Zugehört Kolonialgeschichte- Transkript
Zugehört Kolonialgeschichte- Transkript
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- 31 MIN
Frank Reichherzer:
Hallo, sehr verehrte Damen und Herren, hier ist „Zugehört“. Der Podcast des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Heute wollen wir über den Vernichtungskrieg gegen die Herero und Nama in Namibia im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika sprechen. Zu Gast sind Dr. Dr. Matthias Häussler von der Johannes-Gutenberg Universität in Mainz. Er ist der Experte für den Kolonialkrieg in Afrika und Oberstleutnant Dr. Christian Stachelbeck. Er ist auch aus dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Und er ist hier verantwortlich für den Bereich, der sich ab jetzt in unserem Haus mit Militär, Militärgeschichte und kolonialer Gewalt beschäftigt. Mein Name ist Frank Reichherzer, ich bin auch aus dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften. Ich bin Projektleiter für den Bereich Militär und Gewalt und ich freue mich heute mit meinen beiden Gästen über den Vernichtungskrieg in Deutsch-Südwestafrika sprechen zu können.
Christian Stachelbeck:
Ja, schönen guten Morgen, Herr Reichherzer, Vielen Dank für die Einführung. Das ist richtig wir haben eine Projektgruppe hier gebildet und wollen uns der deutschen Kolonialgeschichte im Wilhelminischen Zeitalter über den militärischen Einsatzbegriff, der eigentlich eine Relevanz im Grunde genommen heute für die Bundeswehr hat, dies im Zeitgenössischen Rahmen betrachten. Was ist ein militärischer Einsatz und wollen uns das dann im Kolonialen Kontext, sozusagen der der Peripherie eines Machtgebietes, eines Herrschaft Raumes, im Wilhelminischen Zeitalter, im Zeitalter des Imperialismus uns näher anschauen. Das dann mit dem Gewaltbegriff kombinieren um dort neue Akzente in der Forschung setzen zu können.
Reichherzer:
Ja vielen Dank Christian Stachelbeck und wir haben dann als einen Experten der Kolonialgeschichte auch einen der Vorreiter mit seinem spannenden und wichtigen Buch über den Deutschen Krieg gegen die Herero in Namibia, Dr. Dr. Matthias Häusler, von der Gutenberg Universität in Mainz bei uns zu Gast. Matthias Häusler. Führen Sie uns doch mal bitte in „Was ist dieses Deutsch-Südwestafrika eigentlich? Damit unsere Hörer und Hörerinnen und alle dazwischen und darüber hinaus vielleicht auch verstehen können „Um was geht es eigentlich? Diesen Raum, dieses Gebilde? Was ist das überhaupt?“
Matthias Häussler:
Deutsch-Südwestafrika ist seinerzeit etwa anderthalb Mal so groß gewesen wie das Deutsche Reich selbst. Das heißt das Deutsche Reich, einschließlich von Gebieten Elsaß-Lothringen, Schlesien, Ostpreußen. Man kann sich vorstellen, was das für ein gewaltiges Territorium ist, was unter anderem in anderen Kolonien im Deutschen Reich zugewachsen ist. Und es ist die erste Kolonie, die das Deutsche Reich erwirbt. Und es ist vor allem die einziges Siedlungskolonie und dadurch ist das natürlich ein Gebiet, was besonders sich eignete für eine ideologische Überhöhung, weil man die Hoffnung damit verbunden hat, diese quasi diese Ströme, Deutschland ist traditionell ein sehr intensives Auswanderungsland gewesen, schon zurzeit des Kaiserreichs. Diese Ströme von Menschen, die hier vor allem in die USAUnited States of America oder nach Amerika abgegangen sind, wie auf eigenes Territorium umlenken zu können, das blieb eine Utopie bis zum Schluss. Denn als die deutsche Herrschaft zusammenbrach über Deutsch-Südwestafrika im Jahre 1915, waren kaum 15.000 Europäer auf diesem gewaltigen Territorium angesiedelt.
Reichherzer:
Es ist ein Gewalt Raum letztendlich. Wie viele koloniale Räume, Tanja Bührer spricht von „Räumen permanenter Gewaltausübung. Gewalt ist immer präsent.“ Auch Dirk Walther schreibt von „Zeit räumlichen Verdichtung von Gewalt.“ Christian Stachelbeck, wie lässt sich denn diese Gewalt als militärische Gewalt in diesem Raum begreifen? Was ist denn da überhaupt los? Gibt es da Deutsches Militär oder wie muss man das verstehen, diese Konzentration der Gewalt? Welche Rolle kommt im Militär denn in dem Geflecht zu?
