Irak-Dossier

Der Golfkrieg 2003 – Imperium im Treibsand?

Der Golfkrieg 2003 – Imperium im Treibsand?

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Vor 20 Jahren begann am 19. März 2003 die Invasion des Irak durch die USAUnited States of America und ihre Verbündeten mit der „Operation Iraqi Freedom“. Sie ging zwölf Jahre nach der „Operation Desert Storm“ als sogenannter Zweiter Irakkrieg in die Geschichte ein und ist Anlass auch für dieses Dossier.

Abrams-Panzer in Bagdad

USUnited States-Soldaten in Abrams-Panzern fahren 2003 durch die Triumphbögen „Schwerter des Sieges“, ein im Zentrum von Bagdad 1989 errichtetes Monument.

picture alliance / Everett Collection | TSGT JOHN L. HOUGHTON JR., USAF

Seit dem Beginn des Irak-Iran-Krieges 1980 befand sich der Irak fast permanent in einem Zustand von Konflikt und Gewalt. Die drei Kriege von 1980–1988, 1991 und 2003 werden auch als Erster, Zweiter und Dritter Golfkrieg bezeichnet. Die präzisere Nomenklatur Erster Irakkrieg 1991 und Zweiter Irakkrieg 2003 suggeriert, dass in den Phasen zwischen den Kriegen Frieden geherrscht habe. Beim genaueren Blick fällt allerdings auf, dass es seit 1991 immer wieder an Intensität wechselnde Kampfhandlungen mit den USAUnited States of America und ihren Verbündeten gab. Es könnte auch von einem USUnited States-irakischen Konflikt gesprochen werden, der sich von 1990 bis in die Gegenwart erstreckt und Phasen wechselnder Gewaltintensität aufwies. Seit der ersten Anti-Irak-Koalition (siehe Beitrag zum Zweiten Golfkrieg 1990/91 ) bestand die Feindschaft zwischen beiden Staaten fort. Über mehr als 30 Jahre waren USUnited States-Truppen in diesen Konflikt involviert. Der Dritte Golfkrieg von 2003 beendete zwar das Regime Saddam Husseins, konnte aber das Land nicht dauerhaft befrieden. Erst am 31. Dezember 2021 endete der letzte USUnited States-Kampfeinsatz.

Der Zweite Golfkrieg von 1991 hatte weder die innerirakischen Konflikte noch den mit den USAUnited States of America beendet. So unterstützten etwa Frankreich, Großbritannien und die USAUnited States of America nach dem Waffenstillstand aktiv die kurdische Unabhängigkeitsbewegung im Norden des Iraks. Es kristallisierte sich während der Folgejahre immer stärker heraus, dass die USAUnited States of America langfristig einen Regimewechsel anstrebten und deshalb Kräfte unterstützten, die sich gegen die Baath-Partei Saddam Husseins stellten. Das betraf vor allem die nordirakischen Kurden, die südirakischen Schiiten und demokratische Oppositionskräfte. Trotz des Waffenstillstandes mit dem Irak blieben USUnited States-Streitkräfte in der Region. Grundlage dafür war die UNUnited Nations-Resolution 688 vom 5. April 1991, die ein Ende der Unterdrückung der irakischen Bevölkerung durch das Saddam-Regime forderte. Schon am Folgetag begann die „Operation Provide Comfort“. Sechs Nationen leisteten humanitäre Hilfe für mehr als eine Million kurdische Flüchtlinge im Nordirak, Iran und der Türkei. Deutschland beteiligte sich an der Hilfsaktion, die von der Bundesregierung als „Luftbrücke der Menschlichkeit“ und „Kurdenhilfe“ bezeichnet wurde. Logistischer Dreh- und Angelpunkt war der türkische NATO-Stützpunkt Incirlik. Parallel dazu wurde nördlich des 36. Breitengrades eine Flugverbotszone eingerichtet, die durch die „Operation Northern Watch“ überwacht wurde. Sie endete 2003 nach mehr als 36 000 Flügen.

Am 27. August 1992 wurde südlich des 32. Breitengrades eine weitere Flugverbotszone eingerichtet, deren Überwachungsmission in Anlehnung an den Norden den Namen „Operation Southern Watch“ trug. Britische und USUnited States-Flugzeuge flogen dort von saudi-arabischen Flugplätzen. In dieser Flugverbotszone kam es als Folge der fortbestehenden UNUnited Nations-Sanktionen immer wieder zu Zwischenfällen mit der irakischen Luftwaffe und Flugabwehr. Sie resultierten im Abschuss mehrerer irakischer Flugzeuge. Nachdem irakische Truppen im August 1996 erneut die Kurdenregion angriffen, reagierten die USAUnited States of America am 3. Dezember 1996 mit der „Operation Desert Strike“ – einem Angriff mit Tomahawk-Marschflugkörpern von USUnited States-Schiffen aus. Außerdem wurde die Flugverbotszone bis zum 33. Breitengrad nordwärts ausgedehnt. Beide Flugverbotszonen bestanden bis Mitte März 2003.

Seit dem 3. Juni 1991 waren Inspektoren der United Nations Special Commission (UNSCOMUnited Nations Special Commission) mit deutscher Beteiligung im Irak auf der Suche nach Massenvernichtungswaffen sowie möglichen Produktionsstätten. Im August 1998 verwies der Irak amerikanische Inspektoren des Landes mit dem Vorwurf der Spionage und beendete die Kooperation mit den UNSCOMUnited Nations Special Commission-Inspekteuren. Als Reaktion darauf befahl USUnited States-Präsident Bill Clinton am 16. Dezember 1998 die „Operation Desert Fox“. Vier Tage lang griffen britische und USUnited States-Flugzeuge sowie Kriegsschiffe mit Tomahawk erneut mehr als einhundert Ziele im Irak an. Dabei fanden zwischen 240 und 1000 Iraker den Tod oder wurden verwundet. Danach akzeptierte der Irak die Flugverbotszone nicht mehr und griff mehrere hundertmal die Kampfflugzeuge mit eigenen Jägern und Flugabwehrraketen an. Insgesamt flogen die Koalitionsflugzeuge in zehn Jahren mehr als 153 000 Einsätze und griffen mehrfach Ziele im Irak an.

Operation Kurdenhilfe

Kurden helfen beim Entladen von Hilfsgütern aus einem Hubschrauber der Bundeswehr im Rahmen der Operation Kurdenhilfe (10. Mai 1991).

picture-alliance / dpa | Carsten Rehder

Die USAUnited States of America treiben den Regimewechsel voran

Eine noch wichtigere Folge als die Ausweisung der UNUnited Nations-Inspekteure besaß der Iraq Liberation Act des amerikanischen Kongresses vom Oktober 1998 für den Irak, der den Regimewechsel in Bagdad zum offiziellen Ziel der USUnited States-Außenpolitik machte. Unter der Regierung von George W. Bush forcierten die USAUnited States of America ihre anti-irakische Politik ab 2000, weil der Präsident deren Umsetzung zum wichtigen Teil seines Wahlkampfes gemacht hatte. Seit etwa 2001 begannen die USAUnited States of America damit, konkrete Pläne für eine Invasion des Iraks auch militärisch zu verfolgen. Deshalb suchten die Geheimdienste gezielt nach Gründen, die einen Krieg rechtfertigten. Wie bereits 1990 begannen die USAUnited States of America ab diesem Zeitpunkt damit, eine neue Koalition zu formen und eine Autorisierung beziehungsweise Legitimation durch die Vereinten Nationen (VN) zu erwirken. Nach den terroristischen Angriffen auf die USAUnited States of America am 9. September 2001 versuchte die Bush-Administration erfolglos, einen Konnex zwischen Al-Qaida und dem Saddam-Regime zu finden. Doch der Fokus der USUnited States-Außenpolitik lag nun vorerst auf den Kampf gegen die Taliban in Afghanistan und gegen den globalen Terrorismus im Rahmen der „Operation Enduring Freedom“.

Im September 2002 beschleunigte sich die Dynamik in Richtung Krieg mit dem Irak erneut, als Bush das Thema auf die Agenda der VN-Vollversammlung setzte. Allerdings überzeugte der Präsident dort nicht. Die NATO-Verbündeten Deutschland und Frankreich distanzierten sich und lehnten eine Invasion Iraks ab, während sich Großbritannien und Polen weiter hinter die USAUnited States of America stellten. Der VN-Sicherheitsrat fand am 8. November mit der Resolution 1441 einen Kompromiss, der den Irak zur Wiederaufnahme der Waffeninspektionen zwingen sollte. Ernste Konsequenzen wurden zwar angedroht, aber keine Waffengewalt. Für diesen Fall hätten weitere Konsultationen stattfinden müssen. Schon fünf Tage später beugte sich Saddam Hussein und gewährte den Inspektoren wieder Zugang zu seinem Land. Die Nachfolgemission der 1998 de facto beendeten UNSCOMUnited Nations Special Commission hieß seit 17. Dezember 1999 UNMOVIC (United Nations Monitoring, Verification and Inspection Commission) und arbeitete mit der internationalen Atomenergiebehörde (International Atomic Energy Agency, IAEAInternational Atomic Energy Agency) eng zusammen. Bis Februar 2003 fanden die Inspektoren aber keine Beweise für ein irakisches Atomwaffenprogramm.

