Angelesen 56 Bussiek -Baudissin Transkript

Angelesen 56 Bussiek -Baudissin Transkript

Datum:
Lesedauer:
12 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Herzlich Willkommen zu „Angelesen“, dem Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Heute stellen wir das Buch „Dem Frieden verpflichtet. Wolf Graf von Baudissin (1907-1993) – Die Biografie“ vor. Hierbei handelt es sich um die erste Biografie über Generalleutnant Wolf Graf von Baudissin. Sie wurde anlässlich des 50. Geburtstags des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik verfasst, dessen Gründungsdirektor Baudissin war. Das Buch wurde von Dagmar Bussiek geschrieben und erschien 2021 im Nomos-Verlag. Bereits im Vorwort und im Geleit stellen Ursula Schröder und Claus Freiherr von Rosen heraus, dass der zentrale Wert im Leben des Grafen Frieden war. Das mag zunächst verwundern, denn Baudissin diente in drei deutschen Armeen. Er war ein Großteil seines Lebens Soldat und Offizier gewesen. Er nahm am Zweiten Weltkrieg teil, führte 1940 eine Aufklärungsabteilung und nahm eine französische Ortschaft ein. Dadurch verdiente er sich das Eiserne Kreuz erster Klasse. Den Soldatenberuf dachte Baudissin jedoch spätestens mit dem Beginn seiner Bundeswehr-Laufbahn als Friedensverpflichtung. In den 1950er Jahren erlangte er historische Bedeutung, indem er das innere Gefüge der Bundeswehr gestaltete. Es gibt allerdings kein geschlossenes Werk Baudissin im Sinne einer theoretischen Lehre. Und der Graf hat nach seiner aktiven Militärlaufbahn akademisch weitergearbeitet. Die Innere Führung der Bundeswehr, als deren Schöpfer er gilt, sticht jedoch in seinem Lebenswerk hervor. Sie war, ist und bleibt für die Angehörigen der Bundeswehr Richtschnur des ethisch verantwortlichen, militärischen Handelns. Ganz gleich, ob als Vorgesetzter oder Untergebener. Für die Genese der Inneren Führung war die Orientierung an Demokratie und Freiheit unabdingbar. Verantwortungsgefühl ist ebenfalls ein Faktor der Inneren Führung. Dieses Gefühl war Baudissin keineswegs unbekannt. Obwohl er als Adliger nicht frei von Standesdünkel war, wusste er, dass mit höherem Rang vor allem die Verpflichtung steigt. Er identifizierte sich mit einem positiv konnotierten Preußentum. Dieses steht keinesfalls in unversöhnlichem Gegensatz zu Demokratie und Freiheit. Vielmehr rückte es für Baudissin die Ideale von Pflichtgefühl, Wahrhaftigkeit und Demut ins Zentrum seines Denkens und Handelns. Dieses Ethos wurde Wolf Stefan Traugott Graf von Baudissin, der am 08. Mai 1907 in Trier geboren wurde, von Kindesbeinen an mitgegeben. Baudissins Vater war preußischer Verwaltungsbeamter. Im Herbst 1907 übernahm er den Posten des Landrats in Neustadt in Westpreußen. Damit begann für Baudissin, wie er rückblickend feststellte, „die Periode längster Sesshaftigkeit bis zu seiner Pensionierung“. Der Posten des Landrats war in Preußen mit einer großen Machtfülle versehen. Baudissins Vater hätte wie ein kleiner König herrschen können. Allerdings nahm er nicht nur seine Privilegien an, sondern auch die damit einhergehenden Verpflichtungen wahr. Sein Elternhaus und der Beruf des Vaters hatten Baudissin den „unaufhebbaren Zusammenhang von amtlicher Macht und persönlicher Verantwortung“ gezeigt. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, endete Baudissins Kindheit abrupt. Kurz nach Beginn der Kampfhandlungen fiel ein von Baudissin sehr geliebter Onkel, wodurch der Krieg die private Sphäre der Familie erreichte. Patriotismus und Stolz auf das preußische Militär waren im Kaiserreich weit verbreitete Vorstellungen, auch im Hause Baudissin. Der Bruder eines Großvaters war einmal in Neustadt zu Besuch. Der junge Baudissin nahm die Gelegenheit wahr und fragte ihn über sein Eisernes Kreuz Erster Klasse aus. Eine Heldengeschichte bekam Baudissin allerdings nicht zu hören. Aufrichtig antwortete der Verwandte, er habe, wie alle anderen, Angst gehabt und sei nur etwas später weggeritten als alle seine Kameraden. Diese Antwort ernüchterte den Grafen. Nach Kriegsende musste Baudissin mehrfach umziehen, da sein Heimatort an das neu gegründete Polen fiel und lebte teils getrennt von Mutter und Vater. 1925 legte er in Marienwerder in Westpreußen das Abitur ab. Er ging noch in demselben Jahr nach Berlin, um ein Studium aufzunehmen, welches er allerdings bereits 1926 abbrach. Dennoch bezeichnete Baudissin das Studium später als unabdingbare Voraussetzung seines Soldatenberufs. Am 12. April 1926 begann Baudissins Militärkarriere, als er in das Infanterieregiment Nr. 9 in Potsdam eintrat. Er verließ das Regiment 1927 wieder, um Landwirtschaft zu studieren und den Hof eines Onkels zu übernehmen. Als dieser Lebensentwurf scheiterte, trat Baudissin 1930 erneut ins IRInfrarot 9 ein. Zahlreiche Adelige dienten in diesem Verband, weshalb er auch als „Graf 9“ bezeichnet wird. Darüber hinaus waren viele Widerständler des 20. Juli Angehörige des Regiments. Einer der bekanntesten war Henning von Tresckow, den Baudissin kannte und dem er sich freundschaftlich verbunden fühlte. Er betrachtete den kriegserfahrenen und älteren Tresckow sogar als seinen Mentor. Tresckow und Baudissin wandten sich 1938 wegen eines Unteroffiziers, der von der GeStaPo verschleppt wurde, an den späteren Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben. Dieser wollte von den beiden wissen, ob sie weiterhin zum Widerstand gegen das NSNationalsozialismus-Regime entschlossen wären. Beide bejahten dies, woraufhin Witzleben sie aufforderte, Soldaten zu bleiben und ihren Dienst zunächst weiter zu versehen. Dem General war bewusst, dass effektiver Widerstand gegen die Nazis nur aus den Reihen des Militärs möglich war. Sowohl Witzleben als auch Tresckow und Baudissin verstanden sich als preußische Offiziere. Ihre innere Einstellung brachte sie automatisch in Opposition zum NSNationalsozialismus-Regime, denn zu Preußen gehörte der Rechtsstaat, wie Richard von Weizsäcker es ausdrückte. In den 1930er Jahren fand Baudissin über seine Lebensgefährtin, Dagmar Gräfin zu Dohna, Anschluss an gesellschaftliche Kreise, die dem NSNationalsozialismus-Regime kritisch gegenüberstanden. Für die damalige Zeit führten Wolf von Baudissin und Dagmar Gräfin zu Dohna eine außergewöhnliche, den gesellschaftlichen Konventionen zuwiderlaufende Beziehung. Lange Zeit bestand keine Heiratsabsicht und die Gräfin hätte sich niemals in der damaligen Rolle der Ehefrau und Mutter wiedergefunden. Dagmar Gräfin zu Dohna war Bildhauerin und schuf Kunst. In ihrem Freundeskreis wurden hinter verschlossenen Türen auch die Werke sogenannter „entarteter Künstler“ ausgestellt. Dies war für Baudissin als Berufsoffizier im Dritten Reich keineswegs ungefährlich. Er hätte sich dort eigentlich nicht blicken lassen dürfen. Stets waren ihm Freiheit und Aufrichtigkeit wichtiger als Sicherheit und Angepasstheit. Als 1939 der Zweite Weltkrieg entfesselt wurde, war Baudissin gerade in der Generalstabsausbildung, die vorzeitig beendet wurde. Als Generalstabsoffizier für Feindaufklärung wurde er in die 58. Infanteriedivision versetzt und nahm am Frankreichfeldzug teil. Auf persönliche Anforderung Erwin Rommels wurde Baudissin im Frühjahr 1941 zum Deutschen Afrika-Korps versetzt. Bei einem Aufklärungsflug geriet er am 04. April 1941 als Hauptmann in Kriegsgefangenschaft, die er in Australien