die Wiege stand Geliebte Heimat Havelland“. Als Fontane dies schrieb, war Preußen bereits seit 1871 die Führungsmacht im neuen Kaiserreich, blickte auf seine „Nationale Sendung“ zurück, machte sie an Erinnerungsorten fest und bemerkte dabei, dass es bereits unter dem Großen Kurfürsten die ersten bedeutenden Gebietserweiterungen gegeben hatte. Somit ließ sich vermeintlich eine gerade „Siegeslinie  ziehen. Während des “Holländischen Krieges„ (1672‑1679) unterstützte das 1644 als “Stehende Armee„ aufgestellte brandenburgische Heer den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches anfänglich in seinem Kampf gegen König Ludwig XIV. von Frankreich. Dieser sah sich bedrängt und schmiedete ein Bündnis mit König Karl XI. von Schweden aus dem Haus Pfalz-Zweibrücken-Kleeburg, einer Nebenlinie des Hauses Wittelsbach.

Fehrbellin – Die Schlacht

Karl XI. rückte 1674/75 mit seiner Armee bis nach Havelberg in Brandenburg vor. Die brandenburgischen Truppen befanden sich indes mehrheitlich am Rhein beziehungsweise in den Winterquartieren in der Reichsstadt Schweinfurt (heute Unterfranken, Freistaat Bayern). Die Mark Brandenburg war also schutzlos dem Gegner preisgegeben. Kurfürst Friedrich Wilhelm suchte zum einen zunächst erfolglos nach Verbündeten und ließ zum anderen seine Armee in Eilmärschen Richtung Heimat vorrücken. Dem hohen Marschtempo war allerdings die Infanterie kaum gewachsen, so dass am Tag von Fehrbellin im Wesentlichen „nur“ brandenburgische Reiter zur Verfügung standen, unterstützt von einigen Kanonen. Die Schweden wurden von dem hohen Marschtempo überrascht und konnten in zwei Gefechten bei Nauen (Havelland) am 13. Juni und bei Rathenow (Havelland) am 17. Juni 1675 geschlagen und zum Rückzug in Richtung der Kleinstadt Fehrbellin mit seiner wichtigen Brücke über das Flüsschen Rhin gezwungen werden. Den Brandenburgern unter dem Oberbefehl des Kurfürsten, dem Kommando des Feldmarschalls Georg von Derfflinger und des Kavalleriegenerals Prinz Friedrich von Hessen-Homburg standen 6000 Mann Kavallerie und 13 Kanonen zur Verfügung. Die schwedische Seite war zahlenmäßig überlegen, sie zählte 7000 Infanteristen, 4000 Mann Kavallerie und 38 Kanonen. 

Kartografische Darstellung des Schlachtgeschehens am 18. Juni bei Fehrbellin

Glorioser Sieg: Der brandenburgisch-preußischen Armee gelang es die kampferprobten Schweden mit einem schnellen Angriff zu schlagen.

Bundeswehr/Nogli

Die Schlacht bei Fehrbellin begann mit einer Kanonade der auf dem Sandhügel stationierten brandenburgischen Artillerie, die den rechten schwedischen Flügel dezimierte. Ein schwedischer Angriff in Richtung der brandenburgischen Kanonen stürzte das Heer des Kurfürsten zunächst in Verwirrung. Gegenangriffe aber bereinigten die Situation. Nach zweistündigem Kampf zogen sich die Schweden schließlich zurück. Der Ursprungsplan, die Schweden weitläufig in der Sumpf- und Moorlandschaft zu umstellen und einzukesseln, war zugunsten eines schnellen Angriffes und eines schnellen Sieges aufgegeben worden. Damit aber war letztlich die Chance vertan worden, die schwedische Armee entscheidend zu schlagen. Dennoch hatte die brandenburgische Seite „nur“ Verluste in Höhe von circa 500 Gefallenen und Verwundeten zu beklagen, die Schweden verzeichneten hingegen etwa 4000 Gefallene, Verwundete und Fahnenflüchtige.

Keine große Schlacht

Bereits nach zeitgenössischer Ansicht war, verglichen mit den großen Schlachten des Dreißigjährigen Krieges, die Truppenstärke gering und die Kampfhandlungen damit eher als ein Gefecht und nicht als Schlacht, schon gar nicht als große Schlacht anzusprechen. Zudem war die Frage des Oberbefehls bei den Schweden nicht unwichtig. Diesen hatte der berühmte und erfahrene Veteran des Dreißigjährigen Krieges Feldmarschall Carl Gustav von Wrangel inne. Dieser war jedoch schwer erkrankt und übertrug das Kommando bei Fehrbellin seinem 33-jährigen, militärisch wesentlich weniger erfahrenen Stiefbruder Generalleutnant Waldemar von Wrangel. Somit errang die brandenburgische Armee zwar einen Sieg über die Schweden unter Wrangel, aber eben nicht über den erfahrenen General. Die zeitgenössischen Flugblätter und Drucke hoben den Sieg der Brandenburger, die auf sich alleine gestellt gewesen waren, hervor und bezeichneten ihn als „Glorieuse Victorie“ über die Schweden im „Havellandt“. Tatsächlich muss Europa nach diesem Gefecht in gewissem Sinne aufgehorcht haben, denn so einen Sieg hätte wohl niemand dem kleinen Kurfürstentum Brandenburg über die kampferprobte mächtige Armee des Königs von Schweden unter ihrem erfahrenen Oberbefehlshaber Wrangel zugetraut. 

Als Ergebnis von Fehrbellin kann gelten, dass sich die schwedische Armee, die damit noch lange nicht entscheidend geschlagen war, aus der Mark Brandenburg zurückzog. So erfolgreich die brandenburgischen Truppen bei Fehrbellin auch waren und so bedeutend wie sie den Zeitgenossen sowie der Nachwelt auch erschienen sein mochte, eines war Fehrbellin ganz sicher nicht: die eine große, alles entscheidende Schlacht, falls es eine solche jemals gegeben haben mag. Ganz sicher war Fehrbellin eine Wegmarke. Der Brandenburgisch-Schwedische Krieg, auch als Nordischer oder Schonischer Krieg bekannt, unter Beteiligung Dänemarks gegen Schweden, der 1674 begonnen hatte, ging jedenfalls bis 1679 weiter. Der brandenburgischen Armee gelang es, weite Teile des auf dem Gebiet des Reiches liegenden von Schweden beherrschten Territoriums zu erobern. Brandenburg musste aber einen Großteil der Gebietsgewinne im Friedensschluss zu Saint-Germain wieder an Schweden abtreten.

Das Urteil Friedrich des Großen

Friedrich der Große (1740‑1786) hatte eines wohl verstanden: wer schreibt, der bleibt. Er schrieb und blieb. Nur wenige Könige haben ein so umfangreiches belletristisches, fachwissenschaftliches, publizistisches und historisches Werk hinterlassen wie der „alte Fritz“. Dazu gehören unter anderem seine „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg“, in dem er seinen Ahnherrn, den Großen  Kurfürsten, beurteilt, auf die Schlacht bei Fehrbellin eingeht und zudem die Rolle des Prinzen von Homburg neu bewertet: „Am 28. Juni marschiert er gegen die Schweden. 1600 Reiter, den Vortrab, vertraut er dem Landgrafen von Homburg an, mit dem Befehl, sich auf keinen Kampf einzulassen, sondern nur zu rekognoszieren. Der Landgraf geht vor [...] lässt sich vom Kampfeseifer fortreißen und verwickelt sich in einen Kampf, [...]“. 

Der Große Kurfürst sitzt auf seinem Schimmel, mit Schwert in der Hand, umgeben von Gefolgsleuten

An vorderster Front: Der Große Kurfürst kämpfte gemeinsam mit seiner Truppe, war dabei aufgrund seines Schimmels jedoch auch als Ziel weithin sichtbar. Farblithographie, um 1880.

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Somit ist die Geschichte von dem Prinzen von Homburg geboren, der einen ihm gegebenen Befehl missachtet, als verantwortlicher Truppenführer die Lage beurteilt, seine Chance wittert, selbstständig handelt und damit Erfolg in Gestalt des Sieges hat. Der Große Kurfürst sieht sich nun nach Friedrichs Ansicht in der Zwickmühle, eine Befehlsmissachtung, die aber zu einem glorreichen Sieg führte, ahnden zu müssen. Friedrich löst die Sache auf, indem er Friedrich Wilhelm die Herrschertugend des Großmutes zuschreibt: „Dem Landgrafen von Homburg verzieh er [...] ›Wenn ich euch nach der Strenge der Kriegsgesetze richtete, hättet ihr das Leben verwirkt. Aber verhüte Gott, dass ich den Glanz eines solchen Glückstages beflecke, indem ich das Blut eines Fürsten vergieße, der ein Hauptwerkzeug meines Sieges war!‹“

