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ZMG 4/2025

Aufbau einer schlagkräftigen Truppe Die Gründungsgeschichte der Bundeswehr

Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung
Datum:
Lesedauer:
12 MIN

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Die Bundesrepublik 1955: Der Zweite Weltkrieg lag gerade zehn Jahre zurück, Deutschland hatte kein Militär mehr. Im Kalten Krieg stand die Sowjetunion jedoch hochgerüstet an der innerdeutschen Grenze. Es gab keine Alternative: eigene Verteidigungskapazitäten mussten her. Mit Unterstützung der westlichen Verbündeten wurde die Bundeswehr aufgestellt.

Ein Trupp Soldaten marschiert durch ein Kasernengelände.

Marsch Richtung Zukunft: die ersten Rekruten der Bundeswehr auf dem Gelände der Kaserne in Andernach.

Bundeswehr/Baumann

Seit 1949/50 erfolgten grundsätzliche Überlegungen, wie und unter welchen politischen Vorgaben die junge Bundesrepublik Deutschland Streitkräfte aufstellen würde. Die Konferenz von Himmerod im Oktober 1950 definierte erste Wegmarken. Die sich anschließenden mehrjährigen Verhandlungen um die Europäische Verteidigungsgemeinschaft verfolgten eine integrierte europäische Armee, die jedoch am französischen Widerspruch scheiterte. 1954/55 schloss sich ein rascher Prozess an, an dessen Ende die Bundesrepublik am 9. Mai 1955 in die NATONorth Atlantic Treaty Organization aufgenommen wurde. In diesen Jahren hatte eines jedoch noch nicht stattgefunden: die Aufstellung von Streitkräften. Sie musste nun erfolgen. 

Der erste Festakt in der Geschichte der neuen westdeutschen Streitkräfte am 12. November 1955 in der Bonner Ermekeilkaserne hatte erst einmal nur eine symbolische Bedeutung. Die schnell anberaumte feierliche Übergabe der ersten Ernennungsurkunden an bereits im Amt tätige ehemalige, also aus der Wehrmacht stammende, und nun auch künftige Soldaten konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Aufbau der Bundeswehr erst begonnen hatte. Von neuen Soldaten war kaum etwas zu sehen – abgesehen von den wenigen, die seit diesem Gründungsakt nun in Uniform ihren Dienst wahrnahmen.

USUnited States-amerikanische Aufstellungshilfe

Der tatsächliche Startschuss für den Aufbau der wenig später so benannten Bundeswehr erfolgte kurz vor Weihnachten 1955. Zu dieser Zeit erschienen an den Standorten der ersten Formationen die Vorkommandos. Sie stellten neben anderen Dienststellen das Lehrbataillon (des Heeres) in Andernach, die Luftwaffenlehrkompanie in Nörvenich und die Marinelehrkompanie in Wilhelmshaven auf. Dazu erhielt die entstehende Bundeswehr tausende von Handwaffen, Helmen und Bekleidungsstücken sowie umfangreich Großgerät von den Alliierten. Insbesondere die USUnited States-Streitkräfte stellten, meistenteils kostenfrei, Panzer, Geschütze und Flugzeuge zur Verfügung.

Entsprechend dem Luftwaffen-Aufstellungs-Befehl Nr. 1 vom 8. Oktober 1955 sollte in Nörvenich auf einem Flugplatz, den die britische Besatzungsmacht ab 1952 errichtet und 1954 in Betrieb genommen hatte, die Luftwaffenlehrkompanie beheimatet sein. Mit einem Major als Kompaniechef, vier Hauptleuten als Zugführern sowie 26 Unteroffizieren wurden hier 120 Mannschaftsoldaten, nahezu sämtlich ungediente Freiwillige, in drei Monaten grundausgebildet. In USUnited States-amerikanischen Uniformen, mit USUnited States-Gewehren und in einer noch etwas notdürftig eingerichteten Kaserne erhielten sie ihr erstes Rüstzeug. Nach dieser Grundausbildung wurden sie versetzt: die ersten angehenden Offiziere zur fliegerischen Ausbildung in noch private Flugschulen, wo sie auf Propellerflugzeugen ausgebildet wurden. Andere Soldaten gingen als Ausbilder in die aufzustellenden Ausbildungsregimenter, wo sie mit weiteren kriegsgedienten Unteroffizieren und Offizieren das Stammpersonal bildeten. Die Offizierschule der Luftwaffe eröffnete im Oktober 1956 auf dem Fliegerhorst Faßberg in der Lüneburger Heide. Erst ab diesem Zeitpunkt begann die reguläre Ausbildung des Führungsnachwuchses. Die Bundeswehr war anfangs vollauf damit beschäftigt, insgesamt rund 40 000 kriegsgediente Offiziere und Unteroffiziere zu rekrutieren, die an den vielfältigen und neu aufzustellenden Schulen und Verbänden die Vorgesetztenfunktionen übernehmen sollten. 