Stachelbeck:
Ja, da stoßen wir dann natürlich auf den Begriff der Schutztruppe allgemein, was bekannt ist. Und wir müssen diese Schutztruppe, also dieses militärische Ausführungsorgan, das Gewalt Organ, im Grunde genommen für Deutsch-Südwestafrika in mehreren Phasen betrachten. Die ist eigentlich aufgestellt worden, so um 1880, als eine Privatarmee im Dienste der deutschen Kolonial Gesellschaft. Und die bestand im Grunde genommen eigentlich am Anfang aus gerade mal 20 Mann. Man kann sagen, an der Spitze wurde ein Hauptmann von François gestellt, der dort eben die Führung übernahm und auf dem diese Soldaten teilweise Freiwillige, teilweise Reservisten oder Beurlaubte, wie man damals sagte, die dort einen Vertrag mit ihm abgeschlossen haben und dann im Auftrag der kolonialen Gesellschaft dort für Ordnung und Sicherheit sorgen sollten. Und diese Truppe, diese private Truppe ist dann nach und nach ausgebaut worden, weil der Führer dort vor Ort, der Hauptmann von François, eigentlich sollte er oder er die Probleme friedlich lösen vor Ort. Das war auch der Ansatz eigentlich der kolonialen Herrschaft dort. Aber er ist dann mehr und mehr auf kriegerische Unternehmungen ausgewesen, um das Gewaltpotenzial mehr auszuweiten. Dazu fehlten ihm natürlich die Kräfte. Das kann man sich vorstellen, 20 Leute waren da ein bisschen wenig und nach und nach wurde diese Truppe verstärkt, bis sie dann auf rund 220 Mann im Jahr 1890 und nachfolgende, es ging so Schritt für Schritt, aufgebaut wurde. Die offizielle kaiserliche Schutztruppe, also der Übergang von einer Privatarmee zu einer in staatlichen hoheitlichen Auftrag agierenden Truppe. Das erfolgte eigentlich also in den 90er Jahren mit unterschiedlichen Reichs-Gesetzen. Ich nenne mal nur das Wichtigste. 1896, das Gesetz betreffend die kaiserlichen Schutztruppen in den afrikanischen Schutzgebieten und die Wehrpflicht da selbst. Und davor gab es schon einmal eine kaiserliche Order, um die Truppe dort aufzustellen. Aber das ist das entscheidende Gesetz dort 1896 und da können wir auch davon reden, dass wir dann offiziell eine Schutztruppe gebildet haben, die nebenher und Marine ein eigenen, wie man damals sagte, Wehrmachtsteil bildete. Heute würde man sagen Teilstreitkraft. Das wurde dann weitergetrieben. Es gab dann eine Schutztruppen Ordnung 1898, wo dann Dienstverhältnisse und Kommando Verhältnisse geregelt wurden. Ganz kurz kann man nur sagen, der Kaiser war dann der Oberbefehlshaber. Die Schutztruppen unterstanden eigentlich dem Reichskanzler und dem Auswärtigen Amt und der Kolonial Abteilung. Die bestand seit 1890 und da muss man sagen, die hat dann später noch das Oberkommando der Schutztruppen hinzubekommen. Und das war nicht die einzige zivile Leitung von Militär im Kaiserreich, die man hier beobachten kann. Draus entstand dann 1907 das Reichskolonialamt mit dem Kommando der Schutztruppen. Und hier hatte das Militär dann tatsächlich auch mal eigene Kommandogewalt. In den Schutzgebieten selbst übte dann der Gouverneur die Kommandogewalt aus und der Schutztruppen Kommandeur war quasi sein Berater.
Häussler:
Was Herr Stachelbeck gerade beschrieben hat, das ist sozusagen die institutionelle Rahmung, also auch dieser Versuch, sozusagen diese Schutztruppe in einen Staat zu integrieren und bestimmten Normen auch zu unterwerfen. Und auch einer Professionalisierung und so weiter. Und das ist auch tatsächlich eine richtige Dimension. Aber man muss davon unterscheiden, das ist auch etwas, was diese Truppe hat. Es ist dieser Topos, der Landsknechte bleibt über sehr viele Jahre noch präsent, also dass man angeworben wird als Söldner und dass man sich dann auch so verhält. Das gibt dann auch viele Stellungnahmen von Offizieren, die darüber schimpfen und sagen, wer sich hierher meldet nach Deutsch-Südwestafrika der was geduldet wird. Und dieses sich gemein machen hat eben auch eine gewisse Rationalität, weil es darum geht, viele wollen nach der Dienstzeit in Namibia bleiben, wollen sich dort niederlassen und wollen es sich auch nicht verscherzen mit den zukünftigen Nachbarn. Und das sorgt für eine merkwürdige Fraternisierung, die auch den Auftrag polizeilicher, soldatischer Normen letztlich unterläuft.
Stachelbeck:
Ja, das ist absolut richtig. Ich würde das auch noch insofern ergänzen, wenn man sich die Leute anschaut, wer war das denn eigentlich, der sich da hin gemeldet hat? Das waren ja Freiwillige, im Grunde genommen, die aus Heer und Marine dann übergetreten sind. In den Schutztruppen Dienst und eigentlich auch noch Forschungen um sich ein Sozialprofil dann zu erstellen. Wir wissen über die sogenannten alten Afrikaner, also länger dienende Schutztruppenoffiziere oder auch Mannschaften und Unteroffiziere, die dort im längeren Dienst schon standen. Aber das müssen wir auch unterscheiden zu den Leuten, die beispielsweise beim Feldzug dann in Südwest als freiwillige 15.000 sind da ja zwischen 1904 und 1908 dann von Deutschland eingeschifft wurden. Was waren das für Leute? Wahrscheinlich viele mit Abenteuerlust, die freiwillig, ich gehe jetzt mal nach Afrika aus dem gewohnten Umfeld rüber. Ich habe da gelesen, selbst in den zeitgenössischen Quellen, dass da so einige zwielichtige Gestalten auch dazwischen waren und das natürlich dann auch für die Offiziere vor Ort. Eine Truppe, die man überhaupt nicht kannte, die man schnell zusammengewürfelt hat, was sich dann entsprechend auf dem Kriegsschauplatz dann in der Kolonie ausgewirkt hat.
Häussler:
Ja, und man muss dabei auch bedenken, am Anfang, als dieser Krieg ausbricht, ist das sehr, sehr attraktiv. Also zum Beispiel in der Kriegs Academy in Berlin stehen die jungen Offiziere Schlange, um sich zu melden. Und dann gilt es als Auszeichnung auch einen Kommandoposten dort. Aber diese Begeisterung lässt sehr schnell nach. Das ist dann spätestens nach einem halben, dreiviertel Jahr. Dann haben sie große Probleme. Es gibt einen großen Bedarf an neuen Kräften und gleichzeitig lässt die Qualität der Truppe immer weiter nach. Also die Leute, die sich auch akquirieren lassen für diese Stellen. Und da kommen dann sehr, sehr zwielichtige Gestalten offenbar. Nicht ganz vielleicht zu vergleichen mit jetzigen Rekrutierung Verfahren, was man eben in der Presse so liest, die Russland anwenden muss, aber trotzdem auch mit Gestalten, die gute Gründe haben, das Land verlassen zu wollen.
