Sport und Militär Transkript

Sport und Militär Transkript

Datum:
Lesedauer:
28 MIN

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Major Gutzeit
Guten Tag sehr geehrte Damen und Herren, herzlich willkommen bei unserem Podcast Zugehört, heute mit dem Thema „Der Sport des Militärs“. Wir haben uns dieses Thema ausgesucht anlässlich der Invictus Games, die bald in Düsseldorf stattfinden werden. Dazu befinden sich hier im Studio Herr Professor Dr. Martin Elbe – er forscht am ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr im Bereich Militärsoziologie zu den Themen Personal, Organisation, Gewalt, Gesundheit und Sport sowie Verstehender Methodologie – und Herr Dr. Frank Reichherzer, er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich deutsche Militärgeschichte bis 1945. Seit 2018 leitet er das Projekt Militär und Gewalt im Rahmen der Agenda 2028 des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Sehr geehrter Herr Professor, sehr geehrter Herr Dr. Reichherzer, sie haben ein Buch herausgegeben, was sich wirklich sehr gut eignet, um einleitend über die Invictus Games zu sprechen: Der Sport des Militärs. Perspektiven aus Forschung, Lehre und Praxis. Und als ich mir dieses Buch zur Hand genommen habe, habe ich mich eigentlich gefragt generell beim Thema Sport und Militär: Wer ist hier eigentlich Huhn, wer ist Ei? Was war denn zuerst da? Der Sport, der den Körper der Krieger formen sollte, um sie für den Krieg fit zu machen? Oder war es der Krieg, der den Sport nutzte, damit Krieger herausgebildet werden – die stärker, besser, schneller und weiter laufen können? Herr Dr. Reichherzer, was sagen Sie zu dieser Beziehung?
Dr. Reichhherzer
Ja, das ist glaube ich die spannende Frage, die auch bei jeder Überlegung, die zu Sport und Militär ansetzt, auch zu fragen ist. Ich glaube, dass es hier sich wie Sie schon gesagt haben Herr Gutzeit um ein Verhältnis handelt. Und dieses Verhältnis, das ist aber nicht naturgegeben, es ist nicht automatisch, es ist nicht da, es muss permanent hergestellt werden. Und das ist das, was uns oder mich jetzt als Historiker vor allen Dingen auch interessiert. Welche Bedeutung wird von Zeitgenossen, von Militärs, von Sportlern, aber auch von der Gesellschaft denn dieser Relation zugeschrieben? Und das ist etwas, was wir untersuchen können und das ist auch, was wir hier in dem Band auch versucht haben darzustellen.
Prof. Elbe
Sehr schön auch kommt das natürlich im Buch vor in verschiedenen Artikeln. Aber wir hatten vor kurzem eine Tagung hier am ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr zu den Invictus Games, zu Rehabilitation und Sport im Militär. Und da ging es auch speziell in der Einführung in diese kurze Tagung, hat Professor Laemmer von der Sporthochschule Köln einen doch sehr gut aufgenommenen beachteten Vortrag gehalten, der das noch mal zum Gegenstand hatte und zwar anhand der klassischen Antike, der griechischen Antike. Und dort hat er auch wieder sehr deutlich gemacht: Es wird häufig gedacht, das ist was Kultisches gewesen. Das Kultische war überhaupt nicht im Vordergrund dabei, sondern es waren Vergleichswettkämpfe mit eindeutig militärischem Bezug. Wobei schon damals sich das schnell dahin, schnell, ich meine wir reden über eine lange Zeitspanne, darf man nicht vergessen, sich wandelte dahingehend, dass es Spezialisten wurden für ihre jeweiligen Sportarten und immer weniger sozusagen je mehr sie Sportler wurden, desto weniger hatten sie noch die Einsatzfähigkeit, weil sie zu spezialisiert waren. Also es gibt einen ursprünglichen Zusammenhang schon in der klassischen Antike zwischen Militär und Sport auf der einen Seite und auf der anderen Seite eine Verselbständigung des Sports hin zum Athletentum. Wobei man nicht vergessen darf, dass der Begriff des Sports ein neuzeitlicher ist. Also da muss man immer vorsichtig sein.
Dr. Reichherzer
Dieser Sportbegriff, den wir hier in unserem Buch zugrunde legen, den modernen Sport, was ja dann letztendlich auch meint mit verschiedenen Elementen, Ausdifferenzierung, Professionalisierung, Regelwerke und et cetera. Aber um nochmal auf diese, wo kommt eigentlich diese Verbindung her, dass wir die machen zwischen Sport und Militär? Und ich glaube ein wichtiges Element, was wir in unserem Band rauspräparieren konnten, ist, dass die militärische Gewalt, die Anwendung militärischer Gewalt uns eigentlich verschlossen bleibt. Wir wissen nicht wie wird sie sein und der Sport wird als Vehikel benutzt. Diese Deutungsoffenheit militärische Gewalt zu nutzen, stößt genau in diese Lücke hinein, dass das irgendwie verarbeitet werden kann. Und Sport simuliert dann, wie du schon dargestellt hast, einen mobilen Lauf, aber auch vielleicht im Fußball oder eben in der Militär-Patrouille, im Biathlon bestimmte militärische Aktivitäten. Man glaubt die durch Sport erreichen zu können – ist quasi so eine Simulation einer vorgestellten Kriegerichkeit. Und das hat aber natürlich riesengroße Probleme, weil jede Repräsentation wie wir es in der Forschung das mit dem Begriff belegen würden oder auch Darstellung einen unwahrscheinlich großen Übersetzungsverlust hat. Deswegen geht damit auch eine bestimmte Gefahr einher, wenn Sport und Krieg in Eins gesetzt wird. Also wenn wir glauben, dass das das gleiche ist und dass jetzt ein Massensturmangriff an der Westfront im Ersten Weltkrieg ein Rugby-Match ist, ich glaube dann geht sehr viel verloren. Und dann verharmlosen wir auch den Krieg in dieser Gleichsetzung von Sport und Militär.
