General Wolfgang Altenburg
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„wenn man in einer Allianz ist, muss man seine nationale Position ganz genau kennen“
Eine biographische Studie über den ehemaligen General Wolfgang Altenburg von Dr. Heiner Möllers
Als der 28-jährige Familienvater von zwei Kindern, Wolfgang Altenburg, 1956 als Rekrut in die Bundeswehr eintrat, tauschte er sein stattliches Gehalt als Hotelmanager gegen den kargen Wehrsold eines Offizieranwärters. 27 Jahre später wurde er zum Generalinspekteur ernannt. Sein Leben repräsentiert auf spannende Weise ein Stück Bundeswehr- und NATONorth Atlantic Treaty Organization-Geschichte im Kalten Krieg.
Er erlebte den Untergang des „Dritten Reichs“ als Marinehelfer auf Helgoland. Als Heimatvertriebener aus Westpreußen schaffte er den wirtschaftlichen Aufstieg, bevor er sich bewusst für den Eintritt in die neu aufgestellten Streitkräfte entschied. Nichts deutete in den ersten zehn Jahren seines Militärdienstes darauf hin, dass der junge Artillerieoffizier später als „Nukleartheologe“ (Christoph Bertram) einer der versiertesten Fachmänner auf dem Gebiet der transatlantischen Sicherheitspolitik werden sollte.
Bereits in seiner Zeit als Chef einer nuklear einsetzbaren Raketenartilleriebatterie 1961/62 zweifelte er an der Kriegstauglichkeit von Atomwaffen. Während seines Generalstabslehrganges (1962-64) kritisierte er die vielfach verbreitete Vorstellung, Atomwaffen wären als „Battlefield Artillery“ einsetzbar. Dafür erntete er deutliche Kritik von seinen Vorgesetzten, die ihn aber nicht verstummen ließ.
Bis 1970 verlief seine Laufbahn zunächst in den vorgezeichneten Bahnen eines Generalstabsoffiziers. Als die Bundeswehr in den nuklearpolitischen Think-Tank des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Oberbefehlshabers in Europa (SACEURSupreme Allied Commander Europe ) einen Offizier einbringen konnte, fiel die Wahl auf Wolfgang Altenburg. An der Seite des SACEURSupreme Allied Commander Europe profilierte er sich als scharfsinniger Berater. Nach seinem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Engagement diente er als enger Mitarbeiter verschiedener Verteidigungsminister und Bundeskanzler. Immer wieder war er in der damals maßgebenden Stabsabteilung des Bundesverteidigungsministeriums, dem Führungsstab der Streitkräfte III (Fü S III - Militärpolitik) an entscheidenden Stellen tätig.
Altenburgs Berufung zum Generalinspekteur erfolgte wenige Monate vor der Stationierung von neuen nuklearen Mittelstreckensystem in Europa (Cruise Missiles und Pershing II) – und wenige Monate nach dem Regierungswechsel in Bonn. Ungeachtet der politischen „Wende“ war die Sicherheitspolitik und die Haltung der neuen Bundesregierung zum NATONorth Atlantic Treaty Organization-Doppelbeschluss von unübersehbaren Kontinuitäten geprägt.
Seine Wahl zum Chairman NATONorth Atlantic Treaty Organization Military Committee, und damit zum höchsten Soldaten der NATONorth Atlantic Treaty Organization im Jahr 1986 (als dritter deutscher General nach Adolf Heusinger und Johannes Steinhoff), markiert nicht nur den Höhepunkt einer außergewöhnlichen militärischen Laufbahn. Sie belegt vielmehr die hohe Reputation, die sich Altenburg auch bei den Partnern in der Allianz erworben hatte. Im NATONorth Atlantic Treaty Organization-Hauptquartier in Brüssel erlebte er den beginnenden Untergang der Sowjetunion und den Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks, der sich mit dem INFIntermediate Range Nuclear Forces-Vertrag 1987 angedeutet hatte.
Am 30. September 1989, wenige Wochen vor dem Fall der Berliner Mauer, wurde Altenburg in den Ruhestand verabschiedet. Danach war er über mehr als zwei Jahrzehnte ein viel gefragter Experte zur Sicherheitspolitik.
Altenburg war der erste Generalinspekteur, der den Krieg nicht mehr als Wehrmachtsoldat mitgemacht hat. Er war damit nicht Teil der „Erfahrungsgemeinschaft der Generäle“ (A. Searle). Hatte dies Einfluss auf Mentalitätsprägungen und Karrierechancen?
Sein militärischer Lebenslauf spiegelt nicht nur die Bundeswehrgeschichte von 1956 bis 1989 wider. Vielmehr war Altenburg als Akteur an entscheidender Stelle der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik eingesetzt. Dabei wirkte er in Netzwerken sicherheitspolitisch versierter Offiziere, die sich ab 1970 in der Bundeswehrführung neu herausbildeten und über zwei Jahrzehnte das militärische Spitzenpersonal der Bundeswehr stellten.
Die Studie soll anhand der umfassenden Literatur zur Militärpolitik des Kalten Krieges sowie der Nutzung einschlägiger Quellen und persönlicher Unterlagen erklären, ob und wie er an Strategiebildung, Bündnisentscheidungen und Reformprozessen in der Bundeswehr (mit-)wirkte? Spielten nationale Unterschiede eine Rolle? Welche Haltung nahm er in den Diskursen um die Nutzung von Nuklearwaffen in einem künftigen Krieg ein? Welche Antworten gab er auf Stationierungsdebatten, Lücken im Wehretat und demographische Probleme der Bundeswehr sowie auf Fragen der Bündniszusammenarbeit und des Zusammenbruchs des Warschauer Paktes?
Die biographische Studie, die diesen General und seinen Lebensweg in seiner Zeit, in der Bundeswehr und der internationalen Sicherheitspolitik verortet, wurde im Dezember 2022 abgeschlossen und wird im Jahr 2023 veröffentlicht.
General a.D. Wolfgang Altenburg verstarb am 25. Januar 2023 an seinem Wohnort Travemünde.