Zeitgleich zu den internationalen Bemühungen zur Beilegung der Krise verabschiedete der USUnited States-Kongress im Oktober 2002 die Irak-Resolution. Sie ermächtigte den Präsidenten dazu, jedes notwendige Mittel gegen den Irak einzusetzen. Die konservativen und der Republikanischen Partei zuneigenden Medien trugen maßgeblich dazu bei, die öffentliche Meinung in den USAUnited States of America gegen Saddam Hussein zu beeinflussen. Bereits seit Sommer 2002 befanden sich CIA und Special Forces in den Kurdengebieten zur Unterstützung der Streitkräfte der Autonomen Region Kurdistan im Irak, den Peschmerga, im Kampf gegen die angeblich mit Al-Qaida verbundene Islamistengruppe Ansar al-Islam. Außerdem identifizierte sie Ziele für einen Krieg und baute informelle Kontakte zu Generalen der irakischen Armee auf. Die Verbindung zwischen Al-Qaida und Ansar al-Islam wurde nie eindeutig nachgewiesen. Es handelte sich bei Ansar al-Islam um eine kurdische islamistische Gruppe, die sich auch aus ehemaligen Taliban-Afghanistankämpfern der Kurden rekrutierte.

Am 28. Januar 2003 verkündete Präsident Bush im Rahmen der Ansprache zum State of the Union, dass der Irak über mobile Biowaffenlabore verfüge. Vermeintliche Beweise präsentierte Außenminister Colin Powell am 5. Februar in der VN-Vollversammlung. Diese basierten maßgeblich auf dem Informanten mit dem Decknamen „Curveball“, einem irakischen Flüchtling, der dem Bundesnachrichtendienst (BNDBundesnachrichtendienst) erfundene Details präsentiert hatte. Nachdem die USAUnited States of America auch noch Verbindungen des Irak zu Al-Qaida aufzeigten, schlugen die USAUnited States of America eine Resolution zur militärischen Intervention vor, der aber eine große Gruppe von Ländern um Deutschland, Frankreich, Kanada und Russland nicht zustimmte. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer äußerte vehement, dass ihn Powells Beweise nicht überzeugt hätten. Damit zeichnete sich deutlich ab, dass es zwar eine Koalition der Willigen gab, aber hinsichtlich der Akzeptanz militärischer Gewalt ein Riss durch die NATO verlief. 

Rede von Präsident George W. Bush zum Kriegsbeginn

USUnited States-Präsident George W. Bush kündigt am 19.3.2003 im Oval Office im Weißen Haus in Washington in einer Rede an die Nation einen umfassenden Krieg gegen den Irak an.

picture-alliance / dpa/dpaweb | epa afp Luke Frazza

Doch Bush war zur Invasion des Iraks auch ohne Zustimmung der VN bereit. Ab März 2003 begannen die USAUnited States of America, Großbritannien, Polen, Australien, Spanien, Dänemark und Italien mit den konkreten militärischen Planungen. In seiner Ansprache an die Nation vom 17. März forderte Bush Saddam Hussein und seine zwei Söhne zur Kapitulation und zum Verlassen des Irak auf. Dafür räumte er ihnen eine 48-Stunden-Frist ein. Im Gegensatz zu 1990/91 stand diesmal die Weltöffentlichkeit nicht geeint hinter den USAUnited States of America und ihren Verbündeten. Das Gegenteil war der Fall, denn viele Regierungen versuchten bis zuletzt, einen Krieg zu verhindern. Von den 49 Mitgliedern der Anti-Irak-Koalition waren schließlich nur Australien, Dänemark, Großbritannien, Polen, Portugal und Spanien dazu bereit, eigene Truppen für Kampfhandlungen zu stellen. Dafür zogen die USAUnited States of America allein etwa 470 000 Soldatinnen und Soldaten in der Golfregion zusammen.

