Wesentliche Ergebnisse
Wesentliche Ergebnisse
Eine große absolute Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten und der zivilen Beschäftigten der Bundeswehr wird den Grundsätzen der Inneren Führung und den Anforderungen an eine Armee (in) der Demokratie vollkommen gerecht. Dies ist eines der wesentlichen Ergebnisse der Studie „Armee in der Demokratie – Ausmaß, Ursachen und Wirkungen von politischem Extremismus in der Bundeswehr“.
Ausmaß extremistischer Einstellungen
Die Auswertung der bundeswehrinternen Befragung der Studie „Armee in der Demokratie“ (AID) zeigt, dass entsprechend der in der Forschungsliteratur üblichen Operationalisierung weniger als ein Prozent der Angehörigen der Bundeswehr konsistent rechtsextremistische Haltungen aufweist. Der entsprechende Anteil für die Soldatinnen und Soldaten liegt bei 0,4 Prozent. Unter den zivilen Beschäftigten liegt der Anteil bei 0,8 Prozent. Es bestehen also nur graduelle und keine substantiellen Unterschiede hinsichtlich des Ausmaßes rechtsextremistischer Haltungen zwischen zivilen und militärischen Angehörigen der Bundeswehr.
Bereich | % Konsistente Einstellungen | Mittelwert | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
militärisch | zivil | Bevölkerung | militärisch | zivil | Bevölkerung | |
Unterstützung FDGOfreiheitlich-demokratische Grundordnung | 65,6 | 67,5 | 50,6 | 0,44 | 0,45 | 0,33 |
Ablehnung FDGOfreiheitlich-demokratische Grundordnung | 0,2 | 0,0 | 0,5 | - | - | - |
Neue Rechte | 11,0 | 12,5 | 28,6 | -0,15 | -0,14 | 0,07 |
Verschwörungstheorien/ Reichsbürger | 3,0 | 3,3 | 6,5 | -0,54 | -0,53 | -0,41 |
Rechtsextremismus | 0,4 | 0,8 | 5,4 | -0,68 | -0,69 | -0,52 |
Links-Rechts-Einstufung Ego | - | - | - | 0,03 | 0,08 | -0,05 |
Links-Rechts-Einstufung Kameraden/ Kollegen | - | - | - | 0,27 | 0,20 | - |
Anmerkungen: Wertebereich Konsistente Einstellungen (0% bis 100%), Berechnung: Mindestens die Hälfte der Fragen wird mindestens eher befürwortet, die anderen Fragen werden mindestens mit teils/teils beantwortet; Wertebereich Mittelwerte (-1 bis +1); für Links-Rechts-Einstufung: -1: ganz links; +1: ganz rechts; für alle anderen Bereiche/Themen: -1 (alle Fragen/Items werden völlig abgelehnt) bis +1 (allen Fragen/Items wird völlig zugestimmt). Datenbasis: Bundeswehrinterne Befragung und Bevölkerungs- und Jugendbefragung „Armee in der Demokratie“ 2022.
Subdimensionen Rechtsextremismus | % Konsistente Einstellungen | Mittelwert | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
militärisch | zivil | Bevölkerung | militärisch | zivil | Bevölkerung | |
Rechtsextremismus | 0,4 | 0,8 | 5,4 | -0,68 | -0,69 | -0,52 |
Rechtsgerichtete Diktatur | 0,6 | 0,8 | 2,6 | -0,76 | -0,80 | -0,62 |
Chauvinismus | 6,4 | 6,7 | 16,1 | -0,26 | -0,32 | -0,19 |
NSNationalsozialismus-Verharmlosung | 0,3 | 0,3 | 1,9 | -0,79 | -0,82 | -0,71 |
Fremdenfeindlichkeit | 3,5 | 4,7 | 15,6 | -0,54 | -0,49 | -0,23 |
Antisemitismus | 0,2 | 0,5 | 5,7 | -0,90 | -0,85 | -0,65 |
Sozialdarwinismus | 0,0 | 0,4 | 2,8 | -0,82 | -0,83 | -0,67 |
Anmerkungen: Wertebereich Konsistente Einstellungen (0% bis 100%), Berechnung Gesamtindex Rechtsextremismus: Mindestens die Hälfte der Fragen (n=9) wird mindestens eher befürwortet, die andere Hälfte der Fragen (n=9) wird mindestens mit teils/teils beantwortet; bei den Teilindizes beantworten die Befragten alle Fragen/Items (n=3) mindestens mit „stimme eher zu“. Wertebereich Mittelwerte (-1 bis +1): -1 (alle Fragen/Items werden völlig abgelehnt) bis +1 (allen Fragen/Items wird völlig zugestimmt). Datenbasis: Bundeswehrinterne Befragung und Bevölkerungs- und Jugendbefragung „Armee in der Demokratie“ 2022.
