„Waffenbrüder“, „Freunde“, „teure Genossen“
„Waffenbrüder“, „Freunde“, „teure Genossen“
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Die NVANationale Volksarmee und die sowjetischen Streitkräfte in der DDRDeutsche Demokratische Republik
Ein Projekt von Klaus Storkmann
„Teure sowjetische Genossen und Freunde!“, so sprach der Minister für Nationale Verteidigung der DDRDeutsche Demokratische Republik, Armeegeneral Heinz Hoffmann, am 18. August 1971 zu Beginn seines Vortrags im Oberkommando der (anders als es die Bezeichnung suggerierte nur in der DDRDeutsche Demokratische Republik stationierten) „Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD)“ in Wünsdorf seine Zuhörer an.
„Teure Freunde“
„Teure sowjetische Freunde!“, so begann auch der Chef des Militärbezirks III der NVANationale Volksarmee, Generalmajor Hans Georg Ernst, seine beiden an die sowjetischen Offiziere adressierten Berichte über zwei im Februar 1971 durchgeführte gemeinsame Übungen der 4. Motorisierten Schützendivision seines Militärbezirks mit der 14. Garde-Motorisierten Schützendivision der GSSD. Die für deutsche Augen und Ohren ungewohnt anmutende Anrede „Teure“ kann nüchtern als direkte Übersetzung aus der Sprache der Adressaten der Vorträge oder Schreiben betrachtet werden; und damit als damals geläufiger Ausdruck der Höflichkeit. Sie kann aber auch als Anbiederung, ja Unterwürfigkeit oder auch als Hochachtung und Anerkennung gegenüber den sowjetischen Offizieren gedeutet werden. Dann wäre sie mehr als nur eine Stilfrage, dann wäre sie symptomatisch für das Verhältnis der ostdeutschen Offiziere bis zum Verteidigungsminister gegenüber ihrem sowjetischen Gegenüber. Damit führt das kleine Detail der Anrede in seiner Doppeldeutigkeit mitten in die Fragestellung der zu erforschenden Studie.
Die DDRDeutsche Demokratische Republik - ein „Super-Alliierter“?
Kern des Untersuchungsinteresses ist die militärische Zusammenarbeit zwischen der NVANationale Volksarmee und den in der DDRDeutsche Demokratische Republik stationierten sowjetischen Streitkräften. Unter Aufgreifen der unter anderen und prominent von Hope M. Harrison, Professorin für Geschichte und internationale Politik an der George Washington University, aufgestellten These vom Bemühen der Führung in Ost-Berlin, Moskaus „Super-Alliierter“ zu sein, fragt die Studie: War die NVANationale Volksarmee von ihren Anfängen bis zu ihrem Untergang nur die Armee eines besetzten Gebietes oder wandelte sie sich zum Juniorpartner, zum Koalitionspartner, gar zum „Super-Alliierten“?
In der Beantwortung dieser Frage kommt dem vorgesehenen Titel der Studie „Teure sowjetische Freunde“ eine neue, weitere Bedeutung zu. Wie teuer kamen die „Freunde“ die DDRDeutsche Demokratische Republik? Die Antworten sollen, wenn möglich, Mosaiksteine für die Frage nach dem „Burden sharing“ in Bündnissen und zwischen Bündnispartnern beisteuern.
Die auf das Militärische fokussierte Frage kann auch mit einem breiteren Blickwinkel gestellt werden: War die GSSD, wie nach Kriegsende 1945, auch in den 1970er und 1980er Jahren weiterhin eine Besatzungstruppe oder wandelte sie sich zu einer auf dem Territorium eines Verbündeten stationierten und akzeptierten Koalitionsstreitmacht?
Aus DDRDeutsche Demokratische Republik-Perspektive
Aufgrund des derzeit kaum möglichen Zugangs zu ex-sowjetischen Quellen wird sich die Studie weitgehend auf die Perspektive der DDRDeutsche Demokratische Republik und ihrer Streitkräfte konzentrieren. Wann immer möglich wird sie aber die zeitgenössische und retrospektive sowjetische Perspektive einbeziehen. Darüber hinaus bieten sich Anknüpfungen an die Kenntnisse der damaligen westlichen Nachrichtendienste an.
Möglichkeiten des Vergleichs mit anderen Staaten
Die zu erwartenden Forschungsergebnisse über die Stellung und das Agieren der sowjetischen Truppen in der DDRDeutsche Demokratische Republik bieten sich für einen auf Basis bereits publizierter Forschungsergebnisse zu erarbeitenden vergleichenden Ausblick zu den in anderen Staaten des Moskauer Machtbereichs stationierten sowjetischen Streitkräfte an, konkret die in der ČSSR, in der Volksrepublik Polen und/oder in der Ungarischen Volksrepublik. Über die Warschauer-Pakt-interne Gegenüberstellung hinausgehend böte sich eine weitere blockübergreifende vergleichende Betrachtung an: In ihrem bereits 2007 veröffentlichten Bericht über Stand und Perspektiven der Forschung zur DDRDeutsche Demokratische Republik-Militärgeschichte merkten Heiner Bröckermann, Torsten Diedrich, Winfried Heinemann, Matthias Rogg und Rüdiger Wenzke auch an, eine wissenschaftliche Untersuchung zu den Folgen der sowjetischen Militärpräsenz für die DDRDeutsche Demokratische Republik „wäre zugleich auch ein deutsch-deutsches Problem, das eine komparatistische Aufarbeitung lohnte“.