Diesmal griffen die Truppen den Irak von Kuwait aus an, das auch als Aufmarschbasis diente. Dort standen Mitte März für eine Invasion 148 000 USUnited States-amerikanische, 45 000 britische, 2000 australische und 194 polnische Soldatinnen und Soldaten bereit. Dazu kamen im Norden des Iraks noch etwa 70 000 Kämpfer der Peschmerga sowie die im Vorjahr dorthin verlegten USUnited States-Special-Forces. Weil die Türkei den Koalitionstruppen einen Durchmarsch verwehrte, musste der Angriff von Süden aus erfolgen. Die Schätzungen zum Umfang der irakischen Streitkräfte gingen weit auseinander und reichen von etwa 320 000 bis zu 650 000. Allerdings war die irakische Armee nach den horrenden Verlusten von 1991 deutlich schlechter ausgestattet. Hinzu kamen noch die islamistischen Ansar al-Islam, die in den Kurdengebieten einen Gottesstaat errichten wollten sowie tausende islamistische Freiwillige, die im Gegensatz zum letzten Krieg nun in Scharen in den Irak strömten. 2003 war der Konflikt viel stärker religiös aufgeladen. Einerseits hatten radikal-islamistische Organisationen seit Ende der 1990er Jahre an Zulauf gewonnen. Andererseits nutzten gerade sunnitische Wahhabiten den Konflikt zwischen den USAUnited States of America und dem Irak als neues Schlachtfeld für ihren Dschihad gegen die USAUnited States of America. Sie strebten auch danach, die Baath-Partei zugunsten eines islamischen Staates zu stürzen. Einer der bekanntesten Anführer war der gebürtige Jordanier Abu Musab az-Zarqawi. 

Pressekonferenz von Myers und Rumsfeld

Der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, General Richard B. Myers und Verteidigungsminister Donald H. Rumsfeld informieren während einer Pressekonferenz über die Fortschritte der Operation Iraqi Freedom.

picture-alliance / U.S. Department of Defense

Der Krieg beginnt: „Operation Iraqi Freedom“

Wie erwartet ging Saddam nicht auf das USUnited States-amerikanische Ultimatum vom 17. März ein. Die folgenden Angriffsoperationen erhielten den programmatischen Namen „Operation Iraqi Freedom “. Die ersten Kampfhandlungen  des Krieges ähnelten denen von 1991. Etwa 40 Tomahawk-Marschflugkörper wurden von Kriegsschiffen in den frühen Morgenstunden des 19. März abgefeuert. Außerdem griffen USUnited States-Spezialeinheiten Ziele im Westen und Norden des Landes an. Der Versuch, Saddam Hussein in der Nähe von Bagdad durch den Angriff zweier F-117-Stealth-Bomber gezielt auszuschalten, schlug fehl. Er war schlicht nicht anwesend. Es war einer der ersten von vielen Luftschlägen, die aufgrund mangelhafter Informationen und falscher Zieldaten Unschuldige töteten. Im Gegensatz zu „Desert Storm“ waren den westlichen Planern 2003 viel mehr strategisch wichtige Ziele im Irak bekannt, die in der frühen Phase gezielt durch Luftschläge ausgeschaltet wurden. Der Plan für die Bodenoperationen sah vor, dass die 3. USUnited States-Infanteriedivision von Kuwait aus erst westwärts und dann nordwärts durch die Wüste vorstoßen sollte, während sich die 1. Marine Expeditionary Force entlang der Hauptstraße nach Bagdad zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris vorwärtsbewegte. Die britische 1. Panzerdivision griff die wichtige Großstadt Basra im Süden an. 

