Bewerberstudie 2022: Wer geht warum zur Bundeswehr?
Bewerberstudie 2022: Wer geht warum zur Bundeswehr?
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- Potsdam
Die Personalgewinnung stellt heute für alle Arbeitgeber eine Herausforderung dar. Welche Gründe motivieren dazu sich für den Dienst als Soldatin oder Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr zu bewerben? Welche Erfahrungen machen potenzielle Bewerberinnen und Bewerber im Verlauf des Bewerbungsprozesses? Der aktuelle Forschungsbericht „Bewerberstudie 2022. Vom anfänglichen Interesse bis zur abgeschlossenen Bewerbung“ präsentiert hierzu Ergebnisse.
Allgemein führt die demografische Lage zu einem sinkenden Angebot an Arbeitskräften und damit zu weniger Bewerberinnen und Bewerbern. Für die Bundeswehr als Arbeitgeber ist vor allem die Aussetzung der Wehrpflicht eine Herausforderung, denn sie ist eine Freiwilligenarmee und kann nicht mehr auf (männliche) junge Erwachsene als Wehrpflichtige zurückgreifen. Vielmehr müssen die Streitkräfte in vollem Umfang mit zivilen Arbeitgebern um potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konkurrieren. Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr) wurde mit einer Studie über die Beweggründe für eine Bewerbung als Soldatin oder Soldat bei der Bundeswehr und zum Verlauf des Bewerbungsprozesses beauftragt. Autor der Studie ist Prof. Dr. Martin Elbe, Projektleiter im Forschungsbereich Militärsoziologie. Seine Arbeitsgebiete erstrecken sich auf die Sozialpsychologie und die Militärsoziologie, insbesondere Arbeits- und Organisationsforschung, Gesundheit und Sport sowie verstehende Methodologie.
„Es muss das Ziel sein, das Bewerberaufkommen besser auszuschöpfen und die Einstellungszusagen zu steigern. Rücktritte sollten minimiert werden.“
Wer bewirbt sich bei der Bundeswehr?
Die Bewerberinnen und Bewerber repräsentieren ein idealistisches Milieu der oberen Mittelschicht und der Mittelschicht. Die Frauen und Männer kommen aus verschiedenen Altersgruppen, allerdings stellen junge Menschen bis 30 Jahre den größten Anteil. Die Bewerbenden stammen aus ganz Deutschland und ihr Bildungsniveau liegt deutlich über dem der deutschen Gesamtbevölkerung. Sie kommen insbesondere aus einem „idealistischen Milieu“ der oberen Mittelschicht und der Mittelschicht. Frauen machen 14 Prozent aller Bewerbungen aus.
Warum sich bei der Bundeswehr bewerben?
Die Befragten geben verschiedene Gründe an, warum sie sich bei der Bundeswehr beworben haben: Wichtig war dafür das eigene, grundsätzliche Interesse am Militär sowie Hinweise aus der Familie oder von Bekannten, die einen positiven Einfluss auf die Bewerbungsbereitschaft hatten. Weitere wichtige Motive waren der Wunsch, dem Staat zu dienen, nach Wertekonformität und nach einem Erleben von Herausforderungen im Dienst bei der Bundeswehr. Aus Karrieresicht stehen Laufbahnperspektiven, die Bildungsmöglichkeiten, die eigene Weiterentwicklung und der Wunsch, konkrete Tätigkeit ausüben zu können, im Vordergrund.
„Hauptmotive sind ein guter Arbeitgeber, Kameradschaft und Teamwork sowie persönliche Entwicklungschancen. Aber nicht Bezahlung, Arbeitszeit oder Mobilität.“
Bewerbungsprozess: Erwartungen und Bewertung
Im Bewerbungsprozess werden vor allem Transparenz im Verfahren und kurze Verfahrenszeiten erwartet. Das Verfahren wird überwiegend positiv bewertet, allerdings berichten 23 Prozent der Befragten von negativen Erlebnissen, wobei die Dauer des Bewerbungsverfahrens und mangelnde Transparenz im Zentrum der Kritik stehen. Diese beiden Punkte korrespondieren mit vergleichbaren Befragungen im zivilen Bereich. Das BMVgBundesministerium der Verteidigung hat zum Thema weitere Studien im laufenden Jahr beauftragt. Es werden weitere quantitative und qualitative Erhebung zu Bewerberaufkommen und -motivation folgen.
„Die Befragten fühlen sich gut informiert, haben klare Wertvorstellungen und Karriereerwartungen. Aber Dauer und Transparenz sind ihnen wichtig.“
Zusammenfassung
Insgesamt offenbart die Studie, dass die Bundeswehr auf gut informierte und hoch motivierte Bewerberinnen und Bewerber zurückgreifen kann. Die Befragten erwähnen auch ein gutes Informationsangebot des potenziellen Arbeitgebers Bundeswehr, wobei sie hier noch Potenziale zur Verbesserung sehen.