Der Anteil von Personen mit konsistent rechtsextremen Einstellungen ist in der Bevölkerung mit 5,4 Prozent deutlich höher als in der Bundeswehr. Auch wenn man eine erhöhte Tendenz zu sozial erwünschten Antworten bei den Bundeswehrangehörigen unterstellt, ist davon auszugehen, dass rechtsextreme Haltungen in der Gesamtbevölkerung deutlich verbreiteter sind als in der Bundeswehr.
Rechtsextremistische Haltungen sind in der Bundeswehr insgesamt eher selten. Lediglich konsistent chauvinistische (6,4 Prozent) und fremdenfeindliche (3,5 Prozent) Haltungen sind bei einem kleineren Teil der Soldatinnen und Soldaten zu finden. Überhaupt werden nur drei der 18 Aussagen aus dem Themenfeld Rechtsextremismus von mehr als 10 Prozent der militärischen Angehörigen der Bundeswehr unterstützt. Problematischer ist lediglich der Befund für die Unterdimension Fremdenfeindlichkeit. Hinsichtlich der Einordnung von Aussagen, die in der Literatur als chauvinistisch gekennzeichnet sind, gilt es, die Besonderheiten und Anforderungen an den soldatischen Beruf zu berücksichtigen.
Erklärungsfaktoren für extremistische Einstellungen
In umfassenden Erklärungsmodellen für das Ausmaß an Unterstützung für rechtsextremistische Positionen zeigt sich, dass Unzufriedenheit mit dem politischen System, eine geringere Unterstützung für die freiheitliche demokratische Grundordnung und eine stärkere Wahrnehmung einer Eingrenzung der freien Meinungsäußerung rechtsextremistische Einstellungen verstärken.
Eine positive Sicht auf die Wehrmacht, negative Bewertungen der Politischen Bildung in der Bundeswehr, ein dezidiert soldatisches Sonderbewusstsein, die Ablehnung von Prinzipien der Inneren Führung und eine ausgeprägte Kämpferidentität verstärken ebenfalls rechtsextremistische Einstellungen. Eine große Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten nimmt fehlende oder zu geringe gesellschaftliche und politische Unterstützung für die Bundeswehr wahr. Allerdings werden rechtsextremistische Einstellungen durch diese Haltungen nicht verstärkt. Ebenso spielt die Unzufriedenheit mit dienstlichen Aspekten für die Verstärkung rechtsextremistischer Einstellungen so gut wie keine Rolle.
Die Befunde der umfassenden Analysen sind für militärische und zivile Angehörige der Bundeswehr weitgehend identisch und nahezu unabhängig vom verwendeten Instrument zur Messung rechter politischer Einstellungen (Neue Rechte, Rechtsextremismus).
Zusammenhang von Extremismus und Interesse
Die Analyse der AID-Bevölkerungsbefragung ergibt, dass Personen mit rechtsextremistischen Einstellungen ein erhöhtes Interesse an einer Tätigkeit in der Bundeswehr zeigen. Dieser Zusammenhang ist unabhängig vom verwendeten Instrument zur Messung rechter politischer Einstellungen (Neue Rechte, Rechtsextremismus) und bleibt selbst bei Berücksichtigung zahlreicher anderer Erklärungsfaktoren (demografische Merkmale, politische Einstellungen, Motive der Berufswahl, etc.) bestehen.