Im Gegensatz zum Krieg von 1991 fand 2003 kein ausgeprägter Luftkrieg zur Vorbereitung der Bodenkämpfe statt. Die USUnited States-Streitkräfte verfolgten anscheinend das strategische Konzept der Rapid Dominance. Aus der Erfahrung von 1991 setzten die Planer darauf, dass die hohe Zentralisierung der irakischen Streitkräfte die Einheiten und Verbände paralysieren würde, sobald sie von ihrer Führung abgeschnitten wären. Deshalb sah der Operationsplan simultane Luft- und Bodenangriffe auf Führungszentralen und Truppenkonzentrationen der irakischen Streitkräfte vor. Im Gegensatz zu einem zuerst durchgeführten Luftkrieg würde die zeitgleiche überwältigende Präsenz eigener Bodentruppen den Kampfeswillen des Gegners brechen, weil Widerstand zwecklos erscheinen sollte. Deshalb traten die Bodentruppen bereits ab dem zweiten Kriegstag an, während die Luftangriffe an Intensität zunahmen. Diese Art Kriegführung, die auch auf psychologische Effekte setzte, wurde von den Medien unter dem Synonym „Shock and Awe“ (engl. für: Angst und Schrecken) aufgegriffen und damit in der Populärkultur mit dem Krieg von 2003 gleichgesetzt.

Die ersten Vorstöße der Bodentruppen zielten am 19. März darauf ab, die Ölquellen im Süden zu sichern, bevor der Irak sie in Brand setzen konnte. Außerdem eroberten britische und polnische Truppen den wichtigen Hafen von Umm Qasr. Die ersten größeren Gefechte entbrannten zwischen dem 23. März und 4. April um den Verkehrsknotenpunkt an-Nasiriya und das weiter im Nordosten gelegene Nadschaf. Dort verteidigten sich die irakischen Truppen entschieden, konnten der Überlegenheit der Koalition aber letztlich nicht standhalten. Britische Truppen führten bis zum 6. April eine zweiwöchige Schlacht um die zweitgrößte irakische Stadt Basra. Die 3. USUnited States-Infanteriedivision stieß bei ihrem Vorstoß in Richtung Bagdad bei Kerbala auf Widerstand, umging den Ort, und rückte durch die sogenannte Kerbala-Lücke weiter vor. Kerbala wurde erst danach am 6. April durch USUnited States-Truppen erobert. Dort rissen USUnited States-Soldatinnen und Soldaten in ikonischen Bildern eine gewaltige Statue Saddam Husseins mit einem Panzer vom Sockel. Ein wichtiges, die Koalitionstruppen ausbremsendes Ereignis in der frühen Phase der Invasion war ein schwerer Sandsturm, der beide Seiten gleichermaßen behinderte. Das Wetter zeigte nachdrücklich die Grenzen moderner Kriegführung auf.

Tomahawk-Marschflugkörper

Tomahawk-Marschflugkörper der USUnited States-Marine beim Start vom Lenkwaffenkreuzer USS Cape St. George.

picture alliance / picture alliance / dpa | Us Navy/Kenneth Moll

Noch während der Kämpfe um Kerbala erreichten die Truppen der 3. Infanteriedivision Bagdad am 3. April. Die Kämpfe um die Hauptstadt dauerten sieben Tage und forderten 34 Tote bei den Invasionstruppen und mehr als 2000 bei den irakischen Soldaten. Zur Vorbereitung flogen seit Kriegsbeginn Flugzeuge bis zu 1000 Einsätze am Tag gegen die Streitkräfte in Bagdad und zielten vornehmlich auf die als elitär geltende Republikanische Garde. In den Orts- und Häuserkämpfen spielten die USUnited States-Truppen ihre Feuerüberlegenheit aus und konnte deshalb unter minimalen eigenen Verlusten die Hauptstadt schnell einnehmen. Auch dort wurde eine große Eisenstatue des Diktators vom Sockel gestoßen. Mit der Flucht der Regierung endete das Saddam-Regime nach 24 Jahren im Chaos. Plünderungen und zivile Unruhen erfassten das ganze Land, dabei fielen nach Schätzungen des Pentagon etwa 230 000 Tonnen Munition in die Hände der Bevölkerung. Das Ende des Regimes warf einen dunklen Schatten auf die Zukunft des Iraks, die noch viel blutiger als der Krieg selbst werden sollte.

