Streitkräfte in Osteuropa seit dem Ende des Kalten Krieges
Streitkräfte in Osteuropa seit dem Ende des Kalten Krieges
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Nach jahrzehntelanger Reduzierung der Truppenstärken in den neuen Partnerländern in Osteuropa rüstet die NATO an ihrer Ostflanke wieder auf. Die Zahl der hier stationierten Soldatinnen und Soldaten und die Anzahl der Panzer und Kampfflugzeuge steigt.
Seit ihrem Beitritt zum Bündnis bilden die ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie Polen, Slowakei, Ungarn und Rumänien die Ostflanke der NATO. Weitere NATO-Streitkräfte in Osteuropa stellen Tschechien und Bulgarien, die ebenfalls dem Warschauer Pakt angehört hatten. Im Jahr 2017 standen an der Ostflanke rund 290.000 NATO-Soldaten 777.000 russischen Soldaten gegenüber. Die NATO verfügte über knapp 1.600 Kampfpanzer gegen 2.870 Kampfpanzer Russlands. Rund 220 Kampfflugzeuge stellte die NATO, 1.276 Maschinen standen auf russischer Seite. Nicht berücksichtigt ist die Türkei, das militärisch stärkste NATO-Land mit seiner langen Küstenlinie am Schwarzen Meer. Die Zahlen, fünf Jahre vor dem russischen Krieg gegen die Ukraine, zeigen die deutliche Überlegenheit der russischen Streitkräfte.
Die veränderte Sicherheitslage seit 1990 wirkte sich auf die Militärausgaben auch in den osteuropäischen Ländern aus. Nicht nur in Deutschland – Stichwort „Friedensdividende“ – wurde der Verteidigungshaushalt verringert. Dies galt auch für alle ehemaligen Warschauer-Pakt-Mitglieder in Osteuropa. Ausnahmen davon waren die drei baltischen Staaten mit ihrer direkten Grenze zu Russland bzw. Weißrussland (heute Belarus).
Osterweiterung der NATO nach 1990
Die osteuropäischen Mitgliedsländer der NATO erlangten zwischen 1989 und 1991 ihre Unabhängigkeit zurück. 1993 entstanden aus der Tschechoslowakei die beiden Staaten Tschechien und Slowakei. Zwischen 1991 und 1994 verließen die dort stationierten sowjetischen Truppen diese Länder. Ungarn, Polen und Tschechien traten 1999 der NATO bei. Im Jahr 2004 folgten Estland, Lettland und Litauen sowie die Slowakei, Rumänien und Bulgarien.
An der Ostflanke stoßen die NATO-Staaten auf unterschiedliche Nachbarn. Die drei baltischen Länder grenzen unmittelbar an Russland und – mit Ausnahme Estlands – an Weißrussland (Belarus). Polen und Litauen umgeben die russische Enklave Kaliningrad. Polen grenzt zudem im Osten an Weißrussland (Belarus) und die Ukraine. Eine gemeinsame Grenze mit der Ukraine haben ebenfalls die Slowakei, Ungarn und Rumänien.
In diesem strategischen Vorfeld der NATO haben Litauen und Estland ihre Truppenstärke insgesamt ausgebaut. Im Jahr 2021 hatte sich dort die Zahl der Soldaten gegenüber den 1990er Jahren auf rund 39.000 mehr als verdoppelt. Allein auf Litauen entfallen heute rund 23.000 Soldaten. Die Wachstumstendenz im Baltikum verdeutlichen die Zahlen in der Karte von 2017.
