Litauen – Geschichte und sicherheitspolitische Herausforderungen
Litauen – Geschichte und sicherheitspolitische Herausforderungen
- Datum:
- Ort:
- Litauen
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Die baltischen Staaten spielen eine wichtige Rolle in der Verteidigungsstrategie der NATO. Deutschland bereitet aktuell die Verlegung von 5000 Soldatinnen und Soldaten nach Litauen vor – ein Land, in dem die Angst vor einem Angriff Russlands spürbar ist. Das nukleare Säbelrasseln des russischen Diktators gibt Anlass, atomare Abschreckung auch in einem historischen Kontext zu beleuchten. Professor Jörg Echternkamp vom ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr hielt dazu einen Gastvortrag an der litauischen Universität Klaipėda.
Demonstrative Präsenz in Litauen
Wir sind das einzige europäische Land, das im Westen an Russland grenzt, heißt es in Litauen – eine Anspielung auf die russische Exklave des Kaliningrader Gebiets. Über nur 65 km Luftlinie verläuft die sogenannte Suwałki-Lücke, die einzige Landverbindung der baltischen Staaten mit den übrigen NATO-Partnern. Der kleine baltische Staat, der vor zwanzig Jahren Teil der Europäischen Union und der NATO wurde, findet zurzeit häufig die Aufmerksamkeit der deutschen Medien:
Seit die NATO auf ihrem Gipfel in Vilnius beschlossen hat, angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine ihre Ostflanke zu verstärken, konkretisiert Deutschland seine Solidarität durch die dauerhafte Stationierung einer Brigade. Am 6. Mai 2024 besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz das deutsche Vorkommando in Pabrade.
Vortrag zur Atomrüstung der Bundeswehr
Für denselben Tag war Professor Jörg Echternkamp (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr) zu einem öffentlichen Vortrag an der Universität von Klaipėda eingeladen. Am Institut für Baltische Regionalgeschichte und Archäologie (BRIAI) unter der Leitung von Professor Vasilijus Safronovas referierte Echternkamp zum Thema „Nuclear weapons for West Germany? Rearmament between political interest and public protest in the early Cold War”. Das Thema stieß nicht nur wegen des militärgeschichtlichen Schwerpunkts des BRIAI auf großes Interesse. Angesichts der Atomwaffendrohungen des russischen Diktators war die Frage nach atomarer Rüstung, dem Einsatz von Atomwaffen und der atomaren Abschreckung nicht nur eine historische. Das Gespräch suchte auch der Honorarkonsul der Bundesrepublik, Dr. Arūnas Baublys.
Echternkamp, der seit 2022 auch der Gutachterkommission des Estnischen Forschungsrates (ETAG) angehört, erläuterte, wie im Zusammenhang mit der Entstehung der Bundeswehr Mitte der 1950er Jahre über deren mögliche atomare Bewaffnung gestritten wurde. Auf der einen Seite standen die Befürworter, die aus Sorge vor einem russischen Angriff auf atomare Abschreckung setzten. Auf der anderen standen die Gegner, die sich unter dem Slogan „Kampf dem Atomtod“ organisiert hatten, weil sie die Angst vor einer atomaren Katastrophe umtrieb. Am Ende wurde die Bundesrepublik als Staat ohne eigene Atomwaffen im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ in die atomare Abschreckungspolitik der NATO eingebunden.
Ein langer Weg zur Unabhängigkeit
Die Angst vor Russland ist heute in Litauen wie auch in Lettland und Estland besonders tief verwurzelt, nicht nur wegen der geographischen Lagen, sondern auch wegen der wechselvollen Geschichte des einstigen Memel. Ein Besuch des regionalgeschichtlichen „Museum 39/45“ stand daher auf dem Programm, das die ehemalige Leiterin des BRIAI Dr. Silva Pocytė organisiert hatte. An das deutsche Kapitel der Geschichte erinnert bereits die Universität: Der Campus befindet sich in einem ehemaligen preußischen Kasernenkomplex. Nach dem Ersten Weltkrieg von Deutschland getrennt, gehörten die Stadt Memel (heute Klaipėda ) und ihr Umland ab 1923 zu Litauen, bis das Gebiet im März 1939 vom Deutschen Reich annektiert wurde. Nach Kriegsbeginn sowjetisch, geriet Litauen 1941 unter deutsche Besatzung. Ab Juli 1944 war Litauen dann Teil der Sowjetunion, bis das Land 1990 seine Unabhängigkeit erreichte.
Die NATO in Litauen
Nicht nur das ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr war im Mai in Klaipėda präsent. Wiederholt stieß Professor Echternkamp in der Hafenstadt an der Kurischen Nehrung auf Soldaten der Bundeswehr. Im Zusammenhang mit dem NATO-Manöver „Steadfast Defender 2024“, dem größten seit dem Ende des Kalten Krieges, legte die Bundeswehr mit ihrer Übung „Quadriga 2024“ den Schwerpunkt auf die Verlegung von Material und Truppen in den baltischen Raum. Dessen neue Bedeutung als NATO-Partner unterstrich am 21. Mai 2024 der Besuch von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius.