"ZUGEHÖRT! Der Podcast des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr"

120 Jahre Boxerkrieg in China

120 Jahre Boxerkrieg in China

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Asien

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26. Folge von „ZUGEHÖRT! Der Podcast des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr“ widmet sich der Expedition ausländischer und auch deutscher Streitkräfte zu Beginn des 20. Jahrhunderts im fernöstlichen China: Dem Boxerkrieg.

Soldaten des deutschen 1. Ostasiatischen Infanterie-Regiments mit den beim Sturm auf die Peitangforts eroberten Fahnen.

Der Boxeraufstand 1900/01: Soldaten des deutschen 1. Ostasiatischen Infanterie-Regiments mit den beim Sturm auf die Peitangforts eroberten Fahnen.

Bundesarchiv, Bild 183-R19096

Das politisch schwache China war seit Mitte des 19. Jahrhunderts Ziel zahlreicher kolonialer Expeditionen und imperialer Bestrebungen. Die Produkte Chinas weckten auf den europäischen Märkten vielfach Interesse, nicht nur der Tee, der in Norddeutschland große Beliebtheit erwarb. Nach der Errichtung erster Handelsmissionen gingen einige europäische Staaten dazu über, dort christliche Missionierung zu fördern und durch ungleiche Verträge bei Küstenhäfen Pachtgebiete zu erwerben, um ihren Einfluss auszuweiten. Das britisch besetzte Hong-Kong und die deutsche Kolonie Tsingtau waren nur zwei Beispiele von vielen. Mit den Europäern kam auch die Eisenbahn, erste Soldaten und der von den Chinesen nicht zu verhindernde europäische Anspruch, ihre Auffassungen dort gegen die Kultur der Einheimischen durchzusetzen. Gerade der Eisenbahnbau auch über Grabstätten sorgte für Zündstoff zwischen Einwohnern und Besatzern.

Chinesische Proteste fanden in den Boxerbewegungen ihr Ventil. Hier fanden sich Einheimische zusammen, die sich z.B. in der „Bewegung der Verbände für Gerechtigkeit und Harmonie“, dem „Verband für Gerechtigkeit und Harmonie“ bzw. den „Fäuste der Gerechtigkeit und Harmonie“ zusammenschlossen. Da in diesen Zusammenschlüssen der traditionelle Faustkampf gelehrt und betrieben wurde, bürgerte sich der Sammelbegriff „Boxerbewegung“ für den chinesischen Protest ein.

Nach ersten Protesten und Angriffen auf christliche Missionsstationen folgte 1900 der von den Invasoren gegen China erklärte Krieg, der nach einem Jahr mit der Niederlage der Chinesen beendet war. China musste sich den Invasoren unterwerfen und erfuhr im 1901 von den Invasoren diktierten „Boxerprotokoll“ zahlreiche Strafen und Erniedrigungen.

Technischer Hinweis

Diese Podcastfolgen sind das Resultat des Workshops zum Boxerkrieg, den das ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr am 7. September 2021 veranstaltete.

Die Gespräche wurden per Telefon geführt, was den Verpflichtungen der Refertinnen geschuldet ist. Positiv an dieser beinahe antiken Methode ist, dass jeder Teil für sich tiefergehende Ausführungen über einen heute kaum nachvollziehbaren Kolonialkrieg gibt, der als modern gesprochen „Joint and Combined Operation“ unter deutschem Oberbefehl geführt wurde - und auf die Kultur und Bevölkerung Chinas, wie auch schon in anderen „Kolonien“ der damaligen Staaten, keine Rücksicht nahm.

China 1900 - Ein Markt, der Begehrlichkeiten weckt

PDPrivatdozent Dr. Tanja Bührer, Universität Bern/Schweiz, führt im ersten Teil dieser Podcastfolge in die internationale Gemengelage ein, die im Krieg mündete. China war für einige europäische Mächte ein Markt der Zukunft, an dem man sich bereichern konnte und wo kein Staat auf Einfluss verzichten wollte. Handel wurde dabei anfänglich als Politikinstrument verstanden, aber durchaus mit militärischer Stärke untermauert. Letztlich führte der Widerstand der chinesischen Bevölkerung gegen die Invasoren und ihre Missachtung aller chinesischen Kultur zum Krieg. - Am Ende spannt Tanja Bührer den Bogen in die Jetztzeit und zeigt so auf, dass sich imperailistische Verhaltungsmuster in der Politik umkehren können.

Der Boxerkrieg - China gegen den Rest der Welt

Prof. Dr. Susanne Kuss, Universität Freiburg im Breisgau, beschreibt im zweiten Teil den Boxeraufstand und die internationale wie deutsche Reaktionen an sich. Insbesondere geht sie auf die „Hunnenrede“ von Kaiser Wilhelm II. bei der Verabschiedung deutscher Soldaten in Bremerhaven ein. Die Rede war eine Grenzüberschreitung des Kaisers, die die Gewaltexzesse deutscher Soldaten in China mit einem Freibrief versah. Kein Verbrechen musste verfolgt und geahndet werden.

Lessons Learned - die Analyse der Expedition

Oberstleutnant Dr. Christian Stachelbeck gewährt Einblicke in die „Einsatznachbereitung“ der deutschen Streitkräfte. Noch auf dem Heimweg legte Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee, der Oberkommandierende der internationalen Koalition, erste Aufzeichnungen an, die er Kaiser Wilhelm II. direkt vorlegte. Später richtete die Armee eine „Kommission zur Beratung der für etwaige künftige Expeditionen erforderlichen und wünschenswerten Maßnahmen“, kurz: die Waldersee-Kommission, ein. Sie wie auch eine spätere weitere Kommission kam zum Schluss, dass das Deutsche Reich für solche Fälle eine Expeditionsstreitmacht aufstellen sollte – wozu es aber nie kam: Armee und Marine konnten sich auch aus Etatgründen nicht darauf einigen, wer dafür Geld und Truppen bereitstellen sollte.

China vor 1900 - Terra Incognita

Dr. Heike Frick, Freie Universität Berlin, erklärt die komplexe innenpolitische Lage Chinas und seine kulturellen Besonderheiten inklusive der sozialen Strukturen und politischen Akteure. China war aufgrund seiner Größe und Versorgungsprobleme sowie der dynastischen Politik des Kaisers und anderer einflussreicher Kreise am Hofe nach außen schwach – was die imperialistisch agierenden Staaten auszunutzen versuchten.

Weiterführende Informationen

Einen kurisorischen Überblick über den oftmals als Boxeraufstand bezeichneten Konflikt bietet das Lebendige Museum Online (LEMO). Dort finden sich auch biographische Angaben zu Alfred Graf von Waldersee.

Die sogenannten „Hunnenrede!“, mit der Kaiser Wilhelm II. deutsche Soldaten auf den Krieg einstimmte, sind zum Download (PDF, 113,2 KB) beigefügt. Sie stehen für eine dem damaligen noch nicht eindeutig niedergeschriebenen Kriegsvölkerrecht widersprechende Entrechtlichung des Krieges. Fasktisch stellte Kaiser Wilhelm wenigstens den deutschen Soldaten einen „Freibrief“ aus: Plünderei und Mord an Zivilisten galt beispielsweise fortan nicht mehr verfolgungswürdig.

Eine Übersicht über die im „Boxerprotokoll“ festgeschrieben Sanktionen der Invasoren findet sich in englischer Sprache hier.

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