Reduktion der Truppenstärken
Anders verlief die Situation in den übrigen NATO-Staaten Osteuropas. Die Armeen wurden verkleinert und modernisiert. Für Polen bedeutete dies eine Verringerung der Truppenstärke von 287.000 (1993) auf 114.050 Soldaten im Jahr 2021/22. Damit ist die Zahl nicht einmal so groß wie zum Zeitpunkt des NATO-Beitritts 1999 mit 240.650 Soldaten. Gleichwohl baut Polen seine Streitkräfte seit Jahren wieder aus und erhöht deren Kampfwert. Die Zahl der Kampfpanzer beträgt mit 797 heute weniger als die Hälfte im Jahr 1999 mit 1.675. Bei den Kampfflugzeugen hat sich in diesem Zeitraum die Zahl von 182 auf 94 fast halbiert. Damit bleibt Polen jedoch die größte Armee unter den osteuropäischen NATO-Staaten.
In den Partnerländern der Ostflanke ist die Entwicklung vergleichbar. Zum Teil um bis zu einem Drittel wurden die Truppen seit den NATO-Beitritten verringert. Der Bestand an Kampffahrzeugen und Kampfflugzeugen wurde im Jahresvergleich in Einzelfällen stark reduziert. Auch wenn die Verteidigungsausgaben in den Ländern seit einigen Jahren wieder steigen und die Qualität der Streitkräfte sich verbessert hat, sprechen die Reduzierungen eine deutliche Sprache. Seit den Beitrittsjahren 1999 bzw. 2004 hat sich die Zahl der Soldaten von 535.400 auf heute 340.200 verringert. Wurden zum Zeitpunkt des NATO-Beitritts insgesamt 6.426 Kampfpanzer vorgehalten, sind es heute 1.375. Die Zahl der Kampfflugzeuge aus der Addition der beiden Beitrittsjahre sank von 710 Maschinen auf heute 247. Gleichwohl ist seit 2017 insgesamt mit 293.490 Soldaten, 1.592 Kampfpanzern und 223 Kampfflugzeuge ein Aufwachsen erkennbar.
Die schwächste Stelle der NATO-Ostflanke bildet das Baltikum in unmittelbarer Nähe zu Russland und mit dem engen Landkorridor in Litauen zwischen der Enklave Kaliningrad und Russland. Als einzige osteuropäische NATO-Mitglieder erhöhten die drei baltischen Länder seit ihrer Unabhängigkeit durchgängig ihre Verteidigungsanstrengungen. Allerdings verfügen sie bis heute nicht über Kampfflugzeuge und nur über drei Kampfpanzer. Im Jahr 2016, nachdem Russland die Krim besetzt hatte, beschloss die NATO die so genannte Enhanced Forward Presence. Vier „Battle Groups“ mit insgesamt 5.000 Soldaten wurden in Estland, Lettland, Litauen und Polen stationiert.
Neue Herausforderungen
Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 erhöht die NATO den Schutz der Ostflanke massiv. So wurden Einheiten der NATO Response Force (NRFNATO Response Force) nach Osten verlegt. Diese Eingreiftruppe für den schnellen Einsatz bei akuter Bedrohung besteht aus Boden- und Luftstreitkräften, Marine- und Spezialeinheiten mit insgesamt 50.000 Soldaten. Deutschland stellt davon 13.700. Aktuell sind rund 40.000 Soldaten in osteuropäischen NATO-Staaten stationiert. Im März und April 2022 nahmen an der Übung COLD RESPONSE 2022 in Norwegen über 30.000 Soldaten aus 27 Nationen teil, dabei ebenfalls Einheiten der NRFNATO Response Force.
Im Sommer 2022 beschloss die NATO eine deutliche Verstärkung ihrer Ostflanke. Die vorhandenen multinationalen Gefechtsverbände sollen auf Brigade-Niveau aufwachsen. Derzeit umfasst beispielsweise der Verband in Litauen 1.600 Soldaten. Eine Brigade besteht in der Regel aus etwa 3.000 bis 5.000 Soldaten. Deutschland hat angekündigt, dass es die Kampftruppen-Brigade in Litauen führen will. Auf ihrem Gipfeltreffen in Madrid beschloss die NATO außerdem, auch die Schnelle Eingreiftruppe NRFNATO Response Force weiter auszubauen – auf bis zu 300.000 Soldatinnen und Soldaten.
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