Einer der ersten jungen, ungedienten Soldaten der Luftwaffe war der 1933 in Osnabrück geborene Horst Jungkurth. Er hatte nach dem Abitur erst das Studium der Geisteswissenschaften aufgenommen, aber im Winter 1955/56 abgebrochen, um später als Offizier in der Luftwaffe zu fliegen. Nach der Ausbildung auf Kampfflugzeugen erlebte er einen rasanten Aufstieg, der ihn 1977, nach 21 Dienstjahren, in die Generalsränge und 1987 als Generalleutnant und Inspekteur an die Spitze der Luftwaffe führte.

Verbündete im Kalten Krieg

Sechs Soldaten sitzen an Tischen vor einem Flugzeug während eine weitere Person die Technik erklärt.

USUnited States-amerikanische Schützenhilfe: Soldaten erhalten Ende der 1950er-Jahre die technische Einweisung für den Jagdbomber vom Typ F‑84F "Thunderstreak" an der Waffenschule der Luftwaffe.

Bundeswehr

Für alle Teilstreitkräfte der werdenden Bundeswehr existierte dabei ein Problem, das den Aufbau in den ersten Jahren hemmte: Es gab kaum Liegenschaften, Kasernen oder Fliegerhorste, die sofort übernommen werden konnten. Entweder nutzten die früheren Besatzer und nunmehrigen Alliierten die ehemaligen Wehrmachtkasernen oder diese waren zu Flüchtlingsunterkünften geworden. Manche wurden für andere nicht-militärische Zwecke genutzt. Deswegen konnte das Personal für die neu aufzustellende Bundeswehr erst nach und nach eingezogen und die neuen Verbände nur schrittweise aufgestellt werden. 

Die von Anfang an etablierte personelle und materielle Ausbildungshilfe der Alliierten, vor allem von Briten und USUnited States-Amerikanern, gewann damit eine besondere Bedeutung. Beispielhaft stehen dabei für die Luftwaffe die von der Wehrmacht in den 1930er-Jahren errichteten Fliegerhorste Kaufbeuren, Erding, Fürstenfeldbruck und Landsberg am Lech. Hier war die USUnited States Air Force seit Kriegsende der Hausherr. Während die Luftwaffe in Landsberg und Fürstenfeldbruck ab Sommer 1956 Piloten ausbildete, diente Erding als Materialschleuse. Hier wurden die von der Luftwaffe übernommenen Flugzeuge auf ihre Nutzung vorbereitet. In Kaufbeuren bildeten die USUnited States Air Force und schrittweise die Bundeswehr Techniker für Wartung und Instandhaltung der genutzten Flugzeugmuster aus. Alle diese Flugplätze befanden sich dabei ab Sommer/Herbst 1956 in binationaler, also deutsch-amerikanischer Nutzung, bis sie im Laufe des Jahres 1957 an die Luftwaffe übergingen. Den Flugplatz in Fürstenfeldbruck nutzte die USUnited States Air Force zudem seit einigen Jahren zur Ausbildung von Flugzeugführern anderer Staaten, die in den Genuss des „Mutual Defense Assistance Programm“ (Programm für gegenseitige Verteidigungshilfe) der USAUnited States of America kamen. Damit unterstützten die USAUnited States of America solche Staaten, die vor dem Hintergrund des Ost-West-Konfliktes als Verbündete gegen die Sowjetunion und den 1955 gegründeten Warschauer Pakt Bedeutung besaßen. Neben NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten waren dies übrigens auch Pakistan und der Iran.

