Aufgeblättert – Bücherschatz

De la Gueriniere: Die Reitkunst oder gründliche Anweisung zur Kenntniß der Pferde, 1791

De la Gueriniere: Die Reitkunst oder gründliche Anweisung zur Kenntniß der Pferde, 1791

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Seit Jahrtausenden arbeiten Mensch und Pferd in vielen Lebensbereichen zusammen. Nicht nur in der Landwirtschaft, im Handel und im Verkehrswesen dient das Pferd als Lastentier. Im Militär kommt ihm eine besondere Bedeutung zu. In den Reiterheeren trugen Pferde nicht nur Verpflegung und andere Güter, sondern vor allem Kämpfer und Kämpferinnen, denkt man an die sagenumwobenen Amazonen. Hier wird eine Anweisung zur Reitkunst aus dem 18. Jahrhundert vorgestellt. Nach Auskünften zu Amazonen sucht man darin jedoch vergeblich.

Vier Abbildungen von einem Reiter, der über ein Hindernis springt

Capriole und der stolze Tritt zwischen den Pfeilern

Bundeswehr/Gabriele Bosch

Historische Einordnung

Schon in der Antike gab es Reiterarmeen. Zu den bekanntesten Reitervölkern zählen die Hunnen und die Mongolen. Als Kavallerie bezeichnet man die zu Pferd kämpfende Waffengattung der Landstreitkräfte, die mit Bogen, Lanzen, Blankwaffen oder Handfeuerwaffen ausgerüstet sind. Im Mittelalter setzten sich mit Harnisch geschützte Ritter durch, mit Hieb- und Stoßwaffen agierend. In der Neuzeit gelten die Ulanen als die älteste Kavalleriegattung, die mit Lanzen ins Gefecht zogen. Kürassiere gehörten zur schweren Kavallerie. Sie trugen als Schutz einen Harnisch um den Oberkörper, der Kürass. Dragoner nennt man die berittene Infanterie. Früher stiegen sie zum Gefecht vom Pferd ab, später aber blieben sie im Sattel und kämpften mit Schusswaffen. Bekannt sind ferner die Husaren. Ihr Name geht auf ungarische Freischärler zurück. Sie näherten sich zu Aufklärungszwecken den feindlichen Linien. Seit Ende des 18. Jahrhunderts setzten sich in Europa Jäger zu Pferd durch. Sie versahen ebenso Aufklärungsarbeit, bewaffnet mit Säbel und Karabiner. Noch im Zweiten Weltkrieg gab es die Kavallerie mit eigenen Divisionen. In der heutigen Bundeswehr ist von der Kavallerie nur noch das Einsatz- und Ausbildungszentrum für Tragtierwesen 230 in Bad Reichenhall übrig geblieben. 140 Uniformierte dienen in der Einheit zusammen mit etwa 70 Maultieren und Haflingern. Jedes Tier kann bis zu 140 kg Last tragen, um die Gebirgsjägereinheiten in den nicht mehr mit Fahrzeugen zu erreichenden Bergregionen zu versorgen.

Abbildung des Autors des französischen Buchs „Reiterschule“

Rittmeister François Robichon de la Guérière

Bundeswehr/Gabriele Bosch
Titelblatt des Buchs „Ecole de cavalerie“ mit der Abbildung eines Kupferstichs einer Reiterschule

Titelblatt des Buchs „Ecole de cavalerie“, hier in einer Ausgabe von 1736

Bundeswehr/Gabriele Bosch

Aus dem Inhalt

Der Rittmeister François Robichon de la Guérinière (1666-1751) erhielt 1715 vom französischen König den Bestallungsbrief zur Gründung einer Reitakademie, die 1717 in Paris eröffnet wurde. Die Einrichtung wurde ein großer Erfolg. De la Guérnière veröffentlichte 1733 eine Anleitung zur Ausbildung von Reitpferden unter dem Titel „École de Cavalerie“. Dieses Lehrbuch hat bis heute seine Gültigkeit. Der Autor legt besonderen Wert darauf, in der Pferdeausbildung auf jegliche Gewalteinwirkung auf das Pferd zu verzichten. Jedes Tier sollte nach seinen Anlagen individuell ausgebildet werden.

Titelblatt des Buches: Buchtitel Die Reitkunst, Autor Hrn. de la Guerieniere, Übersetzer J. Daniel Knöll, Verlag und Jahr

Titelblatt der deutschen Übersetzung „Die Reitkunst“

Bundeswehr/Gabriele Bosch

1791 erschien die erste deutsche Übersetzung des Buchs, zwei weitere Auflagen 1802 und 1817. Der Übersetzer ist Johann Daniel Knöll, ein Bereiter in Nassau-Dillenburg, Residenz des Hauses Oranien mit einer Tradition in der Pferdezucht bis heute. In seiner Vorrede weist Knöll darauf hin, dass er das Kapitel über Pferdekrankheiten weggelassen hat, da dieses nicht von de La Guérinière selbst stammt.

