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Wiedergutmachung von NSNationalsozialismus-Unrecht durch Bücherrückgabe

Wiedergutmachung von NSNationalsozialismus-Unrecht durch Bücherrückgabe

Datum:
Ort:
Potsdam
Lesedauer:
3 MIN

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Gemeinsame Restitution: 80 Jahre nach Kriegsende geben 14 deutsche Bibliotheken und Archive, darunter zwei Bundeswehreinrichtungen, Bücher aus der Sammlung Raoul Fernand Jellinek-Mercedes an die Erbengemeinschaft in Österreich zurück. Die Koordination übernahm die Deutsche Nationalbibliothek.

Zwei aufgeschlagene Bücher mit dem Ex Libris von Fernand Jellinek-Mercedes vor einem Bücherstapel

Zwölf restituierte Bücher aus zwei Bundeswehrbibliotheken

Bundeswehr/Viering-Kamp

14 deutsche Bibliotheken und Archive haben insgesamt 41 Bücher an die Nachfahren des österreichischen Schriftstellers Raoul Fernand Jellinek-Mercedes restituiert. Zwölf Bände stammen aus zwei Bundeswehrbibliotheken, davon zehn aus der des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr), wie einer  Pressemitteilung der Deutsche Nationalbibliothek vom 8. Mai 2025 zu entnehmen ist. 

Bücher als NSNationalsozialismus-Raubgut in BwBundeswehr-Bibliotheken

Vor etwa zehn Jahren wuchs in der Fachinformationsunterstützung der Bundeswehr das Bewusstsein, dass auch in den Regalen der Bundeswehrbibliotheken NSNationalsozialismus-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut stehen könnte. Im Rahmen einer Stichprobenuntersuchung im ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr konnte bereits 2015 ein Band aus Jellinek-Mercedes‘ Besitz eindeutig als NSNationalsozialismus-Raubgut identifiziert werden. 2024 präsentierte ihn die Leiterin der Bibliothek, Dr. Gabriele Bosch, in der Reihe „Aufgeblättert – Der Bücherschatz des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr auf der Website des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr.

Ex Libris von Fernand Jellinek-Mercedes

Ex Libris von Fernand Jellinek-Mercedes

Bundeswehr/Gabriele Bosch

2016 stellte das Bundesministerium der Verteidigung personelle und finanzielle Mittel zur Verfügung, um im Fachinformationszentrum der Bundeswehr in Bonn das Team „Auffindung und Restitution von NSNationalsozialismus-Raubgut und NSNationalsozialismus-Beutegut“ einzurichten. Von Bonn aus schwärmen die Kolleginnen seitdem in die einzelnen Fachinformationsstellen der Bundesehr aus und untersuchen Bücher, die vor 1945 erschienen sind. Im ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr waren es 57400 Bände. Dreimal zwei Wochen arbeitete das Team in den Jahren 2023 und 2024 vor Ort in Potsdam, erhob Daten zu privaten und institutionellen Vorbesitzern, fotografierte und dokumentierte Befunde. Die noch nicht abgeschlossene Auswertung erfolgt in Bonn. 

Bücher aus der Sammlung von Jellinek-Mercedes

Das Team konnte im Zuge der Provenienzforschung insgesamt 10 Bände aus Jellinek-Mercedes‘ Sammlung identifizieren. Der Schriftsteller und Sammler von Musikalien, Gemälden und Büchern wurde ab 1938 aufgrund seiner jüdischen Herkunft verfolgt. Im Alter von 51 Jahren erschoss er sich am 10. Februar 1939 in seiner Wohnung in Baden bei Wien. Zuvor hatte ihm ein Vollziehungsbeamter mitgeteilt, dass sein gesamtes Eigentum von der Gestapo beschlagnahmt sei. 

Stempel K.V.P. Historische Abteilung auf dem Titelblatt eines Buches

Stempel der Historischen Abteilung der Kasernierten Volkspolizei der DDRDeutsche Demokratische Republik

Bundeswehr/Pia Linne

Leider lässt sich auch bei Jellinek-Mercedes der Weg nicht lückenlos nachverfolgen, den seine Bücher nach Brandenburg genommen haben. Die aufgespürten Bücher tragen, wie weitere Bände in der Bibliothek des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, einen Besitzvermerk aus der frühen Nachkriegszeit: K.V.P. Die Abkürzung steht für Kasernierte Volkspolizei, aus der 1956 die Nationale Volksarmee hervorging.

Herausforderungen der Nachkriegszeit

Der Grund für diese fehlende Spur liegt in den Wirren der Nachkriegszeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in ganz Europa ein großes Chaos, gerade auch in Kultureinrichtungen. Zerstörung, Enteignung, Raubzüge, Verbringung an vermeintlich sichere Orte wie Bergwerke, Burgen oder große Scheunen verursachten diese Unordnung. Zunächst standen die Militäradministrationen und dann die eingesetzten Fachleute vor der schier unlösbaren Aufgabe, wieder Ordnung herzustellen. Hinzu kam, dass neue Landesgrenzen Bestände für Jahrzehnte oder gar für immer auseinanderrissen. Vor allem in die USAUnited States of America und in die Sowjetunion wurden nach 1945 Tausende von beschlagnahmten Büchern verbracht, darunter sehr viele militärischen Inhalts. Nicht alles wurde bislang an die Bundesrepublik Deutschland oder damals an die DDRDeutsche Demokratische Republik zurückgegeben.

Aufgeschlagenes Buch, Lineal, Hände mit weißen Handschuhen, Bleikette

Untersuchung eines Buches im Hinblick auf mögliches NSNationalsozialismus-Raubgut

Bundeswehr/Viering-Kamp

Modelle von Restitutionen

Ist ein Buch eindeutig als NSNationalsozialismus-Raubgut identifiziert, gibt es verschiedene Modelle von Restitutionen. Die Entscheidung liegt bei den zu Restituierenden. Im Fall von Jellinek-Mercedes wählte die Gemeinschaft der Erbinnen und Erben in Österreich – wie auch bei früheren Rückgaben durch zivile Bibliotheken – den Rückkauf. Die besitzenden Bibliotheken gaben die Bücher an die Erbengemeinschaft zurück. Anschließend bezogen sie die Bücher zu dem Preis wieder, der heute zu entrichten wäre, wenn das jeweilige Buch antiquarisch angekauft würde. Die Abwicklung des Rückkaufs übernahm für die beiden Bundeswehrbibliotheken das Fachinformationszentrum der Bundeswehr. In den Bänden und auch im Onlinekatalog des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr wird die Restitution zeitnah kenntlich gemacht.

von Gabriele Bosch

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Aufgeblättert

In der Online-Reihe "Aufgeblättert - Der Bücherschatz des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr" gewährt die Bibliothek des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr einen Einblick in ihre raren Bücherschätze, die seit 2022 endlich wieder vor Ort im Magazin untergebracht sind, nachdem sie jahrelang im Außenmagazin schwer zugänglich waren. Gerne können Sie unsere Bibliothek während der Öffnungszeiten besuchen. Auf der Seite der Bibliothek finden Sie weitere Informationen zur Bibliothek und zur Bibliotheksbenutzung.