NATO-Stabsrahmenübung WINTEX-CIMEX 87
NATO-Stabsrahmenübung WINTEX-CIMEX 87
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Zu den großen Rahmenübungen der NATO im Kalten Krieg gehörte die Übungsreihe WINTEX-CIMEX, die seit 1971 in zweijährlichem Rhythmus stattfand. Es war die einzige NATO-weit durchgeführte Übungsserie, die auf die Überprüfung der gesamtstaatlichen Verteidigungsfähigkeit aller Mitgliedsstaaten abzielte.
Die Namensgebung nahm einerseits auf die Jahreszeit der Durchführung Bezug (WINTEX = Winter Exercise), andererseits trug sie der Tatsache Rechnung, dass sich nicht ausschließlich militärische, sondern auch zahlreiche zivile Dienststellen beteiligten (CIMEX = Civil Military Exercise).
Flexible Reaktion statt massiver Vergeltung
WINTEX hatte sich aus dem Ende der 1960er Jahre erfolgten Strategiewechsel der NATO ergeben. Bis dato hatte das Bündnis auf Massive Retaliation gesetzt. Die Truppen des Warschauer Paktes sollten, so sie denn angriffen, sofort flächendeckend mit nuklearen Sprengkörpern bekämpft werden. Im Lauf der 1960er Jahre setzte sich die Einsicht durch, dass eine abgestufte, nicht unmittelbar maximal eskalierende Strategie vorteilhafter sei. Das Stichwort zur Bezeichnung der neuen Strategie lautete Flexible Response. Sie einzuüben war Sinn und Zweck von WINTEX.
Bei der präsentierten Quelle handelt es sich um Auszüge aus dem zur hausinternen Verteilung bestimmten, seinerzeit als geheim eingestuften Bericht des Führungsstabs der Streitkräfte im BMVgBundesministerium der Verteidigung über die Übung WINTEX-CIMEX 87, die neunte und vorletzte Übung der Reihe. Die Bundeswehr inklusive Wehrverwaltung war an WINTEX-CIMEX 87 mit rund 750 Dienststellen beteiligt. Außerdem nahmen circa 1500 zivile Dienststellen teil, darunter alle verteidigungsrelevanten Dienststellen der Bundesregierung.
Das Übungsszenario ging davon aus, dass infolge längerfristiger Aggression des Gegners „Orange“ die eigene Mobilmachung bereits weitgehend abgeschlossen sei. Durchgespielt wurden die Alarmierung und die konventionelle Operationsführung der Verteidigung inklusive der Aufnahme, Weiterleitung und Unterstützung USUnited States-amerikanischer Truppen, die als Verstärkungskräfte durch umfangreiche Lufttransporte nach Europa gebracht wurden. Auf der zivilen Seite wurden unter anderem die Verhängung des Spannungs- bzw. Verteidigungsfalls und die politischen Konsultationen über den Einsatz von Atomwaffen geübt. Für letzteren waren die „General Political Guidelines“ (GPG) der NATO maßgeblich, auf die sich die Mitgliedstaaten 1986 geeinigt hatten.
Auch im neunten Durchlauf noch Verbesserungspotential
Die Koordinierung der zahlreichen Akteure war eine große Herausforderung und verlief nicht völlig reibungslos. Vor allem die Aufnahme der amerikanischen Verstärkungskräfte lief nicht ab wie geplant. Der Bericht machte dafür „planerische Defizite seitens der USUnited States-Streitkräfte“ verantwortlich. Ein Manko sah man auch im Bereich der Kommunikation. Die vorhandenen technischen Kapazitäten deckten den Bedarf nicht. Hier setzte man seine Hoffnung auf absehbare technische Entwicklungen: „Eine Verbesserung dieser Situation ist nur bei…Einführung des ISDNBw zu erwarten“.
Vor allem sprach sich der Bericht für eine Straffung der Abläufe am Übergang „vom Frieden zum Krieg“ aus. Die 2½ Stunden, die die Bundesregierung gebraucht hatte, um der Ausrufung des „General Alert“ durch die NATO zuzustimmen, wurden aus militärischer Sicht als deutlich zu lange bewertet.
Wie in früheren WINTEX-CIMEX-Übungen behielt die NATO sich die Möglichkeit des Ersteinsatzes von Atomwaffen vor. Ein solcher Ersteinsatz sollte dem Aggressor die Fähigkeit und Entschlusskraft zur weiteren Eskalation für den Fall demonstrieren, dass er die Feindseligkeiten nicht einstellte. Die erwähnten Diskussionen über einen Folgeeinsatz atomarer Waffen bewegten sich freilich in hochspekulativen Bahnen, da man unmöglich wissen konnte, wie der Gegner im Ernstfall auf den Ersteinsatz reagieren würde. Abschließend wurden Erweiterungen und Akzentverschiebungen für WINTEX-CIMEX 91 angeregt. Niemand ahnte, dass diese Übung mangels Warschauer Pakt nicht stattfinden würde.
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Historisches Dokument - Originale aus dem Archiv
Die abgebildeten historischen Dokumente sind Kopien von Originalen aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv.