Irak-Dossier

Der Zweite Golfkrieg 1990/91

Der Zweite Golfkrieg 1990/91

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Während die deutsche Öffentlichkeit im Sommer 1990 ganz auf den Wiedervereinigungsprozess fokussiert war, platzte mit dem Einmarsch Iraks in Kuwait am 2. August 1990 eine sicherheitspolitische Bombe. Ungefähr 10 000 Soldaten besetzten das Emirat und überraschten die Weltöffentlichkeit.

US-Kampfjets über Kuwait

USUnited States-amerikanische F-16A Fighting Falcon, F-15E Strike Eagle und F-15C Eagle Kampfjets fliegen über die brennenden Ölfelder Kuwaits.

picture alliance / Ann Ronan Picture Library

Ziel des Iraks war die Annexion Kuwaits. Deshalb wurde das Emirat am 8. August zur 19. Irakischen Provinz erklärt und ein irakischer Gouverneur eingesetzt. Der irakische Präsident Saddam Hussein hatte im Handstreich die reichen Ölfelder und langen Küstenlinien Kuwaits dem irakischen Staatsgebiet hinzugefügt. Auch wenn die Weltöffentlichkeit mit der deutschen Frage abgelenkt schien, folgten die Reaktionen prompt. Diese fanden auf unterschiedlichen Ebenen statt und blieben nicht auf die westliche Welt beschränkt. Noch am Tag des irakischen Einmarsches verurteilte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) die irakische Aggression und forderte den vollständigen Rückzug der irakischen Truppen. Am Folgetag versuchte die Arabische Liga, mit einer eigenen Resolution gegen den Irak den Konflikt innerhalb der islamischen Staatenwelt selbständig zu lösen. Saddam Hussein gab aber nicht nach. Die VN verhängten deshalb am 6. August Wirtschaftssanktionen und am 25. August eine Seeblockade zu deren Durchsetzung. Obwohl ihre Wirkung sich oft erst mit Zeitverzug einstellt, waren und sind Wirtschaftssanktionen und Handelsembargos immer noch oftmals die ersten Mittel der Staatengemeinschaft zur Eindämmung eines Konflikts. In den frühen Phasen einer Krise sind daher vor allem Seestreitkräfte gefordert, um Seeblockaden und Wirtschaftssanktionen durchzusetzen. Die folgenden Verhandlungen mit dem Irak scheiterten, weshalb der Sicherheitsrat konsequent am 29. November ein Ultimatum zum vollständigen Rückzug bis zum 15. Januar 1991 stellte. Bei Nichtbefolgung gestattete er auch militärische Gewalt zur Umsetzung der Resolution. Alles deutete auf einen militärischen Konflikt hin.

Parallel dazu forcierten vor allem die USAUnited States of America und Saudi-Arabien militärische Vorbereitungen für ein mögliches Eingreifen. Bereits am 10. August beschloss die Arabische Liga die Aufstellung einer gemeinsamen Schutztruppe für die Golfanrainerstaaten. USUnited States-Präsident George H. W. Bush entsandte seinen Außenminister James Baker, der im Verlauf des Septembers die sogenannte Anti-Irak-Koalition schmiedete. 34 Staaten schlossen sich darin zusammen, worunter sich mit Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn auch drei Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts befanden. Letzterer löste sich erst nach dem Irakkrieg zum 1. Juli 1991 auf. Deutschland und Japan beteiligten sich mit Hinweis auf Verfassungsvorbehalte nicht an der Allianz, unterstützten sie aber mit Milliardensummen. Das wurde von den meisten Verbündeten akzeptiert, doch hätten viele Staaten auch gern eine militärische Beteiligung der zweitgrößten europäischen Armee, der Bundeswehr, gesehen. Die Bundesrepublik lieferte umfangreiche Mengen logistischer Güter aus NVANationale Volksarmee- und Bundeswehrbeständen. Einige Staaten, wie Großbritannien und Italien, wären ohne Munition und Ersatzteile aus deutschen Depots nicht in der Lage gewesen, den Krieg am Golf adäquat zu führen. In Deutschland blieb aber ein schaler Beigeschmack der militärischen Enthaltung im Sinne einer „Scheckbuchdiplomatie“ zurück. Das war aber eine zutiefst innerdeutsche Perspektive, in London, Paris und Washington wurde der Wert der deutschen Unterstützung durchaus anerkannt und wertgeschätzt. Die Verfassungsvorbehalte und der diplomatische Drahtseilakt der deutschen Einheit waren dort bekannt und wurden respektiert.

Aufmarsch am Golf: Operation „Desert Shield“

Am Persischen Golf begann ab dem 8. August ein gewaltiger Truppenaufmarsch, nachdem die USAUnited States of America verkündeten, Saudi-Arabien vor einer etwaigen Aggression durch den Irak schützen zu wollen. Das war der Startpunkt der Operation „Desert Shield“. Bereits am selben Tag trafen zwei USUnited States-Flugzeugträgerkampfgruppen mit der USS „Dwight D. Eisenhower“ und der USS „Independence“ in der Golfregion ein und sicherten mit ihrer Präsenz die Verlegung weiterer Truppen in die Region. Am selben Tag verlegten auch zwei Staffeln F-15C-Jagdflugzeuge der USUnited States Air Force nach Saudi-Arabien. Zwei Wochen später waren bereits etwa 500 Kampfflugzeuge der Koalition am Golf versammelt und untermauerten mit den Marineeinheiten den politischen Willen des Westens. Allein die USAUnited States of America entsandten etwa 600 000 Soldatinnen und Soldaten in die Region. Insgesamt standen am Ende fast eine Million Soldaten an Koalitionstruppen für den Kampf bereit. Einen großen Teil der Truppen transportierten die USAUnited States of America aus Deutschland nach Saudi-Arabien, das zur Hauptbasis für den Aufmarsch wurde. Auch in dieser Phase der Krise spielten maritime Fähigkeiten eine überragende Rolle. Der größte Teil des Materials ganzer Divisionen, Geschwader von Flugzeugen und die dazugehörige logistische Kampfunterstützung wurden über den Atlantik und durch das Mittelmeer in die Golfregion verschifft. Diese maritime Rollbahn in die Wüste Saudi-Arabiens war fest und sicher in der Hand der NATO und der Anti-Irak-Allianz. Der strategische Lufttransport wurde in erster Linie für das Personal und leichte Fahrzeuge genutzt. 

Parallel dazu erfolgte die Nachrichtengewinnung und Aufklärung über die irakischen Streitkräfte. Von Bedeutung war dabei, dass der Irak während des Irak-Iran-Kriegs von 1980 bis 1988 vor allem durch westliche Staaten und der Iran durch die Sowjetunion unterstützt worden war. Deshalb stand der Irak bei vielen westlichen Planern nicht auf der Liste möglicher Kriegsgegner. Im Gegensatz zu den meisten Staaten der Allianz verfügten die irakischen Streitkräfte zudem über Kriegserfahrungen aus eben diesem Konflikt. Vom Umfang her handelte es sich um die viertgrößte Armee der Welt mit modernem Material wie T-72-Kampfpanzern und MiGMikoyan-Gurewitsch-29-Jagdflugzeugen sowjetischer Bauart sowie Roland-Flugabwehrsystemen, Mirage-Kampfflugzeugen und Bo-105-Hubschraubern aus Frankreich und der Bundesrepublik. Für die Strategen und Planer in den militärischen Stäben handelte es sich bei dem Irak deshalb um einen sehr ernstzunehmenden Gegner.

Flugzeugträger USS John F. Kennedy

Bugansicht des Flugzeugträgers USS „John F. Kennedy“ im Persischen Golf während des Zweiten Golfkrieges.

picture-alliance / DoD | PH3 CHESTER O. FALKENHAINER, USN

Zudem war Saddam Hussein im Besitz chemischer Kampfstoffe und Mittelstreckenraketen als Trägersysteme. Letztere besaßen eine Reichweite bis in den östlichen Mittelmeerraum. Wenn sie vom westlichen Nordirak abgefeuert worden wären, hätten sie Zypern erreichen können. Der Irak hatte bereits bewiesen, dass er durchaus bereit war, chemische Kampfstoffe einzusetzen. Nachdem sich die kurdische Autonomiebewegung im Irak-Iran-Krieg mit dem Iran verbündete, flog die irakische Luftwaffe mehrere Giftgasangriffe auf unzugängliche kurdische Bergdörfer. Am 15. März 1988 eroberten iranische Truppen mithilfe der Kurden die Stadt Halabdscha im Nordosten des Landes. Am folgenden Tag griffen Flugzeuge der irakischen Luftwaffe den Ort mit Giftgas an (siehe hierzu Beitrag zum Giftgasangriff auf Halabdscha).  Dabei kamen mehrere tausend Menschen ums Leben. Jener Angriff vom 16. März markiert den traurigen Höhepunkt einer Reihe von irakischen Giftgaseinsätzen in diesem Krieg. Aber erst Halabdscha rief ein entsprechendes Echo in der Welt hervor. Die USAUnited States of America verurteilten den Angriff offiziell erst nach Ende des Ersten Golfkrieges und stellten sich im UNUnited Nations-Sicherheitsrat gegen ein Veto, da sie den Irak unterstützten. Die anderen westlichen Staaten enthielten sich bei der Abstimmung entsprechend. 1990/91 standen sie nun der Bedrohung durch chemische Waffen selbst gegenüber und hatten diese zu berücksichtigen.

In der Operationsplanung für den Militärschlag gegen den Irak setzten die USAUnited States of America als federführende Nation vor allem auf den Vorsprung des Westens in militärischer Hochtechnologie und im Bereich der Führungsfähigkeit im Sinne des Command-and-Control (C2). Der gewaltige internationale Truppenaufmarsch in Saudi-Arabien zog die Schlinge um den Irak immer fester zu. Als äußerstes Mittel rief Saddam Hussein vergeblich einen „Heiligen Krieg“, den sogenannten Dschihad, in der islamischen Welt aus, der aber kaum auf Resonanz traf. Schließlich stand der Irak isoliert da. Während der Operation „Desert Shield“ blieb Saddam Hussein defensiv. Seine Truppen schauten im wahrsten Sinne des Wortes zu, wie die modernsten Streitkräfte der Welt sich auf den Kampf gegen sie vorbereiteten.

Die NATO nahm die Gefahren, die vom Dschihad und den irakischen Chemiewaffen auf Mittelstreckenraketen ausgingen, dennoch ernst und verstärkte ihre Militärpräsenz im östlichen Mittelmeer. Als Zeichen der Solidarität mit ihren Verbündeten entsandte auch die Bundesregierung am 16. August einen deutschen Minenabwehrverband nach Kreta und beteiligte sich an AWACSAirborne Early Warning and Control System-Kontrollflügen im östlichen Mittelmeerraum und über der Türkei. Im Januar 1991 folgten noch weitere deutsche Schiffe und die Entsendung der Allied Mobile Force Air (AMF) in die Türkei. 18 deutsche Alpha Jet und Flugabwehrsysteme der Luftwaffe waren daran beteiligt, was zu heftigen Debatten über einen möglichen Out-of-Area-Einsatz der Bundeswehr führte, obwohl deren Einsatz nur im Bündnisgebiet der NATO auf türkischem Boden vorgesehen war.

Am Anfang zielte „Desert Shield“ auf den Schutz Saudi-Arabiens vor einer weiteren irakischen Aggression. Doch Ende Oktober waren bereits so viele Koalitionstruppen ungehindert in dem Wüstenland aufmarschiert, dass die USAUnited States of America daran gehen konnten, eine Invasion des Iraks vorzubereiten. Bis dahin hatten Saddam Husseins Truppen zugesehen, wie sich die Koalitionsstreitmacht ungehindert vergrößerte. Auch danach blieb die irakische Militärführung passiv und ließ ihre zukünftigen Gegner gewähren. Ihre Truppen hatten, wie im Krieg gegen den Iran, Verteidigungsstellungen eingenommen und erwarteten wahrscheinlich ein ähnliches Verhalten von den USAUnited States of America und ihren Verbündeten wie vom Iran im vorangegangenen Krieg. Aber mit den USAUnited States of America und ihren NATO-Verbündeten Großbritannien und Frankreich stand ihnen ein anderes, deutlich besser ausgebildetes und ausgerüstetes Militärpotenzial gegenüber.