Prof. Elbe
Die Verharmlosung ist mit Sicherheit eine Gefahr. Auf der anderen Seite du gibst ein schönes Beispiel, machst mir eine Vorlage sozusagen: Auch wenn es kein Rugby-Spiel war, eben der Angriff der Surreys gegen die bayerischen Stellungen wurde ja vorangetrieben unter Nutzung von Fußbällen. Da wurden Fußbälle aus dem Graben aufs Schlachtfeld geworfen und dann stürmten die los gegen das Maschinengewehrfeuer, eine selbstmörderische Angelegenheit. Ein guter Teil, ein Großteil der Leute fielen natürlich auch. Aber hier wurde Sport und Militär tatsächlich im kriegerischen, im Akt des Krieges zusammengebracht. Und die Bälle wurden wahrscheinlich mehr genutzt, um Angst zu stillen, als um Heldenmut zu demonstrieren. Das ist die eine Seite. Der andere Punkt auf den ich verweisen wollte, wobei es in dieser Beziehung immer wieder geht, ist letztlich bis heute körperliche Leistungsfähigkeit. Das sind Aspekte, wenn eben Spiele oder Wettkämpfe genehmigt wurden, zugelassen wurden auch schon im Mittelalter, auch in der Frühen Neuzeit, auch in der Späteren Neuzeit, wo es vom Grundgedanken her immer wieder darum ging, eine gewisse Fitness herzustellen und die Bevölkerung als mögliche Soldaten zu befähigen. Und letztlich sind wir da auch heute noch dabei, denn nicht umsonst heißt die Vorschrift auch heute wieder körperliche Leistungsfähigkeit. Und es geht im Kern nicht um Sport, sondern es geht im Kern darum, körperliche Leistungsfähigkeit für Soldaten herzustellen oder, nehmen wir Verletzungen, im Zweifelsfall auch wiederherzustellen in der Rehabilitation.
Major Gutzeit
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, kann man schon sagen: Der Krieg ist der Vater des Sports und das Ganze nicht schon seit der Neuzeit oder heute in der Gegenwart, sondern seit der Antike über das Mittelalter hinweg. Kann man das so sagen? Ich sehe schon, nein, Herr Dr. Reichherzer. Sie werden mit dieser These nicht zufrieden.
Dr. Reichherzer
Nein, glaube ich nicht. Ich glaube, dass diese Vater-Sache, Krieg der Vater von irgendwas, ich glaube das funktioniert nicht. Das sind Übertragungen, Deutungsmuster, die den Krieg irgendwie in eine Rolle drängen, die er eigentlich nicht hat. Wir müssen es eher auf einer gleichen Ebene sehen. Also Vater und Kind wäre es ja dann in der Metapher. Diese Asymmetrie, die habe ich nicht. Das sind Parallelentwicklungen. Krieg und Sport entwickeln sich und sie werden dann irgendwie zusammengeführt und wie ich am Anfang meinte auch durch gesellschaftliche Sinngebungsprozesse. Da wird dann eins gemacht. Wir können das am stärksten, glaube ich, in Großbritannien oder im britischen Empire sehen, wo das geschieht. Das Mutterland des Sports, genauso blöd wie der Vater aller Dinge, aber letztendlich als Mutterland in dem Sinne, dass dort der Sport in seiner heutigen Form sich stilprägend ausbildete als erstes. Und da kann man sehen, wie Sport eigentlich das einzige verbindende Element zwischen den Streitkräften auf den Britischen Inseln und dem Empire und der Gesellschaft ist und deswegen sich als Resonanzraum für beide Welten herausbildet. Und deswegen auch diese ganze Sprache des Sportes, die ganze Ideologie des Sportes, auch die Form von „charakter“, der Charakter, der sich dann auch im Sporttreiben oder in einem oder einer Sporttreibenden abbildet, die dann in Analogie gesetzt wird mit der Ausbildung, mit der Auswahl, mit den Rekrutierungsmechanismen für militärisches Führungspersonal. Also der Sporting-Spirit/Fighting-Spirit, der wird hier in Eins gesetzt in diesen Deutungen. Also es ist eher ein Bezugssystem auf gleicher Ebene, das sich wechselseitig instrumentalisiert, aber jetzt nicht irgendwie von der einen Seite die andere hervorbringt.
Major Gutzeit
Okay, also wenn manche sagen der Krieg ist der Vater aller Dinge, sagen sie für Sport nicht, weil der Krieg nicht der Vater des Sports ist, sondern es sind dann eher ebenbürtige Geschwister wie Romulus und Remus, aber nicht wie Kain und Abel. Oder Herr Professor?
Prof. Elbe
Ja, ich würde sogar noch weitergehen. Wenn wir auf den Begriff, den das Wort des Sportes zurückgehen, dann kommt es ja ursprünglich aus dem Französischen, aber wurde geprägt. In dieser Verwendung ist „Disport“ im Sport tatsächlich in England Neuzeit und beschreibt eigentlich eine Geisteshaltung und damit mit dieser Geisteshaltung etwas, was mit körperlicher Bewegung zu tun haben kann, aber überhaupt nicht muss, speziell nicht mit der eigenen körperlichen Bewegung. Also man kann gut „sports„ sein und in Ascot beim Pferderennen zuschauen, dann ist man „a good sports“, der Gentleman, aber hat sich keinen Millimeter bewegt, man hat nur zugeguckt und vielleicht noch gewettet. All das sind Teile von Freizeitgestaltung und das ist mit diesem ursprünglichen Sport-Begriff gemeint. Dazu kann Bewegung gehören. Da können Ballspiele dazugehören. Meistens hat es spielerische Formen, aber es muss nicht, dass der eine Punkt. Es hat aber diese Bewegungsformen, die auf körperliche Leistungsfähigkeit, wie ich es vorhin schon erwähnt habe, zielen; können ganz verschiedene Formen annehmen. Also im Englischen war der Sport mit Sportspielen dominant, klar Fußball, klar Kricket zum Beispiel. Auch Polo hat sich da in dem Kontext entwickelt. Auf der anderen Seite haben wir im Deutschen im 19. Jahrhundert zuerst mal Bewegungsformen, die auf körperliche Leistungsfähigkeit zielen, die aber nichts mit Sport zu tun haben. Dieser Sport, diese Sportvorstellung des Englischen war hier nicht zugrunde gelegt, sondern es war stark auf Verteidigung. Es war auf fit machen für einen Einsatz durch spezielle Formen und das war das Turnen. Andere wie in Skandinavien haben die Gymnastik dafür herausgebildet. Heute ist das alles zusammengebracht. Aus sportwissenschaftlicher Sicht kann man sagen, gerade durch die olympische Bewegung, wurde das Turnen und der Sport zusammengeführt. Und auch in Deutschland in den 20er-Jahren gab es Bewegungen dahingehend mit der großen Scheide, braucht man jetzt nicht weiter drauf eingehen, wie Sport und Turnen dann letztlich zusammengeführt wurden. Aber es dauerte eine ganze Weile, bis der Sport hier in Deutschland griff. Der Zusammenhang und die Bewegungsform des Turnens und mit Militär als Herstellung von körperlicher Leistungsfähigkeit war allerdings schon älter.
Dr. Reichherzer
Da würde ich gerne zwei Punkte aufgreifen. Das wäre, wo ich doch etwas sehen kann, wo das Militär sehr stark in die Entwicklung des Sportes eingreift, eher als im Beschleuniger/Katalysator Dinge zusammenbringt, die dann sind. Das ist die Freizeitgestaltung. Also während des Ersten Weltkriegs ist Sport auch ein Mittel, um leere Zeit, ich will jetzt gar nicht sagen Freizeit, aber diese leere Zeit des Militärs, der Soldaten an der Front, aber auch der vielen Frauen, die im hinteren Etappen-Bereich dann auch ihren Dienst tun. Da findet dann auch sehr viel Sport statt. Das ist dazu da, um diese leere Zeit zu füllen, damit keine Langeweile entsteht und diese dann auch so zu wenden, dass sie einen positiven Effekt hat. Da ist Sport quasi Mittel gegen Langeweile, zur Disziplinierung, zur Disziplinaufrechterhaltung aber auch, und dann finden riesengroße Sportfeste statt, auch der „spectator sport“. Also jetzt, um dabei bei dem Zuschauersport im britischen Beispiel zu bleiben: Der ist da stark, wo man dann auch die Einflüsse der Arbeiterklasse sehen kann, die dann auch jetzt mehr an die Front geht und hier große Identitätsstiftungen da sind, weil die Regimentskulturen letztendlich weg sind. Die sind in den ersten Monaten alle gefallen und dann kommen da andere Funktionen dazu, also Freizeitgestaltung, Identitätsbildung. Ein anderer Punkt, der mir auch noch wichtig ist und das würde dahingehen zu sagen, als Realitätswandler haben wir das im Buch genannt, dass der Sport für viele Soldaten einen Eskapismus aus ihrem Soldat-Sein herstellen kann – gibt unwahrscheinlich viele Quellen, die das beschreiben, wie der Sport von dem Militärischen, dem Krieg einfach ein Punkt ist, der die mit der Heimat verknüpft, wo auch die Frieden- und Kriegszeiten, also der kleine Frieden im großen Krieg, der kann letztendlich auch im Sport stattfinden oder auch der Identitätswechsel wieder zum Sportler, zum Zivilist vom Soldaten. Also das sind auch Funktionen, die sehr oft untergehen, wenn wir nur auf Fitness, Leistungsfähigkeit und Kohäsion, „cohesion“, Zusammenhalt oder so was aufgehen. Eben auch diese anderen Elemente des Sports, die einen Ausweg auch aus diesem Krieg und aus diesem Gräuel und dem grausamen, vor allen Dingen diesem Massenkrieges an der Westfront im Ersten Weltkrieg bedeuten.
