Hanbuch Innere Führung Neu vs Alt Transkript

Hanbuch Innere Führung Neu vs Alt Transkript

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Michael Gutzeit: Guten Tag, sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer, herzlich willkommen zu unserer neuen Folge von „Zugehört“, dem Podcast des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Mein Name ist Michael Gutzeit. Ich bin Major und Leiter der Informationsarbeit. Ich sitze hier mit Herrn Oberst Dieter Börgers. Er ist Projektstabsoffizier im Zentrum für Innere Führung und zwar im Leitungsbüro. Wir möchten uns heute unterhalten, und zwar über das neue Handbuch zur Inneren Führung. Es ist jetzt mittlerweile seit fast einem halben Jahr veröffentlicht worden. Doch wir wollen uns fragen: Was hat es denn eigentlich mit diesem Handbuch auf sich? Herr Oberst, am zwölften November letzten Jahres wurde das Handbuch „Innere Führung“ veröffentlicht. Was gab denn überhaupt den Anstoß, ein solches Handbuch zu schreiben? Und was soll es leisten? Und an wen richtet es sich denn?

Dieter Börgers: Erst mal guten Tag zusammen und ganz herzlichen Dank an das ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr für die Einladung, dass ich hier sein darf. Außerdem macht das bei diesem Kaiserwetter mit Blick auf den See noch viel, viel mehr Spaß. Das Handbuch steht nicht für sich alleine. Es ist sozusagen das Kernprojekt eines Projektes, was wir genannt haben: „Weiterentwicklung Innere Führung“. Und es ist entstanden in einem Dreieck zwischen BMVgBundesministerium der Verteidigung, dem Zentrum selber und der DBDeutsche Bahn Consulting. Und dazu hat es 2020 schon einen Kick-off gegeben. Das ist also, glaube ich, ganz wichtig, erst mal in dem Rahmen zu wissen, dass das vor dem russischen Überfall auf die Ukraine war. Also das ist nicht der Anstoß. Vielmehr hat es bei der Übergabe an den damaligen neuen Kommandeur, General Bodemann, bei der Anwesenheit vom Generalinspekteur eine Aussage gegeben, die da lautete: „Herr General Bodemann, machen Sie mir die Innere Führung fit für das 21. Jahrhundert.“ Und das war so der Anstoß. Und uns wurde dann auch sehr schnell klar, dass wir mit dem Kick-off auch auf das Handbuch von 1957 zu sprechen kamen. Und dann war sehr schnell klar: Das wird auch das Kernprodukt sein, ein neues Handbuch zu schreiben. Und nach diesem Feststellenden Moment haben wir eigentlich als einzigen Punkt eben diese verbindliche Definition erstmalig. Ich glaube, die füllt jetzt so eine Seite. Und danach gibt es noch zwölf Leitsätze zu unserer Führungs- und Organisationskultur. Und dann gibt es einen 41 Kapitel, wo man sich über die unterschiedlichsten Begrifflichkeiten, auch wie das damals mit neuen Begrifflichkeiten in dem alten Buch war, eben zu Erläuterungen, Erörterung und Erörterungen kommt. Das heißt, es wird etwas zur Disposition gestellt, zu allen möglichen Themen, die sowohl zeitlos als auch allen einen aktuellen bzw. zukunftsweisenden Bezug haben, zum Leben und Vorleben unserer Führungskultur. Und natürlich kann man jetzt nicht erwarten, dass man diese 41 Kapitel alle auf der Pfanne hat. Und dann sind wir hingegangen und haben vier Überbegriffe gewählt im Sinne von, da ist jetzt irgendein Kompaniechef oder irgendein Dienststellenleiter irgendwo in Deutschland. Der möchte sich mit seinen Leuten, mit der Führungskultur auseinandersetzen. Und dann weiß er aber alles klar, die haben in diesem neuen Handbuch vier Übertitel gehabt, vier große Überschriften. Der erste ist: „Einsatzbereite Armee“ als der übergreifende systemische Kontext. Dann kommt: „Das Soldat sein“ als der übergreifende, individuelle Kontext. Dann kommt „Eid und Treue“ Das gab es auch schon, ähnlich im alten Handbuch, als der Normen gebende bzw. werteorientierte Kontext. Und dann gibt es noch zu den aktuellen, zukunftsweisenden Herausforderungen das Stichwort 21. Jahrhunderts. Also, insofern haben wir: „Einsatzbereite Armee, Soldat sein, Eid und Treue, 21 Jahrhundert.“ Und damit leistet das Handbuch, dass es unsere Führungskräfte in ihrer Verantwortung vor Ort. Das ist ganz wichtig. Wir sind ja in Koblenz nur Dienstleister, die Rahmengeber zur Inneren Führung. Aber die Innere Führung selber, die wird ja vor Ort in den einzelnen Standorten gelebt oder soll gelebt werden. Und das soll eben dieses Handbuch fördern und stärken. Dort findet auch dann die Innere Führung statt. Und insofern ist das Handbuch das Kernprodukt, um neben Ausrüstung, Ausbildung und Finanzen den wesentlichen Beitrag zur vollen Einsatzbereitschaft zu liefern. Und zu Ihrem letzten Punkt: An wen ist es gerichtet? Ganz schlicht an alle Führungskräfte in der Bundeswehr, auch die angehenden. Und hier sind natürlich im Fokus die Führungskräfte, die am Ende am sogenannten scharfen Ende die Vorgesetzten sind. Aber am Ende des Tages geht es an alle Führungskräfte in der Bundeswehr, zivil wie militärisch. Und darüber hinaus lancieren wir das Handbuch ja auch über die Bundeswehr hinaus, zum Beispiel auch in den parlamentarischen Raum oder auch in die Interessenvertretungen. Na ja, und wenn Sie mich persönlich fragen, dann sage ich: Es ist an alle Bundeswehrangehörigen gerichtet.

Michael Gutzeit: Herr Oberst ich möchte da auf drei Punkte zurückkommen. Sie haben einmal angesprochen Weiterentwicklung Innere Führung, dann haben Sie gesagt, sozusagen Maßgabe von Generalinspekteur Karsten Breuer: „Machen Sie mir die Innere Führung fit für das 21. Jahrhundert.“ Und dann haben Sie angesprochen das erste Handbuch für Innere Führung von 1957. Ich glaube, wenn Sie das jetzige Handbuch, Neues Handbuch, wählen, war das kein Zufall, sondern haben diese Anlehnung bewusst gewählt. Aber warum hat man denn diese Anlehnung überhaupt gesucht?

Dieter Börgers: Also zunächst, es war in diesem Falle nicht der General Carsten Breuer. Es war tatsächlich noch der General Eberhard Zorn. Der jetzige Generalinspekteur hat dann sozusagen mit der Übernahme dieses Projekt dann weitergeführt als der Sponsor im BMVgBundesministerium der Verteidigung. Und wenn es um diese Thematik geht, der Anlehnung, dann ist das ja so, dass dieses Handbuch von 1957 das war so was wie eine Ursuppe unserer Führungskultur, der Streitkräfte Deutschlands. Und wenn man sich das anschaut, dann könnte man heute so ein bisschen sagen, ja, es war schon eine etwas verschwurbelte Sprache. Es gibt auch so die ein oder andere philosophische Ausführung und insbesondere in den späteren Dokumenten bis hin zur ersten Vorschrift in den 70er Jahren kann man nicht unbedingt so einfach dem Esoterik-Vorwurf entgehen, manchmal sogar ja auch dem Vorwurf, dass hier etwas weichgespült wurde.

Dieter Börgers: Also insbesondere in den späteren Dokumenten taucht kaum noch der Begriff „Kampf“ auf und das ist aber in dem ersten Handbuch nicht so. Dieses erste Handbuch von 1957 hat eine ganz klare und unmissverständliche Sprache. Es geht um kriegsbereite Streitkräfte. Es wird auch von Gewinnen und Siegen gesprochen und es geht immer auch um unsere Werte auf der Basis des Grundgesetzes. Das wird ganz deutlich herausgehoben, aber auf Basis dieser Grundwerte die kriegstaugliche Bundeswehr und hier das Führen in dieser kriegstauglichen Bundeswehr. Und daher ist diese Anlehnung in dem Projekt Kick-off keine Idee eines kreativen Namensfindungsprozesses, so oder so, was man sonst in solchen Kick-offs ja schon mal macht, sondern vielmehr eine logische oder sogar naheliegende Konsequenz gewesen. Und das jetzt im Sinne des Themas Zeitenwende. Da kommt eben zum Ausdruck, dass es die erforderliche Rückbesinnung auf den ursprünglichen Impuls der Inneren Führung ist. Und insofern war diese Anlehnung eben eine naheliegende Vorgabe.

Michael Gutzeit: Wenn Sie sagen, es wurde eine klare Sprache benutzt, siegen und gewinnen, heute kommt man ja auch auf diesem Weg zurück. Man sagt, „Wir wollen kriegstüchtig sein“. Aber wenn es um die Verfasser des ersten Handbuches geht, frage ich mich, wer hat denn das eigentlich verfasst? Weil die Schule für Innere Führung wurde erst zum 1. Oktober 1956 aufgestellt, und in seinem Begleitwort schrieb der damalige Generalinspekteur Heusinger, das Handbuch basiere auf den im Mai und Juni 1956 in Sonthofen während des Ersten Offizier Lehrgangs gehaltenen Referaten über die Innere Führung. Das ist sehr undeutlich.

Dieter Börgers: Ja, so muss man sich das tatsächlich auch vorstellen. Wie Sie schon sagten, das war damals alles im Aufbau, vor allen Dingen ging es zu dieser Zeit darum, Schwerpunkte zu setzen. Und dann ist man tatsächlich hingegangen und hat gesagt, „Wir haben jetzt schon über irgendein großes Regelwerk, über irgendwelche Vorschriften zu sprechen“. Die erste Vorschrift kam Anfang der 70er dann heraus. Das hat man alles beiseite gelegt und an dieser Stelle ist man hingegangen und hat gesagt, „Wir brauchen jetzt ein kurzes, knappes, klares Wort, um eben diese wertebasierte Thematik auf der Basis unseres Grundgesetzes in unsere Führungskultur einzubauen“. Und dann ist man hingegangen und hat sich da in Sonthofen diesen ersten offiziellen Lehrgang gepackt, wo dann zum Beispiel auch ein Baudissin hingefahren ist und Referate gehalten hat. Wir wissen heute das noch. Das hat mir gerade kürzlich noch einer unserer Historiker in Koblenz noch mal gesteckt, dass ein Major Trench noch dabei war. Der Trench dürfte vielleicht den Kameradinnen und Kollegen, die in Main tätig sind, beim Operativen Führungskommando bekannt sein, denn da müsste sogar der Ex-Platz nach diesem Kameraden Trench bezeichnet sein. Und die haben dort Referate gehalten und die Referate wurden dann nachher zu diesen Kapiteln in diesem Handbuch. Und so ist das entstanden.

Michael Gutzeit: Wenn wir uns mal den Umfang angucken. Also es hat ja 190 Seiten, das ist ja ein relativ schmaler Band und hat sich in zehn Kapitel gegliedert. Allerdings war es von 1956 bis 1972 in mehreren Auflagen unverändert in Kraft und hat so mehrere Generationen von Bundeswehrsoldaten begleitet. Aber können Sie uns die Kernaussagen dieses schmalen Bandes noch mal zusammenfassen?

Dieter Börgers: Ja, ich will das gern versuchen. Also von den 190 Seiten sind es eigentlich nur 166 Inhalt. Also es ist noch schmaler als nur diese 190. Und das Ganze beginnt ja mit einem Geleitwort und ab der Seite 166 kommt dann noch mal eine Zusammenfassung zur Inneren Führung. Es kommt auch noch ein Schlusswort mit Register und nur Stoffgliederung mit Stichworten und Namen zum Nachschlagen. Und allein wenn man sich diese klare, kurze Sprache vom damaligen Generalinspekteur Heusinger anschaut, auf einer Seite, das ist typisch für die Zeit. Man kann sich das für heute manchmal nur wünschen, dass wir so knapp und klar formulieren können. Und da geht es letztendlich nur darum, dass das Handbuch selber für den Offizier ist, dass es keinen Anspruch auf ein Dogma erhebt. Es kommt der Hinweis, dass es vom Parlament gebilligt ist, dass alles auf der Basis unserer demokratischen Ordnung stattfindet und dass jeder und jede außerhalb extremistischer Grenzen, egal mit welcher religiösen Einstellung oder egal mit welcher politischen Einstellung, sich mit den Inhalten des Buches identifizieren kann. Und dann geht es am Ende noch mal darum, dass es darum geht, unser Recht und die Freiheit des Landes zu verteidigen. Und das mit Würde. Danach kommen dann neun Kapitel. Und hier geht es vor allen Dingen natürlich auch um in der Abgrenzung zu dem, was eine knappe Dekade noch vorher in Deutschland stattgefunden hatte. Hier geht es dann in erster Linie um eine einsatzbereite Bundeswehr. Dann geht es im Wesentlichen um den Eid. Dann kommt auch sehr schnell, ganz am Anfang des Buches, an zweiter Stelle das berühmte Stichwort „Staatsbürger in Uniform“, was erörtert wird. Dann setzt man sich mit der soldatischen Tradition auseinander. Dann wird auch ganz explizit das Stichwort „deutscher Widerstand“ hervorgehoben. Das ist insofern interessant, weil dieser berühmte Remer Prozess, wo es um die Verleumdung der Widerständler ging, hat man sich dort schon mit dem Thema Widerstand auseinandergesetzt. Denn zu dieser Zeit war es in Deutschland alles andere als verständlich oder alles andere als nachvollziehbar bzw. erst recht nicht mit Vorbildcharakter.

Also Sie haben jetzt finde ich, zwei große Gemeinsamkeiten angesprochen, nämlich die Innovation. Und Sie sagten ja, das neue Handbuch, also Innere Führung fit machen für 21. Jahrhundert. Das alte Handbuch habe ich jetzt so verstanden Hat die Bundeswehr auch fit gemacht fürs 20. Jahrhundert. Durch das Bekenntnis zum deutschen Widerstand. Der ehemalige Staatssekretär BMVgBundesministerium der Verteidigung, Herr Dr. Peter Tauber, hat aber in einer Ausgabe der Zeitschrift für Innere Führung einen Vergleich zwischen dem alten und neuen Handbuch gezogen.

Michael Gutzeit: Und er schrieb Außer dem Titel haben beide Werke wenig miteinander gemein, auch wenn sie sich um den gleichen Themenkreis drehen. Hat er damit recht? Inwiefern orientiert sich denn nun das neue Handbuch an seinem Vorgänger und was ist neu?

Dieter Börgers: Natürlich selbstredend, dass Handbuch vom zwölften November des letzten Jahres ist neu. Ich weiß aber gar nicht, ob man diese Abgrenzung überhaupt braucht. Ich würde dieses Handbuch lieber in einen Kontext stellen und der beginnt eigentlich 1950, also sieben Jahre vor dem Handbuch. Vor dem ersten Handbuch gab es die Himmeroder Konferenz, wo sozusagen das Schriftstück entstand. Zwischen den damaligen „Versicherungsvertreter“ sich im Auftrag von Konrad Adenauer in der Abtei Himmelrot in der Eifel zusammensetzten und die Himmeroder Denkschrift verfassten, auf deren Basis dann sieben Jahre später dieses Handbuch zum konkreten Stichwort Führungskultur entstanden ist. Erst danach gab es eine Handvoll Erweiterungen im Sinne von einer Forschung im Sinne von diesen ganzen Produkten, die dann am Zentrum Innere Führung entstanden sind. Dann kommen diese geschichtlichen Momente aller spätestens schon ab 1990. Ob das beispielhaft der Mauerfall ist. Dann kommt zum Beispiel das Stichwort Frauen in der Bundeswehr, dann haben wir den Punkt Aussetzung der Wehrpflicht oder jetzt erst recht das Stichwort Zeitenwende. Und wann, wenn nicht jetzt, sollte man ein neues Handbuch schreiben? Und so ist auch die Art der Darbietung neu die Methodik. Ich habe es schon angesprochen mit diesem so ist es im Gegensatz zu heute etwas zur Disposition zu stellen und das natürlich vor allen Dingen mit dem mit dem Baukasten drum herum und damit eben auch die, die klare Erkenntnis, dass mit dem geschriebenen Wort noch nichts erreicht ist. Man muss es auch auf die Straße bringen und deshalb haben wir dieses Kernprodukt und darum Baukasten. Ich glaube, da kommen wir ja auch noch drauf zu sprechen.

Michael Gutzeit: Ja, das war nämlich meine nächste Frage gewesen. Aber wenn Sie zum Beispiel wieder sagen 21. Jahrhundert auf die Straße bringen, dann müssen Sie es ja auch in den Kopf bringen oder in die Hand bringen oder ins Ohr bringen. Wie sieht denn dieser Baukasten des neuen Handbuchs für Innere Führung aus?

Dieter Börgers: Ja, also dieses das Handbuch selber ist ja kein Solitär, sondern Kern eines Baukastens mit vielfältigen Produkten unterschiedlicher Medien für die Bundeswehr übergreifende Vermittlung unserer Führungs- und Organisationskultur der Inneren Führung. Und dieser Baukasten ist um dieses Produkt herumgebaut. Also gerade an diesem Ort, an dem ich hier heute bin, die Aussage Bitte einige jetzt verzeihen, auch wenn ein Buch immer noch schön ist, es zu haben und es auch wirklich zu lesen. Mir geht es genauso. Es ist aber nicht für jeden so und wir hatten zum Beispiel eine erstens sehr gut ausgebildete, hoch eloquente, hochintelligente Kameradin, die auch mitgeholfen hat an dem Projekt. Und die hat dann einem der Protagonisten mal eines Tages gesagt Ich stell mir doch kein Buch mehr in den Schrank und uns ist so ziemlich alles aus dem Gesicht gefallen bei dieser Aussage. Aber am Ende des Tages haben wir verstanden und das war ein wesentlicher Hinweis, dass wir mit dem geschriebenen Wort in dem Kern Produkt Handbuch 2023 brauchen wir etwas drum herum. Ob das nun für jung oder alt ist, es ist überhaupt gar kein Generationsspezifisches Thema. Wir brauchen aber den crossmedial, zukunftsorientierten und vor allen Dingen Einsatzorientierten Ansatz. Denn die Inhalte des Handbuches sollen jederzeit, überall greifbar und lesbar sein. Und deshalb haben wir diesen Baukasten drum herumgebaut Und bezogen jetzt auf Stichwort Internet kann man sich das so vorstellen, dass wir ja mit den Inhalten zur Inneren Führung, im Speziellen mit dem Kern Produkt sind wir im Internet, im Extranet und im Intranet. Und im Internet haben wir zum Beispiel das Handbuch online verfügbar. Wir haben die BW Identity App. Sukzessive erstellen wir die einzelnen Kapitel als Hörbuch Version ein bis hin zu einem Comic Sachbuch. Im Extranet hat man den konkreten Zugriff auf den sogenannten Baukasten. Da haben sie dann ein Symbol als Baukasten, wo Sie unterschiedliche Kacheln anklicken können, wo Sie unterschiedliche Produkte finden. Das geht dann etwas weiter noch. Es ist etwas breiter angelegt als das, was wir im Internet haben. Na ja und im Intranet. Da haben Sie dann das berühmte PIF, das Portal Innere Führung, wo man teilweise über eine ganz einfache Soldatensichere Suchoption sich alle knapp 130 Produkte zur Inneren Führung aus dem Zentrum abrufbar machen können. So ist also der Punkt dieser crossmedialität, auch wenn das bei dem einen oder anderen Produkt nicht jedem gefällt, unter Einsatz Orientierungsgesichtspunkten entstanden, das heißt es ist ein Wert an sich, und da ist der eine oder andere musste über eine Brücke gehen, oder es gab auch mal einen Stolperstein, weil nicht jedem das Comic-Sachbuch gefällt oder weil nicht jedem ein Hörbuch gefällt. Oder weil er eben doch lieber noch ein klassisches Buch zur Hand nimmt. Aber letztendlich geht es darum, dass die Inhalte greifbar lesbar sein müssen für die, die vor Ort unsere Führungskultur leben. Und da ist es völlig schnuppe, ob es der Panzerkommandant in Litauen ist oder der Dienststellenleiter im unteren Breisgau. Oder Ich habe immer gesagt, ich muss es auch bei einer Abenteuerreise in Patagonien lesen können.

Michael Gutzeit: Vielen Dank, Herr Oberst. Vor allem, dass Sie bei dem Baukastenprinzip unseren Podcast nicht vergessen haben. Was Sie aber vergessen haben, ist unser Audiobuchjournal „Angelesen“ mit der Folge zum Handbuch Innere Führung, was ich hiermit mal ans Herz legen möchte. Mal abgesehen von den neuen Bestandteilen des Baukastens. Möchte jetzt aber noch mal auf die Inhalte zu sprechen kommen, nämlich das, was beim neuen Handbuch ja nicht wirklich neu ist, ist der Staatsbürger in Uniform. Aber dieses Leitbild, was heute nicht mehr Neues war es ja damals beim ersten Handbuch schon. Was hat denn zu der Entwicklung dieses Leitbildes geführt? Und was war damals das spezifisch Neue daran?

Dieter Börgers: Ja, 1957 war das noch sehr neu, und ich persönlich glaube, es ist tatsächlich zu einem gelebten Bestandteil heute geworden. Es ist nach wie vor einer von mehreren Punkten, aber gewiss einer der zentralen Punkte. Und es ist vielleicht in der jüngeren Vergangenheit ein Punkt gewesen, wo das ein oder andere Mal etwas als verweichlicht dargestellt wurde. Wir blicken natürlich auf eine Vergangenheit zurück, wo die deutschen Soldaten nicht nur im militärischen Handwerk Vollprofis waren, sondern auch in der Welt gefürchtet waren. Und das ist mit dem Staatsbürger in Uniform in eine Thematik gerückt worden, wo man in der jüngeren Vergangenheit gesagt hat, Ja, gegenüber diesem Krieger, gegenüber diesem vermeintlich Bösen, dem müssen wir etwas gegenüberstellen. Das ist aber gar nicht der Ansatz des Staatsbürgers in Uniform gewesen beim Staatsbürger in Uniform. Im Handbuch 1957 oder überhaupt in der Inneren Führung. Da geht es natürlich um das freie Individuum. Das war alles andere als eine Selbstverständlichkeit 1957, nach der dunklen Zeit. Dann um den verantwortungsbewussten Staatsbürger. Denn wir als Bundeswehrangehörige dürfen alle wählen, wir sind Staatsbürger.

Michael Gutzeit: Und gewählt werden.

Dieter Börgers: Ja auch das ja natürlich aktiv und passiv. Der entscheidende Punkt ist aber in diesem Dreiklang, dass es bei diesem Staatsbürger immer um den einsatzbereiten Soldaten ging. Und das wird gerne vergessen. Das heißt, der Staatsbürger in Uniform ist nicht etwas gegenüber dem vielleicht fähigen Krieger oder Kriegerin, sondern es ist integraler Bestandteil unserer Führungskultur. Und das ist das Entscheidende in den Anfängen der Inneren Führung gewesen. Und das ist auch heute mit der Zeitenwende das Entscheidende, dass wir wieder verstehen, Ja, es geht um das freie Individuum, ja, es geht um den verantwortungsbewussten Staatsbürger. Aber bitteschön, alles zusammen mit dem einsatzbereiten und kriegstauglichen Soldaten oder der Soldatin. Und das wiederzuentdecken, tatsächlich zu leben, das ist so der wesentliche Bestandteil, wenn es um den Staatsbürger in Uniform geht.

 Michael Gutzeit: Ja, das leitet mich zur nächsten Frage, weil Sie haben einmal gesagt, verweichlicht als Vorwurf, dann aber oben einsatzbereit als Gebot. Und das ist ja auch etwas, was ich denke, in Vergangenheit wie in Gegenwart Probleme der Inneren Führung zu sein scheint, weil Innere Führung wurde früher als inneres Gewürge oder als weiche Welle verspottet und heute fragt man sich auch, die Konzeption der Inneren Führung hat einen schlechten Ruf, weil sie ist so kompliziert und hat denn dann die innere Führung heute wie damals ein Vermittlungs- und Verständnisproblem?

Dieter Börgers: Also ich würde sagen, immer beim Vermitteln von Antworten auf Fragen, insbesondere wenn es um das scharfe Ende geht und insbesondere dort um Führungsverantwortung. Na ja, vielleicht nicht ein Problem, sondern gewiss eine ehrenwerte Herausforderung, das zu vermitteln. Und es ist vielleicht ja auch gut, dass der Dienstherr sich das nicht leicht macht. Gleichfalls. Wenn Sie jetzt ein großes Waffensystem nehmen, ob das ein Flugzeug ist oder ein Panzer, dann ist das dann mag das komplex sein, Aber wenn Sie das nehmen, was wir zwischen unseren Ohren haben oder im Herzen tragen, dann ist das ein ganzes Universum. Und da kann dann die Vermittlung schon mal eine große Herausforderung sein und erzählt dann Goethes Spruch, Das Einfache ist das Schwierige. Und gerade hier soll das Handbuch als Kernprodukt gleichfalls mit dem darum gebauten Baukasten vom Comic-Sachbuch bis zum Poetry Slam dazu dienen, dieser Herausforderung sich zu stellen. Das tun wir im Zentrum in Koblenz. Das tun wir mit dem ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr bis hin zum MHM und da mag das eine als vielleicht ein bisschen überdreht oder sogar überflüssig empfunden werden. Aber es geht genau um diese Herausforderung, die wir uns da stellen in der Vermittlung der Inneren Führung im Sinne der Einsatzbereitschaft zu agieren. Das ist eben die Herausforderung.

Michael Gutzeit: Ja. Eine weitere Herausforderung wurde wiederum in einer Ausgabe der Zeitschrift Innere Führung angesprochen. Da sagte nämlich der Projektverantwortliche im Zentrum für Innere Führung, das Handbuch sei die erste Neuauflage des Originals aus dem Jahr 1957. Das Neue werde das Alte aber nicht ablösen, sondern neben ihm stehen. Was ist damit gemeint? Und warum verabschiedet man sich denn dann nicht einfach von dem ursprünglichen, nun bald 70 Jahre alten Handbuch?

Dieter Börgers: Also erst mal vielen Dank, dass Sie mich zitieren. Ja, das steht da tatsächlich so drin. Und von einer Ablösung kann aber auch gar keine Rede sein. Ja, es ist viel Neues aus Gründen der Bundeswehrgeschichte, insbesondere seit dem Mauerfall hinzugekommen. Gleichfalls dieses neben ihm stehen ist auch Ausdruck von Respekt und Achtung. Denn das Neue ist sozusagen auf gleicher Augenhöhe mit dem vermeintlich Alten entstanden, obgleich das ja viel Zeitloses drinsteht. Dieses erste Handbuch hat zwar diese typische Sprache der damaligen Zeit allerdings sehr klar und man kann das zum Lesen nur empfehlen, vor allen Dingen in seiner Eindeutigkeit der zeitlosen Aspekte des Soldatseins. Und jeder sollte es sich nach wie vor hinter die Ohren schreiben oder zumindest sich bewusst damit auseinandersetzen. Aber Verabschiedung? Nein, bitte nicht.

