Johann Rudolph Fäsch: Kriegs, Ingenieur, -Artillerie- und See-Lexicon, 1735
Johann Rudolph Fäsch: Kriegs, Ingenieur, -Artillerie- und See-Lexicon, 1735
- Datum:
- Ort:
- Potsdam
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Im Militär werden viele Begriffe verwendet, die ein Laie nicht versteht. Auch im Militär findet im 17. und 18. Jahrhundert eine rasante Spezialisierung statt. So hat ein Artillerist keine Vorstellung davon, was ein zur See fahrender Soldat an Wissen, Ausrüstung und Werkzeug benötigt. Ein Lexikon von A bis Z aus dem Jahr 1735 soll Verständigung ermöglichen.
Historische Einordnung
Johann Rudolph Fäsch wurde 1680 in Basel geboren und trat 1712 als Ingenieur-Kapitän in die kursächsische Armee ein. Ingenieurkapitän nennt man seit dem 17. Jahrhundert Offiziere, die als Baumeister, Ingenieure oder Kartografen eingesetzt werden. Der Rang ist dem eines Hauptmanns vergleichbar. Fäsch nahm am Polnischen Erbfolgekrieg (1734/1735) und am Zweiten Schlesischen Krieg (1740-1742) teil. 1742 wurde er zum Obristen ernannt. Fäsch bildete Militärarchitekten aus und gehörte selbst zu den Barockbaumeistern. Das 18. Jahrhundert gilt als die Blütezeit des Festungsbaus in Europa. Fäsch legte bei seinen Bauten besonderen Wert auf Zweckmäßigkeit, Symmetrie und Beständigkeit. Er war bis zu seinem Tod 1749 in Dresden Sachverständiger für Ingenieurwesen, Seewesen, Artillerie, Geometrie, Mechanik, Bergwerke, Gewichte und Münzwesen und seit 1723 Mitglied der preußischen Akademie der Wissenschaften.
Aus dem Inhalt
Fäsch nennt sein Werk Lexikon und deckt auf knapp 1200 Seiten nahezu alle Wissensgebiete von der Historie, Chronologie und Geografie bis zur Mathematik, Maße, Gewichte, Kavallerie, Artillerie, Waffenkunde und Seewesen ab. Dem allgemeinen Teil folgen ein Anhang zu Ländern, Städten, Festungen, Schanzen und Meeren sowie ein weiteres Kapitel zu Münzen in Europa und weltweit. Beigegeben sind dem Werk 21 gefaltete Kupfertafeln. Johann August Richter (1695-1743) aus Oschatz war Kartograf und Zeichner. Er schuf die Bilder, die Johann Christoph Sysang (1703-1757), ein zu seiner Zeit berühmter Kupferstecher aus Leipzig, in Kupferstiche umsetzte.
Vorarbeit
Johann Rudolph Fäsch hatte bereits 1723 ein Wörterbuch für Ingenieure veröffentlicht. Dieses 200 Seiten starke Buch nennt er in seinem großen Werk von 1735 eine Vorarbeit. In diesem Nachschlagewerk konzentrierte sich Fäsch auf die Ingenieurkunst und die Artillerie. Im Vorwort erklärt Fäsch, dass die meisten Begriffe in französischer Sprache sind. Französisch löste spätestens im 18. Jahrhundert Latein als Sprache der Wissenschaft und der Diplomatie ab. Von wem die fünf Kupferstiche stammen, wird im Band von 1723 nicht angegeben. Drei Tafeln zeigen Abbildungen aus dem Festungsbau, zwei zeigen Werkzeuge und Waffen, die im Festungsbau und bei der Bewaffnung von Festungen genutzt werden. Auch dieser Band ist im Bestand der Bibliothek des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr und wurde 1963 in Freiburg im Breisgau, Sitz des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes bis 1994, aufgenommen.
