ZMG 4/2024

Ungleiche Gegner? Bundeswehr, NVANationale Volksarmee und Sowjetarmee im Kräftevergleich 1987

Ungleiche Gegner? Bundeswehr, NVANationale Volksarmee und Sowjetarmee im Kräftevergleich 1987

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Der Blick auf Kräfte und die vermutete Absicht des Gegners gehört zum Einmaleins der Lagebeurteilung im Militär. Im Kalten Krieg standen sich das III. Korps der Bundeswehr und Verbände der Nationalen Volksarmee (NVANationale Volksarmee) sowie der Sowjetunion an der innerdeutschen Grenze unmittelbar gegenüber. Der Vergleich der zugehörigen Kräfte analysiert, inwiefern die immer wieder postulierte konventionelle Überlegenheit des Warschauer Paktes in der Mitte Europas die Realitäten abbildete.

Deutscher Kampfpanzer der Bundeswehr im freien Gelände während eines Manövers im September 1980

Teil einer möglichen deutsch-deutsche Konfrontation: Ein Kampfpanzer der Bundeswehr vom Typ Leopard 1 A1A1 während des Manövers "Sankt Georg" im Großraum Fulda im September 1980.

Bundeswehr/Matthias Zins

Bis zum Ende des Kalten Krieges 1990 befanden sich westlich der Grenze zur DDRDeutsche Demokratische Republik die Gefechtsstreifen von neun Korps aus sechs NATO-Staaten. Den Raum Nordhessen sollte im Fall eines Angriffs des Warschauer Paktes das III. Korps der Bundeswehr in einer beweglich geführten Verteidigungsoperation halten. 

Karte der während des Kalten Krieges auf deutschem Staatsgebiet stationierten Großverbände.

Karte der Kräfte: An der innerdeutschen Grenze standen sich zahlreiche Nationen mit ihren Großverbänden auf Seiten der NATO und des Warschauer Paktes gegenüber.

Bundeswehr/Nogli

Seine nördliche Grenze zum I. Belgischen Korps lag südlich Göttingen, seine südliche zum V. USUnited States-Korps etwa entlang der A 4 nördlich Bad Hersfeld. Für seine Aufgabe hatte das III. Korps aber nicht seine Friedensstärke von rund 70000 Soldaten in drei Divisionen zur Verfügung. Laut Truppeneinteilung im General Defense Plan (GDP) blieb ihm mit Einnehmen der GDP-Gliederung nur eine der drei Brigaden der 12. Panzerdivision, da zwei an das VII. USUnited States-Korps abgegeben werden sollten. Somit umfasste das III. Korps die 2. Panzergrenadier- und die 5. Panzerdivision mit jeweils drei Brigaden und die Panzerbrigade 34. Anders als noch bis Mitte der 1980er Jahre sollte 1987 auch die Luftlandebrigade 26 nicht mehr dem III. Korps unterstellt werden, sondern mit der Luftlandebrigade 25 beim II. Korps zur Operationsführung am südlichen Rand des Korps eingesetzt werden.

Gegnerische Kräfte

Im für die Feindlagebeurteilung des III. Korps relevanten Raum, im Süden der DDRDeutsche Demokratische Republik, lagen Verbände der sowjetischen 8. Gardearmee mit Stab in Nohra bei Weimar und der 1. Gardepanzerarmee mit Stab in Dresden sowie des Militärbezirks III der NVANationale Volksarmee mit Stab in Leipzig. Bei einer Mobilmachung sollte aus diesem die 3. Armee der NVANationale Volksarmee aufwachsen. Die Armeen des Warschauer Pakts wurden in der Beurteilung der NATO mit den eigenen Korps verglichen, da diese Führungsebene im Osten fehlte. Die 8. Gardearmee (73000 Mann, diese und folgende Stärkeangaben gerundet) und die 3. Armee (55500 Mann, mit einer mobilzumachenden Division 70000 Mann) umfassten je drei motorisierte (mot.) Schützendivisionen (MSD) mit jeweils 14500 Mann und je eine Panzerdivision mit 12500 Mann. Zum Vergleich: Die Divisionen der Bundeswehr sollten von ihrer Friedensstärke von jeweils 18000 Soldaten auf eine Verteidigungsstärke von 26000 Mann aufwachsen. Die sowjetischen Divisionen waren bereits im Frieden zu 100 Prozent aufgestellt. Die dritte MSD der 3. Armee sollte aus einem Ausbildungszentrum im sächsischen Schneeberg mit dessen Stammpersonal und Reservisten mobilgemacht werden, ihre Bewaffnung und das Gerät waren eingelagert. Die NVANationale Volksarmee plante hier zudem mit weiteren drei mobilzumachenden MSD, von denen zwei als Reserve des (sowjetischen) Frontoberbefehlshabers eingeplant waren.

