Historisches Dokument

NATO-Doppelbeschluss und Friedensbewegung

NATO-Doppelbeschluss und Friedensbewegung

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3 MIN

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Nachdem die Sowjetunion in den späten 1970er Jahren die Zahl ihrer atomaren Mittelstreckenraketen in ihren osteuropäischen Satellitenstaaten aufgestockt hatte, fasste die NATO im Dezember 1979 den sogenannten Doppelbeschluss.

Teaserbild zu Nato-Doppelbeschluss

Die historischen Dokumente sind Kopien von Originalen aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv.

Bundeswehr/Andrea Nimpsch

Er sah vor, zur Sicherstellung der Abschreckungsfähigkeit des Bündnisses neue atomare USUnited States-Mittelstreckenraketen auf dem Gebiet europäischer NATO-Staaten zu stationieren. Zugleich forderte die NATO Verhandlungen zwischen USAUnited States of America und Sowjetunion über eine Reduzierung der beiderseitigen Arsenale.

Der Doppelbeschluss: Reden und Rüsten

Der Beschluss verschaffte (nicht nur) in der Bundesrepublik der Friedensbewegung enormen Zulauf. Sie führte ab 1980 zahlreiche Großkundgebungen durch, während sich bei den Verhandlungen der USAUnited States of America mit der Sowjetunion zusehends abzeichnete, dass keine zufriedenstellenden Ergebnisse zu erwarten waren.

In der nun präsentierten Quelle bewertete der Führungsstab der Streitkräfte im BMVgBundesministerium der Verteidigung Ende Oktober 1982 den aktuellen Sachstand für den neuen Verteidigungsminister. Anfang des Monats war im Deutschen Bundestag der CDUChristlich Demokratische Union-Vorsitzende Helmut Kohl durch ein konstruktives Misstrauensvotum nach Artikel 67 des Grundgesetzes zum Bundeskanzler gewählt worden. Mit Manfred Wörner stand nun erstmals seit 13 Jahren wieder ein Christdemokrat an der Spitze des BMVgBundesministerium der Verteidigung.

maschinenschriftliches Dokument mit markierten Textstellen

Auszug aus der Quelle Friedensbewegung

Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv

Das Papier beschreibt, was die wissenschaftliche Forschung zwischenzeitlich bestätigt hat: Die Friedensbewegung vermochte zwar große Menschenmengen zu mobilisieren, war in ihrer Zusammensetzung jedoch außerordentlich heterogen und bildete zu keinem Zeitpunkt eine unumstrittene Führung aus. Die meisten der zahlreichen Friedensinitiativen konnten sich auf den Krefelder Appell vom November 1980 verständigen. Der sah vor, die Nachrüstung zu verhindern und „eine Sicherheitspolitik [zu] erzwingen, die… Abrüstung für wichtiger hält als Abschreckung“.

Die Friedensbewegung: zahlreich, aber kopflos

Über diese Forderung hinaus herrschte in der Bewegung Uneinigkeit. Die im Papier zitierte Auffassung des umstrittenen Aktivisten Alfred Mechtersheimer, der Regierungswechsel mache den Erfolg der Bewegung unwahrscheinlicher, war durchaus zutreffend. Während viele prominente SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands-Politiker und die (noch) nicht im Bundestag vertretenen GRÜNEN sich an die Seite der Friedensbewegung stellten, bekannten sich die nun regierenden Unionsparteien einmütig zur Nachrüstung.

In seiner Bewertung erwies sich das Papier als treffsicher. Die vorgezogene Bundestagswahl im März 1983 bestätigte die Regierungsmehrheit aus Union und FDPFreie Demokratische Partei. Die Friedensbewegung erhielt zwar nach der Wahl verstärkten Auftrieb, erreichte ihr Ziel aber nicht. Im November 1983 stimmte der Bundestag für die Stationierung zusätzlicher nuklearer Waffensysteme des NATO-Partners USAUnited States of America in der Bundesrepublik.

Die Erwähnung der „jüngsten Meinungsumfragen“ am Ende des Papiers nimmt Bezug auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts EMNID vom August 1982. Bundesweit (ohne West-Berlin) waren 1962 repräsentativ ausgewählte Personen zu sicherheitspolitischen Themen befragt worden. Auf die Frage, wie groß die Friedensbewegung wohl in fünf Jahren sein werde, hatten 77 % der Befragten mit „genauso groß“ oder mit „größer als jetzt“ geantwortet, in der Gruppe der 16- bis 24-Jährigen gar 90 %. Tatsächlich war aber mit der Zustimmung des Parlaments zur Nachrüstung die Schlacht geschlagen. Die Friedensbewegung hatte mit Ablauf des Jahres 1983 ihren Zenit überschritten. Ihre Mobilisierungsmacht nahm seitdem stetig ab. Sie spielte am Ende des Jahrzehnts kaum noch eine Rolle. Dazu trug maßgeblich auch die Entspannungspolitik zwischen Ost und West bei, die mit dem Machtantritt des neuen Generalsekretärs der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) Michail Gorbatschows 1985 einsetzte und nach Verhandlungen zwischen den beiden Supermächten zum vollständigen Abbau und zur Vernichtung atomarer Mittelstreckenraketen aufgrund des INFIntermediate Range Nuclear Forces-Vertrages 1987 führte.

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von Christoph Kuhl

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Historisches Dokument

Die abgebildeten historischen Dokumente sind Kopien von Originalen aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv.