„Man sieht nur, was man weiß!“
„Man sieht nur, was man weiß!“
- Datum:
- Ort:
- Koblenz
- Lesedauer:
- 11 MIN
Die russische Besetzung der Krim 2014 und der Krieg in der Ukraine seit 2022 beeinflussen unser Denken über Sicherheit – weit über die Bundeswehr hinaus. Stichworte wie „Rahmenrichtlinien Gesamtverteidigung“, „Mindset LV/BVLandes- und Bündnisverteidigung“ oder „NATO-Ostflanke“ sind vielen geläufig, ohne dass eindeutig ist, worum es konkret geht.
Ein Terrain Walk zum Thema Gesamtverteidigung im späten Kalten Krieg vermittelt Eindrücke zu Verteidigungsplanungen damals. Aber die Fragen an solche Besichtigungen lauten: Kann man Erkenntnisse aus dieser Zeit für heute nutzen? Liefert der Kalte Krieg gar „Blaupausen“? Was kann aus der Vergangenheit ins Heute adaptiert oder übertragen werden?
Auf Initiative von Generalleutnant Kai Rohrschneider, Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung im BMVgBundesministerium der Verteidigung sowie logistisch unterstützt durch das Zentrum Innere Führung organisierte das ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr erstmalig einen solchen Terrain Walk in die Zeit des Kalten Krieges.
Diese Zeit der Blockkonfrontation bis 1989/90 liefert für das heutige Verständnis von Gesamtverteidigung und militärischer Landes- und Bündnisverteidigung keine 1:1-Vorlage. Es liegt auf der Hand, dass die Verteidigungsplanungen der Bundesrepublik Deutschland aus den 1980er Jahren nicht zeitlos gültig sind. Gleichwohl lassen sich viele Aspekte der damaligen Planungen in die Gegenwart übertragen – viele Themenfelder, Strukturen und Muster sind ähnlich, mitunter sogar gleich; manchmal reicht es gar, die technischen Neuerungen zu beachten und einzubeziehen.
Der Blick zurück in die Planungen der 1980er Jahre
Das Goethe-Zitat verdichtet die Idee des Terrain Walk, den das ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr im Juni 2024 für eine Gruppe von Angehörigen des Bundesministeriums der Verteidigung, des Territorialen Führungskommandos wie auch des Bundesministeriums des Innern (BMIBundesministerium des Innern) im Raum Koblenz veranstaltet hat. Ausgehend von den Verteidigungsplanungen des dortigen früheren Verteidigungsbezirkskommandos 41 aus dem Jahr 1988 rückten Cornelia Juliane Grosse und Heiner Möllers Fragen der Gesamtverteidigung sowie der gegenseitigen Beeinflussung und Abhängigkeit von ziviler und militärischer Seite in einem Verteidigungsfall („V-Fall“) in den Blick. Ergänzt wurden die Ausführungen jeweils durch Oberstleutnant Sven-Michael Schmitt, der die thematisierten Aspekte in die aktuellen Planungen für den „Operationsplan Deutschland“ einordnete.
Der Exkursion vorgeschaltet war ein Vortragsteil, den das ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr gestaltete: Alaric Searle, Leitender Wissenschaftler des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, stellte am ersten Tag die britische Sicht auf die Verteidigungsplanungen der 1980er Jahre in Mitteleuropa vor. Klaus Storkmann ermöglichte Einblicke in die Operationsplanung des Warschauer Paktes gegenüber dem damaligen III. (deutschen) Korps. Da die russischen Streitkräfte nach 1990 alle Planungsunterlagen des Warschauer Paktes in der damaligen DDRDeutsche Demokratische Republik einsammelten, sind die Historiker hier auf Übungsunterlagen, Restbestände, Zufallsfunde und Zeitzeugenbeschreibungen angewiesen. Heiner Möllers wichtige Elemente der Verteidigungsplanungen der Bundeswehr vor, deren Herausforderungen auch heute bestehen, und Cornelia Juliane Grosse beleuchtete Aspekte der Zivilverteidigung sowie die Komplexität der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit.