Reichherzer:
Was macht das denn mit dem Gewalt-Raum Deutsch-Südwest/ Namibia? Wir haben jetzt hier eine doch heterogen Gewaltakteurs des kolonialen Militärs. Aber wie sieht diese man? Kann man das als Konflikt Landschaft beschreiben und wenn ja, wie würde die denn aussehen oder was sind da so die wichtigen Punkte, wenn man die mal durchwandern möchte, Matthias Häussler?
Häussler:
Es gibt kein Gewaltmonopol oder allenfalls ein geteiltes Gewaltmonopol. Sie haben auf der einen Seite einen kolonialen Staat, der vergleichsweise schwach ist. Der größte Auftragsgeber insofern bestehen da auch schon Abhängigkeiten und Interessen und daneben noch viele andere Akteursgruppen. Auf der einen Seite indigene Akteure, die Eigenrecht über Machtmittel verfügen, die Waffen haben, die Teile ihrer politischen Selbstständigkeit noch bewahrt haben. Auf der anderen Seite, Siedler die einfach, das ist dieser sozial Typus der Siedler, der Siedler ist nicht einfach ein Untertan, sondern das ist jemand, der begibt sich aus dem Kaiserreich raus, um eine neue, freiere, selbständige Existenz gründen zu können. Und dieses Ethos zeigt sich auch darin, dass sich diese Menschen sehr ungern irgendwie gängeln lassen von dem Staat und von Vorschriften und so weiter. Sondern sie treten dann dort auf, auch mit einem gewissen Herrenbewusstsein und das wollen sie zum Ausdruck bringen. Und das richtet sich auch gegen ein Staat, der die Vorschriften macht. Und das wiederum führt gerade bei einer großen Konkurrenz, die besteht bei einer großen Armut auch von vielen Elementen, die den Weg dort in die Kolonie finden, zu einem Konfliktgeladenen Klima. Einmal, was die Binnengesellschaft der Siedler anbelangt, dass eine hoch konfliktträchtige Gesellschaft, also die Prozesssucht, ist weithin bekannt gewesen und wurde auch verspottet im Reich. Und dann eben natürlich vor allem mit dem Außenverhältnis. Denn Indigenen, Viehherden, die Ländereien usw. das sind die Ressourcen, an die Siedler naturgemäß ran wollen.
Reichherzer:
Und wie das Verhältnis innerhalb der indigenen Gruppen aus?
Häussler:
Das Verhältnis innerhalb der indigenen Gruppen. Es ist eine sehr gewaltsame Geschichte gewesen, das Vorkoloniale Namibia im 19. Jahrhundert. Das hat allerdings auch mit dem Vorrücken der burischen Frontier zu tun, dem Influx von Waffen, bald dann auch Hinterlader Gewähren usw. was dann zu einer erheblichen Eskalation, auch zu einer Einführung einer Raubökonomie bestimmter Gruppen geführt hat. Es ist einfach eine heterogene Bevölkerung, kann man sagen, die nicht gleiche Interessen hat. Die Ovaherero wünschen, sich das ist ursprünglich das Rationale, das war die Anlehnung an Deutschland oder an Kolonialmächte insgesamt, die suchen Schutz vor der Raub Ökonomie betreibenden Gruppe, etwa Witboy. Witboy natürlich, die diese Ökonomie betreiben, mit sehr, sehr großem Erfolg. Sie erbeuten Zehntausende Rinder, die machen sehr gute Geschäfte über die Cupkolonie damit. Die haben naturgemäß kein Interesse an einem Friedensangebot und von Selbsthilfe abzusehen. Und insofern ist es keine einfache Rolle, auch in die der Staat da gerät.
Reichherzer:
Also sehr komplexe Situation vor Ort, in der der koloniale Staat oder ist ja vielleicht noch gar nicht so stark ausgeprägt, dass die koloniale Staatlichkeitselemente haben da doch sehr, sehr große Probleme. Aber wie kommt es denn jetzt es zu diesem Gewaltausbruch Anfang des 20. Jahrhunderts in der Kolonie?
Häussler:
Es ist ein Klima, was eine bestimmte Atmosphäre, die auch in Krisen Bewusstsein mit sich bringt. Es gibt objektive Elemente und Faktoren. Der Bahnbau, der voranschreitet, der immer dann auch neue Siedlungsbewegungen mit sich bringt, dann die Schaffung von Reservaten usw. Das sind, das sind alles Elemente, die dazu beitragen zu so einem Krisen Bewusstsein. Aber letztlich ist eine Entfesselung privatisierter Gewalt das hauptsächliche Problem, nämlich dass um die Jahrhundertwende immer mehr aus dem Deutschen Reich dorthin kommen und dann schon Schwierigkeiten haben, dort ihren Platz zu finden und in einem sehr starken Konkurrenzverhältnis zueinander stehen, sich zum Teil auch gegenseitig das Fell über die Ohren ziehen. Das kann man auch sagen. Und in dieser Situation umso rücksichtsloser versuchen, sich diesen Wohlstand zu erwerben, der dann nötig ist, zum Beispiel für eine Farm, für eine Viehzucht, die ja ausgesprochen kapitalintensiv sind und waren und da immer weniger auf lautere Mittel zurückgreifen, sondern auch auf andere. Und jedenfalls auch diese Verfügungsgewalt über die Indigenen, auch über deren Frauen. Körperliche Gewalt insgesamt. Es nimmt einfach überhand. Und irgendwann sagen dann die Herero, die sich jetzt sehr, sehr schwer tun, über diese Entscheidung in den Krieg einzutreten. Sie sagen, dass sie lieber sterben wollen, als so weiterzuleben, weil sie merken, der Kolonialstaaten verkörpert in dem Gouverneur immer wieder die persönlichen Verhältnisse. Auch beteuert man Nein, wir lassen das nicht zu. Ich sage für euch ganz paternalistisch, dass man dann sieht, das hat seine Grenzen, und da wird keine Hilfe mehr kommen.
Reichherzer:
Und dann geschieht was? Leutweiner als Gouverneur steht vor dieser Herausforderung. Die Herero oder Ovaherero greifen zur Waffengewalt. Was geschieht denn eigentlich jetzt? Wenn man jetzt mal Ereignisgeschichtlich beginnen will, um dann später noch mal in die Interpretation der Ereignisse zu kommen.
Häussler:
Das beginnt eigentlich als, wenn man so will, als ein Aufstand. Ich benutze das Wort eigentlich nicht so gern, aber ich möchte jetzt sozusagen diesen lokalen Charakter auch unterstreichen. Als ein Aufstand in der Ortschaft Okahandja, wo der Sitz ist von Samuel Maharero. Und erst nach und nach schließen sich zögerlich in den kommenden Wochen alle Gruppen der Ovaherero an. Aber deswegen auch, weil dieser Paramount Chief, der diesen Titel führt. Es ist zum Teil auch ein von den Deutschen unterstütztes Verwaltungs-Oberhäuptlings Thum, wenn man das so nennen will. Diese Machtfülle nicht hatt, diese Beteiligung auch befehlen zu können. Sondern wird darauf gedrängt und die Chiefs andere Ortschaften behalten sich dieses Recht vor, das dann zu machen oder nicht. Und das ist häufig fatal. Wenn Wochen vergehen, ist dieser Überraschungseffekt weg. Die Deutschen längst verschanzt in Festungen. Und an diese nicht mehr ranzukommen, außer in ihrer Habe. Und das ist der Beginn, Okahandja eine Ritterschaft von 300 Leuten auf Pferden mit Gewehren. Von dort aus entbrennt ganz zentral Namibia, dann über die Wochen im Januar und am frühen Februar, dass was man dann als Aufstand der Herero bezeichnet hat.
Reichherzer:
Kann man das in Phasen einteilen, diesen Konflikt?
Häussler:
Den Gesamt Krieg? Es gibt die erste Phase der Überfälle. Das sind die ersten Wochen, in denen sich die Deutschen einfach nur in der Defensive befinden, versuchen dann auch die Bahnlinie wieder herzustellen. Dann kommen die ersten Verstärkungen, die Bahnlinie kann wieder hergestellt werden. Es werden erste Städte auch entsetzt von außen, das ist schon im Februar, und man beginnt schon im Februar wieder die Initiative zu ergreifen, stellenweise mit Verstärkung. Dann kommt es zu größeren Gefechten im März, April in den Patt ergeben und daraufhin ziehen sich die Herero zurück in die Gegend des Waterberg und dort kommt es dann zum Showdown am 11. August.
Reichherzer:
Und in der Diskussion fällt ja auch oft das Wort „Genozid“- Vernichtungskrieg. Ist der von Anfang an geplant? Wie es? Wie kann man sich diese Ich stelle mir das und wenn ich Ihr Buch auch richtig verstehe, verschiedenste Radikalisierungsprozess, die dann zu diesem Punkt der intentionalen Positionierung Trotas kommen, hier muss ich das Volk der Herero vernichten. Es ist ja nicht von Anfang an. Können Sie mit uns den Weg der Eskalierung zu diesem Punkt nachzeichnen können.
Häussler:
Es ist sehr frühzeitig klar mit dieser geteilten Herrschaft geht es nicht mehr weiter. Es besteht also der Imperativ von Berlin, auch an die Kriegführung ist, diese Gruppen müssen als selbständige Akteure zerstört werden. Das heißt Gruppen als politische Einheiten dürfen nicht mehr weiterbestehen. Das Mag je nach Genozidbegriff schon eine genozidale Tragweite haben, aber eben keine exthermitorisch. Der Ausrottungsfeldzug ergibt sich erst im Zuge eines, also nicht als Aufgehen aller Planung, die man früh schon gefasst hat, sondern nach dem Scheitern aller konventionellen Planung, die man eigentlich angestellt hat. Es ging darum man dachte, man würde am Waterberg eine große Schlacht, konzentrische Schlacht inszenieren können, um die Ovaherero endgültig und vernichtend zu schlagen. Und das geht nicht auf, dass scheitert aus verschiedenen Gründen. So gelingt den Herero die Flucht und die treiben immer weiter nach Osten. Und die Deutschen sind immer einen Schritt zu spät, bis sie irgendwann nicht mehr weiter können. Im eigenen Land, also 150 Kilometer von der eigenen Grenze entfernt, müssen sie irgendwann sagen „Wir können nicht mehr. Die anderen sind weg, wir holen sie nicht mehr ein.“ Von den anderen ist nicht mehr sehr viel übrig. Aber das ist denen gar nicht so klar oder bewusst. Und das interessiert sie schlicht und einfach nicht. Aber dieser total Sieg, darum geht es. Und da entsteht dann eine Situation, in Trotha, dann anstatt einzulenken, wie viele immer raten, darauf beharrt, sagt Nein wir haben unser Ziel nicht erreicht und nur dieser totalen Sieg wäre ein sicheres Fundament für eine weiteres Zusammenleben. Und da betreibt er weiterhin auch eine Absperrung, die die letztlich dazu führt. Und das ist vorhersehbar, dass das die großen Mengen in der Omaheke sterben werden und da ist diese Schwelle überschritten.
Reichherzer:
Also geht dass das Scheitern der Vernichtungsschlacht, ja der gewollte Sieg, der Siegesdruck, der nicht da ist, ja die Schwäche der imperialen Macht, ist der Antriebsfaktor für Trotha, Kommandeur der Schutztruppe, jetzt hier zu einer anderen Form der Kriegführung zu greifen. Hier haben wir jetzt zwei verschiedene Dimensionen von Vernichtung. Einerseits diese Vernichtungsschlag, die im militärischen Denken ist und andererseits diese Soziozieht und Genozid an den Herero, wo auch wieder ein Vernichtungsbegriff ist. Vielleicht kann Christian Stachelbeck hier noch mal uns ein bisschen aus militärhistorischer Perspektive über den Vernichtungsbegriff am Ende des 19. im frühen 20. Jahrhundert einführen. Ich glaube hier ist die begriffliche Schärfung für unsere Diskussion wichtig.
Stachelbeck:
Ja, da müssen wir so ein bisschen uns auch anschauen, welche unterschiedlichen Kriegsbilder da eigentlich so am Ende des 19. Jahrhunderts vorherrschen. Und das sind im Grunde genommen sind es zwei, die teilweise ineinander übergehen. Das eine ist eben schon genannt worden. Das ist der moderne Großkrieg, der mit Massen Heeren geführt wird, der dann in die Vernichtungsschlacht führt, in eine Umfassungschlacht am besten. Das ist das da ist Schlieffen ja bekannt für, das moderne Kriegsbilder, was sich dort entwickelt. Und parallel gibt es ein, was man selbst zeitgenössisch als altmodisch angesehen hat, den sogenannten Detachement Krieg. Das ist ein Krieg auf abgezweigten Schauplatz, wie man es damals schon definierte, der oftmals mit kleineren Truppen Abteilungen geführt wird und der eben nicht eine Entscheidungsschlacht, also eine militärische Entscheidung oder eine Vernichtung des Gegners herbeiführen soll, sondern oftmals in Ermattungstrategien auch reagiert. Das Kriegsbild des kleinen Krieges, also Überfälle im Hinterland, Etappenschutz, Grenzschutz all solche Maßnahmen. Und diese beiden Kriegsbilder gehen teilweise auch ineinander über. Und gerade im Kolonialkrieg sehen wir das. Das sehen wir bei Leutwein und später bei Trotha, die im Grunde genommen eigentlich diese Vernichtungsschlag schlagen wollen. Der militärische Vernichtungsbegriff ist daran gekoppelt, den Gegner auf dem Schlachtfeld so zu dezimieren, dass dann seine Moral gebrochen ist, dass er nicht mehr weiterkämpfen kann. Also der der militärische, der ursprüngliche militärische Vernichtungsbegriff ist kein Ausrottungsbegriff in dem Sinne, der entwickelt sich dann erst danach und es wird auch zeitgenössisch diskutiert. Und das ist wie so eine Dynamik, die sich dort entfaltet und dann diesen Vernichtungsbegriff bis hin zur Ausrottung von ganzen Bevölkerungen weitertreibt. Das entfaltet da so eine gewisse Dynamik. Aber der eigentliche militärische Vernichtungsbegriff ist eher an die Dezimierung der Kampfkraft würde man militärisch ausdrücken auch damals schon gebunden, um den Gegner einfach nicht mehr, dass er nicht mehr manövrierfähig ist, würde man es vielleicht so umschreiben wollen. Das wichtige ist noch mal das will ich noch mal betonen. Es ist so ein bisschen in der Forschung übersehen worden, dass diese beiden Kriegsbilder die Vernichtung Schlacht ist das optimal, was man dann mit Umfassung, was man am liebsten hat. Man kann sogar eine Art Operationsgesetzt, nachdem man strebt. Allerdings sind diese Formen der Kriegführung, wie sie auch dann gerade von den indigenen Gegnern dann geführt, die gerade von den Namen, also Hinterhalte, sich dann zurückziehen. Das sind Dinge, die im deutschen Militär nicht unbekannt sind. Ich habe so den Eindruck oftmals in der Forschung, dass das so ein bisschen zu wenig betrachtet wird. Man ist also durchaus mit diesen Dingen vertraut. Man übt das sogar tatsächlich auch in der Ausbildung. Aber es ist also es ist nicht vorrangig, absolut nicht, dass es Vorrang hat, diese Vernichtungsschlag mit Groß Heeren, mit Massen Heeren geführt. Das ist also eindeutig so. Aber der kleine Krieg ist nicht so war oder überhaupt keine Rolle spielt im Deutschen. Das kann man so nicht sagen.
Häussler:
Und insofern glaube ich also anschließend an das, was er Stachelbeck jetzt sagt, der Vernichtung, dem Vernichtungsgedanken, wohnt hier auch ein gewisses Gewalt gegen das Potenzial in diesem Kontext. Es geht darum sozusagen, auch wenn man sagt jetzt Dezimierung. Im Prinzip geht es ja darum bei diesen Vernichtung, wenn ich das richtig verstehe, geht es ja darum, sozusagen, wenn man diese Moral brechen will, dass man den Zusammenhalt der gegnerischen Formation irgendwie zum Zusammenbruch bringt und das, das kann auch über Dezimierung laufen, aber das kann auch andere Aspekte haben und insofern ist das gar nicht so, muss das gar nicht von vornherein so blutig sein, wie man sich das vorstellt, wenn man es auf Vernichtung hört und das vielleicht noch assoziiert mit bestimmten Sache und umgekehrt. Diese eher der Ermattung Zugang. Es ist nicht per se weniger blutig als eine Vernichtung Strategie, weil zum Beispiel in diesem Detachement, wenn eine solche Patrouille oder ein Detachement unterwegs ist. Man liest nie von Gefangenen denen mitbringen, wir sollen die das auch machen, wenn sie in Bewegungs- oder Begegnungsgefecht dann haben irgendwo, dann wird das dann auch ausgefochten. Da ist die Wahrscheinlichkeit, jedenfalls nach den Quellen, die ich sie kenne, dass da noch Gefangenen das Pardon gewährt wird, ist viel geringer als in einem größeren Verband, in dem vielleicht sogar schon Kriegsgefangenenlager oder so etwas vorbereitet sind vor der Schlacht. Insofern kann die Ermattung irgendwie auch durchaus blutige Konsequenzen haben im Detail und umgekehrt der Vernichtungsgedanke gerade Gewalthegende Elemente.