Im Januar 1991 waren die logistischen Aufgaben der Operation „Desert Shield“ abgeschlossen. Etwa 956 600 Soldatinnen und Soldaten waren aufmarschiert. Dazu gehörten etwa 600 000 U.S.-amerikanische, jeweils mehr als 50 000 britische, saudi-arabische und türkische sowie 35 000 ägyptische Soldaten. Zu nennen sind auch noch 14 500 Franzosen und 17 000 Syrer. Dazu kamen noch kleine Kontingente aus anderen Staaten, die sich aber nicht alle an den Kampfhandlungen beteiligten. Allein die USUnited States-Streitkräfte hatten bis dahin mehr als 3500 Kampfflugzeuge und -hubschrauber, sechs Flugzeugträger, zwei Schlachtschiffe und zwei U-Boote dorthin verlegt, gefechtsbereit gemacht und logistisch versorgt. Ein großer Teil entstammte dem bisher in Deutschland stationierten VII. USUnited States-Korps. Letztlich handelte es sich um die hochgradig gefechtsbereiten Streitkräfte, die nach der Doktrin des Kalten Krieges nun, zum Teil auch noch im Tarnschema für Mitteleuropa, am Golf einen konventionellen Krieg führen sollten. Dabei kam in der strategisch-operativen Planung erstmals das Konzept der „Air-Land-Battle“ zur Anwendung und sollte sich auch bewähren. Dieses sah eine enge Zusammenarbeit von Land- und Luftstreitkräften bis weit ins Hinterland des Gegners vor.

Die Führung und Planung erfolgte durch das USUnited States Central Command (CENTCOM) aus Saudi-Arabien heraus teilstreitkraftgemeinsam (JOINT) und multinational (COMBINED). Den Oberbefehl über die Koalitionstruppen besaß USUnited States-General Norman Schwarzkopf. Die erforderliche Verschlüsselungsgeräte und Freund-Feind-Identifikationsmaßnahmen vorbereiteten und auch an ihre Verbündeten weitergaben.

Der Krieg beginnt: „Desert Storm“

In der Zwischenzeit war auch völkerrechtlich die Grundlage für einen legalen Waffeneinsatz der Allianz vorbereitet worden. Am 29. November verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 678. Der Irak wurde aufgefordert, bis zum 15. Januar 1991 den Zustand vor der Annexion wiederherzustellen. Im Falle der Nichtbefolgung gestatteten die VN den Einsatz militärischer Gewalt gemäß Kapitel VII der VN-Charta. Als das Ultimatum der VN ablief und der Irak nicht darauf einging, stimmte am 12. Januar 1991 der USUnited States-Senat für die Anwendung militärischer Gewalt und am 14. auf der Gegenseite auch der irakische Kommandorat für einen Krieg. Die Konsultationen der Alliierten untereinander waren abgeschlossen und der Operationsplan von CENTCOM stand fest. Damit waren am Vorabend des Ultimatums zum 15. Januar die Weichen auf Krieg gestellt. Die Welt schaute gebannt auf den Golf.

Demonstrationen gegen den Golfkrieg 1991

Rund 200 000 Demonstranten versammelten sich am 26. Januar 1991 in Bonn um gegen den Golfkrieg zu demonstrieren.

picture-alliance / dpa | Oliver Berg

Am 16. Januar passierte jedoch nichts. Erst am Folgetag um 03.00 Uhr Ortszeit (16. Januar in den USAUnited States of America) begannen die Luftangriffe der Koalition und damit die Operation „Desert Storm“.   Von sechs Flugzeugträgerkampfgruppen im Persischen Golf und dem Roten Meer sowie von Flugplätzen in Saudi-Arabien erfolgten die Luftschläge mit Marschflugkörpern und Luftfahrzeugen. Dabei spielten die von Kriegsschiffen verschossenen Tomahawk-Marschflugkörper eine wichtige Rolle, weil sie die Schlüsselziele der gegnerischen Flugabwehr und Kommandozentralen vernichten konnten, ohne eigene Piloten zu gefährden. Bis zum Ukrainekrieg 2022 begannen fast alle konventionellen Kriege mit Präzisionsschlägen von Marschflugkörpern. Allein am ersten Tag erfolgten circa 1300 von insgesamt mehr als 100 000 Luftangriffen. Als erstes wurden die irakische Luftwaffe und Flugabwehr bekämpft. Letztere erwies sich als unerwartet ineffizient. Trotz der damals modernen irakischen Waffensysteme gelang lediglich der Abschuss von 43 Luftfahrzeugen während des gesamten Krieges. In der ersten Nacht zerstörten die Alliierten alle Führungszentren der irakischen Luftstreitkräfte, die meisten Radarstellungen und viele Flugzeuge am Boden. Damit war eine solide Grundlage zur Weiterführung des strategischen Luftkrieges gelegt worden. Nach vier Tagen Luftkrieg waren weniger als zehn Prozent der irakischen Radaranlagen in Betrieb. Auch wenn sie nicht unbedingt zerstört wurden, war eine Nicht-Nutzung aus Furcht vor Zerstörung ebenfalls ein operativer Erfolg.

Am 27. Januar entzogen sich 144 irakische Flugzeuge der Zerstörung, indem sie verzweifelt beim ehemaligen Feind Iran Zuflucht suchten. Der Iran behielt den größten Teil der Flugzeuge bis 2014. In der zweiten Phase des Luftkriegs waren die Führungs- und Kommunikationszentren der irakischen Armee das Ziel der Angriffe. Nachdem die Luftherrschaft etabliert war, wurden fast ungehindert Bodentruppen und kritische Infrastruktur bombardiert. Eine besondere Rolle spielte dabei die Jagd auf mobile Scud-Stellungen, denn Saddam Hussein ließ 88 dieser Raketen vom sowjetischen Typ R-17 Elbrus (NATO-Bezeichnung: SSSchutzstaffel-1C Scud-B) auf Israel und Saudi-Arabien sowie Bahrain und Katar abfeuern. Dabei gab es mindestens drei tote und hunderte verletzte Zivilisten in Israel und Saudi-Arabien. Im Hinblick auf Israel war es sein Ziel, den Staat zu einem Gegenschlag zu verleiten. Antiisraelische Ressentiments sollten islamische Staaten in seine Arme treiben beziehungsweise ihnen helfen, die Koalition zu verlassen. Die USAUnited States of America mussten mehrfach diplomatisch intervenieren, um das zu verhindern, und verlegten zusammen mit den Niederlanden kurzfristig Patriot-Luftabwehrraketenbatterien nach Israel.

Erstmals wurden während des Krieges zur Aufklärung auch in größerem Umfang Drohnen eingesetzt. Bekannter ist aber die Nutzung von Satellitendaten in Echtzeit und die Radaraufklärung der USUnited States-JSTARS-Flugzeuge zur Führung und Koordination der Bekämpfung von Bodenzielen. Ein Defizit westlicher Luftstreitkräfte war trotz der Erfolge ein Mangel an Flugzeugen zur Unterdrückung der gegnerischen Luftabwehr und zur taktischen Aufklärung. Durch die erfolgreiche Zerschlagung der irakischen Luftverteidigung in der ersten Kriegswoche spielte das aber im weiteren Kriegsverlauf keine Rolle mehr. 

Nach zwei Wochen Luftkrieg verkündete General Schwarzkopf die Luftherrschaft der Allianz. Nun konnten die Koalitionsflugzeuge durch den gezielten Einsatz ihrer modernen Abstands- und Präzisionswaffen unter geringen Verlusten die irakischen Landstreitkräfte demoralisieren, zerstören und auf die Bodenoffensive vorbereiten. Die insgesamt 39 Tage des Luftkrieges hatten zum erwünschten Erfolg geführt, und das bei weniger Verlusten als erwartet. Nur 0,03 Prozent der Luftfahrzeuge gingen pro Einsatz verloren. Insgesamt flogen sie etwa 120 000 Einsätze, wovon mehr als die Hälfte auf die USAUnited States of America entfielen. Aber trotz aller Präzision waren auch viele zivile Opfer zu beklagen. Spätere Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass etwa 3500 zivile Personen und zwischen 10 000 und 12 000 irakische Soldaten durch die alliierten Luftangriffe getötet wurden.