Tätigkeit als Soldat | Index Rechtsextremismus |
---|---|
Gesamt | -0,60*** |
Nein | -0,65 |
Eher nein | -0,60 |
Vielleicht | -0,60 |
Eher ja | -0,49 |
Ja | -0,29 |
Korrelationskoeffizient | 0,16*** |
Anmerkungen: Analyseverfahren: Korrelationsanalysen (r), Signifikanzniveau: *** p < 0,001; ** p < 0,01; * p < 0,05.
Datenbasis: Bevölkerungs- und Jugendbefragung „Armee in der Demokratie“ 2022 (Modul 2). Inhaltliche Interpretation: Es besteht ein bivariater positiver Zusammenhang zwischen dem Index Rechtsextremismus und dem Interesse an einer Tätigkeit als Soldat: Je rechtsextremistischer ein Befragter, desto eher ist er an einer Tätigkeit als Soldat interessiert. Dieser Zusammenhang bleibt auch bei Kontrolle durch eine Vielzahl demografischer Merkmale, Einstellungen (zu Politik, Berufswahl) und Werteorientierungen erhalten.
Wahrnehmung und Umgang mit extremistischen Vorfällen
Hinsichtlich der Wahrnehmung und des Umgangs mit extremistischen Vorfällen zeigt die Auswertung der Befragung von Bundeswehrangehörigen, dass 26,7 Prozent der Soldatinnen und Soldaten mindestens ein Vorkommnis mit Bezug zu politischem Extremismus innerhalb des vergangenen Jahres erlebt haben. 73,3 Prozent haben keinen der abgefragten Vorfälle wahrgenommen. Am häufigsten (16,1 Prozent) werden rechtsextreme Sprüche berichtet. Die entsprechenden Werte für zivile Beschäftigte weichen deutlich davon ab. Diese nehmen entsprechende Ereignisse seltener wahr: 83,1 Prozent haben keinen Vorfall erlebt.
| Erlebt % | Gemeldet % | Untereinander geregelt % | Keine Reaktion mitbekommen % |
---|---|---|---|---|
Rechtsextreme Sprüche | 16,1 | 22,8 | 33,9 | 43,2 |
Linksextreme Sprüche | 7,0 | 5,9 | 44,5 | 49,6 |
Fundamentalistische Sprüche | 7,1 | 9,1 | 48,9 | 41,9 |
Äußerungen gegen FDGOfreiheitlich-demokratische Grundordnung | 9,1 | 22,0 | 41,0 | 37,0 |
Rechtsextreme Musik | 5,1 | 20,2 | 34,4 | 45,3 |
Chat: extremistische Inhalte | 6,3 | 42,1 | 30,8 | 27,1 |
Nichts | 73,3 | - | - | - |
Anmerkungen: In der Spalte „Erlebt %“ sind Anteile derjenigen in Prozent dargestellt, die einen Vorfall der entsprechenden Kategorie wahrgenommen haben. Die anderen Spalten beziehen sich auf die Angaben derjenigen, die einen entsprechenden Vorfall erlebt haben.
Datenbasis: Bundeswehrinterne Befragung „Armee in der Demokratie“ 2022.
Extremistische Vorkommnisse werden teils gemeldet, teils untereinander geregelt. Häufig werden die disziplinaren Folgen aber den Befragten – etwa aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes – überhaupt nicht bekannt. Am häufigsten gemeldet werden extremistische Inhalte in Chats (42,1 Prozent). Die differenzierten Reaktionen auf besondere Vorkommnisse lassen sich auf jeweils legitime, aber miteinander konkurrierende Handlungsgrundsätze (Gehorsam, Vorschriftenlage, Pflicht zur Kameradschaft) zurückführen, wie besonders die AID-Gruppengespräche zeigen.