verbrachte. Dort wurde er sogar noch zum Major befördert. Für Baudissin war der Krieg vergleichsweise früh vorbei, wodurch ihm der Vorwurf, am Vernichtungskrieg teilgenommen zu haben, erspart blieb. Allerdings konnte er sich auch nicht aktiv am Widerstand beteiligen. Den 20. Juli 1944 erlebte er aus der Ferne des Kriegsgefangenenlagers in Australien. Die meisten der Insassen waren über den versuchten Tyrannenmord zunächst empört und zeigten keinerlei Sympathie für die Verschwörer. Man betrachtete sie weitgehend als adlige Verräter und Eidbrecher, was auch Baudissin zu spüren bekam. Erst als die wahren Ausmaße der Verbrechen des NSNationalsozialismus-Regimes offenbar wurde, verstanden einige die Motive der Verschwörer. Baudissin bezeichnete den Attentatsversuch sogar als die letzte wahrhaft preußische Tat. In Selbstbestimmung und Eigenverantwortung hatten die Verschwörer erkannt, dass ihre Verpflichtung gegenüber Recht und Nation schwerer wog als der Eid auf Hitler. Ein Eid, hinter dem man sich auch nur allzu leicht verstecken konnte. Während einige Weggefährten sich sicher waren, Baudissin hätte am 20. Juli eine zentrale Rolle gespielt, war sich der Graf selbst nicht so sicher. Nachträglich gestand er ein, dass er dankbar war, niemals vor die Entscheidung gestellt worden zu sein. Im Kriegsgefangenenlager schrieb Baudissin zahlreiche Briefe an seine Lebensgefährtin, die ihm wann immer möglich antwortete. Gut sechs Jahre lang war Baudissin von seiner Heimat und seiner Freundin getrennt. Das gegenseitige Briefeschreiben hielt ihn dabei buchstäblich am Leben. Nach Baudissins Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1947 heiratete das Paar fast unverzüglich. Anschließend begann Baudissins Entnazifizierungsverfahren, denn als Generalstabsoffizier war er pauschal des Militarismus verdächtig. Am 01. Februar 1950 bescheinigte man ihm endlich, er hätte den Nationalsozialismus in keiner Weise gefördert. Damit entfiel der Zwang zur monatlichen Behördenmeldung und er war wieder ein freier Mann. Seitdem Baudissin aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war, arbeitete er mit seiner Frau zusammen in der hauseigenen Töpferei. Die beiden hatten eine Marktlücke entdeckt. Sie fertigten große Gartengefäße, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit reißenden Absatz fanden. Baudissin bezeichnete diese Jahre später als sehr glückliche Zeit. Vollständig ausfüllen konnte die Töpferei ihn aber nicht. Parallel arbeitete in der Kirchengemeinde und gab Kurse über Frieden und Menschenführung. Eine erneute Militärkarriere stand im gerade besiegten und entmilitarisierten Westdeutschland ohnehin nicht zur Diskussion. Zumindest nicht, bis im Frühjahr 1950 Baudissins alter Freund und Regimentskamerad Axel von dem Bussche vor seiner Tür stand. Dieser lud Baudissin ein, sich an der Neukonzeption deutscher Streitkräfte im Auftrag Adenauers und der Westalliierten zu beteiligen. Zunächst lehnte Baudissin ab, nahm dann jedoch an der Himmeroder Konferenz vom 05. bis 09. Oktober teil. In einem Eifelkloster berieten deutsche Militärexperten über Art und Umfang eines westdeutschen Verteidigungsbeitrages zum Schutze Westeuropas. Zwischenzeitlich nahmen die Beratungen nach Baudissins Wahrnehmung den Charakter generalstabsmäßiger Kriegsplanungen an. Daher wollte der Graf die Konferenz verlassen. Er wurde aber von Adolf Heusinger zurückgehalten mit den Worten „Wir brauchen Leute mit Gewissen“. Baudissin war mit der inneren Verfasstheit der neuen westdeutschen Streitkräfte betraut worden. Das Ergebnis war die Innere Führung. Hierbei handelt es sich um ein Konzept, das blinden Untertanengehorsam und unpolitische