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Zugehört 85 - Transkript

Datum:
Lesedauer:
34 MIN

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Michael Gutzeit: Guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren. Herzlich willkommen zu unserer neuen Zugehört-Folge. Mein Name ist Oberstleutnant Michael Gutzeit. Und ich sitze hier in unserem kleinen Studio mit einer Größe der Politikwissenschaften. Mit Herrn Professor Dr. Carlo Masala. Ich denke, ich muss ihn nicht vorstellen, aber wenn Sie das wünschen, dann möchte ich doch noch sagen, von der Universität der Bundeswehr in München. Herr Professor, herzlich willkommen hier bei uns.
Carlo Masala: Herr Oberstleutnant, vielen herzlichen Dank für die Einladung.
Michael Gutzeit: Wir freuen uns wirklich sehr. Wir freuen uns nämlich auch sehr, dass Sie mit uns über dieses interessante Thema sprechen. Die Folge habe ich genannt. Drama, Drohungen und Drohnen, Washington, Moskau und die NATONorth Atlantic Treaty Organization.
Carlo Masala: Ein sehr klar eingrenztest Thema.
Michael Gutzeit: Es ist nämlich auch deswegen interessant, weil ich habe im September gelesen, dass die NATONorth Atlantic Treaty Organization im Krieg mit Russland ist. Ich habe gesagt, dass Dimitri Peskov vor kurzem über die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti. Und vor einem halben Jahr, wenn ich mich noch recht erinnere, sagte der russische Botschafter, bis jetzt nicht im Kriegszustand. Aber wo stehen wir jetzt?
Carlo Masala: Na ja, laut Vladimir Putin, ist der Westen schon lange im Krieg mit Russland. Also von daher diese Peskov-Aussage jetzt nicht besonders neu und in der Tat der Botschafter in den wenigen Interviews, die ja dann deutschen Medien gibt, hat immer einen anderen Zungenschlag. Aber ich glaube sozusagen, aus der Selbstwahrnehmung Russlands heraus ist Russland im Krieg mit dem Westen. Ich glaube, das hat auch etwas damit zu tun, dass Russland, der seinen eigenen Leuten, also der eigenen Bevölkerung, ja auch irgendwie erklären muss, warum es in dieser aus russischer sich kleinen schwachen Ukraine militärisch nicht besonders gut vorn kommt. Und das kann man dann halt externalisieren, indem man sagt, na ja gut, klar, die NATONorth Atlantic Treaty Organization der Westen unterstützt die Ukraine. Und zwar jetzt nicht nur mit Waffenlieferungen, sondern auch darüber hinaus. Und dann wird es verständlich, wenn Russland im Krieg mit der NATONorth Atlantic Treaty Organization ist, warum es dann halt nicht so schnell vorangeht, wie man eigentlich erhofft hat.
Michael Gutzeit: Wenn ich mich recht erinnere, ist es aber so, dass es da auch eine neue Qualität gegeben hat. Bis vor Kurzem war man immer der Meinung, Russland gräbt sich Zentimeter für Zentimeter in der Ukraine nach vorne. Jetzt habe ich aber gelesen, Pokrowsk zum Beispiel wird wohl nicht fallen. Es gibt Meldungen, russische Truppenteile werden eingekesselt. Selenskyj sagt, die russische Großoffensive im Sommer, die ist sozusagen jetzt abgesagt, ist das etwas Neues für Russland? Und deswegen kommt es jetzt auch auf die Idee, seine Flüge in den Luftraum Estlands durchzuführen oder eben einfach mal fast 20 Drohnen über Polen landen zu lassen, mehr oder weniger.
Carlo Masala: Dahinter steckt ja die Annahme, dass Russland durch diese Sachen davon ablenken will, dass man in der Ukraine halt solche Probleme hat. Ich bin da nicht ganz überzeugt davon. Ich glaube sozusagen, es ist eine parallele Strategie, die wir seit zwei Jahren verfolgen können und die jetzt an Risiko zunimmt, sagen wir mal so. Russland wird immer risikofreudiger bei dem, was es macht. Es geht weiterhin darum, in den Ländern oder in den Gesellschaften der Staaten, die die Ukraine unterstützen, vor allen Dingen der europäischen. Angst auszulösen. Angst vor der großen Eskalation zwischen Russland und der NATONorth Atlantic Treaty Organization. dann über die Gesellschaften sozusagen die Einwirkungen auf die Regierungen, dass jetzt mal Schluss sein müsste mit dieser Unterstützung der Ukraine und dass man jetzt halt irgendwie eine Lösung finden müsste für diesen Krieg, was aus russischer Perspektive bedeutet auf die russische Maximalforderung einzugehen. Also von daher glaube ich nicht, dass es eine Ablenkungsstrategie ist. Ich glaube, das ist eine Strategie, die wir seit zwei Jahren sehen. Aber die jetzt letzten Endes, die Russen nehmen immer mehr Risiko in Kauf, sagen wir mal so.
Michael Gutzeit: Ja, das kann ich auch beobachten. Vor allem aber auch, was die Kommunikation der Politik angeht. Der tschechischer Präsident Petr Pavel hat gesagt, ja, können wir auch einfach mal abschießen. Was halten Sie von Vorschlägen wie diesen auf diese Provokation einzugehen?
Carlo Masala: Also wir reden ja heute an dem Tag, an dem der NACA, der North Atlantic Council getagt hat und ein Statement abgegeben hat zu der Luftraumverletzung in Estland. Letzten Endes in diesem Statement, ich paraphrasiere das mal, gesagt hat, wir sind bereit, alle nicht militärischen und militärischen Mittel einzusetzen, wenn es notwendig ist. Und ich glaube, das ist die richtige Nachricht. Ich habe diese, ja dann schießt sie doch einfach ab. Habe ich immer für problematisch gehalten, nicht nur weil das völkerrechtlich problematisch ist, also selbst wenn ein russischer Kampfflieger sozusagen eine Luftraumverletzung durchführt, gibt das noch keine Handhabe, ihn sofort abzuschießen. Also die Frage ist ja bewaffnet, was ist die Intention und so weiter und so fort und...
Michael Gutzeit: Aber die Türkei hat das 2015 einfach gemacht als Mitglied der NATONorth Atlantic Treaty Organization.
Carlo Masala: Ja, das ist richtig, aber das ist glaube ich nicht zu vergleichen. Weil die Türkei hat damals einen russischen Flieger abgeschossen, der aus Syrien kam.
Die Türkei war im syrischen Bürgerkrieg oder im syrischen Konflikt aktives Mitglied und hatte ohnehin hohe Alarmbereitschaft an der syrischen Grenze. Und das ist was anderes, als wir gerade haben im Baltikum. Also sozusagen, da ist eine gemeinsame Grenze mit Russland, wir sind nicht im Krieg mit Russland und da sind Luftraumverletzungen anders zu Hand haben. Und wir haben ja das ganze Protokoll, der Punkt ist halt nur, dass wir eine sehr defensive Kommunikation in der Vergangenheit hatten- Ich glaube, das Grundproblem ist, dass Russland ganz einfach nicht mehr geglaubt hat, dass diese Abschreckung so wirklich heftig ist und wirklich hart ist, die wir da betreiben. Und dann testet man halt, das Management war gut und das Management war nach Protokoll. Und ich finde jetzt diese Kommunikation des Nordatlantischen Rates zu sagen, wir haben der Eskalation stufen und am Ende der Eskalation stufe steht auch der Abschuss. Also von daher, wir schließen das überhaupt nicht aus, ist genau die richtige Nachricht, die man jetzt senden muss, damit man den Versuch unternehmen Russland davon abzuhalten, so etwas nochmal zu tun in der Größenordnung. Es wird immer Luftraumverletzungen geben, aber halt mit drei, die bewaffnet sind, 12 Minuten, das ist schon eine neue Qualität gewesen.
Michael Gutzeit: Glauben Sie, dass jetzt diese neue klare Kommunikation ein Nachholeffekt ist? Weil, wenn wir auch auf die Seite Washingtons schauen, Trump sagte letztens, als es um Beistand der USAUnited States of America ging, ja, das würde ich, das würde ich tun, sagt er nach Fragen zur Verteidigung von Polen und beiden Staaten im Ernstfall. Auch der neue Botschafter Waltz sagte bei den Vereinten Nationen, die USAUnited States of America würden jetzt jeden Zentimeter NATONorth Atlantic Treaty Organization-Territoriums verteidigen. Das ist ja genau das, worauf, ich glaube, viele Mitgliedstaaten und Bürgerinnen und Bürger der NATONorth Atlantic Treaty Organization gewartet hat, dieses nicht einen Zentimeter Preis zu geben, dieses klare Bekenntnis.
Carlo Masala: Ja ist genau, was es bedarf. Jetzt muss man immer in sozusagen bei den USAUnited States of America vorsichtig sein, weil wir wissen, dass der Präsident jemand ist, der morgen auch genau das Gegenteil sagen kann. Aber in dieser Situation ist das genau die richtige Nachricht, weil ein Teil natürlich der russischen Provokation ja auch dadurch bewirkt wird, dass man in Russland den Eindruck hatte und den hatten wir hier ja auch oder den haben wir noch immer auch, die USAUnited States of America sich sukzessive aus diesem Konflikt zurückziehen, dass die USAUnited States of America sich sukzessive aus sozusagen der Unterstützung Europas im Rahmen der NATONorth Atlantic Treaty Organization zurückziehen. Und dann ist es natürlich aus russischer Perspektive sehr einfach zu sagen, okay, wenn die Allianz Führungsmacht, so offensichtlich kein Interesse mehr zeigt, dann können wir jetzt mal testen, wie eigentlich diese Allianz funktioniert, wenn die Amerikaner so halbwegs draußen sind.
Jetzt zu sagen, pass mal auf Leute, jeder Zentimeter wird verteidigt, ist genau die klare Nachricht, die Moskau braucht, um die Abschreckung wieder herzustellen. Und das ist das Grundproblem gewesen bei sowohl den Drohnen als auch bei den Kampflugzeugen, also den MiGMikoyan-Gurewitsch-31, dass die Abschreckung nicht mehr glaubhaft war, offensichtlich aus russischer Perspektive. Und da hat man zumindest den ersten Schritt gemacht, um die Glaubwürdigkeit der Abschreckung wieder herzustellen.
Michael Gutzeit: Apropos Glaubwürdigkeit, glauben Sie, dass Moskau jetzt im Gegensatz zu früher nicht Amerika oder die USAUnited States of America, sondern Europa als neuen Hauptfeind adressiert hat, weil letztens gab es ja Signale aus Moskau, auch ganz krude Kommunikation, dass Finnland jetzt der neue Hort des europäischen Faschismus sei, noch gefährlicher als die Ukraine, ist das auch wieder eine Maßnahme, um hier Zwietracht und Angst zu sehen?
Carlo Masala: Ja, das ist russische Strategie. Also russische Strategie ist, einen Keil durch die Europäer auch zu treiben. Also das ist eine doppelte Strategie. Auf der einen Seite darauf zu hoffen, darauf zu bauen, dass es sozusagen ein Zerwürfnis gibt zwischen den USAUnited States of America und den Europäern, aber gleichzeitig auch bei den Europäern den Keil dazwischen zu treiben. Und das spielt in diese Strategie mit rein jetzt. Finnland als den neuen Hauptgegner im Prinzip zu erklären. Die ganze hybride Kriegsführung, die man gegenüber Deutschland betreibt und anderen europäischen Gesellschaften betreibt, aus der Perspektive Russlands, und das haben wir ja auch gehört aus dem Kreml, ist es so, dass die Europäer eigentlich diejenigen sind, die jetzt mit der Ukraine zusammen verhindern, dass die Amerikaner und die Russen einen Deal über die Ukraine machen. So, aber von daher sind die Europäer dann natürlich Gegner.
Michael Gutzeit: Ja, wenn es um die Gegnerschaft Europas und Russlands geht, ich denke, das ist einsichtig, aber wie sieht es aus mit der Gegnerschaft oder der ehemaligen zwischen Washington und Moskau? Ist es jetzt so, dass die beiden Putin und Trump aber eigentlich Dealmaker sind und dass wir draußen sind? Wir müssen jetzt zuschauen, was die tun?
Carlo Masala: Im Wesentlichen ist das so, weil wir wissen ja, dass es weiterhin amerikanisch-russische Gespräche gibt. Da geht es um die Normalisierung der ökonomischen Beziehungen. Wir sehen ja, und ich würde das als den ersten Schritt bezeichnen, der Normalisierung, Wir sehen ja dass die Vereinigten Staaten ihre Beziehungen zu Weißrussland normalisieren.
Michael Gutzeit: Ja ich hab Sapad-Manöver gesehen. Sapad-Manöver heißt Westen, russische, belarussische Truppen führen ein Manöver durch. Und ich habe gelesen, zwei amerikanische Militärbeobachter vor Ort, neben übrigens einer ganzen indischen Mannschaft.
Carlo Masala: Genau. Also es haben Inder an dem Manöver teilgenommen und es sind Militärbeobachter eingeladen worden. Ich glaube auch wir Deutschen, wir haben sozusagen abgesagt, wir gehen da nicht hin, aber die Amerikaner sind hingegangen. Und das ist halt im Zusammenhang zu sehen, zu einer Entspannung in den amerikanisch-belarussischen Beziehungen. Weil es ja schon vorher einen Deal gegeben hat, dass Belarus Häftling entlassen hat. Im Gegenzug hat die USAUnited States of America Sanktionen gegen die Belavia (Belarus-Airline), ich weiß nicht wie die heißen, aufgehoben. Was insofern interessant ist, als man davon ausgehen kann, dass das, was jetzt nach Belarus geliefert wird, für deren Airline einen Teil jetzt auch nach Russland geliefert wird, damit sozusagen die russische wieder in die Gänge kommt, die ja aufgrund der Sanktionen ziemlich am Boden lag und viele Maschinen einfach nicht mehr abheben konnten, weil Ersatzteile gefehlt haben. Also von daher ist das auch, glaube ich, als einen ersten Schritt zur Normalisierung der Beziehungen zu Russland zu sehen, in dem man jetzt über Belarus dann auch Russland was zukommen lässt. Also diese Bemühungen gibt es weiter da spielt Europa keine Rolle. Und das ist jetzt meine These. Trump hat sich nie für die Ukraine interessiert, für den war die Ukraine halt nur ein Problem auf dem Weg zur Normalisierung der Beziehungen zu Russland. Und er sieht jetzt, dass er da nicht weiter kommt. Wir wissen nicht, ob er sich sukzessive aus diesem Konflikt zurückziehen wird. Es gibt die Hinweise meines Erachtens. Also momentan findet ihr so einen, auf Englisch sagt man so schön, Blame Game, was wäre ein deutscher Begriff? Also Schwarzer Peterspielstatt. Also Trump sagt, ich bin ja bereit zu super harten Sanktionen, aber nur wenn die Europäer die auch umsetzen. Keinen Öl mehr aus Russland beziehen, 50 bis 100 Prozent Zölle auf China oder auf die Einrichtungen in China erheben, die Russisches Öl und Gas beziehen. Wohl-wissend, dass die Europäer das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht machen werden und nicht machen können, spricht ja nicht umsonst von der NATONorth Atlantic Treaty Organization. Der weiß, dass die NATONorth Atlantic Treaty Organization keine Sanktionen verhängen kann. Aber wenn er von der NATONorth Atlantic Treaty Organization spricht, sind die Türken dabei. Wenn er von der EU sprechen würde, werden die Türken nicht dabei. Wenn er von der NATONorth Atlantic Treaty Organization spricht, sind die Türken dabei. Und die Türken haben bisher noch keine einzige Sanktionen mitgetragen und werden ein Teufel tun, diese Sanktionen sozusagen die Trump verlangt umzusetzen. Also kann dann Trump sagen, ich wäre dazu bereit gewesen, aber die Europäer, dort wo dieser Krieg stattfindet, die wollen nicht, also haben die höchstwahrscheinlich kein Interesse an der Beendigung dieses Konfliktes. Ich bin raus. Das ist durchaus möglich, dass wir das in den nächsten Wochen und Monaten sehen werden.
Michael Gutzeit: Und was ich ja interessant fand um mal die Perspektive zu wechseln, weil in Alaska sind ja sozusagen die USAUnited States of America und Russland Nachbarstaaten.
Carlo Masala: Ja 
Michael Gutzeit: Ist es jetzt auch aufgrund, wie dieses Treffen abgelaufen ist, Zeit, dass wir unser eurozentristisches, unser euroatlantisches Weltbild einfach mal vor der Wand nehmen?
Carlo Masala: Der Punkt ist, wir können uns das noch nicht leisten. Also, wir sind so abhängig von den Vereinigten Staaten, vor allen Dingen also in zweifacher Hinsicht. Auf der einen Seite, wenn die Vereinigten Staaten sich wirklich komplett aus der Unterstützung der Ukraine zurückziehen, haben die Ukrainer ein Problem. Wir können Dinge nicht ersetzen, die die Vereinigten Staaten produzieren. Wir haben jetzt den Deal, dass wir sie kaufen. Aber wenn die Vereinigten Staaten jetzt sagen würden, mit dem Kaufen ist auch nicht, dann haben wir in ein paar Systemen wirklich ein Problem. Und wir haben vor allen Dingen ein Problem, wenn die Vereinigten Staaten den Ukrainern die Kooperation mit Blick auf geheimdienstliche Erkenntnisse, also ISASturmabteilung, entziehen. Das können wir auch nicht ersetzen in dem Umfang. Deswegen müssen wir die USAUnited States of America sozusagen irgendwie versuchen, an Bord zu halten. Das versuchen wir gerade. Und wir haben das Problem, dass wir selber enorm abhängig sind von den Vereinigten Staaten, was unsere eigene Verteidigung anbelangt. Also wir haben ja, ich sage mal im deutschen Kontext, Generalinspektor, Verteidigungsminister, 2029, sind die Russen soweit, dass wenn sie wollen, würden NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitgliedstaats angreifen könnten. Wenn die Amerikaner nicht dabei sind, haben wir wirklich ein Problem. Und wenn die Amerikaner jetzt in den nächsten anderthalb Jahren sagen, wisst ihr was Europa, es war schön mit euch, aber nächsten ersten versucht ihr es mal alleine ohne uns, dann haben wir ein akutes Problem. Also von daher ist diese Tendenz da, wir müssen die Vereinigten Staaten in Europa halten, solange es geht. Oder wenn man das vergleicht, ich weiß, Analogien zwischen Individuen und Staaten sind schwierig. Aber das ist so wie ein Ehepaar, das weiß, dass die Ehe zu Ende ist. Aber der eine Teil, sagen wir mal, Europa ist die Frau, sagt, ich werde die Scheidung auf keinen Fall einreichen. Das muss schon er machen, aber ich werde es auf keinen Fall tun. Und in der Situation sind wir. Und gleichzeitig versuchen wir halt dann unabhängiger von den USAUnited States of America zu werden, indem wir das durchführen, was wir gerade durchführen. Also sozusagen europäische Rüstung, Beschaffung und so weiter und so fort. Ist eine Doppelstrategie, ist eine risikoreiche Doppelstrategie. Aber ich glaube, es gibt keine Alternative dazu, weil wenn wir die Vereinigten Staaten im Prinzip vor die Wahl stellen, wenn wir sie verprellen, dann wird unsere Sicherheitslage wirklich dramatisch schlechter werden.