Karte ausgewählter Friedensstandorte einiger Verbände des Warschauer Paktes auf dem Gebiet der DDR

Hohe Bereitschaft auch im Frieden: Die Karte zeigt die Dislozierung der Verbände der Kräfte des Warschauer Paktes, die dem III. Korps gegenüberstanden bis hinunter auf Divisions- und Brigadeebene an ihren Friedensstandorten.

Bundeswehr/Nogli

Die 1. Gardepanzerarmee war mit nur drei Divisionen und 55700 Mann die kleinste aller fünf in der DDRDeutsche Demokratische Republik stationierten sowjetischen Armeen. Jede sowjetische Division und die der NVANationale Volksarmee gliederten sich, anders als die der Bundeswehr, nicht in Brigaden, sondern in vier Panzer- bzw. mot. Schützenregimenter (Mischung drei zu eins oder umgekehrt) und ein Artillerieregiment. Brigaden gab es auch, aber nur in den Kampfunterstützungstruppen auf Armeeebene, vor allem Raketen- und Artilleriebrigaden. In seiner Feindlagebeurteilung als Grundlage des GDP 1987 erkannte der darauf spezialisierte G2-Offizier des III. Korps die drei Armeen und deren Divisionen in ihrer Friedensgliederung richtig. Deren Personalstärke (für die 3. Armee in Friedensgliederung mit nur drei Divisionen) summierte der G2 auf 167500 Mann und lag damit, wie wir heute wissen, unter der tatsächlichen Stärke von 184000 Mann. Zudem ging das Korps von der Eingliederung dreier mobilzumachender NVANationale Volksarmee-Divisionen in die Kräfte der 3. Armee aus. Für deren Mobilmachung veranschlagte der G2 nur zwei Tage. Statt drei war aber nur eine Mobilmachungsdivision (Mob-MSD) für die 3. Armee vorgesehen; die anderen zwei sollten als Reserve der Front verbleiben. Aber auch deren zusammen 29000 Soldaten standen ja im Raum und müssen, wie es der G2 tat, mitbetrachtet werden. Mit den drei Mob-MSD summierten sich die Kräfte der Sowjetarmee und der NVANationale Volksarmee auf 227500 Soldaten. Der G2 hatte damit die gegnerische Stärke vor seinem III. Korps und den beiden USUnited States-Korps südlich von ihm um 17500 Soldaten zu gering geschätzt.

Feindlagebeurteilung des III. Korps

Originalkarte zur Feindlagebeurteilung des III. Korps der Bundeswehr mit vermuteten Vorstößen

Korrekte Einschätzung? Karte zur Feindlagebeurteilung des III. Korps der Bundeswehr aus dem Jahr 1987, zusätzliche Einträge: Klaus Storkmann.

