Zugehört 84 - Transkript
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Oberstleutnant Michael Gutzeit: Was wir jetzt gehört haben, war die gute alte Transall. Und die kann man nicht nur hören, sondern man kann sie auch sehen, nämlich bei der aktuellen Sonderausstellung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Berlin-Gatow bei Äthiopien 84/85 – Hungerhilfe – Kalter Krieg. Dort gibt es allerdings nicht nur die Transall zu sehen, sondern auf dem Ausstellungsort mit über 3000 Quadratmetern vor Hangar drei gibt es auch noch andere große Objekte, nämlich die Antonow An-26 und viele weitere interessante Dinge, wie zum Beispiel ein eigens entwickeltes Videospiel, die die fliegerischen Herausforderungen bei einem Abwurf von Lebensmitteln darstellen.
Aber warum haben wir uns eigentlich hier getroffen? In dieser Folge Äthiopien 84/85 geht es um den gemeinsamen Hilfseinsatz von NVANationale Volksarmee und Bundeswehr. Ein Novum in der Geschichte unserer Bundeswehr. Zum Ersten und einzigen Mal waren mitten in der letzten Hochphase des Kalten Krieges Soldaten der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee gleichzeitig an einer internationalen Hilfsaktion beteiligt.
Weitgehend vergessene Einsätze von Transportfliegern startete damals vor 40 Jahren noch vor den bekannten musikalischen Hilfsprojekten von Band Aid und Live Aid, organisiert von Sir Bob Geldof. Dazu jetzt bei mir hier im Studio Herr Stephan Kontra, der Projektleiter der Ausstellung und Herr Daniel Schmiedke vom Kuratoren Team. Aber nun erst mal an Sie gefragt Herr Schmiedtke. Wie kamen Sie eigentlich auf dieses Thema?
Daniel Schmiedke: Das liegt schon eine Weile zurück. Wir waren damals seinerzeit in Penzing, dem Standort des Lufttransportgeschwaders 61 und dort wurde der Standort eigentlich für die Auflösung vorbereitet und wir waren dort, um zu schauen, ob es da noch irgendetwas gibt, was für das Museum interessant wäre für die Sammlung. Und im Rahmen dieser Erkundung ist uns ein Bild ins Auge gefallen, und zwar ein Foto, auf dem man eine Antonow An-26 sieht, der NVANationale Volksarmee in hellgrau gestrichen und einer Bundeswehr Transall.
Und das hat natürlich sofort unsere Aufmerksamkeit gefordert. Und wir haben gefragt Was ist denn das für ein Foto? Wie kann denn das sein? Das waren doch eigentlich Feinde im Kalten Krieg. Wie können die da nebeneinander auf der Piste stehen? Und dann bekamen wir schnell die Info: Na ja, das war der Hilfseinsatz in Äthiopien. Da sind beide nebeneinander geflogen und haben beide für die gleiche Sache gearbeitet.
Nicht zusammen, aber gemeinsam ganz wichtig. Und wir beide hatten eigentlich die Idee, eine Ausstellung mal generell über den Lufttransport zu machen, über die Lufttransporter, da in unseren Augen immer viel zu kurz kommt, obwohl sie eigentlich immer die ersten sind, die irgendwo reingehen und die letzten sind, die wieder rausgehen. First in, Last out. Und dann haben wir uns gedacht, da verbinden wir das eine mit dem anderen.
Wir machen eine schöne Ausstellung über den Lufttransport und verbinden das mit dem Thema Äthiopien, was sich dann im Laufe der Recherchearbeit zu einem gigantischen Projekt entwickelt hat.
Stephan Kontra: Da kann ich gleich anknüpfen. Wir haben nicht nur halt Akten uns angeschaut, die jetzt diesen Hilfseinsatz von Bundeswehr und NVANationale Volksarmee betreffen, sondern um da noch mal zu ergänzen auch die Interflug war auf Ostseite mit an diesem Hilfseinsatz beteiligt gewesen. Ganz am Anfang sogar waren die NVANationale Volksarmee Piloten noch in Interflug Uniformen ausgerüstet worden. Das sollte alles noch unerkannt geschehen.
Das änderte sich dann im Laufe des Einsatzes. Aber die sollen hier nicht unerwähnt bleiben. Die waren mit einer Il-18 an diesem Hilfseinsatz beteiligt gewesen und bei unseren Recherchen hat sich dann das Themenfeld sehr stark erweitert. Wir haben dann natürlich sehr schnell die Benefizkonzerte, wie Band Aid, die Charity Aktion zu Weihnachten 1984, in den Blick genommen. Dann das große Live Aid Konzert natürlich, was vor kurzem sein 40-jähriges Jubiläum gefeiert hat.
Und damit war dann schon uns klar, dass wir hier nicht nur mit einer militärischen oder gegebenenfalls politischen Perspektive in dieser Ausstellung reingehen müssen, sondern genauso auch die gesellschaftliche Perspektive einen ganz wichtigen Stellenwert innerhalb dieser Ausstellung bekommen soll.
Gutzeit: Ja, da kann ich sie gut verstehen, weil ich glaube, jeder kann sich an Bilder erinnern von diesen Live Aid Konzerten. Aber ein Bild, wo Maschinen von Bundeswehr und NVANationale Volksarmee zusammen auf einem Flugfeld stehen, ich denke, das hat man noch nicht gesehen. Deswegen ging es mir genauso. Ich war, glaube ich genauso überrascht wie Sie, als ich von ihrer Ausstellung erfahren habe.
Aber wie kam es denn eigentlich zu diesem gemeinsamen Hilfseinsatz? Was waren die Ursachen dafür?
Schmiedke: Also der große Aufhänger für die gemeinsame Hilfsaktion war in erster Linie eine Fernsehreportage der BBC. Die wurde im Oktober ausgestrahlt 1984, und hat so viel Aufmerksamkeit und Entsetzen in der westlichen Welt hervorgerufen, dass sich die Staaten gezwungen sahen zu handeln. Gleichzeitig gab es aber auch schon einen UNOUnited Nations Organization Aufruf, um Hilfe zu leisten, was natürlich den Druck auf die jeweiligen Auswärtigen Ämter verstärkt hat.
