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Zugehört - Podcast

Äthiopien 1984/85: Bundeswehr und NVANationale Volksarmee gemeinsam gegen den Hunger

Geschichte
Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
3 MIN

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Im Kalten Krieg standen sich zwei deutsche Armeen gegenüber und doch kam es 1984/85 in Afrika zu einem historischen Moment der Zusammenarbeit: Bundeswehr und Nationale Volksarmee (NVANationale Volksarmee) beteiligten sich gleichzeitig an einem internationalen Hilfseinsatz gegen den Hunger in Äthiopien. Eine neue Sonderausstellung im MHMBwMilitärhistorisches Museum der Bundeswehr Berlin-Gatow erinnert daran. 

drei Männer im Tonstudio

In unserer neuen Folge von „Zugehört“ sprechen Michael Gutzeit, Stefan Kontra und Daniel Schmiedke

Bundeswehr/Nimpsch

Politik, Propaganda und Pragmatismus 

Mitte der 1980er-Jahre befand sich Äthiopien in einer tiefen Krise: Neben einer schweren Dürre trugen Bürgerkrieg, Misswirtschaft und die politischen Verhältnisse zur Hungerkatastrophe bei. Das äthiopische Regime unter Mengistu Haile Mariam ließ gezielt die Bevölkerung in bestimmten Regionen hungern. Dennoch akzeptierte es – aus machtpolitischem Kalkül – humanitäre Hilfsangebote aus Ost und West. So leisteten erstmals Bundeswehr und NVANationale Volksarmee gleichzeitig in einem Land humanitäre Hilfe. Auf Seiten der DDRDeutsche Demokratische Republik war auch die staatliche Fluggesellschaft „Interflug“ beteiligt. Ihren jeweiligen Einsätzen lag offiziell weder eine gemeinsame Koordination noch Planung zugrunde. Beide Seiten agierten formal unabhängig voneinander unter dem Mandat der Vereinten Nationen (UNUnited Nations). Auf denselben Flugfeldern, mit ähnlichen Maschinen und angesichts der Not entstand eine stille Form der Zusammenarbeit – geprägt von gegenseitigem Respekt und pragmatischem Handeln zweier ideologischer Gegner.

Militärlogistik gegen den Hunger 

Die topografischen Bedingungen in Äthiopien erforderten robuste Lufttransportmittel. Nur mit militärischen Flugzeugen und Hubschraubern war es möglich, Hilfsgüter in abgelegene Regionen zu bringen. Bundeswehr und NVANationale Volksarmee setzten auf bewährte Transportflugzeuge und trainierte Crews. Zusätzlich entwickelte die Bundeswehr ein neues Verfahren zum Abwerfen von Hilfsgütern aus niedrigster Höhe. Trotz aller politischen Spannungen zwischen Ost und West ermöglichte diese Zusammenarbeit eine effektive Hilfeleistung. Die Bundeswehr zog aus dem humanitären Einsatz Erfahrungen, die auch Ausbildung und Ausrüstung künftiger deutscher Hilfsmissionen prägten. Erfahrungen aus Äthiopien flossen in Konzepte der militärischen Katastrophenhilfe ein. Zugleich stellte sich die Frage nach der Rolle von NGOsNon-governmental organization, westlicher Außenpolitik und der Instrumentalisierung von Hilfe. In einem Bürgerkriegsland mit sozialistischer Diktatur war Neutralität kaum möglich. Auch die UNUnited Nations gerieten in ein Spannungsfeld aus Moral, Macht und Machbarkeit. 

Live Aid und öffentliche Aufmerksamkeit 

Die internationale Aufmerksamkeit für das Leid in Äthiopien erreichte mit dem Benefizkonzert „Live Aid“ im Sommer 1985 ihren Höhepunkt. Bob Geldofs Initiative sammelte ca. 100 Millionen USUnited States-Dollar an Spenden, doch bis heute ist umstritten, wie wirksam ihre Hilfe war und wer letztlich davon profitierte. Die bereits laufenden Einsätze von Bundeswehr und NVANationale Volksarmee gerieten dabei in den Hintergrund. In Äthiopien selbst fand der militärische Hilfseinsatz kaum Eingang in die kollektive Erinnerung. Auch in Deutschland ist der Hilfseinsatz heute weitestgehend vergessen. Gerade deshalb ist die Berliner Ausstellung des MHMBwMilitärhistorisches Museum der Bundeswehr Gatow ein wichtiges Erinnerungszeichen. 

Ein vergessenes Kapitel militärischer Hilfe 

Die Sonderausstellung des MHMBwMilitärhistorisches Museum der Bundeswehr auf dem Flugplatz Berlin-Gatow trägt den Titel „Äthiopien ´84/85. Hunger – Hilfe – Kalter Krieg“. Auf rund 3.000 Quadratmetern im Außenbereich erwartet die Besucherinnen und Besucher eine eindrucksvolle Inszenierung mit historischen Transportflugzeugen wie der Transall C-160 und der Antonow An-26. Das begehbare Modell des Bundeswehr-Camps in Dire Dawa, ein eigens entwickeltes Videospiel zur Logistik des Abwurfs von Hilfsgütern und eine Tribüne mit „Live Aid“-Atmosphäre vermitteln eindrucksvoll das Spannungsfeld von Not, Engagement und Weltpolitik.

drei Männer im Tonstudio
In der Podcast-Folge sprechen Stefan Kontra, Projektleiter der Ausstellung, und Daniel Schmiedke, ein Mitglied des Kuratorenteams. Moderator ist Michael Gutzeit, Leiter der Informationsarbeit des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr.
Audio-Transkription

Die Gesprächspartner

Stefan Kontra M.A.Master of Arts ist Historiker am Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Berlin-Gatow und leitet dort den Bereich Ausstellungen. Er ist Projektleiter der aktuellen Sonderausstellung. 

Daniel Schmiedke M.A.Master of Arts ist Historiker am Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Berlin-Gatow. Er arbeitet seit vielen Jahren als Kurator und ist Projektverantwortlicher für den Aufbau eines Zeitzeugenarchivs. Moderator ist Michael Gutzeit, Leiter der Informationsarbeit des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr.

von Michael Gutzeit

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Zugehört - Podcast

Militärhistorische und -soziologische Themen im Interview mit Expertinnen und Experten

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