Gefolgschaft ausschließt. Deutschlands zukünftige Soldaten sollten fest in das Normen- und Wertesystem westlicher Demokratien eingebunden sein. Darüber hinaus sollten sie die Vorzüge von Frieden und Freiheit auch im Soldatenalltag erleben. Baudissin und seine Mitstreiter schufen ohne Anlehnung an die Formen der alten Wehrmacht etwas Neues. Damit zogen sie indirekt den Zorn vieler kriegsgedienter Soldaten auf sich. In ihrer eigenen Wahrnehmung hatten diese im Weltkrieg einiges geleistet. Indem man ihnen eine radikale Neukonzeption präsentierte, wurde diese Leistung in Frage gestellt. Dass Baudissin weniger die wie auch immer geartete Leistung an sich, als vielmehr das Wofür in Frage stellte, verstehen seine Kritiker bis heute nicht. Am 30. Januar 1956 wurde Baudissin als Berufsoffizier in die Bundeswehr übernommen. Zugleich beförderte man ihm zum Oberst, womit er den Dienstgrad Oberstleutnant übersprang. Er diente noch zwei Jahre als Unterabteilungsleiter im BMVgBundesministerium der Verteidigung und wurde im Sommer 1958 nach Göttingen versetzt, um die Kampfgruppe C 2, die spätere Panzergrenadierbrigade 4, aufzubauen. Diese Bewährung in der Praxis wurde als Lackmustest für die Durchführbarkeit der Inneren Führung angesehen. Immerhin musste ihr Vordenker diese jetzt nicht nur theoretisch vertreten, sondern praktisch umsetzen. Dabei sollte er noch einen Großverband aufstellen und einsatzfähig machen. Alle drei Aufgaben gelangen Baudissin anscheinend mit Bravour. Sowohl sein Divisionskommandeur als auch der Kommandierende General fanden nur lobende Worte für die fordernde Ausbildung. Dabei war Baudissin stets und ständig bei der Truppe. Kritiker der Inneren Führung behaupteten, sie führe zu Verweichlichung der Soldaten. Baudissins praktische Führung als Brigadekommandeur hat dies eindrücklich widerlegt. Als der Graf versetzt wurde, waren nicht wenige seiner Soldaten enttäuscht über seinen Weggang. Seinen Führungsstil charakterisierte man auch von Seiten seiner Untergebenen als beispielgebend. Wolf Graf von Baudissin war aber keinesfalls immer ein einfacher Mensch. Es wurde ihm vorgeworfen, bei Kritik an der Inneren Führung schnell unbeherrscht zu werden. Kühl, abweisend und überheblich sind weitere Attribute, die man ihm zuschrieb. Ob diese zutreffend waren, sei dahingestellt. Er war aber mindestens unbequem und lebte eine Kultur des Protestes, wie Claus von Rosen es ausdrückte. Vermutlich blieb ihm auch deshalb eine Förderung in die höchste Verwendung, das Amt des Generalinspekteurs der Bundeswehr, versagt. Womöglich war das Leitbild eines Spitzenmilitärs dann doch ein anderes. Stattdessen bescherte man ihm einen Abgang de luxe: Nach zwei Verwendungen bei der NATO unter Beförderung zum Drei-Sterne-General wurde Wolf Graf von Baudissin mit Wirkung vom 31. Dezember 1967 in den Ruhestand verabschiedet. Ruhig wurde es deshalb im Leben des Generalleutnants a.D. aber nicht. Ihm war schnell klar, dass er keineswegs nur Pensionär sein wollte. Aufgrund seiner Erfahrungen in der NATO und seiner geistigen Vorarbeit über Soldatenberuf und Friedenssicherung ging Baudissin in die akademische Lehre. Dieser Schritt rief doppelten Widerspruch hervor. Erstens hatte Baudissin keinen akademischen Grad. Eine Dissertation oder gar Habilitation hatte er nie abgelegt. Dieses Problem wurde 1979 gelöst, als ihn der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg zum Professor ernannte. Zweitens war Baudissin ein Ex-Militär und ehemaliger hochrangiger NATO-General. Im Jahre 1968 stand er im Audimax der Uni Hamburg vor zahlreichen Studierenden, die überwiegend links waren. Als ehemaliger Soldat verkörperte er damit das Feindbild