Staatlichkeit und Streitkräfte

Reformen des BMVgBundesministerium der Verteidigung und der Bundeswehr 1969-1972

Reformen des BMVgBundesministerium der Verteidigung und der Bundeswehr 1969-1972

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In der Zeit der ersten sozialliberalen Koalition (1969-72) wurde eine Reihe von Reformen des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVgBundesministerium der Verteidigung) und der Bundeswehr konzipiert, denen noch heute eine große Bedeutung beigemessen wird. Die Studie analysiert diese Reformen, um davon ableitend nach dem Stellenwert des Militärischen für die bundesdeutsche Politik zu fragen. Der Arbeitstitel des Dissertationsvorhabens lautet: „Aus der Not eine Tugend machen? Verteidigungspolitik der Bundesrepublik im Kalten Krieg am Beispiel der Reformen des Bundesministeriums der Verteidigung und der Bundeswehr 1969-1972“.

Ein Dissertationsprojekt von Mischa Bose

Verteidigungsminister Schmidt auf einem Schiff im Gespräch mit Marinesoldaten.

Der Bundesminister der Verteidigung Helmut Schmidt ( 2.v.l.) besucht die Marine 1971.

2015 Bundeswehr / IMZ-Bildarchiv

Der Westen in der Krise  

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre wurde die westliche Welt von verschiedenen Krisen finanz-, wirtschafts-, gesellschafts- und sicherheitspolitischer Natur erschüttert. Auch die Bundesrepublik war davon betroffen.
Angetreten, um Deutschland zu modernisieren, wollte die SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands mit der erstmaligen Übernahme der Regierungsverantwortung in Bonn im Jahr 1969 durch umfassende Reformen in allen Bereichen diese Krisensituation bewältigen. Eine der wichtigsten Persönlichkeiten der SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands war der bisherige Fraktionsvorsitzende und versierte Sicherheits- und Verteidigungspolitiker Helmut Schmidt, welcher das Amt des Bundesministers der Verteidigung übernahm.

Die Reformen

Schmidt und seine Mitarbeiter veranlassten öffentlichkeitswirksam eine Fülle an Reformen im Ministerium und in der Bundeswehr, um die ihrer Meinung nach dringlichsten Probleme zu lösen: Personalnot, unzureichende Finanzierung und Ineffizienz. In den Jahren nach 1969 legten mehrere Kommissionen Reformkonzepte vor, die zum Teil später umgesetzt wurden und die Bundeswehr bis heute prägen. Begleitet wurden diese Maßnahmen durch groß angelegte Pressekampagnen. Die wichtigsten Reformen betrafen die Leitungsebene, die militärische Spitzengliederung und den Rüstungsbereich des BMVgBundesministerium der Verteidigung, die Personal- und Wehrstruktur der Bundeswehr sowie die Bildung und Ausbildung ihrer Offiziere und Unteroffiziere.

Verteidigungsminister Schmidt besucht eine Unterkunft der Bundeswehr

Verteidigungsminister Schmidt besichtigt eine Unterkunft, 17.9.1970.

Bundeswehr / Oed

Welche politische Funktion hatte das Militär?

Die meisten großen Reformvorhaben der ersten sozialliberalen Koalition waren in den letzten Jahrzehnten Gegenstand mehrerer Forschungsprojekte; eine tiefgehende und ausgewogene Analyse der Reformen des BMVgBundesministerium der Verteidigung und der Bundeswehr, die auch Rückschlüsse auf die politische Funktion des Militärs der Bundesrepublik erlaubt, steht aber noch aus. Kern der Studie ist einerseits Frage, welchen Stellenwert das Militär für die bundesdeutsche Politik hinsichtlich der Erreichung übergeordneter außenpolitischer Ziele wie Gleichberechtigung, Mitsprache und Souveränität hatte. Andererseits sollen auch innen- oder parteipolitische Zwecke bundesdeutscher Verteidigungspolitik beleuchtet werden. 

Bundeskanzler Brandt, Verteidigungsminister Schmidt und Generale

Verteidigungsminister Schmidt (zweiter von links) mit Bundeskanzler Brandt und der Bundeswehrführung, 1969 (links: Johannes Steinhoff, rechts neben Brandt: Ulrich de Maizière; ganz rechts: Albert Schnez)

Bundesarchiv, B 145 Bild-F030710-0026 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0

Zuschnitt der Studie

Zur Beantwortung dieser Fragen werden die Reformen im Hinblick auf Leitideen, Entscheidungsprozesse und Inszenierung analysiert. So werden insbesondere Politik und Organisation des BMVgBundesministerium der Verteidigung während des Ost-West-Konflikts in den Fokus gerückt. Dabei wird sich die Studie auf die Konzeptionsphase der Reformen konzentrieren. Die Umsetzung der Reformen bildet keinen zentralen Forschungsgegenstand, da die genannten Fragen nach dem politischen Zweck auf deren Genese im politischen Raum und weniger auf ihre teils langjährige Implementierung in der Bundeswehr abzielen. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich also im Schwerpunkt von den ausgehenden 1960er Jahren bis 1972. Danach hatte der allgemeine Reformeifer der sozialliberalen Koalition merklich abgenommen, die Konzeption der großen Reformen war im Wesentlichen abgeschlossen und Helmut Schmidt hatte die Hardthöhe bereits verlassen. 

von Mischa Bose