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ZMG 4/2025

Zwischen den Welten – Die Gründergeneration der Bundeswehr

Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung
Datum:
Lesedauer:
5 MIN

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Die Anfänge eines westdeutschen Verteidigungsbeitrags wären ohne die Rahmenbedingungen des Kalten Krieges nicht denkbar, ohne den Willen der USAUnited States of America nicht möglich und ohne die bundesdeutsche Bereitschaft zur Integration in das westliche politische System nicht umsetzbar gewesen. Die hier vorgestellten Biografien stehen exemplarisch für die inneren Widersprüche der Gründergeneration der Bundeswehr als Soldaten, die in höchst unterschiedlichen deutschen Streitkräften gedient hatten, sich am Ende aber um den Aufbau der Bundeswehr in der freiheitlich-demokratischen Bundesrepublik verdient machten.

Ernennungsurkunden

Zeremonie zur Ernennung der ersten 101 Freiwilligen der westdeutschen Streitkräfte. Minister Theodor Blank (m.) mit Generalleutnant Adolf Heusinger (l.) und Generalleutnant Hans Speidel (r.), 12.11.1955.

Bundeswehr / Bundespresseamt

General Adolf Heusinger (1897‑1982)

Portraitfoto von Heusinger in Uniform, der ernst in die Kamera schaut.

Adolf Heusinger als Generalinspekteur der Bundeswehr, 1960.

Bundeswehr/BMVg

Adolf Heusinger diente als Soldat in vier deutschen Armeen. Im Ersten Weltkrieg zum Leutnant befördert, erhielt er in der Reichswehr seine Generalstabsausbildung. In Wehrmacht und Bundeswehr hatte er Spitzenstellungen inne. Als Abteilungsleiter im Generalstab des Heeres war er an den Planungen der Feldzüge gegen Polen und die Sowjetunion beteiligt und überlebte während eines Lagevortrages am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler. 1957 wurde er erster Generalinspekteur der Bundeswehr, 1961 erster deutscher Vorsitzender des Ständigen Militärausschusses der NATONorth Atlantic Treaty Organization. In seiner Biografie verdichten sich somit im besonderen Maße Brüche und Kontinuitäten der deutschen Geschichte. 

Nach Kriegsende kooperierte Heusinger eng mit den USAUnited States of America, die seinen Aufstieg im westdeutschen Sicherheitsapparat förderten. Der gut vernetzte Heusinger arbeitete 1950 an der Himmeroder Denkschrift mit und war seit 1952 Leiter der Militärabteilung im „Amt Blank“, der Keimzelle des späteren Verteidigungsministeriums. Heusinger ist somit zu den Vätern der Konzeption westdeutscher Streitkräfte zu zählen. 

Problematisch, wenngleich nicht untypisch für seine Generation, war seine Haltung zur nationalsozialistischen Vergangenheit. Eine kritische Distanzierung vermied er – nicht nur wegen seiner eigenen Rolle, sie hätte auch die notwendige Integration ehemaliger Soldaten in die Bundesrepublik erschwert. So musste Heusinger, der sich dem Widerstand gegen Hitler nicht anschloss, 1959 zur ersten Anerkennung des 20. Juli durch die Bundeswehr gedrängt werden. 

Insgesamt verkörpert Heusinger somit drei zentrale Entwicklungen der Militär- und Zeitgeschichte: erstens den Übergang vom nationalen zum internationalen Referenzrahmen, zweitens den Wandel des Spitzenoffiziers vom vermeintlich unpolitischen Militärexperten zum anpassungsfähigen Militärpolitiker. Drittens ist Heusinger ein besonders prominentes Beispiel dafür, dass sich große Teile der ehemaligen Funktionseliten des NSNationalsozialismus-Staates nicht nur in das demokratische Staatswesen integrierten, sondern dieses mit aufbauten, und dabei ihren Leitsätzen vom Dienst und Pflichtbewusstsein treu blieben. Dieser ambivalente Lebensweg ist vielfach ein Kennzeichen der Gründergeneration der Bundeswehr.

Christoph Nübel

General Johannes Steinhoff (1913‑1994)

Portraitfoto von General Steinhoff mit Brille und Schnauzbart in Uniform

Johannes Steinhoff als Inspekteur der Luftwaffe, 1966.