Militärisches Vorbild

Zudem lobt Friedrich, der seine Armeen selbst kommandierte, seinen Ahnherrn für dessen militärische Haltung: „Wenige Heerführer können sich rühmen, eine ähnliche Kriegstat wie die von Fehrbellin vollbracht zu haben. Selbst seine Feinde rühmen Friedrich Wilhelm, seine Untertanen segneten ihn. Und seine Nachkommen datieren von diesem ruhmreichen Tage den hohen Aufstieg, den das Haus Brandenburg genommen hat“. Hinzu kommt die Geschichte, die die preußische Treue zum Kurfürsten illustrieren soll. Angeblich hatte der Leib-Stallknecht die Gefahr für den Kurfürsten erkannt, wenn dieser sich auf seinem Schimmel persönlich in den Kampf begab. Das Pferd war wohlbekannt, weithin sichtbar und somit ein Ziel erster Ordnung. Er habe mit Friedrich Wilhelm das Ross getauscht: er tauschte und kam prompt während des Getümmels unter tragischen Umständen zu Tode, der Landesherr aber überlebt unverletzt. Diese Begebenheit hat sich nachweislich so nie zugetragen, konnte aber als schönes Beispiel für den Opfermut eingesetzt werden. Den zweiten großen territorialen Zugewinn nach dem Großen Kurfürsten bekam das 1701 zum Königreich erhobene Preußen unter Friedrich dem Großen durch die Eroberung und „Verteidigung“ Schlesiens zwischen 1740 und 763 und die polnischen Teilungen ab 1772. Zudem war Preußen nun anerkannte Großmacht in Europa. Die Wertungen Friedrichs lesen sich also ebenfalls als auf dem Gipfel des Erfolges stehend und aus dieser Perspektive ruhmvoll auf Fehrbellin rückblickend.

Wertung Heinrich von Kleists

Als Heinrich von Kleist 1810/11 sein Drama „Prinz Friedrich von Homburg“ niederschrieb, hatten sich die Zeiten geändert. Nach der Niederlage von 1806/07 gegen Napoleon war Preußens Territorium stark geschrumpft. Kleist griff nun den bekannten Fehrbellin-Mythos auf, nutzte die von Friedrich dem Großen in die Welt gesetzte Geschichte vom Prinzen von Homburg und änderte sie ab. Er beschrieb Fehrbellin als einen Sieg auf dem Weg zur preußischen Großmacht, zu dem die Zeitgenossen zurückkehren sollten und konnten, wenn sie sich auf ihre Stärke besinnen würden.

Portrait von Heinrich von Kleist

Fehrbellin im Theater: Autor des Stücks "Die Schlacht bei Fehrbellin" war Heinrich von Kleist (1777‑1811).

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Zunächst einmal machte er aus dem Prinzen Friedrich von Homburg einen jungen, verliebten, ruhmsüchtigen und verträumten General, der auch menschlich-schwach erscheinen durfte. Bei der entscheidenden Lagebesprechung ist er unaufmerksam, gibt, entgegen der strikten Anweisung des Kurfürsten, den Angriffsbefehl und hat damit entscheidenden Anteil am Erfolg von Fehrbellin. Auch hier findet sich die Geschichte von den vertauschten Pferden, die für Verwirrung sorgt, da der Landesherr selbst erst für tot gehalten wird. Kurfürst Friedrich Wilhelm sieht zwar das selbstständige Denken und erfolgreiche Handeln seines Generals, lässt ihn jedoch trotzdem verhaften und ihm den Prozess machen, damit klar würde, dass in Brandenburg nicht Willkür herrsche, sondern deutlich werde, dass alle ohne Ausnahme unter dem Gesetz stünden. Prinz Friedrich ist zutiefst erschüttert: „Warum die Kugel muss es sein? [...] Seit ich mein Grab sah, will ich nichts als leben und frage nicht mehr, ob es rühmlich sei“ (IV. Akt, 5. Szene). Das Todesurteil erregt die gesamte Armee, die sich mit Gnadengesuchen an den Kurfürsten wendet, beinahe steht eine Art Putsch bevor. Friedrich Wilhelm lenkt ein und betont, er würde den Prinzen begnadigen, wenn dieser an seinem Verhalten und an dem Urteil Fehler finden würde. Friedrich von Homburg ist geläutert, findet keinen Fehler und ist bereit, sich hinrichten zu lassen. Dem somit „reuigen Sünder“ vergibt der Kurfürst und begnadigt ihn. Nun wendet sich die Generalität mit dem Ruf „In den Staub mit allen Feinden Brandenburgs“ erneut gegen die Schweden. Das Motiv des „in den Staub mit“ durchzieht das gesamte Stück, es wird über zehn Mal verwendet und auf die Ehre, den Ruhm, auf Blumen sowie auf die Liebe bezogen. Erst am Schluss erfolgt die Steigerung gegen den äußeren Feind. Heinrich von Kleist erlebte weder die Drucklegung seines Werkes noch die Uraufführung in Wien 1821 unter dem Titel „Die Schlacht von Fehrbellin“. Er hatte 1811 Selbstmord begangen.

Anfang und Ende: Fontane

Portrait Theodor Fontane mit Schnurrbart

Propagandist einer preußischen Siegesserie: Theodor Fontane (1819‑1898), Portrait von Carl Breitenbach, 1889.

