Vortragsbericht: Die Charta von Paris
Vortragsbericht: Die Charta von Paris
- Datum:
- Ort:
- Potsdam
- Lesedauer:
- 3 MIN
Die „Charta von Paris“ schuf nach dem Ende des Kalten Krieges eine neue europäische Friedensordnung. Prof. Dr. Dominik Geppert von der Universität Potsdam trug dazu im Rahmen der jährlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Kommission für Militärgeschichte (CIHM) am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr vor.
Der Kommandeur des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Oberst Dr. Sven Lange, leitete die Veranstaltung mit einführenden Worten über die Arbeit der Kommission, dem Werdegang des Vortragenden und einem kurzen Einblick in den Forschungsprozess des Forschungsbereiches V ein. Dabei ging Oberst Dr. Lange auch auf den am folgenden Tag stattfindenden Workshop ein und erläuterte die Relevanz des vorgetragenen Themas sowie den Entscheidungsprozess, wie die Geschichte nach 1990 betrachtetet werden kann.
Beginn und Ende einer friedlichen Epoche
Nach diesen Worten begann Prof. Dr. Geppert damit, dass mit dem am 24. Februar 2022 erfolgten russischen Überfall auf die Ukraine eine „friedliche Epoche“ zu Ende ging, deren Startpunkt die „Charta von Paris“ gewesen sei. Diese wurde von den insgesamt 34 Mitgliedern der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) zwischen dem 19. und 21. November 1990 in der französischen Hauptstadt Paris erarbeitet und unterzeichnet. Inhalt dieser Absichtserklärung waren das Streben nach „Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit“, sowie die Annährung von Ost und West und einer friedlichen Zukunft des Kontinents.
Dabei zog Prof. Dr. Geppert, wie schon einige Zeitzeugen von 1990, einen Vergleich zum Wiener Kongress von 1815. Hier erkannte der Vortragende mehrere Parallelen, aber auch zwei zentrale Unterschiede: So konnten die beiden jeweiligen Gastgeber ihre verhältnismäßig schwache Verhandlungsbasis aufwerten. Des Weiteren glichen sich die Ziele der Staaten sowie die durch Krieg und Konflikt erlebten Erfahrungen der Staatsoberhäupter. Auch die feierliche Atmosphäre und das Fehlen einer Sieger-Verlierer-Mentalität waren in Paris und in Wien erkennbar. In Paris, so Geppert, standen sich 34 „gleichberechtige Staaten mit ihren eigenen Interessen gegenüber“. Beide Ereignisse läuteten in Europa eine Epoche des Friedens und der Zusammenarbeit ein. Um neue Konflikte zu verhindern, sollten Botschafterkonferenzen für ein Mit- und nicht Gegeneinander sorgen, auch wenn diese über Zeit an Häufigkeit abnahmen.
Wien und Paris: Sezession und Einheit
Die zwei, laut dem Vortragenden, bedeutenden Unterschiede lagen aber zum einen der in Wien behandelten „deutschen Frage“, dessen Bundesakte Bestandteil der Wiener Schlussakte wurde. In Paris konnte die deutsche Einheit von den Staats- und Regierungschefs nur noch akzeptiert und anerkannt werden. Der andere Unterschied bestand in der Frage nach Unabhängigkeitsbestrebungen und Sezessionen. Während in Wien die Staaten um den Erhalt ihrer Imperien bemüht gewesen waren und Bestrebungen nach Unabhängigkeit niedergeschlagen worden waren, teilten nicht alle Staaten in Paris diese Meinung. Bspw. bemühte sich die UdSSRUnion der Sozialistischen Sowjetrepubliken, solche Bestrebungen zu verhindern, Staaten wie Deutschland oder auch die osteuropäischen Nationen aber wollten das Selbstbestimmungsrecht der Völker angewendet wissen.
Für Prof. Dr. Geppert war das Wirken der Charta von Paris vom Betrachtungszeitpunkt abhängig. Laut ihm könnten die ersten zehn Jahren nach der Konferenz als eine „hoffnungsvolle Zeit“ betrachten werden. NATO und EU konnten sich trotz russischer Interessen nach Osten erweitern und Deutschland übernahm eine führende Rolle bei der Integration der Russischen Föderation in den Westen. Aus heutiger Sicht aber fällt eine positive Betrachtung schwerer. Mit dem erneuten Aufkommen von Nationalismus in den europäischen Staaten, wie auch einer zunehmenden Anzahl von Spannungen innerhalb NATO und EU sowie den aufkommenden Konflikten, wie z.B. dem russischen Überfall auf die Ukraine, scheint es als sei diese Epoche des Friedens all zu schnell beendet worden.