Man muss dazu sagen, dass bereits 1983 das angekündigt hat, dass so einer eine Hungerkatastrophe drohte. Es gab seit langer Zeit eine Dürre und zum Beispiel wissen wir aus den Akten des westdeutschen Botschafters, dass sich dort eine Hungerkatastrophe anbahnte. Das hat man auch mit geplottet im Auswärtigen Amt, Aber tatsächlich der große Hilferuf. Und dann die BBC Doku oder Reportage haben dann dazu geführt, dass man sich innerhalb kürzester Zeit zusammengesetzt hat.
Und eine Woche später flog bereits die erste Bundeswehr Transall nach Äthiopien und nahm ihre Hilfsarbeit auf. Ähnlich verhielt es sich auf Seiten der NVANationale Volksarmee. Dort hatte man auch den UNOUnited Nations Organization Hilferufe zur Kenntnis genommen. Aber eben stand auch im engen Kontakt mit Äthiopien, was derzeit eine sozialistische Diktatur war. Und die DDRDeutsche Demokratische Republik war sehr daran interessiert, das Verhältnis zu Äthiopien stabil zu halten und auch vor allem seinem sozialistischen Brudervolk zu helfen.
Kontra: Genau. Vielleicht noch mal ergänzend, noch dazu auf der DDRDeutsche Demokratische Republik Seite bzw. auch auf der Sowjetunion Seite hatte man ja schon seit einigen Monaten bzw. auch Jahren versucht über diplomatische Kanäle Druck auszuüben auf das Mengistu Regime in Äthiopien. Das Mengistu Regime war die sozialistisch orientierte Militärdiktatur unter Führung von Mengistu Haile Mariam und um die Regierung in Äthiopien vollends auf das Lager der sozialistischen Länder zu bringen, war man bemüht, dass dort die äthiopische Arbeiterpartei gegründet wird und der zehnte Jahrestag der Revolution, der im September 1984 groß gefeiert wurde, war dann auch das Stichdatum, um eben diese Arbeiterpartei zu gründen.
Man hat ein fulminantes, großes Fest gefeiert mit zahlreichen internationalen Gästen. Und gleichzeitig waren in den nördlichen Provinzen Äthiopiens schon die Menschen am Verhungern. Und diese, diese Gleichzeitigkeit von diesen Festen und das Sterben in den Lagern führte dann dazu, dass man umso hektischer reagierte. Der Hilfsappell der Vereinten Nationen führten dann dazu, dass man halt auch auf Ostseite dann zum allerersten Mal überhaupt die NVANationale Volksarmee Luftstreitkräfte für so eine Hilfsaktion überhaupt in Betracht gezogen hat.
Und das ist schon was Außergewöhnliches, denn vorher zumindest mir ist nichts bekannt, dass die NVANationale Volksarmee-Lufttransporter tatsächlich an irgendwelchen humanitären Hilfsaktionen außerhalb der DDRDeutsche Demokratische Republik irgendwo beteiligt gewesen wären.
Gutzeit: Bei der Ursache der humanitären Katastrophe haben wir schon drüber gesprochen. Es gab eine Dürre in Äthiopien, aber gab es noch andere politische Hintergründe? Weil wir haben jetzt gehört, Äthiopien war damals sozialistisch. Es gab eine Revolution nach dem Kaiser Selassie zu Mengistu. Aber wenn er sich dem Ost-Lager damals angeschlossen hat, gab es politische Veränderungen in diesem Land, die diese Hungerkatastrophe sozusagen provozierten oder herbeigeführt haben.
Kontra: Ganz genau. Das Land war ja schon zurzeit des Kaiserreichs mehr als gespalten gewesen. Es gab ja schon immer diesen Sezessionskrieg in der Provinz Eritrea. Eritrea war damals noch kein unabhängiger Staat, sondern stand unter der Verwaltung Äthiopiens. Das war auch über die UNUnited Nations völkerrechtlich so geregelt gewesen. Aber diese Sezessionsbestrebungen, die gab es schon die ganze Zeit. Und das gleiche löste sich dann auch in den 70er Jahren schon in der Provinz Tigray ebenfalls aus.
Und diese Unabhängigkeitsbestrebungen kämpften gegen die Zentralregierung. Und 1984/85, während dieser Hilfseinsatz lief, gab es genauso diese Kämpfe in einigen Regionen. Wir haben auch Fälle, die wir in unserer Ausstellung zeigen, wo Mitarbeiter einer Hilfsorganisation, in dem Falle Deutsches Komitee Notärzte Cap Anamur, die Ärztin, die in Lalibela das Lager betrieb, tatsächlich auch in die Hände von Rebellen fiel und trotz dieser Umstände dort weitermachte.
Gutzeit: Was mich nur wundert ist, warum verlangt Äthiopien damals nach internationaler Hilfe? Warum gibt es einen internationalen Hilfe Aufruf im Kalten Krieg? Weil man hätte das doch genauso gut im sozialistischen Lager klären können. Deswegen wundert es mich auch aufgrund des medialen Drucks, dass man nicht gesagt hat, wir klären das jetzt hier im Ostblock. Und dann kommt aber die Bundeswehr mit der Luftwaffe dazu.
Schmiedke: Äthiopien hatte sich immer versucht, irgendwie Blockfrei zu halten. Also sie waren zwar sozialistisch orientiert, aber sie haben nie die die Fühlung zum Westen aufgegeben in dem Fall. Sie waren natürlich sehr stark nach Osten orientiert und haben dann aber, weil es einfach weil diese Katastrophe einfach zu umfänglich war, zu groß eben auch den Westen um Hilfe gebeten.
Und der Westen sah jetzt natürlich auch seine Chance gekommen, hier etwas für sein eigenes Image zu tun. Also was die Akten ganz deutlich hergeben, ist das ist kein altruistischer Ansatz. Es ist nicht nur einfach Hilfeleistung der Menschen wegen, sondern wir haben ganz klar festgestellt Es gab zwei Prioritäten sowohl für Ost- als auch West-Deutschland. Bei Westdeutschland war die Priorität ganz klar Oh mein Gott, da sterben Menschen.