Stachelbeck:
Ja, absolut, da stimme ich zu. Es ist tatsächlich auch so, gerade der kleine Krieg, der Detachement Krieg, mit diesen Maßnahmen, mit diesen Überfällen wurde dann im deutschen Militär, soweit ich eine zeitgenössische Quelle im Hinterkopf habe, dieser Krieg entfesselt besonders die Volksleidenschaften. Er führt leicht zu Grausamkeiten. Also man unterscheidet tatsächlich diese, diese große Kriegführung von der kleinen Kriegführung betrachtet, die als besonders grausam. Man versucht es gleichzeitig einzuhegen. Und dennoch ist man nicht in der Lage, das tatsächlich auch tun zu können. Krieg entwickelt so eine Dynamik, gerade auch an der Peripherie, gerade in diesem, wie Sie richtig auch ausgeführt haben, durch Überfälle, dann kommen sicherlich auch in Kombattanten Status. Wie sieht man den indigenen Gegner an? Stichwort: „Haager Landkriegsordnung“, will ich mal hier mit einfügen. Das ist ein Regelwerk zwischen sogenannten zivilisierten Nationen, dass waren natürlich die Europäer und die indigenen Völker, seien es die afrikanischen indigenen Völker oder auch in China, die zählten eben nicht darunter. Da kommt natürlich noch mal eine besondere Dynamik, eine Gewalt Dynamik mit hinzu, die sich dann in solchen hinterhältigen Strategien, Taktiken noch mal besonders zur Entladung kommen. Und das wurde auch zeitgenössisch so eingeschätzt.
Häussler:
Und man findet auch in den Quellen, das ist erstaunlich, auch in den edierten Quellen aus der Zeit. In Büchern, Memoiren von Kriegsteilnehmer wird offen darüber gesprochen, dass man die Geschoss Vielfalt, zu Dum-Dum-Geschossen, die eigentlich geächtet sind, dass man Verletzte, irgendwie totschlägt mit dem Gewehrkolben, dass sind Praktiken, die eigentlich geächtet waren und eigentlich geahndet hätten werden müssen zu der Zeit. Aber die galten offenbar für die im Kolonialkrieg vis-à-vis eines Gegners, der eben nicht zu den Signatur Staaten gehörte, diese Abkommen als völlig legitim, so dass man das offen hat bekennen können, ohne sich dafür schämen zu müssen. Und das ist ja auch ein Datum, das in den öffentlichen Diskursen so etwas dann auch so offen eingestanden worden ist.
Reichherzer:
Kann man, wenn man jetzt ein wenig raus zoomt aus dem, was wir jetzt hier gerade gesprochen haben, Phasen ausmachen, die man als vielleicht die Leutweinsche Politik etwa mit dem Stichwort: „Ermattung“, Matthias Häusler, dann Trotha von der Vernichtungsschlacht Gedanken bist hin zur Ausrottung. Sind das so drei Stationen, mit denen man die Eskalationsdynamiken beschreiben könnte.
Häussler:
Im Deutsch-Südwestafrika? Ja, das sind die, das sind diese Stufen aus meiner Sicht, die eben dieses Geschehen dann durchläuft. Das sind, da gibt es ja ein Bezug, diese Ermattung scheint gescheitert zu sein, fälschlicherweise bzw. In dem Augenblick, in dem sich die Metropole einschaltet, ist natürlich auch die Erwartungshaltung eine ganz andere. Da wird dieser Konflikt ganz anders aufgeladen. Es ist ja ursprünglich ein eher regionaler Konflikt, der regionale Wurzeln hat und entsprechend wären Wege der Konfliktbeilegung auch eben in dieser Gemengelage vor Ort zu suchen. Die geraten völlig aus dem Blick. Jetzt schaltet sich die Metropole ein, die Metropole, eine aufstrebende Großmacht, die sagt die Blick nach links, nach rechts. Sie sagt Ja, die Franzosen, die Engländer, die schauen uns alle genau auf die Finger und dürfen uns keine Schwäche erlauben. Schon gar nicht in der Kolonie selber, denn dort wollen wir Herrscher sein. So beginnt dann quasi so ein obrigkeitsstaatlicher Diskurs auch und natürlich auch ein außenpolitischer Diskurs beginnt es dann zu überlagern. Dann gibt es da schon eine Entgrenzung, auch eine Loslösung von den lokalen Wurzeln des Konflikts und eine völlige Entgrenzung auf verschiedenen Diskursebenen. Und eben dieser Vernichtungsgedanke, der sich nicht einlösen lässt, aber trotzdem dieses Beharren auf diesen Dominanzstreben und dieses erbringen dieses Beweises überlegener Gewaltfähigkeit, das ist dann beim Scheitern der Operation, mündet dann schließlich in diese, in diesen Ausrottungsfeldzug. Muss nicht, also nicht notwendigerweise so, sondern hängt auch wesentlich mit Trother zusammen, mit der Person. Es gibt auch Alternativen. Es gibt gerade bei Unteroffizieren, sehr großen Widerstand gegen die, gegen die Kriegführung, vor allem von Offizieren und auch späterhin, sodass man sagen kann, das war nicht alternativlos, es hing sehr, sehr stark auch an der Person. Und wie die sich dem Kaiser in dieser Frage auch verpflichtet sahen.
Reichherzer:
Ich denke, es sind zwei wichtige Punkte, die wir jetzt hier auf dem Tisch haben die Rolle noch mal der Metropole in diesen und deren Auswirkungen auf die lokale Konflikt Konstellation und die Personen, denn auch vor Ort. Bleiben wir jetzt einmal kurz bei der Metropole. Wie ist denn die Wahrnehmung des Krieges denn in Berlin, im Deutschen Reich?
