Staatlichkeit und Streitkräfte

Kriegserfahrungen der frühen Heeresgeneralität der Bundeswehr

Kriegserfahrungen der frühen Heeresgeneralität der Bundeswehr

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Wer waren die ersten Bundeswehrgenerale der Teilstreitkraft Heer, die von 1955 bis 1970 den Dienstgrad General oder Generalleutnant erreichten? Was hatte sie geprägt? Welche Kriegs- und Gewalterfahrungen hatten sie gesammelt und wie gingen sie mit ihrer Rolle im NSNationalsozialismus-Regime und in der Wehrmacht um? Diesen Fragen geht die gruppenbiografisch angelegte Studie nach. Ein Projekt von Peter Lieb

Personelle Kontinuitäten

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Bundeskanzler Willy Brandt (m.) mit Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt (2.v.l.) und den Generalen Johannes Steinhoff, Ulrich de Maizière und Albert Schnez (v.l.n.r.) im Dezember 1969

Lothar Schaak 1969 / Bundesarchiv

Als die Bundeswehr 1955/56 aufgestellt wurde, griff sie auf geschultes Führungspersonal zurück, das bereits im Zweiten Weltkrieg in der Wehrmacht gedient hatte. Insgesamt bildeten etwa 40 000 ehemalige Offiziere und Unteroffiziere der Wehrmacht den Kader der neuen Streitkräfte.

Die Personalgewinnung galt bereits den Zeitgenossen als problematisch aufgrund einer möglichen NSNationalsozialismus-Vergangenheit der Bewerber. Ein Personalgutachterausschuss prüfte Offiziere, die für eine Verwendung ab Oberst aufwärts vorgesehen waren, auf ihre charakterliche und fachliche Eignung.

Ehemalige Berufssoldaten bis zum Oberstleutnant wurden gemäß den „Richtlinien für die Prüfung der persönlichen Eignung der Soldaten“ eingestellt.

Von der Diktatur zur Demokratie

Mittels eines gruppenbiographischen Ansatzes untersucht die Studie ein Sample von insgesamt 39 Heeresgenerälen, die von 1955 bis 1970 den Dienstgrad General oder Generalleutnant erreichten und fast alle im Laufe ihrer Karriere für einen bestimmten Zeitraum im Bundesministerium der Verteidigung dienten. Die Untersuchung befasst sich mit der zentralen Frage, inwieweit diese Männer sowohl nach damaligen als auch nach heutigen Kriterien als „NSNationalsozialismus-belastet“ einzustufen sind und inwiefern ihre Erfahrungen mit Krieg, Diktatur und Gewalt Einfluss auf ihre Arbeitsweise und Mentalität nach 1945 hatten.

Aufbau der Studie

Die Arbeit gliedert sich in zwei Hauptteile:

Der erste Teil setzt sich mit der militärischen Sozialisierung, Einstellungen zum NSNationalsozialismus-Staat sowie den unterschiedlichen Formen von Gewalterfahrungen dieser Offiziere im Zweiten Weltkrieg auseinander. Kenntnis von und mögliche Beteiligung an Kriegs- bzw. NSNationalsozialismus-Gewaltverbrechen sind hierbei ein wesentlicher Aspekt.

Der zweite Teil der Studie analysiert den persönlichen Umgang dieser Männer mit ihren Erfahrungen von Krieg und Nationalsozialismus nach 1945. Hinzu kommt eine Untersuchung über ihre Einstellung zur neuen Rolle der Streitkräfte in einer parlamentarischen Demokratie sowie den Grundsätzen der Inneren Führung. Der deutsch-deutschen Dimension der Militärgeschichte wird Rechnung getragen, indem auch die Ziele und Methoden der Propagandapolitik der SEDSozialistische Einheitspartei Deutschlands in Bezug auf die NSNationalsozialismus-Belastung der einzelnen Generäle herausgearbeitet werden.

Wesentliche Aufgabe des Projektes ist es, die Erlebnisse, Erfahrungswelten, Wirkungen und Folgen von Totalitarismus und Krieg einerseits sowie Demokratie und Frieden andererseits zu analysieren.

Projektverbund

Die Studie ist Teil eines Projektverbundes, der Personal, Organisation und Politik des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVgBundesministerium der Verteidigung) untersucht.