Militärgeschichte als Mikrogeschichte
Militärgeschichte als Mikrogeschichte
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Um die Durchdringungstiefe von Militarisierung und Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 zu untersuchen, hat Prof. Dr. Jörg Echternkamp das deutsche Nordseebad Langeoog unter die Lupe genommen. Am 25. September 2023 präsentierte er erste Ergebnisse seiner Forschungen in Aurich.
Das „Landschaftsforum“ in Aurich war bestens besucht, als Echternkamp auf Einladung des Niedersächsischen Landesarchivs (Dr. Michael Hermann) und der Ostfriesischen Landschaft (Dr. Paul Weßels) einen Vortrag hielt.
Insel der „Volksgemeinschaft“
Als Deutscher Teil der „Volksgemeinschaft“ zu sein: So lautete ein zentrales Versprechen der Nationalsozialisten. Echternkamp zeigte im ersten Teil seines Vortrags, wie diese Volksgemeinschaft auf der Ferieninsel erfahrbar werden sollte. Tausende Jungen und Mädchen der Hitlerjugend nahmen hier an Zeltlagern teil, während Gäste des „Kraft durch Freude“-Programms für ausgebuchte Pensionen und Erholungsheime sorgten. Die Dorfbewohner selbst erlebten das neue Regime als Mitglied der NSNationalsozialismus-Volkswohlfahrt, bei Veranstaltungen der NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei-Ortsgruppe oder auf feierlichen Umzügen. Vormals eigenständige Organisationen wie der „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“ wurden dagegen aufgelöst.
Ausgrenzung und Verfolgung
Im zweiten Teil seiner Präsentation verdeutlichte Echternkamp die Kehrseite der „Volksgemeinschaft“: die Ausgrenzung und Verfolgung jener, die nach der rassistischen und antisemitischen NSNationalsozialismus-Ideologie nicht dazugehörten. Anhand von Fotos und Dokumenten erläuterte er, was das im spannungsreichen Mikrokosmos eines Kurortes bedeutete. Während sich die Zwangssterilisation gegen Insulaner richtete, zielte die antisemitische Hetze darauf, jüdische Gäste fernzuhalten und zugezogene Konkurrenten loszuwerden.
Ausbau zur Garnison
Im Rahmen der Kriegsvorbereitung wurde die Insel ab 1937 zu einem Militärstützpunkt ausgebaut. Durch Landgewinnung und Baumaßnahmen errichtete die Luftwaffe einen Fliegerhorst, Wohnsiedlungen, Bunker und Flak-Anlagen. Während des Krieges zeigte sich die rassistische Politik im tödlichen Umgang mit sowjetischen Zwangsarbeitern aus dem STALAG Wietzendorf, die den Ausbau der Insel zu einer Garnison vorantreiben sollten. Über 130 Kriegsgefangene kamen dabei ums Leben. An sie erinnert seit 1953 eine Kriegsgräberstätte des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Der Ansatz, Militärgeschichte zu „dezentralisieren“, eröffnete spannende Einblicke in die deutsche Geschichte vor und nach 1945 – und stellt ältere Narrative infrage.