Ausgewählte Stationen
Der „Gang ins Gelände“ am zweiten Tag machte an verschiedenen Orten unterschiedliche Teilaspekte der Verteidigungsplanungen erfahrbar.
1. Schutz für alle? Zivilschutzbunker Nagelsgasse
Der Terrain Walk startete an Orten der Zivilverteidigung. Während des Kalten Krieges wurde, wie heute, immer wieder die Frage nach der Notwendigkeit der Bereitstellung von Schutzbauten oder -bunkern für die allgemeine Bevölkerung gestellt. In der Zeit des Kalten Krieges besaß das Thema eine besondere Brisanz, da weite Räume der Bundesrepublik unmittelbar Teil der Forward Combat Zone (FCZ) gewesen und die dort lebenden Menschen einer besonderen Bedrohung ausgesetzt gewesen wären.
Doch Einigkeit konnte in dieser Frage nie erzielt werden, weshalb von staatlicher Seite nur wenig unternommen wurde. Am Ende des Kalten Krieges gab es Schutzräume für lediglich vier Prozent der westdeutschen Bevölkerung.
Ein Bunker im Wandel der Zeiten
Einer dieser Schutzräume war der Bunker in der Nagelsgasse in Koblenz. Er wurde bereits während des Zweiten Weltkriegs errichtet und anschließend als Lazarett und Lagerraum genutzt, bevor ein Schutzbauprogramm der Bundesregierung dazu führte, dass der Bunker in den 1960er Jahren modernisiert wurde. Es handelte sich um den einzigen Bunker mit verstärktem Schutz (gegen A-, B- und C-Waffenwirkungen) in Koblenz. Zwei Meter dicke Außenwände sowie ein ausgeklügeltes Schutzbelüftungs- und Zugangssystem sollten höchsten Schutz bieten.
Der Bunker war für 2.700 Personen mit einer maximalen Aufenthaltsdauer von 30 Tagen konzipiert. Zu diesem Zweck wurden bereits in Friedenszeiten zahlreiche Verbrauchmaterialien eingelagert, darunter Babyflaschen und Toilettenpapier. Die beschränkten Räumlichkeiten erforderten feste Abläufe innerhalb des Bunkers. Während 800 Personen schlafen konnten, waren für 1.800 Personen Sitzplätze in zahlreichen Räumen, aber auch in den Fluren und Aufgängen vorgesehen.
Bunker in der Zivilschutzplanung des Kalten Krieges
Ob dieser Bunker seinen Zweck erfüllt hätte, musste während des Kalten Krieges nicht getestet werden. Für Koblenz war grundsätzlich eine vollständige Evakuierung vorgesehen. Allerdings war der Raum Koblenz aufgrund der Dichte der militärischen Anlagen und seiner Bedeutung für den Aufmarsch ein lohnendes Ziel für frühzeitige gegnerische Operationen. Die Bereitstellung von Schutzmöglichkeiten war deshalb auch in der Rear Combat Zone (RCZ) von Bedeutung. In der Bundesrepublik galt zudem die sogenannte „Stay put“-Doktrin der NATO, die eine Aufenthaltsbeschränkung der Bevölkerung im V-Fall vorsah, Evakuierungen ausgenommen. Der Zusammenhang dieser Doktrin mit der fehlenden Bereitstellung von Schutzmöglichkeiten war auch für die Landes- und Bündnisverteidigung bedeutsam. Denn in der Folge war mit ungelenkten Flüchtlingsbewegungen zu rechnen, die den militärischen Aufmarsch substanziell behindert hätten. Besonders zugespitzt hätte sich diese gegenläufige Dynamik an Flussübergängen, etwa am Rhein, wo nur eine beschränkte Anzahl von Übergängen vorhanden war.
2. Der Rhein als Hindernis: die Ersatzübergangsstelle Urmitz-Engers
Der Rhein stellte während des Kalten Krieges in der Bundesrepublik über weite Strecken faktisch den hinteren Rand der NATO-Verteidigung dar, weil er als natürliches Hindernis nicht ohne Vorbereitung und entsprechendes Gerät zu überwinden war, wenn die Bücken zerstört oder nicht nutzbar gewesen wären. Damit er dennoch überwindbar gewesen wäre, hatte die Bundesrepublik die umgangssprachlich so genannte „NATO-Rampe“ errichtet.
Am Rheinkilometer 601,80 befindet sich die Ersatzübergangsstelle 114, Urmitz-Engers, eine von rund 100 in der alten Bundesrepublik. Es handelt sich um eine „Militärische Ersatzübergangsstelle“ mit „Senkrecht- und Schrägrampe“, für eine Kriegsbrücke und eine Fährstelle. Sie wurde nach der Errichtung in den 1960er Jahren vollständig durch die Bundeswehr abgenommen und befand sich somit „im Dienst“. Die „Schrägrampe“ führte dabei im ca. 45 Grad schräg in den Rhein und diente dem Fährbetrieb (Einsatz von Fähren gegen den Strom). Die im 90-Grad-Winkel ins Gewässer führende „Senkrechtrampe“ diente einer Kriegsbrücke (Hohlplatten-/Faltschwimmbrücke). Der Fluss hatte hier bei einem Pegelstand von 1,0 Meter in Koblenz eine Flussbreite von 270 Metern, und war ab einem Pegelstand von 2,50 Metern sofort nutzbar (d.h. es waren keine baulichen Vorbereitungen mehr zu treffen).
Übergang nicht nur für das Militär
Diese Ersatzübergangsstelle war insofern eine Besonderheit, als sie mit 10 weiteren in der damaligen Bundesrepublik ein „zivil-militärischer“ Übergang sein sollte. Damit war sie auch für Evakuierungsbewegungen vorgesehen, nicht nur für militärischen Nachschub. Wie notwendig diese Doppelnutzung gewesen wäre, erkennt man auch an einer anderen Planung: Die in der Nähe liegende Brücke der Bundesautobahn 48 bei Bendorf wäre für die ersten 19 Stunden nach der Verkündung der Mobilmachung für den militärischen Aufmarsch blockiert gewesen. Damit hätte diese Main Supply Route „Edelrose“ zeitweilig für zivilen Ausweichverkehr nicht zu Verfügung gestanden.
Das Feld- und Territorialheer besaß in den 1980er Jahren rund 20 Schwimmbrücken- oder Amphibische Pionierbataillone. Heute existiert lediglich ein Amphibisches Pionierbataillon. Damit sind die Fähigkeiten der Bundeswehr zum Kriegsbrückenschlag mehr als limitiert.
4. Vorrat für 30 Tage? Standortmunitionsniederlage 41/2 in Koblenz Güls
Ortsfeste Versorgungseinrichtungen (Depots aller Art) sind notwendig, um eine dezentrale und auf die Verbraucher ausgerichtete Versorgung mit Gütern (vor allem Mengenverbrauchsgütern: Munition, Treibstoffe, Lebensmittel) für die ersten Tage im Krieg zu gewährleisten. Neben den Korpsdepots und Depots der Wehrbereichs- und Territorialkommandos waren dies in erster Linie die in Nähe der Kasernen bestehenden Munitionslager und Betriebstoffzapfstellen (also Tankstellen). In ihnen war die Erstausstattung gelagert, während die als „Depot“ bezeichneten Liegenschaften die Folgeversorgung leisten.
Bis zur Ebene der Division hinauf galt ein „Abholprinzip“: die Versorgungstruppenteile („Nachschieber“) holten für ihre Verbände und Einheiten die Güter bei den Umschlagpunkten in der Forward Combat Zone ab, während sie von den Depots in der RCZ zu den Umschlagpunkten der Korps gebracht („Bringprinzip“) worden wären.
Ein kleines Depot
Im Standortmunitionsdepot, der „Standortmunitionsniederlage“ in Güls lag die Munition für die in Koblenz stationierten Truppen der Pioniere, vor allem Sperrmunition, wie z.B. Minen, und Sprengstoffe. Heute nutzt der Kampfmittelräumdienst Rheinland-Pfalz Nutzer die Liegenschaft. Die dortigen 26 Munitionshäuser waren so angelegt, dass die Truppe im kreuzungsfreien Kreisverkehr beladen konnte. Nachdem die Truppe des Feldheeres das Lager sozusagen „leergeräumt“ hätte, wäre es vom Territorialheer übernommen und zum Munitionsumschlagpunkt umgewidmet worden.