Major Gutzeit
Auf dem Titelbild eures Buches „Der Sport des Militärs“ sehe ich zum Beispiel links oben eine Frau. Ich deute sie jetzt hier mal als Ehefrau, vielleicht auch als Hausfrau, die applaudierend im Hintergrund steht und sie klatscht einem Mann, vielleicht ihrem Mann, zu, der mit richtig schönen Spikes einen Hürdenlauf macht und knapp bekleidet über die vielleicht 75 Zentimeter hohe Hürde springt. Und direkt darauf springt vielleicht derselbe Mann wieder, könnte der gleiche sein, dem ist nur ein Schnurrbart gewachsen, mit einem britischen Stahlhelm über spanische Reiter, mit einer Handgranate, Stielhandgranate in der Hand über die Schützengräben meiner Meinung nach vielleicht des Ersten Weltkrieges. Wie hängt das denn bitte zusammen? Oder was könnt ihr denn zu dem Bild sagen?
Prof. Elbe
Sie haben das Bild ganz ausgezeichnet beschrieben bis auf ein Detail. Schauen Sie mal nach ganz unten rechts auf dem Bild. Da ist ein Kreuz – oh richtig – da springt er in den Tod.
Major Gutzeit
Es ist nicht nur, es ist nicht nur ein spanischer Reiter, sondern richtig: rechts unten ist ein Kreuz abgebildet, wahrscheinlich ein bedürftig oder schnell verscharrter Soldat, der an der Front gefallen ist.
Prof. Elbe
Das drückt das Bild aus. Es ist von Gerd Arntz 1938 publiziert worden, findet sich in Mappen und ist ein ganz tolles Blatt von einem tollen Grafiker, das wir Gott sei Dank hier verwenden konnten als Buchcover eben auch, um diesen, die Schwierigkeit dieses Zusammenhangs zwischen Sport und Militär, wie es auch immer genutzt wurde, mit auszudrücken – eine Seite. Die andere Seite ist, dass natürlich wir es nicht nur über einen Zusammenhang zwischen Sport und Militär, sondern auch zwischen Gesellschaft und Sport und Gesellschaft und Militär zu tun haben. Und das wird ja hier sehr schön ausgedrückt. Wir haben also insbesondere, wenn wir heute über Sport und Militär reden, über die Disziplinierung in der Gesellschaft im 20. Jahrhundert durch Sport, also die Versportlichung der Gesellschaft zu sprechen. Und das ist ein großes Thema zum Beispiel in der Sportsoziologie, wobei man vielfach übersieht, dass dann quasi in einer Rückbindung dem Militär Aufgaben zugeordnet werden für eine körperliche Ertüchtigung eines Teils der Bevölkerung, solange es die Wehrpflicht noch gab, also eigentlich alle jungen Männer, zu sorgen – erstens. Und zweitens, das darf man eben auch nicht vergessen, dass mit den internationalen Sportwettkämpfen ursprünglich militärische Bewegungskontexte jetzt in den internationalen Sport hineingebracht werden. Da werden oft alte Formen genommen von alten Kampfmitteln, Waffen, Speerwurf, Diskuswurf auf die Antike. Aber es gibt dann auch sowas wie im Reiten das Military. Es gibt sowas wie sobald der Wintersport aufkommt die Patrouille, was heute Biathlon heißt – und, und, und. Es gibt verschiedene Formen, wo zurückgegriffen wird auf militärische Kampfformen, die dann stilisiert als Wettkampfform im Sport genutzt werden, die weniger um eine Militarisierung durch den Sport als vielmehr um eine Versportlichung der Gesellschaft.
Major Gutzeit
Eine Versportlichung der Gesellschaft. Also wenn ich noch mal auf das Bild schaue, ist mir noch ein neues Detail aufgefallen. Und zwar hat die Frau eine Art Mantel am Rücken, also wie eine Superheldin sozusagen, wie ein Superman-Mantel. Der ist zwar nicht so lang wie bis zu den Fersen, aber er reicht bis zur Taille. Welche Bedeutung hat denn zum Beispiel dann die Familie für den Sportler oder für den Krieger? Oder was ist damit gemeint?
Dr. Reichherzer
Ja, das kann man ganz gut vor allen Dingen, wenn ich auch wieder ins britische Empire schauen kann, in den Kolonialarmeen dann auch sehen, wo ja auch ganze Familien hinübergehen und dann dort auch Räume sind, in denen vor allem das Jagen Teil dieser kolonialen Männlichkeit, auch dieser martialischen, kolonialen, imperialen Männlichkeit ist. Wo man aber auch Aneignungsformen über den Sport sieht, dass Frauen hier über diese Mittel dann sich auch durch das Praktizieren von Sport in dieses Herrschaftsgefüge dann auch ganz gut selbst ermächtigen können. Also das glaube ich schon, dass man das hier sehen kann, wie Sport auch bestimmte soziale Ordnung nicht nur reproduziert, also in dem Zugang zu bestimmten Sportarten. Es gibt jetzt – die Anführungszeichen kann man glaube ich nicht sehen, wenn ich den Podcast mache – aber Männer-Sportarten und Frauen-Sportarten und Hockey ist vielleicht eine, die da so dazwischen liegt. Da ist es ganz spannend zu sehen, wie sich das dann auch auflöst. Aber wie mit Sport einfach auch bestimmte soziale Ordnungen, und das ist im Militär nicht anders, dann auch zementiert werden können. Also beispielsweise: wenn Sie jetzt als Brite, nachdem Sie nicht mehr Ihr Amt oder Ihren Offiziersrang kaufen können, ab 1871 aber trotzdem zur Kavallerie wollen, obwohl die, was sie als Beitrag leisten müssen, gedeckelt ist, müssen sie trotzdem acht Polo-Ponys unterhalten können. Also auch über die Form des Praktizierens eines bestimmten Sportes werden gesellschaftliche Zugangsregeln dann auch wieder reguliert, dass die sogenannten jetzt wieder erwünschten Kreise auch an die bestimmten Positionen kommen und es nicht unbedingt ein Leistungsattribut ist, das man da sehen kann. Und das wandelt sich dann Ende des 19. Jahrhunderts, wo man dann vielleicht nicht mehr so sehr die Sportskanone, sondern den auf der Militärakademie studierten Bücherwurm favorisiert. Aber diese Auseinandersetzung, welche Armee möchte ich haben, die spiegelt sich auch in den Debatten über das sporttreibende Militär ab.
Major Gutzeit
Wie man sehr gut merkt bei diesem Gespräch ist, wie vielfältig und tiefgründig dieses Thema ist – Sport und Militär. Und das greift da Ihr Buch auch super gut auf. Also Sie haben ja hier wirklich auch eine Innovation vorgelegt und publiziert, nämlich dass Sie dieses Thema aus verschiedenen Disziplinen beleuchten: aus den Sozialwissenschaften, der Geschichte, der Medizin, der Sportwissenschaft, aber auch der Psychologie. Herr Professor, vielleicht können Sie mal was zur sozialwissenschaftlichen Perspektive zu Sport und Militär sagen.
Prof. Elbe
Das sind wir wieder bei der Gesellschaft. Die eben natürlich die Sozialwissenschaften beschäftigen sich eben mit dem sozialen Handeln des Menschen und mit der daraus entstehenden Gesellschaft. Und in dem Zusammenhang hier möchte ich auf etwas, was Sie bei der in der Einleitung zu diesem Gespräch gesagt haben, hinweisen. Wir haben ja dieses Jahr die Invictus Games, die wir als Gastgeber in Deutschland nämlich in Düsseldorf im September ausrichten. Und wir werden Athletinnen und Athleten, Wettkämpfer sagt man hier eigentlich, aus der ganzen Welt haben. Und die sind nicht alleine und vergleichen sich als Sportler eben und Sportlerinnen, sondern sie werden begleitet durch die eine zweite Gruppe „Family and Friends“. Das ist das Betreuerteam, aber das sind tatsächlich auch die Angehörigen. Das sind Partnerinnen oder Partner, das sind Kinder, die mit den versehrten Wettkämpferinnen und Wettkämpfern. Die können im Einsatz eine Beeinträchtigung erlitten haben oder auch eben eine psychische Traumatisierung erfahren haben. Und jetzt hat die Familie diese Person als beschädigt erlebt die ganze Zeit. Und plötzlich verändert sich die Rolle. Jetzt zeigt sich diese Person als leistungsfähig im Wettkampf stehend, ob Mann oder Frau. Das ist natürlich etwas, was das auch an die Familie und an die Gesellschaft zurückgibt und zurückspiegelt. Das ist eine Möglichkeit selbst zu erfahren, selbst an der eigenen Rehabilitation, an der Wiederteilhabe zu arbeiten und hier tatsächlich dann in diesen Wettkämpfen die Teilhabe zu leben und zu zeigen und in die Familie zu bringen. Auch an die Zuschauer und Volunteers haben wir auch noch also eine Menge Beteiligte. Es ist etwas, was glaube ich schon in der Gesellschaft wahrgenommen wird, in die Gesellschaft zurückspielt. Und ich bin froh, dass ich diese Wettkämpfe, auch diese Invictus Games 2023 wissenschaftlich begleiten und evaluieren darf.
Major Gutzeit
Hat es so was wie Invictus Games in der Militärgeschichte schon mal gegeben?
Dr. Reichherzer
Ja, ja, schon, glaube ich. Ja, vor allen Dingen ist halt der Versehrten-Sport auf einer niedrigeren Ebene, aber auch auf der Eigeninitiative von Soldaten und dann später auch Soldatinnen, wahrscheinlich hier zu nennen, wo man aber auch ganz stark sehen kann, dass wie hier Paradigmen der Arbeitsgesellschaft zum Tragen kommen, auch wieder auf der anderen Seite der Sport so als Schaufenster dient, um körperliche Leistungsfähigkeit oder dann auch letztendlich seelische Wiederherstellung dann auch sichtbar machen kann. Der Sport ist ja einer, der soll sichtbar machen: Es funktioniert wieder, es ist wieder alles in Ordnung, es geht wieder. Da kann man zu stehen wie man will, aber der Sport erfüllt diese Funktion hier vor allen Dingen bei versehrten Menschen dann doch in einem großen Maße. Und dann auch hier vor allen Dingen, wenn man das historisch an die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg betrachtet, wo wir sehr viele versehrte Veteranen haben, auch zu zeigen: Ihr könnt euch wieder in Arbeitsgesellschaft integrieren. Da sind neben Bilder von Werkbänken, wo mit Prothesen gearbeitet wird, auch unwahrscheinlich viel sportliche Bilder zu sehen. Und hier wird wieder auch eine Heilung symbolisiert durch eine Heilung der Gesellschaft – die Wunden des Ersten Weltkrieges. Das ist ein dermaßen überhöhtes Thema, die über diese eigene Physis des Sportes hinausgeht. Und zu so einem, ja fast schon gesamtgesellschaftlichen Diskurs wird, in dem dann auch so man Sätze lesen kann: „Der Sport ist das Heilmittel des deutschen Volkes„, wo dann auch eine Kollektivgesundheit und alles Mögliche angelegt wird. Also da kann man doch sehr viel auch in historischer Perspektive sehen. Ich glaube mir hat es unwahrscheinlich Spaß gemacht hier mit dir, Martin, da zusammenzuarbeiten in dem Band, weil wir haben so zwei Phänomene Sport und Krieg und das Militär und eine Korona drumherum von Experten und Expertinnen, die dieses Phänomen sich aus ihren Perspektiven angucken und dann, wenn man das Buch zusammen nimmt, unwahrscheinlich viele Bezüge herstellen können. Also ohne jetzt uns zu loben, sondern eher die Beiträger und Beiträgerinnen, dass es wunderbar klappt, dann auch diese Bezüge beim Lesen des Bandes herzustellen und zu verstehen, was die Leistung ist, die die Verknüpfung von Sport und Militär sein kann für den Einzelnen, für das Militär, für die Bundeswehr, aber auch wo Probleme liegen und wo man auch über Ziel hinausschießen kann und wo dann Sport auch nicht immer unbedingt das Positive ist, um bestimmte Dinge zu erreichen. Wenn ich da an Beiträge auch über die Turner denke, wo das Turnen gar nicht so wichtig ist, dass die geturnt haben, sondern eher das Vereinsleben, das könnte genauso gut für ein Gesangverein gelten, dass jetzt hier nationaler Zusammenhalt im Ersten Weltkrieg entsteht oder Bindung. Da ist der Sport nicht so wichtig, sondern eher das Drumherum wie der Verein, was man da jetzt auch ganz gut ablesen kann.
Prof. Elbe
Kollege Reichherzer hat natürlich ein schönes Wortspiel hier eingebaut, indem er eine ganze Korona aufgemacht hat, die natürlich nicht nur als Schein außenrum trägt, sondern tatsächlich war das ja ein Projekt, das durch die gesamte Corona-Zeit gelaufen ist und getragen hat – schon ein Jahr vorher etwa begannen die Vorbereitungen. Und als Corona so richtig ausbrach eben im März 2020 hier bei uns, wurde die geplante Tagung zu Sport und Militär eben dann in der Woche vorher abgesagt. Und natürlich hatten alle das vorbereitet, ihre Vorträge vorbereitet und so weiter. Und so hat sich bei uns dann auch verfestigt, dies als Buch herausbringen zu wollen. Und es hat uns eigentlich dann die ganze Corona-Zeit über beschäftigt, es auch zum Abschluss zu bringen. Und jetzt ist es im Laufe dieses Jahres zum Abschluss gekommen. Also es war ein ganz nettes Wortspiel. Auf der anderen Seite verweist es eben auch auf was, eben auch auf, sagen wir jetzt mal, wenn wir Long-Covid nehmen. Da ist auch die Frage, die noch vollkommen ungeklärt ist, aber die mit Sicherheit positiv zu beantworten ist: Welche Beiträge können Bewegung, Physiotherapie, Reha, Sport leisten, um Long-Covid-Phänomene, die ja sehr unterschiedlich und breit sein können, trotzdem zu bewältigen helfen und sich selbst wieder als leistungsfähig erleben zu können. Und damit sind wir für mich am letzten Punkt, nämlich wir kommen immer wieder auf die Leistungsfähigkeit und dann dürfen wir eins nicht vergessen in unserem Gespräch: Die Spitze der Leistungsfähigkeit, den Leistungssport, also den Stellenwert, den das Militär, die Bundeswehr für den Spitzensport hat, für den es einen eigenständigen Auftrag vom Parlament bekommen hat. Die Bundeswehr nämlich den Spitzensport zu fördern seit den 1960er-Jahren und immerhin die Hälfte roundabout, nicht ganz, aber fast die Hälfte aller olympischen Medaillen wurden durch Bundeswehr-Soldatinnen und -Soldaten erreicht. Also es funktioniert, aber es wird teilweise auch stark kritisiert diese Spitzensportförderung durch die Bundeswehr.
