Panzertechnik im Ukraine-Krieg: Der "Springteufel-Effekt"
Panzertechnik im Ukraine-Krieg: Der "Springteufel-Effekt"
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In den Berichterstattungen über den Krieg Russlands gegen die Ukraine zeigen die Medien häufig Bilder von zerstörten russischen oder ukrainischen Panzern, deren Türme weit entfernt von der Wanne lagen. Dieses Phänomen wird auch als „Springteufeleffekt“ („Jack-in-the-Box“) bezeichnet. Wie ist es zu erklären?
Fotos von zerstörten Panzern, bei denen die Türme neben den Panzerwannen liegen, gibt es bereits seit dem Ersten Weltkrieg. Unzählige Aufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg zeigen, dass es diesen Effekt auch bei den Panzern der Wehrmacht gab. Aber auch amerikanische Panzer, die im Korea- und Vietnamkrieg zum Einsatz kamen, waren davon betroffen.
Turm und Wanne
Der Turmdrehkranz ist eine der sensiblen Stellen der Panzerkonstruktion. Er besteht aus einem Ober- und Unterteil. Dazwischen befinden sich Kugeln oder Walzen. Der Turm ist am Drehkranzoberteil angeschraubt, der Unterteil an der Wanne. Es gibt also keine starre Verbindung zwischen Turm und Wanne. Einerseits muss der Turm verankert werden, damit er beim Verschießen mit voller Ladung nicht aus dem Drehkranz gerissen wird. Trotz Rohrbremsen, Luftvorholern und Mündungsbremsen setzt der Rückstoß den Panzer unter gewaltige Spannungen. Andererseits muss sich der Turm leicht drehen und für Instandsetzungen abnehmen lassen. Bei russischen Konstruktionen wird bei Feldinstandsetzungen nur das Turmheck angehoben und abgestützt, um die Bordkanone nach hinten rauszuziehen. Je weniger Teile festgeschraubt sind beziehungsweise je weniger Schrauben und Muttern verwendet werden, umso schneller kann die Instandsetzung oder der Austausch der Kanone erfolgen.
Munition im Turm
Dass die Türme der T-64, T-72, T-80 und T-90 besonders weit wegfliegen, liegt an der Munitionstransportbühne, die sich in der Kampfraummitte unmittelbar unter der 125-mm Panzerkanone befindet. In dieser Drehbühne befinden sich im voll aufmunitionierten Zustand 20 Granaten, teilweise mit Zusatzladungen, sowie 20 Teilbrandkartuschen. Außerdem sind von beiden Munitionsarten einzelne Granaten stehend auf und neben der Bühne befestigt. Besonders die Zusatzladungen und der Teil der Kartuschen, die beim Verschießen verbrennen, sind hitzeempfindlich. Da diese Munition nicht getrennt von der Panzerbesatzung gelagert wird, hat diese bei einem Treffer kaum eine Überlebenschance.
Neben den Granaten und Kartuschen gehört auch die Munition des Bord- und des Fliegerabwehr-MG zum Kampfsatz. Hinzu kommen eine Kiste mit Handgranaten, eine Tasche mit einer Leuchtpistole, eine Maschinenpistole für den Richtschützen und je eine Pistole für den Kommandanten und den Fahrer - alles aufmunitioniert und mit gefüllten Reservemagazinen.
Weitere Gefahrenquellen
Da die Kraft- und Schmierstoffanlagen bei den russischen Panzern in den seltensten Fällen dicht sind und bei Instandsetzungen und dem Wechsel von Baugruppen der Antriebsanlage Kraft- und Schmierstoffe aus den Leitungen fließen, steht in den Vertiefungen der Drehstäbe nahezu immer Diesel und Öl. Deren Dämpfe breiten sich im Kampfraum aus - je wärmer es im Panzer wird, umso mehr. Ein noch so kleiner Brand im Kampfraum hat trotz Feuerlöschanlage verheerende Folgen, nicht zuletzt deshalb, weil die Auslöser der Feuerlöschanlagen nicht immer funktionieren.
Im Übrigen ist zu beachten, dass es sich nicht zwingend bei jedem der zerstörten Panzer des Krieges in der Ukraine um einen der russischen Armee handeln muss. Ebensowenig muss er unbedingt vorher abgeschossen worden sein. Ein technischer Defekt, der zur Funkenbildung führt, kann genauso einen Brand auslösen, wie der unsachgemäße Umgang mit Feuer durch ein Besatzungsmitglied.
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