Häussler:
Es ist ein Aufschrei, der zunächst kommt. Da gibt es Räuberpistolen, die dann da auch im Reichstag dann, so Fake News, wenn man so will verbreiten, Menschenfresserei und Vergewaltigung und so etwas, das nicht stimmt. Vor allem diejenigen, die sich dann einschalten und sagen Moment mal, wir hören aber aus sicheren Quellen aus Deutsch-Westsüdafrika, dass die Ovaherero, die die Frauen und Kinder geschont haben, sogar eskortiert haben, dann an die Küsten usw. von wegen Vergewaltigung oder irgendwie alles niedermachen. Das war schon sehr differenziert und vor allem auch alle nichtdeutschen Europäer unversehrt gelassen, mit Bedacht. Das gibt nur Gelächter und Gespött im Reichstag. Also so diese Argumentation dringt einfach nicht durch. Und dann kommen dann im Laufe der nächsten Wochen und Monate dann diese sogenannten Soldaten Briefe. Das wird dann verboten. Da gibt es dann eine Zensur. Es dürfen keine Soldaten Briefe mehr vom Kriegsschauplatz nach Deutschland geschickt werden. Also man fürchtet mehr den Skandal, dass öffentlich werden dieser Sache als die Tatsachen selber. Aber trotzdem gibt es eine offizielle Anfrage an den Gouverneur. Was ist da eigentlich los? Hast du deinen Laden noch im Griff? Da wird berichtet von Grausamkeiten gegenüber Frauen, Kindern aufseiten deutscher Soldaten vor allem und der Gouverneur streitet das nicht ab. Der schreibt nach zwei, drei Monaten, sagt ja es ist bedauerlicherweise so, aber ich kann es auch verstehen. Ich wäre sowieso machtlos dagegen einzuschreiten. Da wäre selbst jemand wie August Bebel wäre als Volkstribun machtlos gegen eine solche Stimmung im Volk. Das ist schon dieses Eingeständnis irgendwie eines schwachen Staates, der sich überfordert sieht. Irgendwie diese privatisierte grassierende Gewalt mit der Einhalt zu gebieten, das ist etwas, was im eigentlich schwelt, auch im Bewusstsein. Es ist immer da, quasi, also so wie das ausschlägt. Es wird gelegentlich verleugnet, aber zum Teil auch eine Rechtfertigung zu.
Reichherzer:
Wenn man jetzt mal wieder nach Namibia, Deutsch Südwest springt. Wir waren jetzt am Waterberg. Die OvaHerero sind in die Omaheke-Wüste getrieben, die Wüste ist abgeriegelt, es gibt ein wahnsinnig großes Sterben. Ist es dann vorbei? Also ist dann die mit dem Tod der Herero die Geschichte des Krieges in Deutsch-Südwestafrika beendet und mit dem Genozid alles vorbei? Oder wie geht die Geschichte dann weiter?
Häussler:
Die sieht das gar nicht als den Abschluss des Krieges, tatsächlich. Also die deutsche Führung überzeugt, auch Schlieffen, also auch wenn die Regenzeit da gewesen ist, dann müsst ihr wieder, dass ist aber dann erst 1905 dem Gegner nach drängen und ihn dann wirklich irgendwie dann zum Kampf stellen und besiegen. Und das passiert dann auch. Das ist dann allerdings mehr oder weniger eine Situation, eine Kampagne, die mit Kampf nichts mehr zu tun hat. Es werden irgendwie so 750 Opfer verzeichnet auf Seiten der Ovaherero. Das sind Verdurstende arme Gestalten irgendwo, die im Feld aufgegriffen werden. Und ich glaube, ein Feldwebel verletzt sich irgendwie. Er bricht sich den Arm, der vom Pferd fällt oder irgendetwas. Also das ist ein völliges Unverhältnis. Aber was ganz wichtig ist, es sind die anschließenden Konzentrationslager, die eingerichtet werden. Und da finde ich, da gibt es eine Stelle von einem zivilen Beamten, der die Konzentrationslager auch in ihrer Verfasstheit rechtfertigt, der sagt sinngemäß: „Nachdem Trotha und sein Feldzug gescheitert sind und wir nicht den Beweis haben erbringen können, dass wir unantastbar sind und total überlegen, müssen wir jetzt zusehen, mit diesen Lagern, auch unter ziviler Aufsicht, dass wir den Leuten dieses Gefühl vermitteln, dass sie nicht sind und wir die Herren. Das wir in Zukunft mit diesen Menschen noch zusammenleben können. Das heißt hier also um diese Scharr des militärischen Versagens auszuwetzen, treten dann diese Konzentrationslager als Institution in die Pflicht. Über Jahre hinweg die Menschen in Verhältnissen gehalten werden, was ihnen eine Furcht als Fundament irgendwie weißer Suprematie einimpfen soll.
Reichherzer:
Ist es denn, wenn man auf das Ganze jetzt zurückblickt, ist es eigentlich so eine Art Durchsetzungskrieg, kolonialer Staatlichkeit? Also ist das ein kolonialer Staatsbildungskrieg, was man hier sehen kann, lokale Ordnung, nennen wir es mal mit dem technischen Begriff „Soziozit“ das Zwingen unter eine Herrschaft. Das Auflösen von anderen Machtkonzentrationen. Ist das Teil in diese, was man im Imperialismus vielleicht verorten kann, eine radikale Durchsetzung direkter Herrschaft. Kann das, was wir jetzt hier beschrieben haben, diese Konflikte, die Eskalation der Gewalt auch als so etwas beschrieben werden? Das sich hier Staatsbildungsgewalt hier letztendlich auch durchsetzen möchte?
Häussler:
Ja und das ist ja gerade das Interessante an dem Fall. Ich glaube, das ist die Wurzel der Eskalation. Und eigentlich hat ja staatliche Herrschaft ein Interesse am Bestand, am Fortbestand der Beherrschten, denn die will man ja ausbeuten und die braucht man gerade dort in dieser Kolonie, wo Arbeitskraft irgendwie so knapp ist. Aber diesen Machtanspruch zu unterstreichen wird in einer Art und Weise fetischisiert, dass letztlich diese ganzen Ressourcen aufgefressen werden, nur um diesen Machtanspruch wirklich unterstreichen zu können. Und damit fällt dieser Anspruch staatlicher Herrschaft irgendwie über sich selber her und über seine eigenen Grundlagen, weil er zum Fetisch wird. Das ist ein massives Problem und das wurde auch gesehen von vielen Zeitgenossen. Es gibt dieses Streben nach diesem Gewaltmonopol und Errichtung echter staatlicher Herrschaft, wenn man so will, durch einen Kolonialstaat. Das ist der Beginn, den das auch nimmt in den Metropolitan Diskursen. Aber es endet dann auch in so partikularen, sehr stark auch von den Siedlern her geführten Diskursen. Sicherheitsbedürfnisse, die Leute können wir ja, die sind so gefährlich, diese Gruppen, die können wir nicht mehr aus den Lagern rauslassen, vor denen sind wir dann nicht mehr sicher. Hier können wir nicht kein Farm Betrieb oder irgendwas machen, wenn die dann noch frei rumlaufen und das ist dann ein Sicherheitsbedürfnis einer Siedler Gesellschaft, was dann auch diese repressiven Maßnahmen sehr stark dann mitbestimmten mehr und mehr und nicht so sehr im Plan einer bloßen Herrschaft Zurichtung stehen.