Michael Gutzeit: Ja, wenn wir mal auf die, Sie haben gesagt, individuelle Ebene, wenn wir mal darauf uns konzentrieren, für mich ist das für uns Europäer auch wirklich sehr schwierig, weil Ich sehe, dass Trump und Putin, das sind, ich sag mal, sehr ähnliche Menschen, zwei sehr ähnliche Männer, die aufgrund ihres Führungsstil, die ich nenn es mal höflich autoritär, natürlich auch eine ganz andere persönliche Ebene haben. Also wenn ich die Plakate sehe, „Trust Trump“ zum Beispiel, dann läuft mir das so ein bisschen eiskalt den Rücken herunter. Glauben Sie, dass wir dann als Europa, die nun mal nicht ein so gewaltiger, einiger Machtblock sind, da eine Chance haben, vor allem kann es auch sein, dass Trump und Putin, Trump versucht, Putin zu gewinnen, um gegen Xi Jinping in Peking einfach ein Partner in Crime zu haben?
Carlo Masala: Das mag sein, dass das mal eine Idee gewesen ist bei einigen Teilen der Trump-Administration. Ich glaube, selbst die Trump-Administration realisiert jetzt, dass das nicht aufgehen wird. Also dass Russland und China in ihrer Gegnerschaft zu den USAUnited States of America und letzten Endes zur Dominanz der Vereinigten Staaten, nicht nur der militärischen, sondern auch der politischen und ökonomischen in den internationalen Beziehungen da relativ geschlossen zusammen zu stehen. Also diese Idee, man macht jetzt im Prinzip den, den umgekehrten Nixen, also Nixen, der dann nach Peking reiste, die Beziehungen zwischen USAUnited States of America und dem kommunistischen China normalisiert hat, weil beide sozusagen die Sowjetunion als Hauptgegner hatten. Das wird mit Russland nicht funktionieren. Das sehen wir, das sehen wir tagtäglich. Russland hat einen Interesse an der Normalisierung der ökonomischen Beziehungen, aber gleichzeitig hat Russland jetzt kein Interesse, sich gegen China zu stellen,weil Russland genauso wie China eine neue Weltordnung will, die die Dominanz der Vereinigten Staaten bricht. Von daher glaube ich nicht, dass diese Strategie  aufgehen wird. Und ich glaube, große Teile der Trump-Administration haben das auch realisiert.
Michael Gutzeit: Was halten Sie davon? Es gibt ja auch Vorschläge, auch aufgrund aktueller politischer Bewegung. Europa oder die Führungspersönlichkeit Europa müsste auch einen ähnlichen autoritären Führungsstil-Kommunikation anwenden, damit sie haben es Ehe genannt, die nicht scheitert oder geschieden wird.
Carlo Masala: Ich glaube, das ist Quatsch, weil ich glaube sozusagen in den USAUnited States of America ist ein Prozess im Gange, die auf eine grundlegende, neu Definition der amerikanischen Rolle in der Welt hinausläuft. Also es ist nicht so, dass die Vereinigten Staaten keine Supermacht mehr sein wollen. Sie wollen weiterhin Supermacht oder Weltmacht sein. Aber sie definieren diesen Supermachtstatus, diesen Weltmachtstatus anders. In den vergangenen 70 Jahren war zumindest den meisten Präsidenten sehr bewusst, dass man Partner und Verbündete braucht um die bei der Stange zu halten, dass man auch bereit sein muss, kollektive Güter zur Verfügung zu stellen. Also dass die Vereinigten Staaten mehr Kosten tragen, als ihre Partner und Verbündeten, um diese Rolle in der Welt zu spielen. Und das wird jetzt grundsätzlich anders gesehen. Jetzt wird es so gesehen, dass die Vereinigten Staaten zwar weiterhin Weltmacht bleiben wollen, aber nicht mehr bereit sind, letzten Endes das zu finanzieren, sondern dass die anderen ihnen dem Weltmachtstatus finanzieren sollen. Da zählt die Zollpolitik dazu. Also diese Idee, möglichst viel Industrie in die USAUnited States of America zu zwingen. Da gibt es ja dann auch die Idee, dass man sich diese Sicherheitspolitik oder den Sicherheitspolitischen Schutz bezahlen lässt. Und deswegen ist der Versuch, Europas hier sozusagen an die alten transatlantischen Beziehungen anzuknüpfen, nur unter neuen Vorzeichen. Ich glaube, das ist vergeblich. Man lasse amerikanischen Perspektive, ändert sich gerade diese Sequenz der amerikanischen Rolle in der Welt. Dafür spricht auch zum Beispiel, dass es jetzt wohl die erste Version der National Defense Strategie gibt, die bei Pete Hegseth auf dem Tisch liegt. Und wie alles, kennt man ja auch aus dem BMVgBundesministerium der Verteidigung, wird sofort durchgeschossen an die Presse. Und da steht ja drin, dass die Hauptaufgaben der amerikanischen Streitkräfte, der Zukunft, Homeland Security und Western Hemisphäre sein sollen. Also Western Hemisphäre traditioneller Begriff für Lateinamerika. Das spielt Europa, wo er keine Rolle mehr. Das knüpft an das, was Hextead am 12. Februar gesagt hat, als er in Brüssel war, das erste Mal in Brüssel war, wo er gesagt hat, Leute, rechnet mir nicht mehr damit, dass wir der primäre konventionelle Sicherheitsgarant für Europa sind. Also von daher, der Blick auf Europa hat sich komplett verändert. Das hat man schon bei der Obama-Administration gesehen, aber bei Trump wird es jetzt wirklich konkret. Ja, auch die Tatsache, dass wir jetzt vor zwei, drei Tagen die Nachricht bekommen haben, dass die Vereinigten Staaten den Verkauf vom Patriot-System, also selbst am Verbündeten, jetzt im Prinzip anhalten, weil sie sagen, wir brauchen die selber. Also das ist alles eine neue Definition der amerikanischen Rolle in der Welt.