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Der bereits zitierte Theodor Fontane nutzte den Fehrbellin-Mythos und propagierte ihn dadurch gleichermaßen. In seinem 1864 entstandenen Gedicht „Tag von Düppel“ anlässlich des für Preußen siegreichen Sturmes auf die Düppeler Schanzen im Krieg gegen Dänemark reihte er den jüngsten Sieg in eine vermeintlich glorreiche Vergangenheit ein. Als Aufhänger benutzte er das Datum des 18., wobei er den 18. April und den 18. Juni gekonnt miteinander verwebt: „Still! Vom achtzehnten April ein Lied ich singen will [...] Ein ›achtzehnter‹ war es voll und ganz, Wie bei Fehrbellin und Belle-Alliance“. Belle-Alliance war die preußische Bezeichnung für die Entscheidungsschlacht gegen Napoleon bei Waterloo am 18. Juni 1815, mit der die Napoleonischen Kriege beendete wurden. Diese nennt Fontane nun in einem Atemzug mit Fehrbellin 1675 und benutzt beide, um den damals aktuellen Erfolg von Düppel historisch in einer preußischen Siegesserie zu verorten. Er kommt nach einer fast 50-jährigen Friedensepoche zu dem Ergebnis: „Die Preußen sind die alten noch, Du Tag von Düppel lebe hoch!“ Allerdings ist Fontane nicht nur Lyriker und Propagandist, sondern auch sachlich-nüchterner Chronist. In Band IV seiner „Wanderungen“ verweist er auf den historischen Friedrich von Homburg und auf die Veränderungen, die Kleist vorgenommen hatte: „Prinz Friedrich von Homburg [...] war [...] nicht der, als der er uns in dem Kleistschen Schauspiel entgegentritt. [...] Unser Prinz ward am 9. Juni 1633 geboren [...]“. Somit zählte er bei Fehrbellin 42 Jahre und galt damals nicht mehr als jung. Zudem hatte er nicht sein ganzes Soldatenleben im Dienst des Kurfürsten von Brandenburg verbracht: „Er trat jung in schwedischen Dienst war 1659 mit vor Kopenhagen [...]“. Also war er vorher Offizier des Königs von Schweden und kannte die Kampfweise der schwedischen Armee. Der Große Kurfürst konnte erfahrene Militärs immer gebrauchen und der Wechsel von einer Armee zur anderen war damals nicht ungewöhnlich. Darüber hinaus wäre er nach heutiger Terminologie als Mensch mit Behinderung anzusprechen, denn 1659 „verlor [er] bei dieser Belagerung [von Kopenhagen] ein Bein“. Er trug eine Prothese, weswegen er „Prinz mit dem silbernen Bein“ genannt wurde.

Zeitgenössische Umdeutungen

Schon die Zeitgenossen hatten aus dem Gefecht eine Schlacht und aus der Schlacht eine Entscheidungsschlacht gemacht. Sie hoben hervor, dass die zahlenmäßig unterlegene brandenburgische Armee dank guter Führung ihres Großen Kurfürsten den mächtigen Gegner Schweden unter der Führung des erfahrenen Feldmarschalls Wrangel schlagen konnte und sich „die Schweden“ als Folge aus Brandenburg zurückziehen mussten. Friedrich der Große blickte auf seinen Ahnherren Friedrich Wilhelm zurück, sah in ihm den Beginn des preußischen Aufstieges, attestierte ihm Feldherrengenie, flocht die Geschichte vom Prinzen von Homburg und von den vertauschten Pferden ein. Heinrich von Kleist, der das Denkmal von Fehrbellin anlässlich des 125-jährigen Jubiläums aus dem Jahre 1800 kannte, nutzte die beiden friderizianischen Anekdoten und arbeitete den Stoff, in einer Zeit, in der Preußen scheinbar am Boden lag, um. Er orientierte sich an Preußens vergangener Größe, die es wieder zu erreichen galt. Theodor Fontane schließlich schrieb in der Epoche, in der Preußen deutsche Führungsmacht war, und konstruierte eine Erfolgslinie von Fehrbellin bis in das Kaiserreich. Zum 200. Jubiläum war der eingangs erwähnte Turm errichtet worden, nach dem Motto „Wie wir’s so herrlich weit gebracht“.

Literaturtipps

Frank Göse, Fehrbellin. In: Militärgeschichtliches Handbuch Berlin-Brandenburg. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamts hrsg. von Kurt Arlt, Michael Thomae und Bruno Thoß, Berlin 2010, S. 362‑366.
Jürgen Luh, Der Grosse Kurfürst. Sein Leben neu betrachtet, München 2020.

 

von Harald Fritz Potempa

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