Kriegsende, aber kein Ende der Gewalt

Als offizielles Ende des Feldzuges gilt der 15. April 2003, der Tag, an dem Saddam Husseins Geburtsort Tikrit eingenommen wurde. Bis Ende des Monats sollen etwa 9200 irakische Soldaten und 3800 Zivilpersonen getötet worden sein, während die USAUnited States of America 139 und Großbritannien 33 Gefallene beklagten. Auf dem Deck des Flugzeugträgers USS. „Abraham Lincoln“ verkündete Präsident Bush am 1. Mai 2003 in San Diego in seiner sogenannten Mission-Accomplished-Rede, dass die irakischen Streitkräfte zwar geschlagen seien, aber noch viel erledigt werden müsse. Wieviel und wie lange dürfte seine Vorstellung bei weitem übertroffen haben. Der Irak wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt, in denen die Koalitionsmitglieder die vorläufige Gewalt ausübten. Ab Mai 2003 stand Paul Bremer der Koalitions-Übergangsverwaltung vor, der gezielt Mitglieder der bisher regierenden Baath-Partei aus offiziellen Posten entfernen ließ. Dabei fand auch eine regelrechte Jagd auf ehemalige hochrangige Mitglieder des Regimes statt, in deren Rahmen mehr als 300 Menschen durch USUnited States-Soldaten getötet oder inhaftiert wurden. Am 13. Dezember wurde der Diktator schließlich selbst in der Nähe Tikrits festgenommen.

Auch wenn das als Schlussstrich angesehen werden kann, vollzog sich sukzessive der Wandel hin zu einem Aufstand im Irak, der vor allem von islamistischen Kräften und ehemaligen Baath-Anhängern getragen wurde. Hochburgen waren die Regionen um Falludscha, Sadr City und Basra, wo es bis zum vorläufigen Abzug der USUnited States-Truppen 2011 zu Anschlägen und Kämpfen kam. Aus Befreiern wurden Besatzer, und aus diesen wurden erbitterte Feinde. Obwohl das Saddam-Regime gestürzt und damit das formelle Kriegsziel erreicht war, kam der Irak nicht zur Ruhe. Aus einer Diktatur wurde ein vom Bürgerkrieg zerrissener Failing State. Aus dem Morast der Gewalteskalation fanden nicht nur die USAUnited States of America nicht heraus und schließlich versank der ganze Staat im Strudel des Chaos. 

Irakischer Protest gegen die US-Intervention

Wütende irakische Bürger protestieren in der Innenstadt von Bagdad gegen die Präsenz USUnited States-amerikanischer Streitkräfte im Irak

picture-alliance / DoD | LCPL JENNIFER A. KRUSEN

2007 standen mit etwa 170 000 USUnited States-Soldatinnen und Soldaten mehr Truppen in dem Land, als 2003 in den Irak aufmarschiert waren. Irak und Afghanistan banden ungeheure Kräfte und Kapazitäten des USUnited States-Militärs und in beiden Ländern war kein Ende der Gewalt abzusehen. Gleichzeitig führten die USAUnited States of America auch noch ihren globalen Krieg gegen den internationalen Terrorismus. Es fehlte überall an einer Exit-Strategie und einem klar definierten anzustrebenden Endzustand. 2009 begann unter Präsident Barack Obama ein stetiger Rückzug, der mit dem offiziellen Ende der USUnited States-Präsenz im Irak am 15. Dezember 2011 endete. Die letzten Soldaten verließen den Irak drei Tage später.

Die überwältigenden militärischen Erfolge von 2003 konnten politisch nicht gewinnbringend umgesetzt oder genutzt werden. Den etwa 15 000 Toten der Invasion standen am Ende je nach Erhebung zwischen 500 000 bis zu einer Million irakischer Opfer und etwa 4800 getötete Koalitionssoldaten gegenüber. Dazu kommen noch zehntausende mental und körperlich versehrte Soldaten und hunderttausende Zivilpersonen. Aus Gewalt, mangelnder interkultureller Kompetenz des Westens und Erniedrigung erwuchsen neue politische Kräfte, die noch fundamentalistischer waren als das Saddam-Regime. Aus dem Chaos stieg eine neue radikal-islamistische Kraft mit dem Islamischen Staat im Irak (IS"Islamischer Staat") auf, der 2014 zu einem neuen Eingreifen der USAUnited States of America führte und die ganze Region destabilisierte. Nach über 20 Jahren Krieg und Gewalt ist der Irak auch heute noch nicht zur Ruhe gekommen. Der 2003 aus der Flasche gelassene Dschinn ist noch immer nicht in diese zurückgekehrt.

Literaturtipps:

Henner Fürtig: Geschichte des Irak. Von der Gründung 1921 bis heute. München 2016. 

Bernd Lemke (Hrsg.): Irak und Syrien. Wegweiser zur Geschichte (PDF, 10,7 MB). Potsdam 2019. 

Abrams-Panzer in Bagdad

DOI: https://doi.org/10.48727/opus4-636

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