Bundeswehr/Nogli

Als angreifende gegnerische Kräfte im eigenen Gefechtsstreifen nahm das III. Korps die 3. Armee mit zwei bis drei Divisionen »im Zuge der Achse Nordhausen/Heiligenstadt – Göttingen« an. Südlich davon, »im Zuge der Achse Eisenach– BAB 4 – BAB 48 bzw. Fulda«, also am eigenen rechten Flügel, sah es die sowjetische 8. Gardearmee, aber mit nur einer Division im eigenen Gefechtsstreifen. Alle diese Kräfte gehörten zur ersten operativen Staffel. Als zweite operative Staffel vermutete das Korps die 1. Gardepanzerarmee. Deren Einsatz »vor oder gleichzeitig« mit der 8. Gardearmee wurde »aus Raumgründen und wegen ungünstiger Friedensdislozierung« als »unwahrscheinlich« bewertet. Den Kräftevergleich im konkreten Raum zwischen III. Korps und 3. Armee stellt die nebenstehende Grafik in Bataillonen beziehungsweise Bataillonsäquivalenten nach Truppengattungen 1988 dar. Die Stärken und Schwächen beider sind klar zu erkennen, vor allem die Artilleriestärke der NVANationale Volksarmee. Die direkt der Führung der 3. Armee unterstellten Artilleriekräfte umfassten nach Mobilmachung eine 1800 Mann starke Artilleriebrigade, eine mit zwölf operativ-taktischen Raketen des Typs »Elbrus« (NATO-Codename SSSchutzstaffel-1c »Scud-B«) ausgestattete Raketenbrigade und ein weiteres 650 Mann starkes Artillerieaufklärungsregiment. Zusammen mit einer weiteren mit vier Kurzstreckenraketen des Typs »Luna-M« (NATO: »FROG-7«) ausgestattete Raketenabteilung, einer Geschosswerferabteilung (in der Bundeswehr als Mehrfachraketenwerfer bezeichnet) in den Divisionstruppen und je einer Artillerieabteilung in den mot. Schützenregimentern (nicht in den Panzerregimentern) summierten sich die Artilleriekräfte auf 44 Abteilungen (Bataillonen entsprechend). Das III. Korps verfügte über ein mit sechs Lenkraketenwerfern M752 für die Rakete MGM-52 »Lance« ausgestattetes, knapp 700 Mann starkes Raketenartilleriebataillon. Die »Lance« wie die »Scud-B« waren nuklearfähig. Die beiden Divisionen des III. Korps besaßen je ein Feldartilleriebataillon mit 18 Feldhaubitzen FH 70, Kaliber 155 mm, und 18 Feldhaubitzen M110, Kaliber 203 mm, ein Raketenartilleriebataillon mit 16 110-mm-Mehrfachraketenwerfern LARS und ein Artilleriebeobachtungsbataillon. Die nach GDP sieben Brigaden des Korps hatten je ein Panzerartilleriebataillon mit 18 155-mm-Panzerhaubitzen M109G. In der Summe hatte das Korps auf drei Führungsebenen 14 Artilleriebataillone. 

Graphik des Kräftevergleichs zwischen Ost und West aufgeteilt nach Truppengattungen

Klare Überlegenheit? Die Zahlen scheinen eindeutig, doch die Detailanalyse stellt diese scheinbare einfache Erkenntnis in Frage.

Bundeswehr/Nogli

Auch bei mechanisierten Infanterie und Sicherungskräften und bei Panzerbataillonen tritt die große Überlegenheit der 3. Armee deutlich hervor, zumindest der Zahl nach. Zu den 22 im Frieden aktiven Panzerbataillonen stießen sechs in der mobilzumachenden 10. MSD und weitere vier Reserve-Panzerbataillone auf Armeeebene. Das III. Korps verfügte über sieben Panzerbataillone in der 5. Panzerdivision, über fünf in der 2. Panzergrenadierdivision und weitere drei in der Panzerbrigade 34, in der Summe also 15. Hinzu kam ein Panzeraufklärungsbataillon je Division sowohl in der Bundeswehr als auch in der NVANationale Volksarmee

Wichtig für die Interpretation dieser Grafik und der Zahlen ist der Hinweis, dass die Zahl der Bataillone allein noch nichts über deren Kampfkraft und Gefechtswert aussagt, da die Bataillone in der NVANationale Volksarmee generell personell und von der Zahl der Waffensysteme kleiner waren als die der Bundeswehr. Qualitative Unterschiede zwischen den Waffensystemen und anderem Gerät in beiden Armeen und deren tatsächliche Einsatzbereitschaft müssen hier gänzlich unberücksichtigt bleiben, ebenso die Kräfte der Luftstreitkräfte, die in das Geschehen am Boden in den Verteidigungs- beziehungsweise Angriffsoperationen unterstützend eingreifen würden. Die Daten eröffnen aber die Möglichkeit einer prozentualen Betrachtung der Kräftedispositive beider deutscher Großverbände nach Truppengattungen. Daraus wiederum lassen sich Schlüsse auf die Fähigkeitsprofile und damit auf erkennbare Stärken und Schwächen im Einsatz auf dem Gefechtsfeld ziehen. Wegen der unterschiedlichen Gesamtstärke beider Großverbände machten deren mechanisierte Infanterie- und Sicherungskräfte, obwohl 43 zu 20 Bataillone, in beiden rund 20 Prozent der Gesamtkräfte aus. Anders als in den beiden anderen Korps des Feldheeres und anders als in der 3. Armee (dort 20 Prozent Anteil) war mit 14,5 Prozent seiner Gesamtkräfte nicht die Artillerie des III. Korps in seiner GDP-Aufstellung 1987 die größte Truppengattung, sondern die Panzertruppe. Dies lag an der Besonderheit der geplanten Truppeneinteilung: dem Korps sollte eine zusätzliche Panzerbrigade unterstellt werden, nicht aber die artilleriestarken Divisionstruppen. Dagegen hatte das III. Korps ein deutliches Plus an Hubschraubern, nicht nur in absoluten Zahlen, sondern noch stärker in deren prozentualem Anteil von acht zu drei Prozent am Gesamtkräftedispositiv gegenüber der 3. Armee. Deren 26 Transport- und Instandsetzungsbataillone der Rückwärtigen Dienste fallen in der Grafik deutlich mehr auf als die Logistik des III. Korps, waren aber mit zwölf Prozent anteilig kaum mehr als dessen elf Nachschub-, Transport-, und Instandsetzungsbataillone. Dem ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrbataillon des Korps standen auf NVANationale Volksarmee-Seite neun Bataillone der chemischen Truppen gegenüber. Jede Heeresdivision verfügte noch über eine ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrkompanie.