Wir müssen etwas tun, damit nicht zu viele Menschen sterben. Wir müssen dort Hilfslieferungen hinbringen, die einfach über die wenigen Straßen, die es gab, die Menschen nicht erreichten. Als zweite Priorität bei den Westdeutschen war ganz klar Wir müssen hier den Fuß behalten. In Äthiopien. Und vielleicht hilft uns das ja auch wieder vertiefenden Kontakt zu Äthiopien aufzubauen, das Verhältnis ein bisschen mehr zu stabilisieren.
Für die Ostdeutschen ist es genau umgekehrt. Da war ganz klar die Priorität Nummer eins Oh mein Gott! Der Westen versucht hier dazwischen zu grätschen und unsere sozialistischen Brüder uns zu entreißen. Wir müssen hier ganz klar Flagge zeigen und an der Seite von unseren sozialistischen Freunden stehen. Und übrigens, es sterben ganz viele Menschen dort. Dagegen müssen wir etwas unternehmen.
Das war jetzt auf politischer Sicht die Herangehensweise. Wir können aber auch in unserer Ausstellung zeigen, dass auf Arbeitsebene, was die Piloten, was die Besatzungen, was die Techniker, die Wartung usw. betrifft. Sie waren einfach nur darauf konzentriert, den Menschen zu helfen und sie waren oftmals auch überfordert mit der Situation, was sie dort erlebt haben.
Kontra: Dank unserer Mitarbeit und der Zuarbeit mit unserem äthiopischen Kollegen Dr. (unklar) sind wir auch in der Lage, in der Ausstellung den äthiopischen Machtapparat nicht als monolithischen Schwarzen Block zu zeigen, sondern eben auch aufzuzeigen, dass es dort durchaus unterschiedliche Strömungen und Interessen gegeben hat. Nehmen wir ein Beispiel Das ist die Relief and Rehabilitation Commission, kurz RRC genannt. In den Berichten und in den Akten taucht diese Organisation immer wieder auf, denn diese war dafür zuständig, die von überall ankommenden Hilfslieferungen im Land zu verteilen.
Das heißt, von dieser Organisation bekamen die einzelnen Besatzungen ihre Flugaufträge. Wohin fliegen sie heute? Wo fliegen sie heute nicht hin? Und sie organisierte auch den Abtransport der Hilfsgüter, zum Beispiel von den internationalen Häfen in Assab und Massaua. Und diese Organisation wird zum Beispiel auch in Akten beschrieben als also in Ost-Akten, zum Beispiel als sehr von im westlichen Ausland studierten Akademikern durchsetzt und viele RRC-Mitarbeiter hatten durchaus schon über viele, viele Jahre gute Kontakte zu westlichen Hilfsorganisationen und das nutzten diese natürlich auch um eben halt Hilfe entsprechend ins Land zu bekommen.
Gutzeit: Wenn wir über Hilfe im Land sprechen, wie kamen die denn dort hin? Also es gab dann diesen Hilfeaufruf, einmal in den Medien, dann natürlich waren die Regierungen alarmiert bzw. engagiert. Dann hat man aber gesagt okay, was haben wir? Die Bundeswehr hat die Transall, die DDRDeutsche Demokratische Republik hat Interflug und Antonow, welche Maschinen, welche Technik hat man eingesetzt und welches Personal?
Schmiedke: Also für die Bundeswehr war das erstmal ja auch nichts Neues. Sie war ja schon seit den späten 50er Jahren immer wieder in Hilfsaktionen eingebunden, gerade auch auf den nordafrikanischen Kontinent. Für die DDRDeutsche Demokratische Republik und NVANationale Volksarmee und auch Interflug war das etwas Neues, wobei man eine Ausnahme machen muss. Die Interflug flog mit ihrer Il-18 international und damit hatten sie auch immer Kontakt schon zu den Ländern im nicht sozialistisch Wirtschaftsbereich.
Also für die ging das so, aber für die NVANationale Volksarmee war das etwas ganz Neues. Die Technik, die man eingesetzt hat, das war das, was man zu Hause auch einsetzt. Es war nichts Besonderes eingerüstet. Man hat die Transall mit allem was man braucht überführt nach Afrika bzw. nach Äthiopien, hat dann quasi alles, was man nicht brauchte für den Einsatz, also zum Beispiel Schlauchboote, falls man über Wasser fliegt, raus gepackt, ins Lager gepackt und hat die Transall vorbereitet, um Nahrungsmittel oder andere Hilfsgüter zu transportieren.
Am Anfang hat man das vor allem gemacht, indem man andere Pisten angeflogen ist im Land, hat ganz normal entladen und ist dann wieder weggeflogen und hat das ungefähr dreimal am Tag gemacht. Später ist dann die Bundeswehr dazu übergegangen und hat eben Hilfslieferungen an Orte gebracht, wo es keine Straßen gab, wo es keine Pisten gab, wo es nichts gab auf Hochebenen, Hochplateaus mitten im äthiopischen Land.
Und dort haben sie dann die Ladung gedroppt aus 3 bis 5 Metern Höhe, was eine enorme Leistung darstellt und was ein Verfahren ist, was dort quasi zu seiner Reife ausgebildet wurde. Im laufenden Betrieb.
Gutzeit: Verzeihung in einer Höhe von 3 bis 5 Meter wurde im Drop-Verfahren Nahrungsmittelsäcke abgesetzt.
Schmiedke: Absolut. Dazu wurden Paletten bepackt mit Nahrungsmittelsäcken. Da hat man auch in einem in einem Testverfahren über einiger Zeit hat man herausgefunden, in Zusammenarbeit mit den Briten der Royal Air Force, die mit Hercules dort unten geflogen sind, dass man Kunststoffsäcke am besten nimmt, zum Beispiel bepackt mit Weizen, die näht man zu, dann stülpt man sie umgedreht, also auf dem Kopf stehend in einen weiteren Kunststoffsack, näht diesen zu und kippt diese beiden Säcke wieder in einen anderen Sack und näht ihn noch mal zu und dann belädt man damit die Paletten.