Französische Soldaten inspizieren irakischen Panzer

Französische Soldaten inspizieren im Südirak einen zerstörten irakischen Panzer.

picture-alliance / dpa | AFP

100 Stunden Bodenoffensive

Die erste Bodenoffensive erfolgte am 29. Januar durch den Irak in Richtung des in Saudi-Arabien gelegenen Ortes Chafdschi. Sie wurde mit starker Luftunterstützung durch die USAUnited States of America bis zum 1. Februar zurückgeschlagen. Nach kleineren Aufklärungs- und Kommandooperationen begann die koalierte Bodenoffensive am 24. Februar nach dem Ablauf eines letzten Angebots zum ungehinderten Abzug aus Kuwait. Der Angriff beinhaltete drei operative Elemente: erstens den Angriff und die Befreiung Kuwaits, zweitens erfolgte die Invasion Iraks vom Süden, um einen Hauptangriff vorzutäuschen, und drittens drangen über die linke Flanke luftbewegliche, später durch gepanzerte Kräfte unterstützte Koalitionstruppen tief in irakisches Territorium vor. Die Hauptlast der Angriffsoperationen nach dem Prinzip der Air-Land-Battle trugen die USAUnited States of America, Großbritannien und Frankreich. 

Die westliche Feuerüberlegenheit, Führungsüberlegenheit und überlegene Mobilität der westlichen Streitkräfte wirkten sich sehr effektiv aus. Zusammen mit den Effekten aus dem Luftkrieg war das Ergebnis desaströs für die Iraker. Die Operationen der Landstreitkräfte zielten zuerst auf die Vorbereitung des Durchbruchs durch die Stellungen des Gegners und dann erfolgte der Angriff selbst. Im Anschluss wurden die taktischen Reserven zerschlagen und die gegnerischen operativen Reserven, vor allem die irakische Republikanische Garde, in der Tiefe des Raums angegriffen und bekämpft. Anschließend schwenkten die Truppen nach Osten, um die irakischen Kräfte in Kuwait einzuschließen. Der Hauptstoß der alliierten Kräfte wurde durch das aus Deutschland kommende VII. USUnited States-Korps geführt. Wie erhofft, hatte sich die Einsatzdoktrin aus dem Kalten Krieg bewährt. Als besonders effektiv stellten sich auf dem Gefechtsfeld die Nachtkampffähigkeit, die Nahunterstützung durch Kampfhubschrauber und Bodenkampfflugzeuge mit gelenkten Präzisionswaffen auf von Bodentruppen markierte Ziele sowie die Mehrfachraketenwerfer vom Typ MARSMittleres Artillerieraketensystem heraus. 

Nach einhundert Stunden Bodenoperation bei unerwartet geringem Widerstand durch die irakische Armee war Kuwait befreit. Ab dem 26. Februar begann der fluchtartige irakische Rückzug. Auf dem sogenannten „Highway of Death“ wurden viele Soldaten und zivile Personen durch starke Luftangriffe getötet. Später wurde dies kontrovers als mögliches Kriegsverbrechen bewertet. Am 28. Februar verkündete USUnited States-Präsident Bush die Waffenruhe, dass die Operation „Desert Storm“ beendet und Kuwait weitestgehend befreit sei.