Stärken und Schwächen

Schützenpanzer der NVA fahren während einer Übung durch schneebedecktes Gelände.

Überlegene Kräfte? Schützenpanzer des Types BMP und eine Flugabwehr-Selbstfahrlafette des Typs ZSU-23-4 "Schilka" der NVANationale Volksarmee bei einer Übung, 1981.

akg-images/picture-alliance/ZB/Eberhard Klöppel

Auch unter Berücksichtigung der stark differierenden Personalstärken der Bataillone fallen wieder deutliche Unterschiede in den Kräftedispositiven auf: Da ist die Panzerstärke der 8. Gardearmee, die mit ihren 34 Panzerbataillonen die 15 des III. Korps um einen Faktor größer als zwei übertrumpfte. Anders als in absoluten Zahlen lagen die prozentualen Anteile mit 16 Prozent in der 8. Gardearmee nur unwesentlich über den je 15 Prozent in den zwei zuvor gegenübergestellten deutschen Großverbänden. Auf ebenfalls 34 Bataillone beziehungsweise 16 Prozent summierten sich die sowjetischen mot. Schützen- und anderen Infanterietruppenteile. Die 13 Panzergrenadierbataillone und sieben Jäger- und Sicherungsbataillone des III. Korps entsprachen dort einem Anteil von 20 Prozent. Genauso hoch war der Anteil in der 3. Armee. Anders als die 3. Armee der NVANationale Volksarmee war eine der zwei Raketenbrigaden der 8. Gardearmee seit 1984 mit dem operativ-taktischen Raketenkomplex »Oka« (NATO: SSSchutzstaffel-23 »Spider«) ausgestattet. Aufgrund des 1987 unterzeichneten INFIntermediate Range Nuclear Forces-Abkommens zur Beseitigung von Mittelstreckenraketen wurden diese Raketen 1988 abgezogen und die Brigade wieder mit dem Raketenkomplex »Elbrus« ausgestattet. Der Kräftevergleich belegt die Artilleriestärke der Sowjetarmee (22 Prozent in der 8. Gardearmee) und der nach ihrem Modell geschaffenen NVANationale Volksarmee (20 Prozent in der 3. Armee) gegenüber den 14 Prozent im III. Korps. Diese baute auf den Erfahrungen und Erfolgen des Zweiten Weltkrieges auf, die sich in dem Josef Stalin zugeschriebenen Zitat von der Artillerie als »Göttin des Krieges« auf den Punkt bringen ließen. Der Grund für die signifikante Stärke der 8. Gardearmee bei Flugabwehrkräften lag in dem bei ihr, anders als in anderen sowjetischen Armeen, bereits 1988 voll abgeschlossen Aufwuchs der Fla-Batterien zu Fla-Abteilungen in den mot. Schützen- und Panzerregimentern, eine Reaktion auf die neue Stärke der NATO-Luftwaffen. Deren Summe lag mit 28 deutlich über den elf der 3. Armee und den acht des III. Korps. 