jener jungen Leute. Da er ihnen allerdings freundlich und charmant begegnete und sich einige auf seine Seite stellten, konnte er letztlich doch lehren. Die akademische Welt hatte Ende der 1960er Jahre nicht unbedingt Bedarf an einem pensionierten General. Baudissin drängte sich vielmehr auf, weil er glaubte, noch etwas beitragen zu können. Ihm war in seinen NATO-Verwendungen aufgefallen, dass sich kaum jemand mit Strategie beschäftigte. Hier wollte er Abhilfe schaffen. Seine Schülerinnen und Schüler bestätigten später, dass ihm dies gelungen war, als sie von der Biografin Dagmar Bussiek befragt wurden. 1971 wurde Baudissin zusätzlich zu seinen Lehrverpflichtungen Gründungsdirektor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Zusätzlich zur Strategie beschäftigte er sich mit Konfliktforschung. Dabei war es ihm wichtig, klarzumachen, dass Konflikte keineswegs abgeschafft werden können. Vielmehr gehe es darum, sie zivilisiert und gewaltfrei auszutragen. Ganz gleich, ob zwischenmenschlich oder zwischenstaatlich. Hier zeigte sich erneut die hohe Bedeutung von Frieden in Baudissins Denken und Handeln. Denn Frieden war, ganz anders als Krieg, in Europa seit Jahrzehnten der Ernstfall. Um ihn zu schützen und zu erhalten waren und sind Streitkräfte ein notwendiges Instrument. Baudissin erhielt 1980 einen Lehrauftrag an der Hamburger Bundeswehr-Universität. Somit kehrte er gewissermaßen am Ende seines Berufslebens zur Bundeswehr zurück, wenn auch als Gast. Er hielt am 18. Juni 1986 dort seine Abschiedsvorlesung und ging anschließend ein zweites und letztes Mal in den Ruhestand. Im Frühjahr 1992, kurz vor seinem 85. Geburtstag, erkrankte Baudissin. Mehr als ein Jahr später, am 05. Juni 1993, starb Baudissin nach einer schweren und schmerzhaften Krankheit. Er wurde auf dem Friedhof Groß Flottbeck beigesetzt. Baudissins Frau entschied nach seinem Tod, den Briefwechsel aus der Zeit der Kriegsgefangenschaft zu veröffentlichen. Dabei hatte sie vermutlich nicht nur romantische Motive, sondern auch das Vermächtnis ihres Mannes im Sinn. Allerdings konnte sie nur seine Briefe finden. Offenbar hatten ihre Briefe den Weg aus Australien nicht zurück nach Deutschland gefunden. Daher wurde das Projekt zunächst nicht umgesetzt. Elfriede Knoke, eine Freundin des der Gräfin, half Dagmar Baudissin bei dem Vorhaben. Sie fand die vermissten Briefe beim Aufräumen. Sie befanden sich in einer grünen Mappe, die mit den Worten „Das Werk“ beschriftet war. Baudissin hatte die Briefe seiner Frau nicht nur mit zurückgebracht, sondern auch wie einen Schatz gehütet. Am 25. Juni 1995 starb Dagmar Baudissin. Sie konnte noch miterleben, dass die Bundeswehr die Aula des Zentrums für Innere Führung in Koblenz sowie eine der beiden Kasernen der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg nach ihrem verstorbenen Mann benannte. Damit würdigte die Bundeswehr einen ihrer wichtigsten Gründungsväter. Die Beschäftigung mit seinem Werk und Wirken ist für das Verständnis der historischen Wurzeln der Inneren Führung unverzichtbar. Baudissins zahlreiche Vorträge und Artikel bieten wichtige Anregungen für die praktische Umsetzung militärischer Führungsgrundsätze in Streitkräften, die sich wieder intensiver mit der Landes- und Bündnisverteidigung beschäftigen müssen. Darüber hinaus ist er ein wichtiger strategischer Ratgeber für ein Land, das sich eine Nationale Sicherheitsstrategie geben will.

Das war „Angelesen.“, das Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, heute zum Buch „Dem Frieden verpflichtet. Wolf Graf von Baudissin (1907-1993) – Die Biografie“. 
 

von Martin Schulz

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.