Michael Gutzeit: Ja, ich sehe schon, da ist die Beziehungskrise groß. Wäre es eine Möglichkeit, dann Ihrer Meinung nach vielleicht aber zu sagen, wenn wir uns in diesem Ehe-Szenario befinden, dass sie sagen, okay, Herr Trump, dann erfüllen wir den Wunsch und wir konzentrieren uns auf ihre Energieforderung und wir brechen jetzt wirklich komplett in Europa die Beziehung ab. Zum Beispiel auch Slowakei, Ungarn, kauft kein russisches Öl mehr, was sie aber ja tun.
Carlo Masala: Also ich würde sagen, das sollten wir nicht wegen Trump tun, sondern das sollten wir tun, weil wir anderenfalls ja weiterhin, glaube ich, 20 Millionen pro Jahr in die russische Staatsgasse spülen. Also wir haben ein eigenes Interesse daran, Russland zu schwächen durch die Tatsache, dass sie noch Staaten sind, die Öl und Gas abnehmen.
Michael Gutzeit: Von der Ukraine?
Carlo Masala: Genau. Und deswegen würde ich sagen, das hat mit Trump jetzt erst mal wenig zu tun. Ich hätte taktisch gesagt, wir sind dazu bereit und dann hätte ich den Ball wieder in das Feld Trump gespielt, weil ich glaube ja, dass Trump im Leben keine Sanktionen verhängen wird, also auch vor allen Dingen nicht gegen China. Deswegen jetzt, als Europa so reagiert, dass ich gesagt habe, ja, wir machen das sofort und jetzt mal sehen, dass Sie im Prinzip das Gleiche drauflegen. Dann hätten wir gesehen, dass die Vereinigten Staaten das nicht wollen.
Carlo Masala: Ja, das finde ich tatsächlich brutal. Also, wir warten auf die angekündigten Sanktionen, auch was China angeht, TikTok Deal. Also die Einigung so, wie sie gelaufen ist. Ich glaube, für China ist das annehmbar.
Michael Gutzeit: Also wenn ich das richtig sehe, behalten die ja sozusagen den Algorithmus.
Carlo Masala: Genau. Und
Carlo Masala: das ist ja der Kern von diesem ganzen, von
Michael Gutzeit: Ja. Aber wenn wir nochmal auf die Energiefrage abstellen, wenn es so wäre, dass selbst zum Beispiel die europäischen Staaten, die noch Russisches Öl kaufen, dem entsagen würden, dann steigen die Energiepreise in diesen Ländern. Und wir wissen, gerade wenn es um Länder geht, wo Bruttoinlandsprodukt nicht so hoch ist, die Energiekosten aber steigen, sind innere Unruhen zu befürchten oder Umwälzungen im Sinne von Wahlentscheidung. Wie groß ist dieser Angriffsektor, den wir an Moskau denken?
Carlo Masala: Der ist groß, aber letzten Endes geht es ja, ich sag jetzt mal so, meine persönlichen Meinung. Wer hätte denn was dagegen, wenn es in Ungarn Regime wechselgeben würde? Wer hätte denn was dagegen, wenn es in der Slowakei ein Regime wechselgeben würde? Also das sind zwei pro-Russische Regierungen. Wenn die stürzen, können wir alle nur froh sein.
Michael Gutzeit: Ja, wir nicht. Aber ich denke, dass gerade diese Länder alles dafür tun werden, dass es eben nicht ihre Abweichung gibt.
Carlo Masala: Genau, richtig, genau richtig. So, der Punkt ist, ich glaube, da gehen wir auf ein grundsätzliches Problem ein, für das es auch keine Lösung gibt. Kriege werden nicht gewonnen, indem man versucht sozusagen, möglichst wenig Geld auszugeben. Also Kriege werden nur gewonnen, wenn man einen hohen Preis dafür zahlt. Das ist historisch immer so. Und wir dazu nicht bereit. Wir haben die letzten dreieinhalb Jahre versucht sozusagen, die Ukraine zu unterstützen, aber gleichzeitig hier alles im Balance zu halten. Was dazu geführt hat, dass die Unterstützung der Ukraine eher so suboptimal war ganz oft. Historisch gesehen ist das Quatsch. Und wir kommen jetzt an den Punkt, wo wir einfach sehen, es geht so nicht weiter. Und jetzt ist die Frage, sind wir bereit sozusagen einen höheren Preis dafür zu zahlen? Und ich sage jetzt mal immer so, wenn ich mehr Macron anhöre, wenn ich mehr Merz anhöre oder andere, die immer die extrem enorme Bedeutung der Ukraine für die europäische Sicherheit hervorheben. Was ich ja genauso sehen würde. Da muss man sagen, da muss man auch mehr ins Risiko gehen, auch mehr ins Innenpolitisch-Risiko gehen. Dazu sind aber alle nicht bereit, weil sie gerne wieder gewählt werden wollen oder weil sie eine gewisse Stabilität in ihren Systemen erhält. Und das ist der grundlegende Widerspruch, den wir haben bei der Unterstützung der Ukraine und den kriegen wir nicht aufgelöst. Das ist ganz einfach der Punkt, glaube ich.
Michael Gutzeit: Ja, einen Punkt möchte ich noch machen. Auch nochmal vielleicht Richtung China schauen. Ich habe bei der Parade zum 80. Jahrestag Ende II. Weltkrieg in Peking gesehen, dass da der ungarische Außenminister mit paradiert. Zwar nicht mit Schulterschluss an erster Stelle, neben auch Nordkorea, sondern eben da hinten. Aber er war dabei. Wie bewerten Sie die Rolle, oder wie sieht vielleicht auch Trump Europa in Bezug auf China? Weil will er, dass auch Europa sich geschlossener gegen Peking wendet und dann solche Bilder eben nicht sehen?

Carlo Masala: Also ich bin mir nicht sicher momentan. eigentlich die Trump-Politik gegenüber China ist. Als Trump ins Amt gekommen ist, waren wir eigentlich alle mit Blick auf das, was im Wahlkampf zu hören war, was so Magerleute, die Außenpolitik machen, geschrieben haben. Wir waren ja alle sehr überzeugt davon, dass es das sozusagen die Konfrontation mit China steigen wird. Und dann kam die Zölle, also diese 500 Prozent Zölle, die er zunächst einmal auf China gelegt hat, die sprechen ja auch dafür. Was wir gesehen haben, ist allerdings, dass es in diesem Umfeld von Trump zwei Lager gibt. Also ich würde jetzt mal sagen, die harten Mager-Nationalisten, die China als die größte Bedrohung ansehen. Und dann aber diese ganzen Tech-Leute, die unglaubliches Geschäftsinteressen in China haben und eigentlich keine harte Gangart gegen China wollen. Was ich jetzt so beobachte, also den TikTok-Deal haben Sie gerade eben erwähnt, ist, ich bin mir nicht sicher, ob jetzt diese Tech-Leute die Oberhand gewinnen, was China anbetrifft. Also wir sehen ja sozusagen, dass das mit diesen harten Zoll-Politik sowieso nichts wird, weil die Chinesen haben den USAUnited States of America gezeigt, welche Schmerzmittel sie zur Verfügung haben, nämlich Rohstoffe. Wir haben diesen TikTok-Deal auch völlig anders als noch im Wahlkampf angekündigt. Und ich bin mir nicht sicher, ob jetzt sozusagen das wirklich in einer harte China-Politik münden wird. Auch mit Blick auf die gerade erwähnte National Defense Strategy, wo man ja erwartet hätte, sozusagen Hauptaufgabe ist, ja, vielleicht Homeland Defense, klar. Aber dann Containment oder Balance of Power, verhindern, dass die Chinesen die Hegemonie über Asien erlangen, davon ist ja nichts zu lesen. Von daher bin ich mir unsicher, ob nicht gerade diese Tech-Leute die Oberhand gewinnen in der Trump-Administration mit Blick auf die China-Politik.
Michael Gutzeit: Was Unsicherheit angeht und Tech, da schaue ich auch auf Indien. Bin ich mir auch gerade sehr unsicher, wie sich Indien in dem aktuellen Szenario bewegen wird. Indien ist sehr mächtig natürlich als Staat der Bricks Staaten, aber genauso gut vom Westen, wenn wir noch von ihm sprechen können, umkämpft. Wo sehen Sie die Rolle Indiens, mal abgesehen von den indischen Soldaten beim Sapad-Manöver?
Carlo Masala: Ich glaube, die Inder machen das, was sie die letzte Zeit immer gemacht haben und das werden sie auch in Zukunft machen. Sie halten sich alle Optionen offen. Indien wird kein Staat sein, das hat natürlich auch etwas mit der Auspolitischen Tradition Indiens zu tun. Also Nehru, als die Ikone, Außenpolitischen Ikone. Die Inder werden kein Staat sein, der sich dauerhaft irgendwo bindet, weder bei der Bricks noch in einem engen amerikanischen indischen Verhältnis. Ich glaube, die Inder sind darum bemüht, für sich das Beste rauszuholen. Das machen sie momentan eigentlich ganz gut, weil jeder bult um Indien. Die Inder sind so klug, sozusagen nicht nur ein Angebot anzunehmen, sondern mehrere Angebote anzunehmen, das machen sie sehr erfolgreich. Sind in einer engeren Kooperation mit den Franzosen, Franzosenverkauf und Raffael dahin. Jetzt entspannen sich die indisch-amerikanischen Beziehungen gerade weder, aber sie sind halt auch bei der Bricks dabei und bei der Shanghai Cooperation und...
Michael Gutzeit: Da habe ich auch noch mal eine Frage. Als ich da Xie, Putin und Modi sah, also da dachte ich schon, also das ist ja fast eine neue, wenn wir mal die Ehe nehmen, also das ist ja schon fast eine Dreierbeziehung.

Carlo Masala: Ja, ich glaube, das war ein bewusstes Signal dahin. Also erstmal muss man ja sagen, Indien ist Mitglied der Shanghai Cooperation und nicht erst seit gestern. Dieser Gipfel stand an und Modi hatte seine Reise dahin angekündigt. Also hatte das vollzogen. Aber natürlich fand das statt in der Zeit, als die Amerikaner nochmal 25% auf die ohnehin schon hohen Zölle nochmal darauf gepappt haben. Und für Modi, glaube ich, ist es eine gute Gelegenheit, den USAUnited States of America zu sagen, es gibt auch Alternativen. Und überlegt euch gut, ob ihr wirklich wollt, dass wir komplett in das andere Lager hingehen. Und das hat er sehr gut gemacht, glaube ich. Und jetzt sehen wir ja, es gab wieder ein Telefonat zwischen Modi und Trump und die Kommunikation von beiden war ein großartiges Telefonat. Wir sind im Gespräch und wir wollen ganz viele Sachen zusammen machen. Deswegen, das haben die Inders schon sehr geschickt gemacht. Also im Prinzip, wenn man das so mal sagen darf, von der Shanghai Kooperation und Organisation, den Amerikanern den Mittelfinger gezeigt und die Amerikanern die Nachricht verstanden.
Michael Gutzeit: Ja, Kommunikation ist das A und O und in jeder Beziehung, aber... 
Carlo Masala: Sie sollten nicht zu oft bei Beziehungen bleiben, sonst wird das ja noch ein Beziehungspodcast.
Michael Gutzeit: Gut, dann machen wir Familie, da setze ich Familie. Und glauben Sie, dass die Bricks starten, eine engere Familie werden im Vergleich zum Westen? Also, dass das der neue Gegenpult ist?

