Aufgeblättert – Der Bücherschatz des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr

Johann Tobias Wagner: Entwurff einer Soldaten-Bibliothec, 1724

Johann Tobias Wagner: Entwurff einer Soldaten-Bibliothec, 1724

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Im ersten Beitrag der neuen Online-Reihe „Aufgeblättert - Der Bücherschatz des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr“ stellt die Leiterin der Bibliothek des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Frau Dr. Gabriele Bosch dieses Buch, das im Magazin der Bibliothek steht, näher vor.

Als Rektor des Gymnasiums in Blankenburg im Harz schrieb der Theologe Johann Tobias Wagner 1724 ein Buch mit dem Titel „Entwurff einer Soldaten-Bibliothec“. Hierin gab er seinem Landesherrn Herzog Ludwig Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel eine Empfehlung, welche Bücher in eine militärische Bibliothek gehören und warum.

Soldaten-Bibliothec_Buchrücken

Buchrücken mit handschriftlicher Abkürzung des Buchtitels und Signatur der Bibliothek.

2023 Gabriele Bosch

Historische Einordnung

Im 18. Jahrhundert brach auch im Militär das Zeitalter der Aufklärung an. Bildung und Wissenschaft sollten die Grundlage des militärischen Handelns und Denkens sein. Für den Soldaten sei es notwendig, nicht nur sein Handwerk zu lernen, den Umgang mit Waffen, den Bau von Festungen oder die Belagerung von Orten. Gerade der Offizier müsse allumfassend gebildet sein und sein Agieren reflektieren. Die stehenden Heere des frühneuzeitlichen Staates wuchsen auf. Garnisonstädte wurden neu gebaut oder ausgebaut. In den Städten errichteten die Landesherrn Schulen und Bildungseinrichtungen sowie Bibliotheken für ihre Untertanen, speziell für Soldaten und ihre Angehörigen. Landläufig schreibt man dem preußischen König Friedrich dem Großen (1712-1786) zu, von seinen Offizieren und Soldaten nicht nur eine praktische, sondern auch eine theoretische Ausbildung zu fordern. Doch schon sein Vater, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) in Preußen, setzte sich für die Bildung seiner Soldaten ein. Er gründete 1717 das Königlich Preußische Kadettenkorps mit drei Kadettenschulen in Berlin, Kolberg und Magdeburg. In diesen Einrichtungen sollten die jungen Offiziere des Landes eine gründliche Ausbildung erhalten, die über rein militärische Fertigkeiten hinausgingen.

Johann Tobias Wagner, Hofbibliothekar auf Schloss Blankenburg im Harz und später preußischer Generalfiskal, schickte dem König in Preußen 1724 einen über 450 Seiten langen Entwurf zur Einrichtung einer Soldaten-Bibliothek und betonte gleich in seiner Einleitung:

Johann Tobias Wagner in: Entwurff einer Soldaten-Bibliothec, 1724
"Kluge Regenten bessern ihren Staat durch die Krieges-Erfahrenheit und durch Studien und Wissenschafften. […] Ein grosser Monarch, der die Krieges-Kunst auf den höchsten Gipfel der Vollkommenheit gebracht, hat gerne solche Leute unter seinem Solde, die was studieret haben."
Soldaten-Bibliothec_Titelblatt

Der Kupferstich auf dem Schmutztitel zeigt Minerva, die römische Göttin der Weisheit, aber auch Patronin der taktischen Kriegführung.

2023 Gabriele Bosch

Zum Inhalt

Der Kupferstich auf dem Schmutztitel (gegenüberliegende Seite zum Titelblatt) zeigt Minerva, die römische Göttin der Weisheit, aber auch Patronin der taktischen Kriegführung. Sie trägt in der rechten Hand einen Speer, in der linken Hand ein Schild, auf dem Kopf einen gefederten Helm. Der Brustharnisch ist ein Panzer aus Ziegenfell, auf der der Kopf der Medusa steht, so beschreibt es Wagner selbst auf S. 7. Dieser Brustpanzer symbolisiere, „daß Weißheit und Krieges-Tapferkeit mit ein ander müsse vereinbahret werden.“ Die Bildunterschrift lautet: Minerva Victrix. Das heißt: Die siegreiche Minerva.

Abbildung des 1. Kapitels des Buches

Abbildung des 1. Kapitels des Buches.

2023 Gabriele Bosch

Das Buch ist in 350 jeweils kurze Paragraphen gegliedert. Auf den ersten elf Seiten, Zuschrifft genannt, widmet der Verfasser sein Werk König Friedrich Wilhelm I., König in Preußen, mit der Datierung: Blankenburg, den 31. Juli 1724. Ganz im Geist der Aufklärung schwärmt der Autor von den Vorzügen der Wissenschaft für das Militär. Im Weiteren werden die militärisch relevanten Wissensgebiete vorgestellt, zu denen Buchtitel genannt werden. Diese sollen laut Wagner in der einzurichtenden Soldatenbibliothek des Königs nicht fehlen. Geographie, Historie, Fortifikation, Artillerie, Disziplin- und Exerzierkunst, Leibes- und Ritterexerzitien, Politik, Belagerung, Kriegsämter, Waffen- oder Truppengattungen, Belohnungen bzw. Strafen sind die Themen, die in den Paragraphen als militärrelevant vorgestellt werden. Am Ende des Buches stehen zwei Reden, die eine von Herrn von Rampalle über den Nutzen der Kriegstapferkeit, die andere von Herrn Barbeyrac über den Nutzen der Gelehrsamkeit.

Erst in der Rede von Rampalle, gemeint ist wahrscheinlich der französische katholische Theologe Jean-Antoine Rampalle (1624-1666), wird vom Soldaten als einem tugendhaften Menschen gesprochen. Jean Barbeyrac (1674-1744) war ein französisch-schweizer Jurist, ein bedeutender Vertreter des Naturrechts. In diesem Buch von 1724 wird der Soldat als Mensch vorgestellt, der durch Bildung und Wissenschaft zu formen ist. Gesinnung, Glaube, Ideale und Tugenden haben in der Frage nach dem guten Soldatensein keine große Bedeutung. Im Sinne des Rationalismus betrachtet Wagner alle Lebensbereiche und setzt damit eine Zäsur zu den militärtheoretischen Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts, in denen Religion und Moral handlungs- und erkenntnisleitend waren.

 

Soldaten-Bibliothec mit Unterstreichungen

Das Buch stand nicht nur im Regal. Mehrere Spuren im Buch deuten darauf hin, dass es gründlich und kritisch gelesen wurde.

2023 Gabriele Bosch

Wie kam das Buch in die Bibliothek des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr?

Soldaten-Bibliothec_Stempel

Ein Stempel auf der Titelseite des Werks belegt die Provenienz „Großherzogliche Regierungsbibliothek“ in Schwerin.

2023 Gabriele Bosch

Laut Zugangsbuch gelangte der Band 1979 über das Ministerium für Nationale Verteidigung der DDRDeutsche Demokratische Republik in Strausberg in den Bestand der Bibliothek des Militärgeschichtlichen Instituts der DDRDeutsche Demokratische Republik in Potsdam. Ein Stempel auf der Titelseite des Werks belegt die Provenienz „Großherzogliche Regierungsbibliothek“ in Schwerin. Wie und wann dieser Band von Schwerin nach Strausberg gelangte, ist nicht bekannt. 2.060 Bücher waren durch Befehl Nr. 4 des Alliierten Kontrollrats zur „Einziehung von Literatur und Werken nationalsozialistischen und militaristischen Charakters“ vom 13. Mai 1946 aus dem Mecklenburgischen Geheimen und Hauptarchiv der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern eingezogen und in die Zentralbibliothek nach Ostberlin verbracht worden. Das Verwaltungsgericht Berlin lehnte 2008 in letzter Instanz eine Klage des Landes Mecklenburg-Vorpommern ab, diese Bände wieder nach Schwerin abgeben zu müssen. So verblieben sie im Bestand des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (seit 2013 ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr).

URN: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:kobv:po79-opus4-6248

DOI: https://doi.org/10.48727/opus4-62

von Gabriele Bosch  E-Mail schreiben

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