Zerstörte Fahrzeuge Highway of Death

Beim Rückzug der irakischen Streitkräfte aus Kuwait zerstörte Fahrzeuge entlang des sogenannten "Highway of Death“ während der Operation „Desert Storm“.

picture alliance / Everett Collection

Kriegsende und Folgen

Mit der VN-Resolution 686, die die Regeln für einen dauerhaften Waffenstillstand festlegte, begannen am 3. März die entsprechenden Verhandlungen. Am 5. März annullierte der Irak die Annexion Kuwaits und am 12. April trat der Waffenstillstand offiziell in Kraft und markierte das Ende des Krieges. Schon am 10. März hatten die Koalitionstruppen ihren Rück- und Abzug aus dem Irak und dem Persischen Golf begonnen. Fast 800 Ölquellen wurden durch irakische Truppen in Kuwait in Brand gesetzt und unzählige Minen wurden an Land und auf See gelegt, die später auch mit deutscher Hilfe beseitigt wurden. Insgesamt kamen während beider Operationen etwa 380 Soldaten der Koalition ums Leben und fast 3000 wurden verwundet. Dem standen bis zu 75 000 getötete irakische Soldaten und 35 000 getötete Zivilisten gegenüber. In den USAUnited States of America litten noch viele tausend Soldatinnen und Soldaten Jahrzehnte später am sogenannten Golfkriegssyndrom. Die Umweltschäden waren enorm und auch die irakische Bevölkerung sollte noch lange unter der zerstörten Infrastruktur und den VN-Sanktionen leiden. 

Gleichzeitig war dieser Konflikt durch die nahezu Echtzeitübertragung und dem Live-Erleben an den Fernsehbildschirmen ein Novum: ein „Medienkrieg“. Sogenannte „embedded journalists“ begleiteten ausgewählte Truppenteile sowie das USUnited States-Militär und präsentierten TV-Bilder von vermeintlich präzisen Angriffen ohne Kollateralschäden. Doch Luftangriffe auf einen Hochbunker in Bagdad, bei dem mehr als 300 Zivilisten starben, und auf Flüchtlingskonvois in Richtung jordanischer Grenze mit vielen Toten führten zu internationalen Debatten und einem negativen öffentlichen Echo.

Viele der VN-Sanktionen blieben aber auch nach Kriegsende weiter in Kraft. Sie hatten einen massiven Einfluss auf die Bevölkerung. Mehrere 100 000 Todesopfer, vor allem unter Kleinkindern und älteren Menschen, sollen laut UNICEFUnited Nations International Children’s Emergency Fund eine mittelbare Folge gewesen sein. Mit dem Oil-for-Food-Programm aus dem Jahr 1996 wurden die Sanktionen gelockert. Seit dem 3. Juni 1991 untersuchten auch Inspekteure der VN mögliche Produktionsstätten für Massenvernichtungswaffen in der Mission UNSCOMUnited Nations Special Commission (United Nations Special Commission), woran sich auch Soldaten der Bundeswehr beteiligten.

Nach Ende der Kampfhandlungen gegen die Koalitionstruppen eskalierten die Spannungen unterdrückter Minderheiten im Irak mit Gewalt. So hatte es Anfang März einen schiitischen Aufstand in der südirakischen Großstadt Basra gegeben, den Saddam Husseins Truppen blutig niederschlugen. Im Norden erhoben sich die Kurden und griffen die Truppen der irakischen Armee und andere Sicherheitsbehörden unter anderem in den Orten Erbil, Kirkuk und as-Sulaimaniya an. Bis Sommer brachten sie einen Großteil der kurdischen Gebiete im Nordirak unter ihre Kontrolle. Nachdem der Waffenstillstand am 12. April in Kraft trat, hatte Saddam Hussein genügend Truppen zur Verfügung, die er dann mit brutaler Härte gegen die Aufstände im Nord- und Südirak einsetzte. Darauf reagierte die internationale Gemeinschaft mit der Einrichtung von zwei Flugverbotszonen am 6. April 1991 im Norden und im August 1992 im Süden Iraks, also über den kurdischen und schiitischen Gebieten. Diese Konflikträume blieben in den folgenden Jahrzehnten trotz des westlichen Engagements schwelende Wunden, die bis heute immer wieder aufbrechen.

Literaturtipps:

Henner Fürtig: Geschichte des Irak. Von der Gründung 1921 bis heute. München 2016. 

Bernd Lemke (Hrsg.): Irak und Syrien. Wegweiser zur Geschichte (PDF, 10,7 MB). Potsdam 2019. 

Französische Soldaten inspizieren irakischen Panzer

DOI: https://doi.org/10.48727/opus4-632

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