Dr. Reichherzer
Ja um bei dieser Kritik noch mal einzuhaken, die kann durchaus einerseits auf die Effizienz des Systems ausgerichtet sein oder welche Sportarten werden gefördert, also so ein sehr stark sportförderungsinterner Diskurs. Aber es gibt noch so eine andere Ebene, die auch vorhin als du über Olympische Spiele, Militär, Patrouille, Fünfkampf, Military oder sowas sprachst. Da steckt ja auch noch mal drin, dass auch eine Funktion des Militärs ist es auch, den Staat darzustellen und auch die Leistungsfähigkeit eines Staates darzustellen. Und da eröffnen wir jetzt ein ganz großes Thema, das wir hier vielleicht gar nicht zu Ende diskutieren können. Aber dann sehen wir, dass das Militär als eine Institution, die den Staat repräsentiert. Bei jedem Staatsbesuch tritt da das Wachtbataillon an und verkörpert somit den Staat. Das ist das eine. Aber auch letztendlich was es dann mit Fragen auch von Doping anderen Dingen zu tun hat, wenn dann Sport auch zur Sichtbarmachung einzelner politischer Systeme oder sowas genutzt werden kann. Da sind wir auch schon in der Grenze, auch zum Missbrauch des Körpers. Da geht es nicht mehr um Fitness und andere Dinge, sondern da werden ganz klar auch rechtliche und auch moralisch ethische Grenzen überschritten.
Major Gutzeit
Zu dieser Grenzhaftigkeit habe ich mal eine Frage und zwar auch, was die Leistungsfähigkeit des Staates angeht oder auch die Mannigfaltigkeit des Themas Sport und Militär. Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke und an den Sportunterricht, da haben wir Völkerball gespielt. Und das Spiel ist ja auch soweit interessant, weil es für Schülerinnen und Schüler gar nicht so sehr ein Spiel ist, sondern wirklich mit großen Konsequenzen und Aufregung verbunden ist, weil am Anfang man wird in eine Mannschaft gewählt, man wird eingeschätzt von seinen Fähigkeiten, dass man sportlich genug ist, man kognitiv oder motorisch überhaupt in der Lage mitzuhalten. Dann heißt es Völkerball, weil wahrscheinlich früher da Völker angetreten sind. Oder man hat das wahrscheinlich auch irgendwie militärisch betrachtet und gesehen. Man muss sich abwerfen oder abschießen, man ist raus und man kämpft so lange, bis der Letzte steht. Was kann man eigentlich zu diesem Spiel sagen, zu Schule, zu Sport und Militär oder Bildung?
Dr. Reichherzer
Ich glaube beim Völkerball ist es ganz interessant wie du beschreibst wie so ein Spiel, ein klassisches Abwurf- und Laufspiel dann mit einer bestimmten Deutung beschrieben wird, dass es dann so ein Wettkampf ist. Aber da kann man auch noch wieder was anderes sehen. Also wo wir, wenn wir noch mal auf diese Beziehung von Sport und Militär und diesem oder Sport und Krieg, jetzt formulieren wir es auch noch mal so, darauf eingehen wollen, dass aber auch Sport eben nicht Krieg ist. Also genau in diesem, was du beschreibst, in so einer Verkrieglichung des Spiels, denn wenn man jetzt mit dem berühmten Soziologen Norbert Elias reden will, auch Affekte ableiten sehen, also das jetzt im mittelalterlichen Turnier oder in Sport und in Spielen eben nicht der Krieg am Ende steht, sondern dass wir es schaffen, Konflikte um bestimmte Austragungsformen ins Spielerische, in den Sport zu übertragen. Und dass der Sport sozusagen Stellvertreter, ein Stellvertreterplatz für den Krieg werden kann. Also das muss man auch noch mal genauer untersuchen – ist auch gemacht worden, aber hier mal auch so zu sehen, wie auch der andere Weg gegangen werden kann. Also nicht, dass der Sport automatisch Krieg bedeutet, sondern quasi eine Kriegsvermeidung oder -verhinderung. Die Olympischen Spiele einerseits als Friedensprojekt der Jugend, also dass die Jugend der Welt sich kennenlernen soll und dann keine Kriege mehr gegeneinander führt, aber andererseits dann auch wieder mit so kleinen Einsprengseln, in denen das Militärische der Zeit sichtbar wird oder auch die verschiedenen, jetzt für Frankreich dann bezogen, weil Pierre de Coubertin, der Erfinder oder der Vordenker dieser olympischen Moderne, auch hier Dekadenz, ja Abschwung, Krankheit zum Tragen kommen, wo der Sport dann hier auch wieder dagegen wirken soll, um dann eine militärisch starke Nation hervorzubringen. Da sieht man, wie sich diese Mischung, diese Grauzonen herausbilden können. Und genau da, wo Dinge nicht mehr klar werden, da glaube ich können Historiker unwahrscheinlich spannende Fragestellungen finden und haben Sie in unserem Band auch getan.
Major Gutzeit
Ja, nun mal vielen Dank für diese militärhistorische Perspektive. Herr Professor, wir müssen mal bei Ihnen nachfragen: Was hat denn aus Ihrer Sicht heute Sport und Militär für eine Bedeutung vor allem für die Bundeswehr, aber auch für unsere Gesellschaft?
