Militärdoktrinen als Forschungsgegenstand
Militärdoktrinen als Forschungsgegenstand
- Datum:
- Ort:
- Afghanistan
- Lesedauer:
- 2 MIN
Ein Dissertationsprojekt von Jeronimo Barbin M.A.Master of Arts
Militärdoktrinen sind bedeutende sicherheitspolitische Dokumente, in denen Grundsätze zur Durchführung militärischer (Gewalt-)Handlungen festgeschrieben sind und an denen Streitkräfte ihre militärische Praxis ausrichten.
Die verstärkte Multinationalisierung von Militäreinsätzen sowie die Integration militärischer Einheiten und die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen haben über Jahrzehnte zu einer weitgehenden Harmonisierung der Doktrinen westlicher Streitkräfte beigetragen.
Unterschiede zwischen Militärdoktrinen
Dennoch lassen sich weiterhin zahlreiche inhaltliche und formelle Unterschiede zwischen Militärdoktrinen identifizieren, die sich in der Folge auch in den Auslandseinsätzen niederschlagen. Diese jeweiligen Eigenarten bzw. militärischen „Stile“ können zu Irritationen und Missverständnissen bei Partnern führen, Kooperationen erschweren und nicht zuletzt Bemühungen zur Interoperabilität sowie den Erfolg multinationaler Einsätze gefährden.
Zum Vorschein traten solche nationalen Divergenzen insbesondere während des Afghanistan-Einsatzes, als sich ab 2007 das Sicherheitsumfeld stark veränderte und sich die ursprüngliche Stabilisierungsmission zu einem Aufstandsbekämpfungseinsatz wandelte.
Die über 40 beteiligten Länder der internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAFInternational Security Assistance Force reagierten auf diese Veränderungen sehr unterschiedlich – die doktrinären Anpassungen der französischen und deutschen Streitkräfte waren hierfür beispielhaft. Während erstere bereits 2009 eine taktische und 2010 gar eine streitkräfteübergreifende Doktrin zur Aufstandsbekämpfung erstellten, trat in der Bundeswehr nach langem Zögern und schwierigen Vorarbeiten erst 2013 der „Leitfaden Aufstandsbewältigung“ in Kraft, der keinen Vorschriftencharakter besitzt und in der Bundeswehr so gut wie unbekannt ist.
Das Projekt
Das Dissertationsprojekt „Von der Stabilisierung zur Aufstandsbekämpfung. Doktrinärer Wandel in Deutschland und Frankreich“ geht dementsprechend der Frage nach, warum die doktrinäre Anpassung der französischen und deutschen Streitkräfte zwischen 2001 und 2014 so unterschiedlich verlief. Zu ihrer Beantwortung werden zwei unterschiedliche theoretische Erklärungsansätze zu doktrinärem Wandel ertestet, die sich an der Schnittstelle zwischen Militärsoziologie, Politikwissenschaft und Theorie der internationalen Beziehungen befinden. Die Auswahl dieser Erklärungsansätze folgt der Annahme, dass sich Streitkräfte in einem Spannungsfeld aus internationalen Anforderungen, innenpolitischen Erwartungen und organisationskulturellen Prägungen bewegen und Militärdoktrinen unter diesem Eindruck entstehen.
Das Forschungsziel
Die Forschung zu den Entstehungsbedingungen von deutschen und französischen Militärdoktrinen steckt noch in den Anfängen. Die Arbeit hat somit zuvorderst das wissenschaftliche Ziel, eine Forschungslücke zu füllen. Zugleich soll sie auch Transparenz in diesem eher intransparenten aber wesentlichen Bereich schaffen. Denn zum einen kann eine effektive demokratische Kontrolle von Streitkräften nur funktionieren, wenn die grundlegenden Muster und Prämissen militärischen Handelns verstanden werden. Zum anderen kann das Wissen um Unterschiede und Gemeinsamkeiten die multinationale Zusammenarbeit und ein Zusammenwachsen europäischer Streitkräfte erleichtern.
Die Dissertation wird von Prof. Dr. Anna Geis, Professorin für Politikwissenschaft, insbesondere Internationale Sicherheitspolitik und Konfliktforschung, an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr in Hamburg betreut.