Carlo Masala: Nein, definitiv nicht. Also, die Bricks sind ein sehr heterogenes Konglomerat, die eint alle der Wunsch, die internationale Ordnung zu verändern. Da passieren ja viele Dinge, die sozusagen in Vorbereitung auf diese Veränderungen wirken sollen. Aber sie sind als Gruppe sehr heterogen. Also, das wird keine homogene Masse werden, auch in Zukunft nicht. Wenn man sich den chinesischen Diskurs mal anschaut, den internen, im Rahmen der Bricks, aber auch im Rahmen der Shanghai Cooperation und Organisation, reden die Chinesen immer gerne von der multipolaren Weltordnung. Wo es halt keine Übermacht gibt und viele regionale Zentren in China reden sie aber immer von der bipolaren oder der unipolaren Weltordnung. Also, für die Chinesen des Bricks halt auch nur ein Instrument, um letzten Endes ihr Ziel zu erreichen, nämlich auf Augenhöhe zu den USAUnited States of America zu kommen. Und dann langfristig die USAUnited States of America zu überholen. Deswegen, ich glaube nicht, dass Bricks sozusagen eine wirkliche Handlungseinheit werden wird. Die werden jetzt zusammengehalten in ihrer Opposition zu dem von den USAUnited States of America dominierten internationalen System. Aber wenn man sich anschaut, haben hier ganz viele Konflikte auch untereinander.
Michael Gutzeit: Ja, ich verstehe. Also, BRICS keine Handlungseinheit. Handlungseinheit Westen natürlich gestört. Aber glauben Sie, dass wir in dieser aktuellen Krise das Potenzial haben und wieder zu einen oder müssen wir darauf noch lange warten?
Carlo Masala: Nee, ich glaube, wir müssen den Westen neu definieren.  Also, ich glaube sozusagen, das, was wir jetzt also allgemein als Westen aus einer deutschen Perspektive bezeichnen, ist ja für Deutschland die EU auf der einen Seite und sich als politische NATONorth Atlantic Treaty Organization, die dann den engen Schulterschluss zu den Vereinigten Staaten bietet. Das sind beides Institutionen, das muss man ganz einfach so sagen, so richtig handlungsfähig nicht mehr sind. Also wir sehen ja die zentrifugalen Kräfte in der EU. Also wir haben halt in der EU, eine große EU. Ich glaube, wo sich alle darin einig sind, dass man einen Binnenmarkt braucht. Aber alles, was darüber hinausgeht, wenn Sie immer mindestens einen finden, der da nicht mitziehen will. So, und in der NATONorth Atlantic Treaty Organization haben wir das Problem mit den Amerikanern. Da haben wir zwar auch die Ungarn drin und die Slowaken und die Türken, aber das Problem ist halt das transatlantische Problem. Und ich sage nicht, dass man diese Organisationen aufgeben soll. Das ist nicht der Punkt. Aber ich glaube, wir müssen zu etwas kommen und ich sehe diesen Prozess ja schon am Rollen letzten Endes, in dem dieser Westen wesentlich flexibler wird. Nicht die Institutionen aufgeben, aber es geht darum möglichst breite Koalitionen in diesen Institutionen zu geben. Aus Mitgliedsstaaten, die gemeinsame Interessen haben. Wenn man jetzt zum Beispiel auf die EU schaut, da sieht man, dass das gerade passiert. Und die so klug sind zu sagen, man muss über den EU-Rahmen hinausgehen, weil man braucht auch Länder wie Großbritannien und Norwegen. Ich würde immer noch sagen, auch noch die Türkei, aber darum geht es momentan nicht. Also möglichst breite Koalitionen europäischer EU-Staaten, unter Einfluss europäischer Nicht-EU-Staaten. Und letzten Endes würde ich noch einen Schritt weitergehen. In Zukunft muss man den Westen auch globaler denken. Weil wir haben halt, ich sag mal, die letzte Umfrage im Kanada, hat irgendwie gesagt, dass 86% der Kanadier gerne Mitglied der EU werden wollen. Das werden sie nicht können, aber das hindert uns ja nicht daran, sozusagen in viel engere Beziehungen mit Kanada zu gehen. Das hindert uns ja nicht daran, in viel engere Beziehungen mit Staaten des globalen Südens zu gehen. So ein gewisser Interessenskern geteilt wird. Also wofür ich plädiere ist, der Westen muss flexibler, pragmatischer und größer werden. Und dann gibt es eine Chance irgendwie ein Gewicht in dieser internationalen Politik zu sein. Ich glaube, wenn wir uns nur auf das Klassische konzentrieren, also EU plus NATONorth Atlantic Treaty Organization, dann wird Europa in diesem zukünftigen internationalen System eine sehr nachgeordnete Rolle spielen.
Michael Gutzeit: Das finde ich ein sehr interessanter Gedanken, den Westen globaler zu sehen, und vielleicht sogar Staaten wie Kanada in die EU aufzunehmen.

Carlo Masala: Das geht ja nicht, aber sozusagen das hindert ja nicht daran, sie viel enger an die EU ranzubringen.
Michael Gutzeit: Ja, so viel besser ausgedrückt. Nur auch wenn wir mal über die EU nachdenken und auch die deutsche Rolle in der EU kommen wir aus diesem Dilemma, vielleicht auch einfach raus, in dem Deutschland eine stärkere Führungshrolle, eine meditärische Führungshrolle in den USAUnited States of America will, weil genau
Carlo Masala: In den USAUnited States of America?
Michael Gutzeit: Nein, natürlich nicht, gegenüber den USAUnited States of America. Weil genau das fordern ja zum Beispiel auch die Deutschen in der Bevölkerungsumfrage 2025, dass Deutschland eine stärkere militärische Führungsrolle für sie übernimmt.