Die Bewerberinnen und Bewerber bei der Bundeswehr:
- haben mit 14 Prozent Frauen einen geringeren Anteil als der Bevölkerungsdurchschnitt
- regionale Herkunft: der Westen (NRWNordrhein-Westfalen) ist überrepräsentiert und der Süden (BW, BY) unterrepräsentiert, die norddeutschen und die ostdeutschen Bundesländer entsprechen den jeweiligen Bevölkerungsanteilen
- liegen hinsichtlich des Bildungsniveaus deutlich über den Vergleichszahlen der deutschen Gesamtbevölkerung aus dem Jahr 2019
- rekrutieren sich insbesondere aus einem idealistischen Milieu der oberen Mittelschicht und der Mittelschicht
Gründe für die Bewerbung und die Bewertung des Online-Informationsangebots:
- Umfeld und Bildung wirken positiv auf die Bewerbungsentscheidung
- die Bundeswehr stellt ein gutes Informationsangebot zur Verfügung, wobei hier noch Potenziale zur Effizienzsteigerung gefunden werden können
- das eigene, grundsätzliche Interesse am Militär sowie Hinweise aus der Familie oder von Bekannten haben einen positiven Einfluss auf die Bewerbung
- das Interesse am Arbeitgeber, die Bereitschaft zu dienen sowie Werte und Herausforderungen sind die zentralen Motive für die Bewerbung
- aus Karriereperspektive stehen Laufbahn, Bildung, die eigene Weiterentwicklung und die konkrete Tätigkeit im Vordergrund
Verlauf des Bewerbungsprozesses und Erwartungen:
- die zentralen Erwartungen an den Bewerbungsprozess sind Transparenz und Dauer (kurze Verfahrenszeiten)
- Dauer des Bewerbungsverfahrens und eine mangelnde Transparenz standen im Zentrum der Kritik
- bei der Bewertung des Bewerbungsprozesses überwiegen die positiven Aspekte
Ausblick
Für die Personalwerbung der Bundeswehr gibt es zahlreiche Ansatzpunkte: Neben externer Personalbeschaffung (Recruiting), kann Personalbindung (Retention) eine Lösung sein. Hier sind zum einen partielle Effekte möglich – dies würde entweder zu einer Verschiebung der Bedarfsdeckung (z.B. bei einem Laufbahnwechsel) oder zu einer zeitlich befristeten Bindung (z.B. Verlängerung der Verpflichtungszeit ohne erweiterte Laufbahnperspektiven) führen. Zum anderen können aber auch umfassende Effekte erzielt werden, wenn innerhalb einer Laufbahn eine Verstetigung des Beschäftigungsverhältnisses vereinbart wird und die Betroffenen zu Berufssoldatinnen oder -soldaten ernannt werden.
„Eine stärkere Personalbindung könnte in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Personalbedarfsdeckung leisten.“
Details und Download
Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr) führte von Mai bis Juli 2022 die Umfrage zu Motiven, Einschätzungen und Hintergründen von Bewerberinnen und Bewerbern bei der Bundeswehr durch. Die Daten wurden über eine Online-Umfrage unter allen Personen erhoben, die sich in diesem Zeitraum bei der Bundeswehr beworben hatten oder für die der Bewerbungsprozess in diesem Zeitraum endete. Der Forschungsbericht präsentiert die Ergebnisse zu Bildung, Herkunft, Sozialstruktur und Werten der Bewerberinnen und Bewerber sowie zu ihren Erwartungen und ihrer Motivation, aber auch zu ihrer Bewertung des Bewerbungsprozesses. Von Mai bis Juli 2022 wurden alle 4163 Bewerberinnen und Bewerber im elektronischen Recruiting System der Bundeswehr angeschrieben und um Teilnahme an der Befragung gebeten. 1311 Bewerberinnen und Bewerber füllten den Online-Fragebogen aus. Nach Abschluss des Bewerbungsprozesses wurden 2433 Personen angeschrieben, von ihnen füllten 290 den entsprechenden Online-Fragebogen aus.
Bibliografische Angaben
Martin Elbe, Bewerberstudie 2022. Vom anfänglichen Interesse bis zur abgeschlossenen Bewerbung bei der Bundeswehr. Forschungsbericht 134. Potsdam: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr 2023. ISBN: 978-3-941571-53-2
DOI: https://doi.org/10.48727/opus4-649
Eine Druckversion des Forschungsberichts können Sie über den Buchhandel (ISBN 978-3-941571-53-2) beziehen.
Alle sozialwissenschaftlichen Forschungsberichte sind dauerhaft als PDF über den ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr-Publikationsserver abrufbar.
Sozialwissenschaftliche Forschungsberichte
Die sozialwissenschaftlichen Forschungsberichte des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr behandeln aktuelle Themenstellungen und erscheinen als PDF zum Download.