Das hat dazu geführt, dass wenn man in drei bis fünf Metern Höhe über das Plateau geflogen ist und gedropped hat, dass über 90 % der Nahrungsmittel in den Säcken verpackt auch wirklich ankam. Die restlichen Prozent, die dann aufgeplatzt sind durch die wahnsinnige kinetische Energie dort, die beim Aufschlag nun mal existiert. Die Maschine fliegt mit etwa 240 Stundenkilometern über dem Boden in drei bis fünf Metern Höhe, schmeißt die Sachen raus.
Da zerplatzen natürlich dann auch Säcke. Es gab Besatzungen, die zum Beispiel die Briten stellten, Offiziere, die die Transall und die Hercules eingeleitet haben, die dafür gesorgt haben, dass die Dropzone frei ist, damit dort niemand von den Säcken erschlagen wird. Und dann gab es Personal, was die gedroppten Säcke eingesammelt hat und alles, was zerplatzt war, wurde dann für die wartende Bevölkerung am Rande der Piste freigegeben und die haben tatsächlich, und da gibt es auch Aufnahmen von, jedes einzelne Körnchen aufgesammelt.
Gutzeit: Also finde ich wirklich beachtlich, weil ich finde, wenn man an Tiefflug-Szenarien denkt, dann denkt man an Überschallflieger. Aber dass Transportmaschinen Nahrungsmittelsäcke absetzen in drei bis fünf Metern Höhe, ist eine große Leistung, aber es gab damals in dem Land auch keine andere Alternative auf die Hochplateaus zu kommen. Also eine Verbringung der Lebensmittel mit LKWLastkraftwagen oder einfach auch mal angefangen mit der Verbringung über die Marine, zum Beispiel über den See Zugang, Das war ausgeschlossen.
Kontra: Genau. Also wenn ich das kurz noch ergänzen darf in den Häfen sammelte sich das Hilfsgut aus der ganzen Welt. Wir haben Aufnahmen. Soweit das Auge blicken kann, sieht man Nahrungsmittelsäcke. Die gehen schon zum Teil auf, die keimen auf, die Weizen und Reiskörner, weil sie nicht abtransportiert werden konnten, weil sie zu wenig LKWs hatten. Es gab eine Zugverbindung in dem ganzen Land, die einmal von Dschibuti nach Dire Dawa führte und es gab kaum Straßen und die LKWs, die im Einsatz waren, wurden oftmals auch für andere Dinge verwendet, zum Beispiel auch im Bürgerkrieg, um Soldaten zu verbringen.
Schmiedke: Und die Flugzeuge waren die einzige Möglichkeit, wirklich alles schnell zu erreichen und auch mit Masse. Dazu zählt auch eben die Leistung der NVANationale Volksarmee, die wirklich über ihre Leistungsgrenzen gegangen sind, um mitzuhalten, oder also man kann es böse sagen, um mitzuhalten in einem eine Art Wettbewerb.
Gutzeit: Also es gab nicht nur ein Wettrüsten in der Hochphase des Kalten Krieges, sondern auch ein Wettlauf in der Verbringung von Hilfsgütern.
Schmiedke: Ich möchte das nicht so, da das Gewicht drauflegen. Das gab es im Hintergrund vielleicht für den einen oder anderen. Im Vordergrund stand die Hilfe für die Menschen und da sind alle Seiten, alle an ihre, über ihre Leistungsgrenzen gewachsen. Das Verfahren, was wir gerade eben besprochen hatten, wollte ich noch kurz ergänzen, wurde quasi vor Ort von Volker Heins, einem der ersten Kommando Führer dort vor Ort geflogen.
Gutzeit: Auf Bundeswehr- oder NVANationale Volksarmee-Seite.
Schmiedke: Auf Bundeswehr Seite, die NVANationale Volksarmee hat nicht gedroppt, die konnte nur anlanden. Also sie haben das wohl mal nach Zeitzeugen Aussage probiert, aber das hat sich nicht durchgesetzt und dafür war die Antonov einfach nicht gemacht. Die Transall kann das, die ist dafür ausgestattet. Es gab auch schon Ansätze dieses Verfahrens theoretischer Form haben wir in den Akten gefunden, aber dass es dann wirklich erflogen und getestet wurde und zwar inoffiziell, nicht von irgendeiner WTDWehrtechnische Dienststelle, sondern inoffiziell im Einsatz dafür war der dieser Kommandoführer Volker Heins verantwortlich, der auch in unserer Ausstellung dargestellt wird und der den ganzen dann auch diesen Namen Afrika-Verfahren gegeben hat.
Gutzeit: Also learning by doing in der Auftrags Taktik.
Schmiedke: Absolut genau.
Kontra: Vielleicht dann noch mal zu ergänzen die Initiative dieses Afrika-Verfahren zu erfliegen und auszuprobieren kam übrigens von den Vereinten Nationen. Die Vereinten Nationen, die United Nations Disaster Relief Organization vor Ort. Und da gab es einen speziellen Hochkommissar, der da im Land versucht hat, die Fäden zu ziehen und zu koordinieren. Das hat der Abtransport von den Häfen über die Straßen, Wege über die Luftwege sauber funktionierten.
Und es ist auf seine Anregung hin dann von der britischen Royal Airforce und von der Bundeswehr dann im Grunde einfach mal so ausprobiert worden. Und vielleicht auch noch mal zu dem Punkt einer der größten und dringendsten Bedarfe, die die UNUnited Nations die ganze Zeit an sämtliche Geberländer gerichtet hat. Das warten wir brauchen Transportkapazitäten, Transportkapazitäten, LKWs, So viele, gebt uns so viele, wie wir auch nur bekommen können.
Die Bundesrepublik hat zum Beispiel auch das Technische Hilfswerk nach Äthiopien entsandt. Die haben dort die verfügbaren LKWLastkraftwagen repariert, Ersatzteile mitgebracht. Und es war bei weitem nicht genug. Erstens waren die Straßenkapazitäten viel zu gering, letzten Endes trotzdem auch die Transportmöglichkeiten auf der Straße. Und so kam es eben auch dazu, dass man dann halt den Lufttransport unbedingt in dem Land brauchte und letzten Endes in der Hochphase dieser Hungersnot dann eben auch auf das Droppen dann zurückgegangen ist, was ja ein hohes Risiko für die Besatzungen auch darstellt.
Gutzeit: Ja, wie ging das mit dem Besatzung eigentlich vor Ort? Ich kann mir schlecht vorstellen in Deutschland innerdeutsche Grenze, NVANationale Volksarmee, Bundeswehr, natürlich Gegner, Kontrahenten, aber in Äthiopien? Ich denke mal die begrenzte Anzahl von Flugplätzen machte es unmöglich, dass wahrscheinlich jede Nation seinen Flugplatz hatte, sondern hat sich die Pisten wahrscheinlich geteilt. Wie lief das mit der Unterbringung, mit der Kommunikation, aber auch zum Beispiel die Versorgung mit der mit Treibstoff und Ersatzteilen.
Schmiedke: Also beide Seiten hatten natürlich schon bevor die Maschinen losgeflogen sind, auf dem Schirm. Die jeweils andere Seite ist dort. Da hat man schon darauf geachtet, dass es eine räumliche Trennung gab. Also die NVANationale Volksarmee wurde zum Beispiel nach Assad gebracht. Dort gab es eine Piste direkt an der Küste, das war eine Piste, das war quasi planierter Strand mit Salzwasser besprengt und planiert, dadurch in der Sonne sehr stark ausgehärtet und es gab in Assad gab es im Hafen Krananlagen, die die DDRDeutsche Demokratische Republik einige Jahre zuvor dort aufgebaut hatten und von diesen Aufbauten gab es quasi noch Baracken und Unterkünfte. Dort ist die NVANationale Volksarmee runtergezogen und auch ganz am Anfang die Interflug Besatzungen, die sich aber sehr schnell von dort aus dem Staub gemacht haben und dann ein besseres, eine bessere Unterkunft in Dire Dawa gefunden haben, wo tatsächlich auch die Bundeswehr untergebracht war.
Die Bundeswehr wurde nach Dire Dawa geschickt, ist auch ein großer Flugplatz und dort haben die ein Camp aufgebaut, ihre Maschinen abgestellt und sie standen direkt neben den Interflug Maschinen und die NVANationale Volksarmee kamen zum Beispiel nur ab und zu ganz selten mal vorbei. Getroffen haben sie sich alle in Assab, weil dort nämlich Nahrungsmittel aus den Häfen abtransportiert wurden und umgeschlagen wurden auf die Flugzeuge.
Und sie haben sich auch in Addis Abeba getroffen, dem Hauptflugplatz. Die Unterbringung der Soldaten oder auch der Interflug Besatzung erfolgte eigentlich wie bei jedem Auslandseinsatz, der in so einer Art läuft, der kein eigenes Bundeswehr Camp hat, so wie in Afghanistan oder so, die werden dann in Hotels untergebracht, in die besten Hotels der Stadt, die man irgendwie kriegen kann.
Das war ganz interessant. Also wir haben ja tatsächlich über 20 Zeitzeugen, die damals dabei waren aus Ost und West interviewen können und für die Bundeswehr galt zum Beispiel Es gab ein Hotel für die Feldwebel und die Unteroffiziere, und es gab ein Hotel für die Offiziere. Und gemeinsam ist man aber auch in irgendwelche Bars gegangen. Wenn man abends noch Zeit hatte ein Bier zu trinken oder eine Cola und dort ist man dann auch mal den Interflug Leuten über den Weg gelaufen.
Weniger die NVANationale Volksarmee Leute und die NVANationale Volksarmee Leute haben das ganze in, haben so in ihrer Baracke gelebt und waren auch seltener mal in der Stadt drin und haben dort auch mal ihre Freizeit verbracht. Und begegnet sind sie sich tatsächlich nur im Arbeitsbetrieb, also auf dem Flugplatz. Beispiel Sie haben ja gefragt nach der Betankung. Da war ganz klare Regel Wer zuerst landet, kriegt auch zuerst den Sprit und den Sprit, muss dann das jeweilige Land dort auch bezahlen.
Das ist wie ganz normal. Ich fahr mit meinem Auto an der Tankstelle ran und kriegt den Sprit und bezahlt dafür. Das musste alles von zu Hause aus quasi gesteuert sein und bezahlt werden. Das hat jetzt nicht die äthiopische Regierung übernommen oder so, sondern das wurde bezahlt.
Gutzeit: Also vielleicht können Sie mir helfen, aber da gehen bei mir so ganz exotische orientalische Vorstellungen gehen da an, aber es ist wahrscheinlich viel zu schön, wenn ich mir vorstelle, Flugplätze, Sand, Pisten, dann diese Hotels, wahrscheinlich abends auch diese Abende in den Bars. Aber was war damals mit der Spionage? Das gehört ja auch zur Vorstellung des Kalten Krieges. Gab es von politischer Seite auch eine Direktive hier keine Verbrüderung, keine Fraternisierungsgebote.
Da wurde dann für Ordnung gesorgt.
Kontra: Genau. Wollen wir nicht romantisch werden? Es gab ja schon gleich Ende November 1984 erschien ein Spiegelartikel in der Zeitschrift, wo unter anderem genannt wurde, dass es zu Verbrüderungen gekommen sei, zwischen Bundeswehrangehörigen und NVANationale Volksarmee Fliegern Interflug Piloten in Dire Dawa. Und dieser Artikel ist auf beiden Seiten nicht gut angekommen. Also wir können feststellen, dass dann in diesen Wochen Meldungen seitens der NVANationale Volksarmee penibel darauf geachtet wurde, dass man eben die Distanz wahrte. Das Personal wurde belehrt. Die Interflug Besatzung, die war natürlich nicht so ganz unter der Kontrolle des Oberst Heinz, der ja Kommandoführer für die NVANationale Volksarmee und für die Interflug in Äthiopien gewesen war. Und in unserer Ausstellung zeigen wir ja auch eine ganz tolle Postkarte. Die ist unterschrieben von Mitgliedern des LTGLufttransportgeschwader 62, glaube ich. Mit schönen Grüßen an die Kollegen von der Interflug mit einem hoffentlich baldigen Wiedersehen unter besseren Umständen. Also diese Kontakte hat es gegeben. Wir hatten ja schon eingangs erwähnt, also auf Arbeitsebene. fliegerische Kameradschaft gehört sich einfach, das hat man sowieso eingehalten, man hat sich ausgeholfen, man hat sich technisch ausgeholfen und man hat natürlich auch dann schon mal privat das eine oder andere Wort gewechselt, wenn man sich in der Stadt getroffen hat und ähnlichem auf beiden Seiten kann man aber davon kann man das bestätigen, dass man versucht hat, da Disziplin walten zu lassen und dass das halt nicht an die große Glocke gehängt wird.
