Quartalsvortrag - Bericht

Russlands Krieg gegen die Ukraine: Auswirkungen auf Moskaus Militärpolitik im postsowjetischen Raum

Russlands Krieg gegen die Ukraine: Auswirkungen auf Moskaus Militärpolitik im postsowjetischen Raum

Datum:
Ort:
Potsdam
Lesedauer:
3 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Dr. Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWPStiftung Wissenschaft und Politik) hielt den Quartalsvortrag „Russlands Krieg gegen die Ukraine - Auswirkungen auf Moskaus Militärpolitik im postsowjetischen Raum“ am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Der Fokus lag auf den militärpolitischen Aspekten des Verhältnisses zwischen Russland und den postsowjetischen Staaten.

Die Vortragende am Rednerpult

Frau Dr. Margarete Klein ist Leiterin der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien der SWPStiftung Wissenschaft und Politik

Bundeswehr/Nimpsch

Am Abend des 17. Mai 2023 öffnete das ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr seine Tore für einen öffentlichen Quartalsvortrag. Nach einführenden Worten des Kommandeurs Oberst Dr. Sven Lange sprach Frau Dr. Margarete Klein, Leiterin der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien an der Stiftung Wissenschaft und Politik, vor rund 100 Gästen über die Implikationen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die regionalen Sicherheitsbeziehungen Russlands.

Machtmittel und Ziele Russlands

Frau Dr. Klein fokussierte sich insbesondere auf die militärpolitischen Aspekte im Verhältnis Russlands zu den postsowjetischen Staaten, nahm also ein klassisches Element der sogenannten hard power-Politik in den Blick. Gleichwohl betonte sie, dass zum Instrumentenkasten der russischen Führung ebenso soft power (Anreize) und sharp power (verdeckte Einflussnahme) zählen.

Russland strebt im postsowjetischen Raum den Aufbau einer hegemonialen Einflusssphäre an. Diese Politik sei ein Baustein des russischen Anspruchs, einen mit den anderen Großmächten auf Augenhöhe befindlichen Pol in einer multipolaren globalen Ordnung darzustellen.

Blick in den vollbesetzten Vortragssaal mit der Vortragenden am Rednerpult im Hintergrund

Rund 100 Gäste besuchten den Quartalsvortrag am ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr

Bundeswehr/Nimpsch

Frau Dr. Klein verwies auf die Bandbreite militärpolitischer Machtmittel, die Russland zur Erfüllung seiner Ziele einsetzt: Neben den Streitkräften der Russischen Föderation betrifft dies andere staatliche Organe wie die Nationalgarde, die Grenztruppen des russischen Inlandsgeheimdiensts „FSB“ sowie das Katastrophenschutzministerium. Darüber hinaus agieren vordergründig private Sicherheitsorganisationen wie die Gruppe Wagner, Redut oder auch Kosakenverbände im staatlichen Auftrag. Zahlenmäßig ist das russische Militär seinen Nachbarn im postsowjetischen Raum weit überlegen, auch wenn die russische Machtprojektionsfähigkeit durch die hohen Verluste im Krieg gegen die Ukraine gegenwärtig sinkt.

Unterschiedliche Entwicklungen im postsowjetischen Raum

In Folge des Kriegs sei lediglich Belarus näher an Russland herangerückt. Der Nachbarstaat könne als Russlands militärischer Vorposten gelten. Entgegengesetzte Entwicklungen sind verständlicherweise in der Ukraine, aber auch in Georgien und Moldau zu beobachten, wobei Letztere von den eingefrorenen Konflikten mit Russland über die Regionen Abchasien und Südossetien sowie Transnistrien geprägt sind.

Weniger eindeutig gestalten sich die Beziehungen zu den anderen Staaten in der Region. Sie befinden sich in vielfältigen sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten zu Russland. Zugleich eröffnet der Krieg einen Möglichkeitsraum für offene Kritik an Moskau. Eine Kritik, die im Kontext eines zentralasiatischen Entkolonialisierungsdiskurses verstanden werden kann. Einige Staaten, wie beispielsweise Kasachstan, betreiben zudem ein Multivektor-Außenpolitik. Sie erhalten einerseits die Beziehungen zu Russland aufrecht, orientieren sich andererseits sicherheitspolitisch in Richtung Chinas und der USAUnited States of America.

Russlands tatsächliche Stellung im postsowjetischen Raum sei daher nicht die, die das Land anstrebe - die eines Hegemons. Die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), dem neben der Russischen Föderation mit Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan eine Reihe postsowjetischer Staaten angehört, erfüllt zum Beispiel gar nicht die Rolle eines klassischen Militärbündnisses. Es sei eher ein Instrument für den Regimeschutz autoritärer Systeme. Politisch uneins und teilweise im Konflikt miteinander, sprechen die Mitglieder der OVKS außenpolitisch daher auch nicht mit einer Stimme.

Fazit

Der postsowjetische Raum gleicht also eher einem Flickenteppich aus Ländern mit eigenen Akteursqualitäten und unterschiedlichen Handlungsspielräumen. Frau Dr. Klein stellte dementsprechend die Frage, ob angesichts dieser Diversität überhaut von einer sicherheitspolitischen Region gesprochen werden könne. Wie sich dieser Krieg langfristig auf die sicherheitspolitischen Beziehungen Russlands in seinem geographischen Umfeld auswirken wird, hängt von dessen Verlauf ab. Im Fall eines russischen Siegs stünde vermutlich die Erkenntnis im Vordergrund, dass sich der Einsatz des Militärs als Mittel zur Durchsetzung staatlicher Ziele bezahlt mache, wohingegen eine russische Niederlage den Fragmentierungstendenzen weiter Vorschub leisten würde.

Im Vordergrund das sitzende Publikum, im Hintergrund die Vortragende am Rednerpult

Frau Dr. Klein beantwortet Fragen aus dem Publikum.

Bundeswehr/Nimpsch

In der an den Vortrag anschließenden Diskussion mit dem Publikum erörterte Frau Dr. Klein – neben vielen anderen Aspekten – die unterschiedlichen Positionierungen einzelner postsowjetischer Staaten zu Russlands Krieg gegen die Ukraine. Der Abend endete mit einem Stehempfang, bei dem die Anwesenden angeregt weiter über das Gehörte diskutierten.

von Linus Birrel

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Vortragende