Bewertung von Maßnahmen gegen Extremismus
Hinsichtlich der Bewertung von Maßnahmen gegen Extremismus durch die Angehörigen der Bundeswehr ergibt sich ein gemischtes Bild. Nur 37,1 Prozent der Soldatinnen und Soldaten sind der Meinung, dass die Bundeswehr bereits genug gegen politischen Extremismus getan habe. Eine deutliche Mehrheit von 58,6 Prozent sieht wiederum in der Politischen Bildung ein wirksames Instrument, um politischem Extremismus vorzubeugen, und fast alle befragten Soldatinnen und Soldaten sind der Auffassung, dass Extremisten in der Bundeswehr nichts verloren hätten und ihnen deshalb der Zugang zu den Streitkräften zu verwehren sei.
Zusammenfassung der Ergebnisse
In der Gesamtheit belegen die Ergebnisse, dass eine große absolute Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten und der zivilen Beschäftigten der Bundeswehr den Grundsätzen der Inneren Führung und den Anforderungen an eine Armee (in) der Demokratie vollkommen gerecht wird. Die Soldatinnen und Soldaten und die zivilen Beschäftigten der Bundeswehr weisen im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt ein merklich höheres Interesse an Politik, ein stärkeres Vertrauen in staatliche Institutionen und eine größere Demokratiezufriedenheit auf. Zudem wird die freiheitliche demokratische Grundordnung stärker befürwortet.
Das Vertrauen der Soldatinnen und Soldaten und der zivilen Beschäftigten in den Rückhalt durch die Politik, die Medien und die Bevölkerung ist dennoch belastet und wird auch durch in der Bundeswehr kursierende Wahrnehmungen von Denk- und Sprechverboten beeinträchtigt: So stimmen nur 11,0 Prozent der Soldatinnen und Soldaten der Aussage eher oder sehr zu, dass die Bevölkerung hinter der Bundeswehr steht. Ähnlich gering ist mit 12,9 Prozent der Anteil derjenigen, der zustimmt, dass die Politik hinter der Bundeswehr steht.
Die Polarisierung politischer Debatten hat die Unsicherheit von Soldatinnen und Soldaten, ob und wie sie sich politisch positionieren dürfen oder sogar positionieren müssen, verstärkt.
Praktische Relevanz und Empfehlungen
Die Studie liefert Hinweise für den Umgang mit (rechts-)extremistischen Einstellungen in der Bundeswehr. Zur Abwehr rechtextremistischer Tendenzen ist wesentlich, dass Personen mit einer Affinität zu rechtsextremistischen Einstellungen von vorneherein nicht in die Bundeswehr gelangen.
Es erscheint zugleich notwendig, das Vertrauen der Angehörigen der Bundeswehr in (die Unterstützung durch) Politik, Medien und Gesellschaft zu stärken.
Kontroverse Themen, etwa tagespolitische Ereignisse, der Krieg in der Ukraine oder die Traditionswürdigkeit der Wehrmacht sollten nicht tabuisiert, sondern thematisiert und offen diskutiert werden, z.B. bei Unterrichtungen zur historischen und politischen Bildung.
Der Umgang mit Vorfällen (nicht nur extremistischer Natur) innerhalb der Bundeswehr sollte transparenter gemacht werden – insbesondere mit Blick auf den kameradschaftlichen Zusammenhalt und die soldatische Hierarchie.
Wissenschaftliche Einordnung
Die Studie „Armee in der Demokratie“ liefert umfassende Einblicke in die politischen Haltungen der Soldatinnen und Soldaten. Das methodische Design hat sich bewährt und ergibt belastbare Befunde, die Hinweise auf Handlungsmöglichkeiten zum Schutz vor politischem Extremismus liefern. Einsichten in extremistische Strukturen, Netzwerke und Radikalisierungstendenzen bietet die Untersuchung aufgrund ihrer methodischen Anlage hingegen nicht.