Schmiedke: Stichwort Spionage oder Kalter Krieg. Wir alle haben irgendwelche Bilder oder Filme im Kopf. Also so war es nicht. Es war eigentlich viel sachlicher und auf Arbeitsebene, da gab es Kontakte, da hat man sich auch mal ausgeholfen. Da gab es auch mal den Fall, dass der einen Maschine Öl fehlte, was sie nicht dabei hatten. Dann hat die andere Besatzung aus dem anderen Land nachgeholfen und hat Öl zur Verfügung gestellt. Also das ist die kameradschaftliche Ebene, die Stefan gerade angesprochen hatte. Und es gab natürlich aber auch einen Mitarbeiter der Stasi unter den Kameraden der Interflug und der NVANationale Volksarmee. Wir haben aber dazu leider nichts gefunden, was dort gemeldet und gekurbelt wurde. Es gab aber zum Beispiel auch auf Seiten der westdeutschen Akten auch den Hinweis, dass es versucht Überläufer gab. Es war ja noch mehr DDRDeutsche Demokratische Republik Personal in Äthiopien. Damals waren ja nicht nur die fliegerischen Besatzungen und dass da bei diesen Überläufern bzw. Asylsuchenden auch wenigstens ein Fall dokumentiert dokumentierter Fall darunter ist, wo es sich um einen Agenten handelte, der versuchte also über dieses Verfahren einzudringen. Also das hat es gegeben, aber das findet alles auf so eine eher sachliche Nebenschauplatzgeschichte statt. Also im Fokus stand die wirklich harte Arbeit bei sehr hohen Temperaturen in sehr großen Höhen mit den Flugzeugen zu arbeiten und die Hilfsgüter anzubringen. Und da gab es schon genug Schwierigkeiten von plötzlich im tiefen Matsch stecken mit der Transall, weil es geregnet hatte, ganz stark und man das Fahrwerk nicht mehr einfahren konnte, weil die die Luft in der Höhe dann plötzlich den Matsch zu zu harter Erde hat verklumpen lassen bis hin zu Die ersten Maschinen der NVANationale Volksarmee waren so schlecht gebrieft und mit so schlechten Kartenmaterial versehen, dass die sich einmal verflogen haben und plötzlich im Rebellengebiet waren und quasi auf Flak-Stellungen der Rebellen schauten und bzw. eine Fehlkalkulation hatten beim beim Tanken, weil sie eben die Temperaturen und die Auswirkungen der Temperaturen auf die Tanks nicht berechnet hatten oder bedacht hatten und quasi mit den letzten Tropfen in Assam landeten, Assab landen landeten. Also solche Sachen sind passiert und eben nicht romantisierend das ganze zu betrachten. Das Land war in einer absoluten Dürre. Wir haben ja auch gleichzeitig eine Fotoausstellung in Gatow. Private Fotografien der Besatzungen. Es ist einfach nur ein Land, was nur beige, sandig, steinig ist in dieser Zeit und Menschen in absoluter Armut und Hunger. Das hat die Besatzungen aus Ost und West oftmals ziemlich überfordert. Also dieses Leid und diese Armut zu sehen und gleichzeitig dann nach Hause zurückzukommen und für die Westseite zum Beispiel im deutschen Fernsehen dann Sheba Werbung zu sehen, wo der Katze noch in Petersilie ein Stückchen zum Fressen gegeben wird, hat die Menschen tatsächlich überfordert. Also wir leben hier in einer sowas von heilen Welt, das das versuchen wir auch in der Ausstellung rüberzubringen, dass das alles nicht selbstverständlich ist und wie das die Besatzung damals gefordert hat.
Gutzeit: Den Punkt möchte ich mal aufnehmen. Genau glaube ich dieses Bild des Petersilie Blattes auf dem Katzenfutter, das hat glaube jeder Mensch in seinem Kopf. Was wir auch im Kopf haben, sind glaube ich noch die Bilder der Konzerte, das gemeinsame Singen vor Mikrofon von Hilfs-Hymnen. Aber was hat denn jetzt eigentlich dieser Einsatz gebracht? Also die Medien haben diesen Einsatz natürlich, ich sage mal angestoßen, auch so in der Medienlandschaft präsent gemacht, dass die Staaten zur Handlungsfähigkeit gedrängt haben, haben auch politische Vorteile gesehen. Aber was hat es denn dem Land gebracht? Was hat das Äthiopien und den Menschen gebracht?
Schmiedke: Wenn man auf Arbeitsebene die Menschen befragt, die dabei waren, dann können sie bestätigen Sie haben Menschenleben gerettet. Und das lässt sich auch nachweisen anhand mit Akten. Wie nachhaltig solche Hilfe ist, ist, steht auf einem anderen Blatt. Das sprechen wir auch in unserer Ausstellung an, und da fordern wir auch die Besucherinnen und Besucher auf, in den Dialog zu gehen und zu überlegen Wie nachhaltig ist denn so etwas und wie hilfreich ist Hilfe jeglicher Art? Es ist nämlich so im Laufe der Zeit, wo wir uns damit auseinandergesetzt haben, jede Art von Hilfe hat zwei Seiten der Medaille. Auf der einen Seite hilft es schnell und vielleicht sogar unbürokratisch, auf der anderen Seite hat es aber auch eine Schattenseite. Zum Beispiel bewegten sich viele Menschen plötzlich weg aus ihren angestammten Siedlungsgebieten. Und sie wussten Irgendwo landen Flugzeuge und bringen Essen. Das bedeutet im Umkehrschluss sie haben ihre Felder auch nicht mehr bewirtschaftet und bestellt, sondern sie wussten, irgendwann kommt Essen angeflogen, was wieder eine neue Katastrophe oder eine neue Krise auslöst. Und so, da kann man unzählige Beispiele nehmen in Sachen Hilfe. Es lässt einen im Grunde genommen ratlos zurück, obwohl wir niemanden auffordern wollen Lasst es sein, Das ist auch Quatsch. Natürlich sollte man helfen, wo man helfen kann, aber man sollte immer mit den Ländern und den Menschen vor Ort zusammenarbeiten und gucken: Was braucht ihr, was können wir für euch tun? Braucht ihr uns überhaupt? Oder sagt ihr einfach nur Nein. Wir müssen das nur besser organisieren. Denn was wir auch gelernt haben wir müssen, wenn wir solche Ausstellungen machen, die äthiopische Perspektive mit einbeziehen. Denn ansonsten ist es wieder nur eine Ausstellung von Europäern, von weißen, alten Männern, die ein Bild haben, von Afrika in Anführungsstrichen. Denn genau das ist es. Jeder sagt immer Afrika und meint dann Äthiopien. Aber Afrika besteht aus über 50 Nationalstaaten und die sind alle unterschiedlich und die sind auch heutzutage zum großen Teil modern. Worauf wir auch aufmerksam machen also und dann schließt sich der Kreis. Äthiopien hat sich weiterentwickelt und das neue, moderne Äthiopien ist ein anderes als damals. Und die legen auch großen Wert darauf, dass sie nicht mehr mit diesen Hungerbildern gleichgesetzt werden. Das ist ein ganz, ganz wichtig. Dass sie weiterhin andere Probleme haben, ist ein anderes Feld. Wir sprechen ja jetzt erst mal nur über diese Hungerkrise und Auswirkungen und Entwicklungen danach. Und ja, da laden wir ein zu, das in der Ausstellung zu erkunden und in den Dialog und auch in die Selbstreflexion zu gehen.
Gutzeit: Ja, das finde ich wirklich faszinierend. Vor allem eben diese Vielschichtigkeit des Themas Ihrer Ausstellung. Sie haben ja auch gesagt, Äthiopien ist heute ein anderes Land, ein modernes Land, auch wenn es immer noch in kriegerischen Konflikten wie zum Beispiel in Tigray gefangen ist und sich engagiert. Aber ich möchte noch mal auch über Bilder sprechen, die wir im Kopf haben. Noch mal auf den Kalten Krieg. Das Bild von Bundeswehr und NVANationale Volksarmee ist natürlich so fest wie damals die innerdeutsche Grenze in unseren Köpfen. Aber hat denn dieser Hilfseinsatz dann auch das Verhältnis von den beiden deutschen Armeen verändert? Von den beiden deutschen Staaten verändert? Nachdem der Einsatz dann beendet wurde?
Kontra: Also ich glaube das eigentlich nicht. Diejenigen, die an diesem Einsatz dabei gewesen sind und die andere Seite auch mal kennengelernt haben, auch auf einer menschlichen Ebene kennengelernt haben, die wird das sicherlich verändert haben. Das wird ihre Einstellung verändert haben, dass dort drüben der sogenannte Klassenfeind auch nur ein Mensch ist. Aber ich glaube an den Großen. Es hat keine großen Auswirkungen gehabt, wie jetzt die Streitkräfte aufeinander geschaut haben und das wage ich zu bezweifeln.
Schmiedke: Ja, da gehe ich absolut mit. Das macht bei dem einen oder anderen vielleicht ein gewisses Nachdenken gebracht haben. Aber alle haben uns auch immer bestätigt Das war unser Job, unser Job ist zu transportieren, zu fliegen, zu transportieren und Dinge zu tun und Befehle auszuführen und zu machen und zu tun. Und das Politische haben die alle beiseite geschoben. Also also vor allem auf der Arbeitsebene.
Die Unteroffiziere, die Feldwebel, die unteren Offiziere, die waren alle an der Sache interessiert. Bei den Kommandoführern will ich noch mal eine Ausnahme machen, was da alles so vielleicht auch im Kopf abgelaufen ist. Übrigens zur Ergänzung Damit es nicht zu Verwirrung führt Auf Seiten der NVANationale Volksarmee war es ein Oberst Heinz und auf Seiten der Bundeswehr. Was ich vorhin gesagt hatte Das Afrika-Verfahren war damals Major Volker Heinz. Eine Zufälligkeit.
Ja, aber um noch mal auf Ihre Frage zurückzukommen ich denke auch das hat jetzt keinen großen Einfluss gehabt. Interessant ist, dass wenn man Menschen auch damals zu der Zeit dazu befragt hat und wir haben ein Interview von einer polnischen Hubschrauber Besatzung, die britische Offiziere zu den Dropzones geflogen haben, die dort quasi den äthiopischen Menschen helfen und dabei Coca Cola trinken.
Da gibt es eine Filmaufnahme, eine Videosequenz, die dazu befragt werden. Und das ist sehr interessant, was der polnische Hubschrauberpilot sagt, weil er verweist nämlich darauf, es könnte doch alles so einfach sein in der Welt. Wir tun hier gerade alle zusammen etwas Gutes. Das könnte eigentlich immer so sein. Und natürlich, bei dem Einzelnen bleibt immer was hängen. Aber das politische große Ganze hat sich dadurch überhaupt nicht verändert.
Gutzeit: Ja, der berühmte Unterschied zwischen der taktischen und strategischen Ebene dazwischen gibt es auch noch was. Können Sie noch mal kurz Sie haben jetzt Polen und Großbritannien angesprochen, und diese Aufnahme können Sie gleich noch mal kurz was zur Internationalität sagen, also einmal noch mal zur Medienwelt, dann aber auch Ich wusste gar nicht, dass Großbritannien und Polen jetzt hier auch noch engagiert waren und dann zu den verschiedenen Multi Perspektiven ihrer Ausstellung.