Prof. Elbe,
Ich denke ganz viele Facetten haben wir ja schon angesprochen. Aber es lohnt sich trotzdem, immer wieder auch zurückzugehen. Und dann sehen wir, dass manches ein Thema bleibt, ganz früh. Das hat auch Professor Laemmer mit seinem Vortrag, den ich vorhin schon erwähnt hatte, darauf aufmerksam gemacht, dass man immer von dieser Friedenspflicht während der Spiele, der Olympischen oder anderer Spiele gesprochen hat. Das galt erstens nur für die Beteiligten und zweitens im Zweifelsfall. Wenn man die nicht einhalten wollte, hat man sich halt nicht beteiligt. So wie Philipp von Makedonien, der seinen Bruder geschickt hat, aber selber mit seinen Truppen weiter im Feld blieb und seinen Angriff fortgesetzt hat. Also diese Vorstellung des Frieden-Schaffens durch Sport muss man kritisch sehen – hat echte Grenzen. Auch heute gibt es ja beispielsweise internationale Militärsportveranstaltungen, Wettkämpfe, die auch große Veranstaltungen sind. Aber im Zweifelsfall da lernt man sich kennen, da vergleicht man sich und schließt vielleicht Freundschaften. Aber es hat nichts damit zu tun, was in einem Ernstfall passiert. Und natürlich wird in einer Situation wie sie jetzt ist sehr schnell diskutiert, ob dann russische Sportler an internationalen Sportveranstaltungen teilnehmen können, wenn die sich gerade in einem Angriffskrieg gegen die Ukraine befinden. Und dann wird hin und her argumentiert und man solle doch den Sport freihalten von der Politik, und das sei doch schade. Und es wären Boykotte hin und her, wie wir es ja immer wieder gesehen haben. Tatsache ist, das war immer so und der Sport ist nicht frei von der Politik. Also wir haben die gesellschaftliche Ebene. Wir haben Versportlichung der Gesellschaft in Deutschland zum Beispiel durch Unmengen von Sportvereinen, durch einen hohen Stellenwert als Freizeitgestaltung des Sports in der Gesellschaft. Und darüber dürfen wir aber nicht vergessen, das könnte man so sagen: Der größte Sportverein in Deutschland ist natürlich die Bundeswehr. Kaum ein Verein, der so viele Mitglieder hat, die aktiv Sport treiben müssen und es auch tun wie die Bundeswehr und erst recht keinen, der so viele Olympioniken stellt und fördert. Wobei auch das nicht nur positiv zu sehen ist, denn der Preis, der für diese hohe Leistungsfähigkeit in einem Ausschnitt des Lebens zu zahlen ist, ist eben, dass man zumindest eine duale Karriere verfolgen muss: Neben dem Sport eben eine Bildung, eine Berufsausbildung oder ein Studium oder ähnliches, für das man eigentlich gar keine Zeit hat, weil mehr als ein ganzer Tag durch diese Herstellung der sportlichen Leistungsfähigkeit auf internationalem Spitzenniveau gefordert wird. Manche schaffen es, manche schaffen es nicht und stehen am Ende sozusagen als Drop-Outs da, erleben sich selber so, obwohl sie über Jahre hinweg erfolgreich waren, es aber nicht geschafft haben, ein zweites ziviles Standbein für sich neben dem Sport aufzubauen. Und bei den Soldaten, die in den Sportfördergruppen sind und da Spitzensportler gefördert werden, kommt das Militärische noch hinzu. Aber auch das ist ja nicht von Dauer. Das ist ja nicht ein Berufsleben tragen, sondern eine begrenzte Zeit. Also diese dualen oder multiplen Karrieren im Spitzensport können auch was Prekäres haben, müssen nicht, aber können.
Major Gutzeit
Herr Professor, Sie sagten die Bundeswehr sei der größte Sportverein der Gesellschaft. Das fand ich einen sehr guten Punkt. Das würde ich auch mal als Schlusswort nutzen. Ich glaube wir alle wissen, was Sport für eine große Bedeutung für unsere Streitkräfte hat, aber eben auch für unser eigenes privates Leben nach dem Dienst oder in der Gesellschaft, für die Gesellschaft. Herr Dr. Reichherzer, auch vielen Dank an Sie für das Bild, was Sie geprägt haben, dass eben der Krieg nicht Vater des Sports ist, sondern dass Sport und Militär eher als Geschwister zu betrachten sind. Wenn ich das Gespräch nochmal rekapituliere, was für Vielschichtigkeiten es gäbe für viele Ebenen und Einflüsse und Auswirkungen auf verschiedene Bereiche, ist Sport und Militär für mich fast so etwas wie Ying und Yang zu sehen. Alles hat seine Auswirkungen, alles hat seine Vor- und Nachteile. Das eine bedingt das andere und baut auf das andere auf mit einem Positiven und Negativen. Ich danke Ihnen beiden herzlich für unseren Podcast und ich hoffe, den einen oder anderen, die dieses Thema auch interessant fanden, blicken noch mal in unsere Publikationen: Der Sport des Militärs. Perspektiven aus Forschung, Lehre und Praxis, herausgegeben von Professor Dr. Martin Elbe und Herrn Dr. Frank Reichherzer. Vielen Dank an alle Zuhörerinnen und Zuhörer. Das war der Podcast Zugehört des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr zum Thema Sport und Militär.
 

von ZMSBw Onlineredaktion

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