Michael Gutzeit: Wenn wir über Verabschiedung sprechen, wir kommen jetzt zum Schluss und da würde ich Sie bitten, bevor Sie sich von uns und den Hörerinnen und Hörern verabschieden, einen Wunsch zu äußern, Was erhoffen Sie sich eigentlich selbst persönlich vom neuen Handbuch für Innere Führung?

Dieter Börgers: Ja, also aus diesem Wunsch kann man natürlich schon wieder ein ganzes Wochenendseminar machen. Ich versuche, mich so kurz wie möglich zu fassen. Wenn es um das geschriebene Wort geht, dann lesen! Das am besten immer zusammen mit Kameraden oder Kollegen. Denn auch das neue Handbuch hat den Anspruch, eben kein hoch wissenschaftliches und oder intellektuelles Gefasel zu sein, sondern im besten Sinne des Wortes „Das Einfache ist das Schwierige“. Wenn Sie jetzt das Handbuch mit seinem Baukasten meinen, dann geschieht das unter dem Selbstanspruch derjenigen, die sich um die Innere Führung kümmern, nah bei der Zeitenwende zu sein. Das bezogen jetzt auf uns in Koblenz mit dem Anspruch, dass wir die volle Einsatzbereitschaft neben Ausrüstung, Ausbildung und Finanzen nur erreichen, wenn wir uns um unsere Führungskultur aktiv kümmern und sie in den Standorten vor Ort auch gelebt wird. Daher also mein Wunsch, nicht im Sinne einer Hoffnung, sondern eher als Aufforderung und zwar konkret an alle Führungskräfte in der gesamten Bundeswehr, zivil wie militärisch, aber auch an alle anderen in unserer Gesellschaft. Das vielleicht sogar gerade mit aktuellen Diskussionen über den Operationsplan Deutschland, das wurde ja nun schon mehrfach festgestellt, dass er im besten Sinne Scharnhorst am Ende dazu führt, dass wir alle Verteidiger unseres Landes sind. Und daher ist es auch fundamental, sich mit unserer Führungs- und Organisationskultur auseinanderzusetzen und deren wesentlichen Prämissen nicht nur zu kennen, sondern dann auch deren Substanz in der Umsetzung zu beherrschen. Dazu muss man sich damit befassen. Also ich wünsche mir, dass es alle anpacken und ausprobieren, wozu man kein Papst der Inneren Führung sein muss, ganz im Gegenteil, sondern lediglich Staatsbürger in Uniform. Und das eben im Sinne der Einsatzbereitschaft aller Bundeswehrangehörigen. Aber ich hoffe vor allen Dingen, dass deutlich geworden ist, dass wir mit dem, was wir heute hier besprochen haben, ganz, ganz nah an den Herausforderungen der heutigen Zeit sind. Und das ist eigentlich das Entscheidende.

Michael Gutzeit: Ich denke, was Sie angesprochen haben, dass man kein Papst der Inneren Führung sein muss, ist vielleicht ganz gut, weil das ist ja auch wie im Evangelium. Man muss ja nicht das Ganze Evangelium oder alle vier gelesen haben, um es zu verstehen, sondern nur das, was man verstanden hat, anwenden. Dann hat man schon mal den ersten Schritt auf dem richtigen Weg getan.

Dieter Börgers: Unbedingt.

Michael Gutzeit: Herr Oberst Börgers, ich danke Ihnen herzlich, dass Sie bei uns waren, und es hat mir eine große Freude bereitet, mit Ihnen die Sendung zum neuen Handbuch für Innere Führung zu gestalten. Ich danke Ihnen vielmals und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute.

Dieter Börgers: Ganz auf meiner Seite. Machen Sie es gut und vielen Dank für die Zusammenarbeit hier.

Michael Gutzeit: Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, herzlichen Dank für Ihre Zeit, zu unser Folgen „Zugehört„ zum neuen und alten Handbuch für Innere Führung.

von ZMSBw