Bundeswehr/Oed

Der als Sohn eines Mühlenbesitzers in Bottendorf/Thüringen geborene Steinhoff brach ein Sprachenstudium an der Universität Jena wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten seines Vaters ab und trat 1935 in die Reichsmarine ein. Er strebte eine Verwendung als Seeflieger an, wechselte 1936 in die Luftwaffe der Wehrmacht und durchlief nach der fliegerischen Ausbildung bis Kriegsende ausschließlich Truppenverwendungen: als Jagdflieger, Staffelkapitän, Gruppenkommandeur und Geschwaderkommodore. Im Herbst 1944 auf den Strahljäger Me 262 umgeschult, sollte er das Jagdgeschwader 7 in Brandenburg auf diesen Typ umrüsten. Aus dieser Verwendung wurde er unter nicht geklärten Umständen abgelöst. In den letzten Kriegswochen war Steinhoff Angehöriger des improvisierten Jagdverbandes 44, dem hochdekorierte, aber bei Göring missliebige Jagdflieger angehörten. Bei einem Start mit einer Me 262 verunglückte er und war fortan mit Brandwunden gezeichnet. Nach der Entlassung aus dem Lazarett 1947 war er zuerst Keramikmaler und -händler sowie von 1950 bis 1952 in einer Werbeagentur tätig. 1952 trat er auch aus wirtschaftlichen Gründen in das „Amt Blank“ ein und schaffte es  chnell, bekannte Kameraden für den Aufbau der Luftwaffe zu gewinnen. Der Personalgutachterausschuss empfahl seine Übernahme, riet aber von höheren Truppenkommandos ab. Er galt als schwierige Persönlichkeit: hochintelligent, aber höchst sensibel. Mit Gründung der Bundeswehr 1955/56 wurde er als Oberst übernommen, zuerst als Unterabteilungsleiter im Führungsstab der Luftwaffe. Danach war er Deutscher Militärischer Vertreter im NATONorth Atlantic Treaty Organization-Militärausschuss in Washington (1960‑1963), Kommandeur der 4. Luftwaffendivision (1963‑1965) und Stellvertretender Befehlshaber und Chef des Stabes der Allied Air Forces Central Europe (1965/66). Im Zuge der Starfighter-Krise wurde er Inspekteur der Luftwaffe (1966‑1970), bevor er als Vorsitzender des Militärausschusses der NATONorth Atlantic Treaty Organization von 1971 bis 1974 den nominell höchsten militärischen Dienstposten innerhalb des Bündnisses inne hatte. Nach seinem Abschied war er Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrates des Flugzeugbauers Dornier sowie als Netzwerker in der transatlantischen Community tätig. Steinhoff war trotz seiner Karriere in der Wehrmacht allein in Truppenverwendungen, weit ab von Kommandobehörden und höheren Stäben, ein kritischer Beobachter und Kommentator der Luftwaffenführung im NSNationalsozialismus-Staat. Er galt später als durchsetzungsstarker Modernisierer, der die Luftwaffe komplett neu aufstellte und dazu ein neues Berufsverständnis der Offiziere und Unteroffiziere als Spezialisten für Hochtechnologie und komplexe Unternehmen schuf. In der NATONorth Atlantic Treaty Organization schätzten viele seine Klarheit, Probleme in einem Bündnis souveräner und teils widerstreitender Staaten zu lösen.

Heiner Möllers

Konteradmiral Rolf Johannesson (1900‑1989)

Portraitfoto von Admiral Johannesson in Uniform, hinter ihm stehen zahlreiche Matrosen am Kai.

Rolf Johannesson als Befehlshaber der Flotte, 1960.

Bundeswehr/Trinkhans

Der vormalige Konteradmiral der Kriegsmarine Rolf Johannesson trat 1957 als Flottillenadmiral in die Bundesmarine ein. Bis 1961 diente er in der Bundeswehr im Range eines Konteradmirals als Kommandeur der Seestreitkräfte (später umbenannt in Kommandeur der Flotte, dann in Befehlshaber der Flotte). Johannesson war als Seekadett in die Kaiserliche Marine und 1921 schließlich in die Reichsmarine der Weimarer Republik eingetreten. Er durchlief typische Stationen eines Seeoffiziers, bevor er als Korvettenkapitän und Referent im Amt Ausland/Abwehr des Reichskriegsministeriums als Leiter der Sabotage- und Spionageabwehr in den Spanischen Bürgerkrieg entsandt wurde (organisatorisch war er dabei nicht Angehöriger der deutschen „Legion Condor“). Während des Zweiten Weltkrieges war Johannesson Kommandant von Zerstörern im Nord- und im Mittelmeer und seit 1943 Chef der 4. Zerstörerflottille. Nach eigener Aussage wurde er im Herbst 1944 wegen regimekritischer Aussagen als Truppenführer abgelöst. Er erhielt das Landkommando als Seekommandant Elbe- Weser und wurde zum Konteradmiral (der unterste Admiralsrang in der Kriegsmarine) befördert. In dieser Verwendung lehnte er die angeordnete Öffnung der Deiche und somit die Verwüstung des Landes ab. Zugleich übte er die militärische Funktion eines Gerichtsherrn aus, in der er noch im April 1945 Todesurteile wegen Meuterei auf der Insel Helgoland bestätigte, in anderen Fällen jedoch immer wieder von seinem Recht Gebrauch machte, Urteile abzumildern. Nach seiner Entlassung aus britischer Kriegsgefangenschaft arbeitete er auf Vermittlung der Organisation Gehlen seit Sommer 1947 in Frankfurt/Main für das Außenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland. Auf dem Höhepunkt der innerdeutschen Debatte über die Wiederbewaffnung (1951‑1953) trat er wiederholt im Rahmen der Evangelischen Akademie der Landeskirche Hessen-Nassau mit Vorträgen über das Verhältnis von militärischem Gehorsam und christlichem Bekenntnis in Erscheinung. In ihnen sprach er sich im Sinne der militärischen Westintegration vor allem für die Aussöhnung zwischen den Befürwortern und Gegnern des 20. Juli 1944 aus und befürwortete das Konzept des Soldaten als Staatsbürgers in Uniform.

Thorsten Loch

von Christoph Nübel, Heiner Möllers und Thorsten Loch

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