Heute indes verfügt die Bundeswehr nur noch über wenige derartige Lager. Die meisten wurden im Zuge der Kasernenschließlungen aufgegeben. Die dezentrale Munitionslagerung in der Nähe der „Nutzer“ gibt es nicht mehr.
Ein Beispiel für die Anlage solcher Munitionslager ist die Standortmunitionsniederlage 331/3 in Dülmen-Visbeck: Man sieht besonders gut die Verkehrswege zum eigentlichen Munitionslager am oberen Bildrand und am unteren das frühere Sonderwaffenlager (Special Ammunition Storage), in dem nukleare Artilleriemunition unter Bewachung der USUnited States-Streitkräfte gelagert werden konnte. Dieses Lager wurde mit der Kasernenschließung in Dülmen aufgegeben.
Es ist nicht mehr viel zu sehen von der „Grundnetz-, Schalt- und Vermittlungsstelle der Bundeswehr 41“ (GSVBw) in Alzheim, nahe Mayen. Das Verwaltungsgebäude ist sichtbar, auch der in die Jahre gekommene Zaun. Nicht zu sehen ist das, worum es ging: die unter der Erde angelegte und vollverbunkerte GSVBw. 38 solcher Telefon- und Fernschreibzentralen, die bereits im Frieden 24/7 in Betrieb waren, hatte die Bundeswehr, zu Beginn der 2000er-Jahre ersatzlos abgeschaltet. Die Gebäude stehen meistenteils noch, aber die Anlagen verfallen schrittweise. Nur ein Beispiel, die GSVBw 22 in Elmlohe nahe Bremerhaven ist als Museum erhalten.
Aufgaben der GSVBw waren (1) die Bedienung des „weitverkehrsfähigen Leitungen“, (2) die Bereitstellung von Anschlusspunkten für militärische Netze und für Truppenleitungen, (3) die Vermittlung des militärischen Fernsprech- und Fernschreibverkehrs und (4) die schnelle Anpassung von Fernmeldeverbindungen an die gegebene taktische Lage mobiler militärischer Einheiten, sprich: der Einheiten, Verbände und Gefechtsstände des Feldheeres in der Forward Combat Zone. Zudem konnte der NATO-Richtfunk an den GSVBw in das Bundeswehrfernmeldenetz angebunden werden.
An die regional zuständigen GSVBw waren auch die örtlichen Standortvermittlungen angebunden. Sämtliche Kommunikationsleitungen waren so angelegt, dass der Ausfall einer GSVBw durch eine andere überbrückt werden konnte.
Die rund 60 Personen wären im Kriege durch einen Zug Sicherungssoldaten verstärkt worden, der den Schutz der Anlage übernehmen musste. Mit Sturmgewehren, Maschinengewehren und Panzerfäusten hätten die dort eingesetzten Soldaten das Überleben sichern sollen – und den Weiterbetrieb dieser wichtigen Fernmeldeknoten.
5. Wer führt im Krieg? „Kriegshauptquartier BMVgBundesministerium der Verteidigung II“
Die heutige Oberst-Hauschild-Kaserne in Mayen hielt für den Führungsstab der Streitkräfte (Fü S), den damaligen Stab des Generalinspekteurs der Bundeswehr, ein Ausweichhauptquartier bereit, falls in einem Kriege die Bonner Hardthöhe nicht mehr sicher nutzbar gewesen wäre. Wenngleich das ehemalige „Kriegshauptquartier BMVgBundesministerium der Verteidigung II“ heute nicht mehr zu begehen oder besichtigen ist, wird seine günstige geografische Lage deutlich: im Verbund mit den anderen Kriegshauptquartieren, nicht zuletzt dem Ausweichsitz für die Verfassungsorgane im Bunker Marienthal, sowie angebunden an die GSVBw 41. Mehrere hundert Angehörige des Fü S hatten bis 1989 bereits während der WINTEX-CIMEX-Übungen den Bunker für seinen eigentlichen Zweck genutzt.
