Ethnien in Afghanistan
Ethnien in Afghanistan
- Datum:
- Ort:
- Afghanistan
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Ein gemeinsames Verständnis als Staatsvolk und Nation, wie das bei den Europäern der Fall ist, existiert in Afghanistan bis heute nur rudimentär. Stammeskulturen und Stammesstrukturen erschwerten westliche Versuche, „nation building“ und „state builduing“ zu betreiben sowie das Land zu demokratisieren, ganz erheblich.
Überblick
Als Schnittstelle zwischen Westasien, Zentralasien und dem Indischen Subkontinent verfügt Afghanistan bis heute über eine enorme kulturelle Vielfalt an Sprachen und Konfessionen. Folglich gibt es ebenso viele unterschiedliche Volksgruppen. Es ist kaum möglich, diese Völkerschaften voneinander abzugrenzen. Vielen Afghanen ist nicht einmal der Name ihrer Ethnie bekannt. Folglich gibt es auch keine gemeinsame afghanische Identität. Weder ist daher eine genaue Zahl der Ethnien bekannt, noch können viele räumlich voneinander präzise abgegrenzt werden.
Paschtunen, Belutschen, Tschahar-Aimak oder Turkmenen definieren sich vor allem über ihre Stammesstrukturen, die beinahe noch an biblische Zeiten erinnern. Die Gemeinschaften definieren sich gerne über einen gemeinsamen Ahnherrn. Sämtliche Angehörige eines Stammes sollen nach afghanischer Vorstellung verwandtschaftlich miteinander verbunden sein. Ein solcher Stamm ist in verschiedene Unterstämme gegliedert, die sich wiederum in noch kleinere Substämme und Clans aufteilen.
Während der Phase des westlichen Engagements von 2001 bis 2021 gelang es jedoch keiner afghanischen Regierung, eine nationale Identität zu stärken und ethnische Differenzen abzuschwächen. Vielmehr suchten die Regierungen in erster Linie jeweils die Angehörigen ihres eigenen Stammes zu bevorteilen, oder betrieben auf andere Weise Vetternwirtschaft. Dieser Zustand hat sich mit der erneuten Machtübernahme der Taliban fortgesetzt.
Ethnien im Einzelnen
Die Paschtunen stellen nicht nur die größte ethnische Gruppe in Afghanistan dar, sondern auch die zahlenmäßig größte Stammesgesellschaft der Welt. Sie leben im südlichen und östlichen Afghanistan sowie im nordwestlichen Pakistan. Im nationalen afghanischen Narrativ galten bis in die 1970er-Jahre hinein die Paschtunen als die „eigentlichen Afghanen“.
Die Tadschiken bilden die zweitgrößte Volksgruppe und sind vor allem in der Region Herat und in Nordostafghanistan zu finden. Die Tadschiken stellen einen Großteil der Bildungsoberschicht. Ebenso bestimmten sie bis in die 1990er-Jahre das Wirtschaftsleben. Auch die Farsiwan und Tschahar-Aimak werden häufig als Tadschiken bezeichnet.
Die Hasara zeichnen sich phänotypisch durch ihr turko-zentralasiatisches Aussehen aus. Weitere Merkmale sind ihre schiitische Konfessionszugehörigkeit und ihre Sprache (Hasaragi), ein mit mongolischen Wörtern versetzter Dialekt des Persischen. Die Hasara stellen in Afghanistan die am stärksten benachteiligte und ausgegrenzte Gruppe dar.
Als weitere schiitische Ethnie sind die Kisilbasch zu nennen. Die Kisilbasch sind Schiiten, sprechen Persisch und leben vor allem in den urbanen Zentren Afghanistans. Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert nehmen sie Schlüsselpositionen in der Verwaltung ein.
Weitere nationale Minderheiten in Afghanistan stellen die im Norden lebenden Usbeken dar, die der sunnitischen Richtung des Islams anhängen. In Nordafghanistan finden sich zudem sunnitische Turkmenen. Im Südwesten des Landes, besonders entlang des Helmand, leben hingegen mehrere hunderttausend Belutschen. Ähnlich wie die Paschtunen und Turkmenen pflegen auch sie eine ausgeprägte Stammeskultur. Die Sprache der Belutschen, das Belutschi, eine nordwest-iranische Sprache, ist dem Dari verwandt.
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