Die Kupfertafel zeigt Werkzeuge und Geräte wie Schaufeln, Schubkarren, verschiedene Hammer und Körbe, die man im Festungsbau benötigt. Zudem sieht man sogenannte Annäherungshindernisse wie Spanische Reiter, die bis heute zur Grenzsicherung oder bei Barrikaden aufgestellt werden. Der Name geht auf den Niederländischen Unabhängigkeitskrieg (1568-1648) zurück, als spanische Truppen mit solchen Barrieren verhinderten, dass feindliche Kavallerie die belagerte Stadt Groningen einnehmen konnten. Rechts oben auf der Kupfertafel sind verschiedene Arten von Fußangeln abgebildet. Die Eisen in verschiedenen Formen werden in die Erde gerammt. Die aus dem Boden ragenden Spitzen sollen Soldaten und Pferde so verletzten, dass sie nicht weiter vordringen. Man nennt diese Fußangeln auch Krähenfüße.
Fundstücke im Buch
Schlägt man das Buch auf Seite 238 auf, findet man etwas Unerwartetes. Sechs gut erhaltene Blütenblätter liegen darin. Das recht dicke Buch diente offensichtlich als Blumenpresse, was in früherer Zeit nicht unüblich war. Wie lange die Blätter schon im Buch liegen, lässt sich nicht ergründen. Nachfragen im Botanischen Garten Berlin, der als internationales Wissenszentrum der Botanik zur Freien Universität Berlin gehört, erbrachten den Befund, dass es sich entweder um Lilienblätter oder um Blüten der Magnolie handelt. Für die Papierherstellung nutzte man bis ins 19. Jahrhundert unter anderem alte Kleidungsreste, die sogenannten Hadern oder Lumpen. Der hohe Anteil an Zellulose machte das Papier sehr saugfähig. Darin gepresste Blütenblätter behalten meist ihre Farbe, ohne das Papier zu verfärben.
Wissenschaftliche Bibliothek wird Volksbücherei
Das Buch hatte mindestens zwei interessante Vorbesitzer. Auf dem inneren Umschlag findet man das schön gestaltete Ex Libris der Leipziger Stadtbibliothek (s.u.). Diese Bibliothek geht auf eine Privatbibliothek zurück, die der Leipziger Finanzbeamte Huldreich Groß (1605-1677) anlegte. Groß stiftete seinen Nachlass in Form von Büchern und Geld, damit die Stadt Leipzig eine öffentlich zugängliche Bibliothek „zum Nutzen der studierenden Stadtjugend“ einrichten sollte. Die Bibliothek blühte und gedieh, bis in DDRDeutsche Demokratische Republik-Zeiten der Rat der Stadt die wissenschaftlich ausgerichtete Stadtbibliothek 1951 auflöste. Die wertvolle und einzigartige Büchersammlung wurde auf verschiedene Leipziger Bibliotheken verteilt, aber als geschlossene Kollektion zerschlagen.
Wie das Buch in die Bibliothek des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr kam
Eine unbestimmte Zahl dieser Bücher wurde der 1946 wiedereröffneten Leipziger Universität übergeben, die seit 1953 den Namen Karl-Marx-Universität trug. Ein zweiter Besitzvermerk per Stempel lautet: Institut für Geschichte des Deutschen Volkes der Karl-Marx-Universität. Darüber steht mit Bleistift geschrieben: 1956, 69. Wahrscheinlich handelt es sich um die Inventarnummer im Erwerbungsjahr 1956. Das Institut existierte von 1951 bis 1956. Von hier ist eine Brücke zum Militärgeschichtlichen Institut der DDRDeutsche Demokratische Republik zu schlagen, wo es dann letztlich seine Heimat fand. Zwischen dem Institut für Deutsche Militärgeschichte (IDMG) in Potsdam und der Karl-Marx-Universität Leipzig gab es zeitweise gute Verbindungen. Viele der am Potsdamer Institut arbeitenden Historiker hatten in Leipzig unter anderem bei Prof. Dr. Ernst Engelberg (1909-2010) studiert. Engelberg setzte sich 1957 dafür ein, dass fortan NVANationale Volksarmee-Offiziere mit entsprechenden Voraussetzungen an der Leipziger Universität im Fernstudium Geschichtswissenschaft studieren konnten. Im Zuge dieses Engagements ist es sehr wahrscheinlich, dass Leipziger Bücher ins Militärgeschichtliche Institut (MGI) nach Potsdam gelangten.
URN: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:kobv:po79-opus4-7584
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