„Die Kriegskunst und Reitkunst haben sich einander gegenseitig große Vortheile zu verdanken.“

Im zweiten Teil des Buchs (S. 289-295) geht es um die Nutzung des Pferds als Soldatenpferd. Wie auch bei der Jagd muss das Soldatenpferd lernen, das Geräusch der Waffen, den Schuss, Dampf und Geruch des Pulvers sowie das Lärmen der Trompeten, Trommeln und das Toben der Massen zu tolerieren. Es wird betont, dass das Pferd bei der Ausbildung keineswegs zu schlagen ist.

Kupferstich mit mehreren kleinen Abbildungen, wie Reiter Gegenstände mit Lanze, Säbel oder Pistole treffen

Kopf- und Ringrennen

Bundeswehr/Gabriele Bosch

Die Tafel 27 des zweiten Teils zeigt den Ablauf eines Kopf- und Ringrennens. Offensichtlich handelt es sich um eine Übung im Rahmen der Kavallerieausbildung, denn zumindest die Reiter sind alle uniformiert. Zweck der Übung ist, als Reiter Ziele vom Pferd aus während des Ritts zu treffen. Die zu erreichenden Gegenstände sind Köpfe aus Holz, die entweder mit der Lanze oder mit dem Säbel oder mit einer Schusswaffe getroffen werden müssen. Abbildung 3 zeigt, wie die Pistole direkt neben dem Pferd ausgelöst wird. Pferde im Militär müssen unbedingt schussfest sein. Darauf weist Knöll im zweiten Teil seines Buches deutlich hin. 

Wie kam das Buch in die Bibliothek des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr?

Besitzvermerk / Ex Libris im Buch: Vit Impend Vero, v. Klüber, Baden

Ex Libris der Familie von Klüber aus Baden

Bundeswehr/Gabriele Bosch

Privatbesitz

Auf der inneren Umschlagseite des Buchs klebt der Besitznachweis eines Mitglieds der Familie von Klüber mit der Ortsangabe Baden. Das Wappen deutet auf das Großherzogtum Baden hin, das von 1806 bis 1871 ein souveräner Staat war. Mit der Proklamation des Deutschen Kaiserreichs 1871 in Versailles verlor Baden seine Eigenständigkeit. Es liegt nahe, dass Friedrich Karl von Klüber (1833-1908) Besitzer dieses Buches war. Er wurde in Karlsruhe geboren und starb in Baden-Baden. 1863 wurde er in den Adelsstand erhoben. Sein Wahlspruch ist im Ex Libris genannt: Vitam impendere vero – Das Leben der Wahrheit weihen. 1886 schied von Klüber als Oberst aus der Preußischen Armee aus, erhielt 1890 noch den Dienstgrad Generalmajor als „Charakter“, ein unbesoldeter Ehrentitel, der Beamten und Militärangehörigen in Deutschland bis 1945 verliehen werden konnte.

Titelblatt des gedruckten Bibliothekskatalogs der Regimentsbibliothek

Titelblatt des Katalogs der Regimentsbibliothek

Bundeswehr/Gabriele Bosch

Regimentsbibliothek

Im Zugangsbuch des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFAMilitärgeschichtliches Forschungsamt), einer Vorgängereinrichtung des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr bis 2012, sind im Jahr 1963 310 Bücher vom 1. Schweren Reiterregiment in München verzeichnet. Die genaue Bezeichnung der Einheit lautet: „Königlich Bayerisches 1. Schweres Reiter-Regiment „Prinz Karl von Bayern“, das von 1814 bis 1914 existierte und in München stationiert war. Als die Bibliothek des MGFAMilitärgeschichtliches Forschungsamt 1957 aufgebaut wurde, konnte man zunächst auf keine eigenen älteren Buchbestände zurückgreifen. Man war angewiesen auf Schenkungen, antiquarische Ankäufe und Nachlässe. Das Ministerium der Verteidigung, 1955 noch Ministerium für Verteidigung, half mit, die neu entstehenden Bundeswehrbibliotheken mit Altbeständen aus aufgelösten Militärbibliotheken aus der Zeit vor 1945 auszustatten. So kam auch ein Teil der Offizierbibliothek des 1. Schweren Reiterregiments aus München in die Bibliothek des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Der Katalog dieser Offizierbibliothek aus dem Jahr 1886 ist ebenfalls im Bibliotheksbestand des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Dort ist das Buch von Knöll gleich auf Seite 2 verzeichnet. In der ehemaligen Reithalle der Villa Ingenheim dürfen Bücher zum Thema Pferdezucht, Reiten und Kavallerie natürlich nicht fehlen.

URN: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:kobv:po79-opus4-6901

DOI: https://doi.org/10.48727/opus4-690

von Gabriele Bosch  E-Mail schreiben

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