Reichherzer:
Ja, das sind sehr spannende Punkte und damit können wir auch so den Bogen schließen und dann auf müssen so langsam zum Ende kommen. Ich glaube, wir könnten noch ewig über diese Phänomene reden. Christian Stachelbeck, Matthias Häussler, Vielen Dank. Aber wir sind natürlich noch nicht am Ende. Ich würde Christian Stachelbeck gerne noch mal fragen Was nehmen wir denn jetzt hier aus der Diskussion mit für unser eigenes Projekt, für unsere Projektgruppe die sich mit einer Militärgeschichte kolonialer Gewalt beschäftigt?
Stachelbeck:
Was wir vor allen Dingen, was ich faszinierend finde, zugleich erschreckt natürlich auch gerade aus den Äußerungen und den Statements von Matthias Häussler diese Vielfältigkeit von Gewalt sich in einer Peripherie vom Rande einer Metropole in Kolonien vollziehen kann. Und deshalb finde ich es wichtig und richtig, dass wir uns über den militärischen Einsatzbegriff dort nähern wollen. Die Entsendung von Truppen zur Erfüllung von militärischen Aufträgen. Und wie vollzieht sich das in so einem Raum, wo Frieden und Krieg eigentlich gar nicht genau definiert werden. Wo Frieden und Krieg vielleicht auf besondere Art und Weise losgelöst von einer Haager Landkriegsordnung wie auch immer ausgehandelt werden müssen, zwischen verschiedenen Gewaltakten und wo das Militär oftmals auch ein Grenzgängertum ist zwischen Forschungsreisen, dann sage ich mal Offizieren, dann Wahrnehmung von klassischen militärischen Aufgaben, die kleinere Feldzüge umfassen könnten, bis hin zu Polizeiaufgaben bis hin zu Gerichtsherrn, sage ich mal, wenn irgendein Stationsvorsteher erforscht, wie ein Hauptmann weit ab völlig selbstständig über Leben und Tod entscheidet. Und auch das gehört letztendlich zum militärischen Einsatzauftrag mit dazu und das ist doch ein guter Ansatzpunkt, um jenseits einer allzu eng gefassten Definition, oft einen Blickwinkel auf einen reinen Krieg militärische Gewalt im kolonialen Kontext zu untersuchen. Diese Vielfältigkeit, das finde ich, da sind auch noch eine Menge Punkte, wo wir einiges zutage fördern können. Und das ist eben auch die Aufgabe, die sich unsere Projektgruppe gestellt hat. Das wird über Workshops verschiedene andere Formate und wollen wir in Zukunft weiter aufgreifen und vertiefen. Und ich freue mich darauf. Und ich denke, das wird sehr spannend.
Reichherzer:
Ja, und dazu schauen Sie auch immer regelmäßig auf unsere Homepage. Da finden Sie nicht nur die Themen zum Kolonialkrieg, sondern sämtliche Aktivitäten des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Wir würden uns freuen, wenn Sie da dann auch häufig reinschauen und dann auch bei uns im Haus hier zu Gast sein können. Bevor wir jetzt aufhören, möchte ich noch gerne ein Buchtipp von Ihnen beiden haben. Was ist das, was man lesen sollte, wenn man sich mit kolonialer Gewalt kolonialer Militärgeschichte beschäftigen möchte? Außer dem Buch von Matthias Häussler, dass wir sowieso empfehlen. Und ich muss auch sagen, er hat eine sehr faszinierende Edition der Briefe von Lothar von Trotha mit herausgegeben, die eine für die Forschung fantastische Quelle ist, die gerade Anfang des Jahres erschien. Und hier würde ich auch noch mal den Hinweis geben, dass wenn meine beiden Buchtipps Matthias Häusler und Matthias Häusler beide Bücher die Edition. Es gibt da noch ein Bildband dazu mit den Bildern von Trotha darauf schauen, aber jetzt Matthias Häussler, Was würden Sie empfehlen?
Häussler:
Auf jeden Fall Helmut Blei, 1968 Deutsche Kolonialherrschaft. Das ist ein nach wie vor gerade was die Gewaltverhältnisse, Siedlerschafft usw. betrifft. Es ist bald 60 Jahre alt, aber es ist immer noch topaktuell und viel besser als die meiste Literatur, die seither entstanden ist, meine natürlich inbegriffen. Und insofern ist das etwas, obwohl alt, was ich wirklich, wirklich euphorisch empfehle und jedem nahelegen zu lesen.
Stachelbeck:
An meiner Stelle würde ich auf eine Neuerscheinung hinweisen, nämlich das Buch von Tom Menger, seine Dissertation „The Colonial Way of War. Extreme violence in knowledge and practice of colonial warfare in the British, German and Dutch colonial empires 1890–1914 “ Vergleichende Perspektive auf Kolonialkriegführung. Ich bin gespannt und freue mich auf diese Veröffentlichung.
Reichherzer:
Vielen Dank ihm beiden. Ich habe mich sehr gefreut einen, wenn auch nur kleinen Facettenartigen Blick, auf diese unwahrscheinlich grausame und daher auch für die Forschung sehr wichtige Konflikt Landschaft Deutsch Südwest Anfang des 20 Jahrhunderts blicken zu können. Viel Arbeit ist getan, vieles ist auch noch zu tun und vielen Dank und für Sie zu Hause an den Geräten, schalten Sie bald wieder ein, wenn es „Zugehört“, heißt.