Von „Affenjacke“, „Filzlaus“ und „Maulwurfshaut“

Ortswechsel: Über der Stadt Idar-Oberstein an der Nahe thront der Klotzberg und auf seinem Gipfel das „Quartier Jeanne d’Arc“ der französischen Armee. Sie hatte die 1937 erbaute Kaserne im Zuge der Besatzung Deutschlands 1945 übernommen und dort eine Artillerieschule errichtet. Der 1937 fertiggestellte nahe Truppenübungsplatz Baumholder bietet bis heute hervorragende Bedingungen für Artillerieschießen. Im „Klotz“, wie die Kaserne bis heute genannt wird, stellte das Heer der Bundeswehr im April 1956, nach dem Abzug der Franzosen, das Artillerielehrbataillon und die Truppenschule Artillerie (später in Artillerieschule umbenannt) auf. Ab Oktober 1956 kamen die ersten freiwilligen und ungedienten Rekruten in das Bataillon. 

Vier junge Rekruten mit Kleidung in der Hand schauen teilweise grinsend in die Kamera.

In der Kleiderkammer: Im April 1957 wurden die ersten Wehrpflichtigen der Bundeswehr eingekleidet.

Bundeswehr/Altarchiv

Unter den ersten Offizieranwärtern war ab Oktober 1956 der 28-jährige Wolfgang Altenburg, der dort seine Offizierausbildung begann. Die persönliche Ausrüstung der Soldaten war, wie andernorts in der Bundeswehr, durchmischt: neben USUnited States-Gewehren und Helmen gab es schon deutsche Ausgehanzüge. Die damals kurze, bis knapp über den Hosenbund reichende, graue zweireihige Jacke war als sogenannte „Affenjacke“ verpönt. Fünf Jahre später gab es dann den Viertaschenrock, wie er bis heute üblich ist. Die Feldanzüge besaßen das Tarnmuster „Splittertarn“, das schon die Reichswehr 1931 erprobt hatte. Die Geschütze, an denen Altenburg und seine Kameraden lernten, wurden seit 1942 in den USAUnited States of America produziert. Die Bundeswehr sollte diese 105-mm-Haubitzen M2 bis in die 1990er-Jahre behalten. Da hatte Altenburg seine Dienstzeit bereits beendet – als General nach Verwendungen als Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Militärausschusses. 

Der bunte Feldanzug wurde ab 1958/59 gegen die „Filzlaus“ getauscht, einen Arbeitsanzug, der zu 90 Prozent aus Schurwolle bestand. Und bereits in den frühen 1960er-Jahren gab es mit dem „Feldanzug Moleskin“, wörtlich übersetzt: „Maulwurfshaut“, aus Baumwolle einen neuen Anzug für die Soldaten, der dann bis Mitte der 1990er-Jahre die Standardgefechtsbekleidung der Bundeswehr blieb.

Die Bundesmarine

Wieder anders sah es bei der Marine aus, deren ehemalige Kasernen und Häfen nur selten von den Alliierten genutzt wurden. Viele dieser Anlagen, wie auch der übrigen alten Liegenschaften, waren ohnehin im Krieg schwer beschädigt worden, sodass der Aufbau der Bundeswehr einem Neubauprogramm gleichkam. In den 1960er- und 1970er-Jahren erhielt die Bundeswehr zahlreiche neue Kasernen, auch an Orten, an denen es bislang keine Garnison gegeben hatte, die neben alten, reaktivierten Standorten genutzt wurden. 

Ein mann schraubt ein Y-Kennzeichen an ein ziviles Fahrzeug.

Militärische Motorisierung: Die Y-Kennzeichen dienen als Erkennungszeichen der Bundeswehr, auch an zivilen Fahrzeugen.

Bundeswehr/Baumann

Die Marineschule Mürwik vor den Toren Flensburgs hingegen konnte bereits ab Sommer 1956 den Ausbildungsbetrieb für die Offizieranwärter im kaum beschädigten historischen Gebäude wieder aufnehmen. Dass sie dabei anfänglich das Gebäude mit der 1946 gegründeten Pädagogischen Hochschule Flensburg teilen musste, die das Gebäude sozusagen in Beschlag genommen hatte, führte zu einigen Eheschließungen zwischen angehenden Marineoffizieren und künftigen Lehrerinnen. 

Äußerlich hatte sich für die Angehörigen der Marine wiederum anscheinend wenig geändert, die zweireihigen Uniformjacken sahen fast genauso aus wie vor 1945. Dabei hatte sie nunmehr nur drei statt vorher fünf Knöpfe je Reihe. Da solche Uniformen auch in der zivilen Seefahrt getragen wurden, war es offensichtlich nicht schwer, genügend solcher neuen „Röcke“ für die Unteroffiziere und Offiziere zu beschaffen. Die Mannschaften erhielten den „Kieler Knabenanzug“ mit weißer und blauer Bluse und „Wäsche achtern“. Spätere Versuche von Verteidigungsminister Georg Leber, diesen Anzug 1975/76 gegen einen Ausgehanzug wie bei den älteren Unteroffizieren mit Oberhemd, Krawatte, Jacke und Hose zu tauschen, scheiterten am Widerstand der Marine.

Im Dienst der Alliierten

In einem zweiten Punkt schien sich die Marine ebenso erheblich von den anderen Teilstreitkräften zu unterscheiden: Sie fand schneller als die anderen Teilstreitkräfte ihr Personal. Nach dem Zweiten Weltkrieg hielten die Alliierten sowohl für die Minenräumung in Ostund Nordsee als auch für andere Aufgaben mehr als 300 Boote der Kriegsmarine und bis zu 27 000 Mann Besatzung weiter im Dienst. Die „German Mine Sweeping Administration (Deutsche Minenräum-Verwaltung) und ihre Nachfolgerin, die “German Mine Sweeping Formation Cuxhaven„ (Deutscher Minenräumverband Cuxhaven), räumten die von deutscher Seite verlegten Minen. So hielten Marineangehörige ihre Gruppe zusammen und boten für den Aufbau der Marine ein wichtiges Personalreservoir. Gleiches galt für die “Schnellboot-Gruppe Klose„, einen Teil des “British Baltic Fishery Protection Service„ (britischer Ostsee-Fischerei-Schutz), die mit Schnellbooten der früheren Kriegsmarine für den britischen Geheimdienst Agenten im Baltikum absetzte. Im 1951 begründeten Seegrenzschutz, einer seegehenden Einheit des Bundesgrenzschutzes, fanden sich außerdem Soldaten der Kriegsmarine wieder, die zuvor bei den Minensuchern in Cuxhaven tätig gewesen waren. So besaß wenigstens ein Teil des ehemaligen Personals der Kriegsmarine eine existenzsichernde Beschäftigung. Dies ermöglichte zudem am 1. Juni 1956 den nahtlosen Übergang des kompletten Seegrenzschutzes in die Bundesmarine, teilweise und anfänglich mit dem alten Gerät.

“Zwischenwege„ nach dem Zweiten Weltkrieg

Gezeichnetes Plakat mit je einem Soldaten der drei Teilstreitkräfte in typischer Uniform

Akzent auf Freiwilligkeit: das mutmaßlich erste Werbeplakat der neuen Streitkräfte, 1956.

Bundeswehr/Bundeswehr

Während also Teile des Marinepersonals bei Aufstellung der Bundeswehr einen lückenlosen militärischen Lebenslauf vorwiesen, hatten die kriegsgedienten Heeres- und Luftwaffensoldaten zwischenzeitlich überwiegend zivile Tätigkeiten wahrnehmen oder bei den unterstützenden Labor Units der Briten und USUnited States-Amerikaner mit deutschen Ortskräften arbeiten müssen. Einige von ihnen verfolgten eine Karriere in der privaten Wirtschaft: Der spätere Inspekteur des Heeres Generalleutnant Albert Schnez war nach dem Zweiten Weltkrieg nacheinander Holzhändler, Import-/Exportkaufmann und zuletzt beim Maschinenbauer Klöckner-Humboldt-Deutz als kaufmännischer Angestellter tätig, bevor er in die Bundeswehr eintrat. Einigen deutschen Soldaten dürfte es in dieser “Zwischenzeit„ so ergangen sein wie dem bei Kriegsende 20-jährigen Infanterieleutnant Günter Kießling. Er hatte keinen Beruf gelernt und schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Daneben besuchte er die Abendschule und machte das Abitur. Dann studierte er in Hamburg und Bonn Volkswirtschaft, bevor er 1954 zum Bundesgrenzschutz ging und 1956 in die Bundeswehr wechselte, in der er 1982 zum General befördert wurde. Diese beiden Lebenswege waren damals nicht untypisch für Wehrmachtsoldaten, die in der Bundeswehr eine neue militärische Heimat suchten und fanden. 

Die ehemaligen Wehrmachtsoldaten musste sich also durchschlagen, wenn sie nicht in ihren Zivilberuf zurückkehren oder einen neuen aufnehmen konnten. Für nicht Wenige bot die Bundeswehr ab 1956, nach Jahren der persönlichen Unsicherheit, eine Perspektive mit bescheidenem Wohlstand. Und tatsächlich haben sich gerade für die unteren Ränge in der Bundeswehr weit mehr Personen beworben, als eingestellt werden konnten. Die Kriegsverluste hatten jedoch auch auf die Bundeswehr spürbare Auswirkungen. Die Geburtenjahrgänge waren nicht gleichmäßig vertreten. Wer sich nun für den Dienst als Offizier in der Bundeswehr bewarb und den Jahrgängen 1925 bis 1935 angehörte, erreichte nicht selten später wenigstens den Dienstgrad Oberst. Zudem musste die Bundeswehr die Offizierausbildung in den ersten Jahren verkürzen, um die niedrigen Ränge bis zum Hauptmann überhaupt qualifiziert und schnell besetzen zu können. Bereits nach 18 Monaten war ein ungedienter Offizieranwärter Leutnant, nach weiteren drei Jahren nicht selten Hauptmann. Kriegsgediente wurden zudem häufig einen Dienstgrad höher eingestellt, als sie im Krieg erreicht hatten, was teilweise die Zeit ihrer Kriegsgefangenschaft ausglich.

Umgang mit der Erstausstattung

Hunderte Ausbilder, sei es als Fluglehrer, Techniker oder Schießausbilder, unterstützten die Bundeswehr in den ersten Jahren, damit die neuen Soldaten das unbekannte Gerät kennen- und beherrschen lernten. Während es wohl einfach war, dem kriegserfahrenen deutschen Panzersoldaten den Umgang mit den Kampfpanzern Typ M47 “Patton„ beizubringen, stellte sich die Lage bei den Flugzeugführern durchaus anders dar: Selbst hochdekorierte Jagdflieger der Luftwaffe mussten sich an den USUnited States-amerikanischen Ausbildungsstil gewöhnen. Es galt, die “Procedures„ genau zu lernen und so abzuspulen, wie es die Vorschrift und der Fluglehrer forderte. Oberst Johannes Steinhoff musste sich, ungeachtet einer erworbenen Ritterkreuzauszeichnung, etwa gefallen lassen, als “lousy instrumental flyer„ (“miserabler Instrumentenflieger„) abqualifiziert zu werden. Auch der “Alarmstart„ eines ganzen Geschwaders mit mehr als 30 Maschinen stand nicht mehr auf dem Ausbildungsplan. Überdies waren von den mehr als 5000 in der Bundesrepublik Deutschland lebenden früheren Flugzeugführern der Wehrmacht nur die wenigsten jet-tauglich. Deswegen fand sich in den fliegenden Kampfverbänden eine Mischung aus wenigen »alten Hasen« und vielen jungen Piloten; gerade Letztere hatten eine USUnited States-amerikanische, britische oder kanadische Ausbildung nach dem Handbuch erhalten. Von Anfang an wurden so wesentliche Teile der Luftwaffe von der USUnited States Air Force geprägt. 

Ein Soldat im Feldanzug hockt im Matsch hinter einem Kampfpanzer mit einem Hörer in der Hand.

Neue Kampftruppen im Kalten Krieg: Ein Panzergrenadier setzt hinter einem Kampfpanzer M47 eine Meldung ab, September 1959.

Bundeswehr/Siwik

Die Marine übernahm von der britischen Royal Navy in Ermangelung eigener Kriegsschiffe vormalige Geleitschiffe als “Schulfregatten„. Die beiden Schiffe erhielten die Namen “Scharnhorst„ und “Gneisenau„ und die Typbezeichnung “Schulfregatten Klasse 138„. Die mit typischer Artilleriebewaffnung der 1940er-Jahre ausgestatteten Schiffe dienten der Bundesmarine bis 1966 als Ausbildungsschiffe für den seemännischen Nachwuchs. Der Neubau der “Gorch Fock II„, die 1958 in Dienst ging, war ein modernisierter Nachbau der “Gorch Fock„, die 1933 für die Reichsmarine in Dienst gestellt und nach dem Krieg von der sowjetischen Marine als “Towarischtsch„ weiter genutzt wurde. In den frühen 1960er-Jahren erhielt die Marine aus dem Neubauprogramm zahlreiche neue Schiffe und Boote für die Aufgaben in Nord- und Ostsee.

Neue deutsche Waffentechnik

Der Aufbau der Bundeswehr erwies sich ungeachtet der Ausrüstungshilfe durch die Alliierten als Joint Venture für die deutsche Industrie. Unternehmen, die vor dem und im Zweiten Weltkrieg Rüstungsgüter produziert hatten und sich zwischenzeitlich neue Märkte suchen mussten, konnten nun in die Wiederaufrüstung einsteigen. Die für ihre Flugzeuge bekannte Firma Messerschmidt produzierte wieder, allerdings im Ausland. In Deutschland stellte sie später den zweisitzigen Kabinenroller her, ein heute durchaus futuristisch anmutendes Automobil. Sie stieg nun wieder in die Flugzeugindustrie ein und fertigte unter anderem den Lockheed F-104 “Starfighter„ in Lizenz. Später entwickelten die deutschen Firmen (wieder) selbst Flugzeuge, Panzer und Schiffe. Die Anfangsausstattung verschwand nach und nach. Die Erstausstattung von Kampfflugzeugen wurde ab 1962 im Zuge der Einführung des “Starfighters„ an die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner Griechenland und Türkei weitergegeben. Gleiches geschah noch in den 1980er-Jahren mit den Zerstörern der “Fletcher„ Klasse, als die Marine die Fregatten der “Bremen„-Klasse (Klasse 122) erhielt. Die sechs amerikanischen Zerstörer aus dem Zweiten Weltkrieg hatte die Bundeswehr ab 1958 übernommen. Personell und materiell hatte die Bundeswehr in ihrer Aufstellungsphase folglich mit sehr disparaten Bedingungen zu kämpfen. Dennoch gelang es innerhalb von zehn Jahren, eine schlagkräftige Truppe aufzustellen, die im Kalten Krieg einen zentralen Platz in den Verteidigungsplanungen der NATONorth Atlantic Treaty Organization einnahm. Darauf, dass eine Bundeswehr im Bündnis nachgerade von Aufstellungsbeginn an die zentrale Zielsetzung war, weisen die dargestellten zahlreichen verschiedenen Kooperationen und Unterstützungsmaßnahmen hin.

Literaturtipps

Martin Rink, Die Bundeswehr 1950/55‑1989, Berlin 2015.

Sven Lange/Heiner Möllers (Hrsg.), Geschichte der Bundeswehr in 100 Objekten, Berlin 2025.

 

von Heiner Möllers

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