Signifikant sind die Unterschiede im Anteil der Logistik am Gesamtkräftedispositiv. Diese umfasste bei der 8. Gardearmee mit zwölf Bataillonen nahezu genauso viele wie die des ungleich kleineren III. Korps mit seinen elf. Besonders deutlich fällt die Zahl der Transport- und Instandsetzungsbataillone im sowjetischen Großverband im Vergleich zu den 26 Bataillonen in der 3. Armee ab. Die Logistiktruppenteile umfassten nur 5,5 Prozent der Bataillone der 8. Gardearmee, aber elf Prozent im III. Korps und zwölf Prozent in der 3. Armee. Die erstaunlich schwache Aufstellung der in der DDRDeutsche Demokratische Republik stationierten Sowjetstreitkräfte mit eigenen Logistikkräften unterstreicht die vorgesehene Aufgabenteilung mit der NVANationale Volksarmee. Logistische und medizinische Leistungen sollten im Kriegsfall von der DDRDeutsche Demokratische Republik und ihren mobilzumachenden, aus Reservisten neu aufzustellenden Verbänden erbracht werden. Das war schon in den 1970er Jahren der westlichen Aufklärung nicht verborgen geblieben, die daraus ihre Schlüsse zog. Der durch die Logistikschwäche unumgängliche Rückgriff auf breite zivile Ressourcen machte etwaige Kriegsvorbereitungen der Sowjetarmee für die westliche Aufklärung detektierbar. Dies kann so auch für die DDRDeutsche Demokratische Republik-Streitkräfte mit ihrem Auftrag gelten. 1974 schätzte eine Analyse des Bonner Führungsstabes der Streitkräfte die Möglichkeiten der sowjetischen Divisionen in der DDRDeutsche Demokratische Republik, »aus dem Stand« heraus anzutreten, nur für wenige Verbände als realistisch ein. »Selbst diese könnten aber keine weitgesteckten Angriffsziele verfolgen, weil sie mangels Transportmöglichkeiten in Nachschubschwierigkeiten mit Mengenverbrauchsgütern gerieten. Für die Bereitstellung der ab Armeebene aufwärts aus dem zivilen Bereich mobilzumachenden Transportmittel für die Versorgungsdienste würden sie so viel Zeit benötigen, dass dadurch die Warn- und Reaktionszeit verlängert und die Wahrscheinlichkeit frühzeitiger Indikation erhöht würde.«

Karte der Idee des Angriffs des Warschauer Paktes im Raum Hessen und Bayern von 1983

Idee eines schnellen Vorstoßes: Angriffsplan der sowjetischen 8. Gardearmee und der 3. Armee der NVANationale Volksarmee im Raum Hessen und Bayern während des Kalten Krieges.

Bundeswehr/Nogli

Sowjetische Angriffsplanung

Zusammengerechnet lag der Anteil der Kampf- und Kampfunterstützungsbataillone auf Armeeebene bei der 8. Gardearmee mit 86,5 Prozent signifikant höher als die je 78 Prozent im NVAPendant und im III. Korps. Logistisch von der NVANationale Volksarmee massiv unterstützt, sollte sich die 8. Gardearmee stärker bis fast gänzlich auf den Kampf und die Kampfunterstützung konzentrieren können. Wie hochaktuell der Blick auf das Kräfteprofil einer Streitmacht im Detail ist, zeigten die schon am zweiten Tag ihres Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 deutlich werdenden Schwächen der russischen Armee, vor allem in deren Logistik. Videos von wegen Treibstoffmangels liegengebliebenen russischen Schützenpanzern gingen um die Welt. Ob die von der NVANationale Volksarmee aufzustellenden Logistikkräfte für die Versorgung der Sowjetarmee im Angriff gen Westen im Fall des Falles wirklich ausreichend gewesen wären, wird immer eine offene Frage bleiben. Der Realitätstest wurde nie notwendig. Auf der auf Basis der Erinnerung eines NVANationale Volksarmee-Stabsoffiziers erstellten Karte ist erkennbar, dass vor dem III. Korps nur eine sowjetische MSD auf dem rechten Flügel der 8. Gardearmee angetreten wäre. Die 3. Armee sollte als linker Nachbar der 8. Gardearmee gegen das amerikanische VII. Korps in Oberfranken angreifen. Gegen nur eine MSD, also weniger als 25 Prozent der 8. Gardearmee, sähe der Kräftevergleich zum III. Korps gänzlich anders aus. Dies war aber die Planung 1983. Ab Mitte der 1980er Jahre gingen die Sowjetunion und der Warschauer Pakt zur Planung einer reinen Verteidigungsoperation auf DDRDeutsche Demokratische Republik-Gebiet über. Das neue, nur auf Defensive ausgerichtete strategische Konzept wurde 1987 offiziell bekanntgegeben. Was die reale damalige sowjetische Planung in den versiegelten Umschlägen war, wissen wir bis heute nicht.

Dieser Beitrag stammt aus der  Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung 4/2024.

von Klaus Storkmann

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