Wäre von hier aus die Bundeswehr geführt worden?
Nein. Im Verteidigungsfall wären alle Streitkräfte der Bundeswehr mit Ausnahme des Territorialheeres in der RCZ durch NATO-Kommandos geführt worden. Auch der Bundeskanzler im Bunker Marienthal hätte weniger geführt, wenngleich das Grundgesetz ihn im Krieg als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt vorsieht. Alle Kriegshauptquartiere hätten zum Gesamtlagebild beigetragen und jedes für sich die Truppe seiner Teilstreitkraft logistisch und personell einsatzbereit halten müssen. Die Aufgaben der nationalen Befehlshaber und Inspekteure wären im Krieg scheinbar darauf begrenzt geblieben, die Einsatzbereitschaft zu sichern.
Von wo führt der Bundeskanzler heute?
Vom amerikanischen Präsidenten ist bekannt, dass er in Mount Weather im Bundesstaat Virginia und unter dem Weißen Haus einen Atombunker besitzt. Notfalls kann er aus seiner „Air Force 1“ führen. Unter dem Élysée-Palast in Paris befindet sich ein Bunker namens „Jupiter“ für den französischen Präsidenten. Für die Bundesregierung gibt es dagegen keine solche Einrichtung mehr.
Wohin weichen die Verfassungsorgane dann aus, wenn es zu einer Krise oder zum Spannungsfall kommt? Die alten Bunker können nicht wieder in Betrieb genommen werden, nachdem sie infolge der Friedensdividende zurückgebaut oder aufgegeben worden waren oder verfallen sind. Tatsächlich verfügt auch die Bundeswehr nur noch über wenige in Betrieb befindliche verbunkerte Gefechtsstände. Auch Sicherungskräfte zum Schutz etwaiger Anlagen sind mit den Heimatschutzregimentern kaum vorhanden. Berücksichtigt man die Stärke der früheren Bundeswehr im damaligen Verteidigungsfall, in dem sie auf 1,33 Millionen Soldaten angewachsen wäre, wird schnell ersichtlich, dass Debatten über Strukturen oder Wehrpflichtmodelle das eigentliche Problem verkennen: Die Bundeswehr hat von allem zu wenig.
Fazit: Man sieht viel, wenn man mehr weiß
Ein Terrain Walk kann nur Eindrücke vermitteln. Vor allem aber muss man – mit Goethe – wissen, was man sieht, damit man es verstehen kann. Generalleutnant Kai Rohrschneider, Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung im Bundesministerium der Verteidigung (BMVgBundesministerium der Verteidigung EBU), wies darauf hin: Die meisten der Teilnehmer kennen wohl eine „NATO-Rampe“, und jeder war sicher schon einmal in einem Munitionslager. Doch welche Bedeutung jede einzelne der besuchten Einrichtungen für die Verteidigung im Kalten Krieg besaß und künftig wiedergewinnen kann, war erst vor Ort besonders zu erkennen. Vor allem wird bei solchen Besichtigungen deutlich, woran es derzeit in der Bundeswehr fehlt.
Der Kalte Krieg hält keine Patenrezepte bereit, aber er hat viele Vorlagen, die in die Gegenwart übertragen werden können. Die Organisatoren waren sich sicher: „Blaupausen“ gibt es viele, man muss sie nur lesen können, um zu erkennen, dass für viele Einzelaspekte der Landes- und Bündnisverteidigung Ideen bereitliegen.
Gleichwohl fehlen immer noch wesentliche Bausteine für eine Zivilverteidigung, die diesen Namen verdient. Dazu gehören beispielsweise Hilfskrankenhäuser, Aufnahmeräume mit Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete und die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern. Alle diese Bereiche erfordern zudem eine verlässliche zivil-militärische Abstimmung.
Die Aufgaben waren schon während des Kalten Krieges groß, und sie sind in unserer vernetzten digitalisierten Welt nicht kleiner geworden. Ein Blick in die Geschichte der Gesamtverteidigung kann wesentlich dazu beitragen, diese Aufgaben mit dem bestmöglichen Wissenstand anzugehen.