Schmiedke: Ganz groß vertreten waren. Auf der westlichen Seite die Briten und die Deutschen. Aber es waren auch Franzosen dort, es waren Belgier, dort, Es gab noch weitere kleinere Einsätze von anderen Nationen und auf der, ich nenne es jetzt mal Ostblock Seite waren es halt die DDRDeutsche Demokratische Republik, die Sowjetunion im großen Maßstab, die vor allem aber auch an den Umsiedlungen Aktionen teilnahmen, die es damals auch noch gab.
Dann gab es die Polen, die die Hubschrauber flogen, aber es gab halt auch aus anderen Ostblockstaaten Hilfsaktionen dort vor Ort. Stichwort Umsiedlung. Es gab halt auch die Herangehensweise, schon schon früher auch in Äthiopien. Menschen aus Gebieten, die immer wieder der Dürre anheimfallen, umzusiedeln in möglichst fruchtbare Regionen. Das klingt erst mal gut. Das klingt logisch nachvollziehbar. Tatsächlich ist das aber mit sehr vielen Problemen verbunden.
In einem Land, dass ich weiß nicht wie viele Sprachen spricht. Stefan gleich noch mal was zu sagen. Vielleicht dort Menschen von A nach B zu bringen, zu sagen So das jetzt eure neue Heimat, das funktioniert nicht. Die haben sich dann zum Teil wieder zusammengesammelt und sind losgelaufen, wieder zurück und sind nie wieder angekommen. Und gleichzeitig hat man auch die Umsiedlung genutzt, um zum Beispiel aus dem Gebiet von Eritrea potenzielle Rebellen abzuziehen, also quasi die Menschen raus zuziehen.
Gutzeit: Das war das auch, als sie eben von den Maschinen sprachen, die manchmal unter Feuer von Rebellen gerieten. Also Eritrea hatte damals noch einen Konflikt mit Äthiopien, um das Mengistu Regime zu stürzen.
Schmiedke: Es gab mehrere Parteien, die dort in Konflikten standen. Es gab auch immer wieder Ärger noch mit Somalia, damals in der Gegend und sie sind nicht unter Flakfeuer geraten. Sie haben die Stellungen gesehen und sind sofort abgedreht. Es ist ein Unterschied. Es wurde nicht geschossen, nicht auf die Hilfsflüge. Es fand gleichzeitig ein Krieg dort statt, ein Bürgerkrieg. Also die Bundeswehrsoldaten berichten wie MiGMikoyan-Gurewitsch 21 voll aufgerödelt, losgeflogen sind und ohne Bewaffnung ohne Wirkmittel wieder zurückkam. Also es gab dort Krieg und Kämpfe, genauso wie auch Hunger als Waffe eingesetzt wurde. Auch eine Teil-Perspektive in dieser ganzen Geschichte, in dem das Regime gesagt hat na ja, wir nehmen den Leuten die Basis weg, das Essen, dann werden sie schon nicht mehr kämpfen können.
Also das gibt unglaublich viele Perspektiven. Und wer sich in der Ausstellung bewegt, wird auch. Und Gott sei Dank haben wir kostenfreien Eintritt mehrere Tage brauchen, um sich das zu erarbeiten.
Kontra: Wir hatten ja schon erzählt, dass der BBC Bericht vom 23 Oktober 1984 sozusagen der Auslöser dieser Hilfsaktion gewesen ist. Es ist ja ein Paradebeispiel dafür, welche Wirkmacht Medien entfalten können. Damals, in den 80er Jahren war diese BBC Reportage so bedeutsam gewesen, dass die ja von den TV Stationen weltweit bis nach Japan, natürlich auch in der Bundesrepublik Deutschland, in den USAUnited States of America überall gezeigt wurde.
Und der öffentliche Druck und das Entsetzen, den dieser Bericht auslöste, hat ja dann auch das zeigen wir in der Station, die Ämter, die politische, die politische Ebene dazu gebracht, dann doch deutlich schneller und intensiver zu handeln, als das vorher der Fall gewesen ist. Auch in dem späteren Verlauf der Ausstellung sehen wir eine ganz interessante Medienberichterstattung aus der damaligen Zeit und letzten Endes auch Live Aid, die Benefizkonzerte, das Sammeln von Spendengeldern zeigen wir in der Ausstellung. Wir zeigen, wie das auch mit der Jugendkultur in unserem Jugendzimmer auf die Jugend hin ausstrahlte, wie aber Schritt für Schritt auch die Berichterstattung über die tatsächlichen Verhältnisse der Menschen in den Hintergrund tritt und natürlich die Popstars in den Vordergrund treten. Und das hinterfragen wir auch kritisch in der Ausstellung. Wir haben in allen Bereichen sogenannte kritische Kehrseiten, die optisch sich stark abheben von dem Rest der Ausstellung und Fragen aufwerfen, die wir als Kuratoren auch nicht beantworten können. Aber wir geben Hinweise, wir geben Argumente an die Hand, aber die Meinungsbildung ist natürlich den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung überlassen.
Ein weiterer kontroverser Punkt war ja zum Beispiel auch, das angeschnittene Thema Umsiedlung. Die Bundesrepublik, das Auswärtige Amt, hat offiziell die Umsiedlung nicht befürwortet. Hat auch strikt verboten, dass zum Beispiel gespendete LKWs für die Umsiedlung eingesetzt werden. Das musste die RRC mehrfach schriftlich bestätigen, dass sie das nicht tut. Und auf der anderen Seite zum Beispiel Karlheinz Böhm, der bekannte Schauspieler aus den Sissi-Filmen, der Anfang der 80er-Jahren dann die Hilfsorganisation Menschen für Menschen gegründet hat. Der explizit mit dem Anspruch antrat in Äthiopien: Ideologien interessieren mich nicht, mich interessieren die Menschen. Und der hat diese Umsiedlungsaktionen durchaus unterstützt.