Carlo Masala: Ja, die einfache Antwort auf ihre Frage ist ja definitiv.Das kompliziertere Problem ist, ich bin mir nicht sicher, ob die politische Elite das mental dazu schon bereit ist. Also wir sehen ja, wir tun viel, um die Bundeswehr besser auszurüsten. Und wir diskutieren natürlich sehr viel, sozusagen wie kann man das machen und wie lösen wir das Personalproblem und so weiter und so fort. Da gibt es schon einen sehr starken Fokus auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Ich habe nur Zweifel daran, ob eigentlich sozusagen der mentale Wandel bei den politischen Eliten erfolgt ist, denen klar ist, was das eigentlich bedeutet, wenn man jetzt, und jetzt zitiere ich mal den Kanzler, aber der vorherge Kanzler hat das auch gesagt, wenn man anstrebt, dass die Bundeswehr die stärkste konventionelle Armee der NATONorth Atlantic Treaty Organization werden soll. Daraus resultiert ja eine gewisse Verpflichtung. Die Verpflichtung ist dann auch militärisch zu führen und das entspricht erstmal nicht unserer Kultur. Wir führen gerne politisch, wir führen gerne ökonomisch, militärisch, fahren wir gerne im Geleitzug. Und das geht dann nicht mehr. Wenn ich mir so angucke Diskussionen über eine Deterrence Force europäischer Staaten in der Ukraine, dann bin ich mir nicht so ganz sicher, ob wir mental verstanden haben, was eigentlich aus dieser Politik, die wir betreiben, auf der materiellen Ebene, was da eigentlich für Verantwortung daraus resultiert. Das ist so mein großes Problem, dass ich mir nicht so sicher bin, ob das wirklich allen bewusst ist.
Michael Gutzeit: Ja, das ist ein guter Punkt, der mentale Wandel. Ich denke, da sind Sie auch mit Ann Applebaum gut bekannt, weil sie sagt ja zum Beispiel auch, Putin zählt zu seinem Imperium auch Berlin und Deutschland. Und ich glaube, Sie haben auch gerade ein Buch geschrieben, was wenn Putin gewinnt, glauben Sie, dass die Politik auch ihr Buch gelesen hat und dann vielleicht auch ihre Handlungsempfehlungen daraus abgeleitet hat?
Carlo Masala: Also ich weiß, dass die Politik mein Buch gelesen hat. Ich glaube nicht, dass sie meine Handlungsempfehlungen folgt. Also ich glaube, so ein Einfluss hat niemand von außerhalb auf irgendwelche Politiker. Aber wenn wir nochmal auf diesen mentalen Mantel eingehen, ich glaube, es ist jedem klar. Und da sehen wir sozusagen diesen Zwiespalt. Es ist jedem klar, und das wird ja auch so gesagt, dass wenn Russland in der Ukraine gewinnt, dass die Sicherheitssituation für Europa sich dramatisch verschlechtern würde, dass wir möglicherweise damit zu rechnen hätten, dass Putin entweder einen Krieg gegen ein NATONorth Atlantic Treaty Organization-Land führt oder aber die NATONorth Atlantic Treaty Organization testet. Und jetzt kommt der Punkt. Wenn ich mir diese ganze Diskussion, die wir haben, um zum Beispiel die Deterrence Forces in der Ukraine, wenn ich mir die anschaue, dann ist doch das Signal, dass wir aussenden, dass wir eigentlich überhaupt gar keine Lust darauf haben, in eine Situation zu geraten, wo ein deutscher Soldat auf einen Russen schießen muss. Aber dann kann ich nicht abschrecken. Und wenn ich nicht bereit bin, in der Ukraine deutsche Soldaten hinzuschicken, wo die Ukraine doch so wichtig ist, wie alle sagen, dann ist doch die Frage, was ist das eigentlich für ein Signal an das Baltikum? Nur weil wir, also weil Staaten 1949 einen Vertrag unterschrieben haben, wo sie einen Artikel 5 eingefügt haben, heißt das ja nicht, dass sie bereit sind, diesen Artikel 5 auch wirklich konsequent umzusetzen. Und das meine ich mit mentale Wandel. Wenn wir den Eindruck geben, wir wollen keine Konfrontation mit Russland, wie wollen wir denn abschreckend wirken? Wir müssen letzten Endes den Eindruck erwecken, wir haben keine Lust auf eine Konfrontation mit Russland, aber wenn sie kommt, sind wir bereit. Und den Eindruck, den wir erwecken, ist, wir haben keine Lust auf eine Konfrontation mit Russland, und wir wollen die unter allen Umständen vermeiden, und deswegen sind wir defensiv und tun nichts, möglicherweise Russland nicht gefällt.
Michael Gutzeit: Möchten Sie vielleicht bei dem Punkt Ihre Handlungsempfehlungen nochmal zusammenfassen?
Carlo Masala: Ich glaube, das sind drei Handlungsempfehlungen, die ich habe. Das eine ist diesen Weg, den wir mit der Ausrüstung, der Streitkraft, also nicht nur Deutschland, sondern überall jetzt vollziehen, den konsequent weiterzugehen. Da sehe ich ein paar Risiken in den nächsten Jahren. Der zweite Punkt ist, der eigentlich noch viel wichtiger ist, weil Abschreckung beruht ja nicht nur auf der Verfügbarkeit vom Material. Sondern jemand muss ja glauben, dass man wirklich dieses Material bereit ist einzusetzen. Und viel wichtiger ist halt die psychologische Dimension von Abschreckung. Und da müssen wir Kohärente Kommunikation haben. Es darf keinen Zweifel daran aufkommen, dass wir bereit sind, das, was wir haben, auch einzusetzen, falls es notwendig ist, weil nur das schreckt ab. Ich kann Panzer haben so viel wie ich will oder Drohnen, tausende von Drohnen haben, wenn mein gegenüber den Eindruck hat, die setzt er sowieso nicht ein, dann wirkt das nicht abschreckend. Und der dritte Punkt und den halte ich generell in diesen ganzen Fragen für den Zentralsten, wir müssen viel stärker auf die Resilienz unserer Gesellschaft hinarbeiten. Weil wenn unsere Gesellschaft nicht resilient ist, also die Deutsche und andere, die nicht bereit sind, den Preis zu zahlen, den ein möglicher Bündnisfall nach sich ziehen würde. Und mit Preis meine ich, es wird auch im politischen und ökonomischen Preis für all jene haben, die in Deutschland dann bleiben werden, dann werden die Streitkräfte nicht lange in der Lage sein, ihren Auftrag durchzuführen. Weil letztendlich der Druck auf Regierung dann so groß wird, dass irgendwann mal sozusagen die Streitkräfte zurückgezogen werden. Das heißt, diese Resilienz der Gesellschaft ist für mich überhaupt die zentrale Voraussetzung für all das andere, was wir machen. Also für all diese Beschaffungen, die jetzt für die Bundeswehr kommen, für all diese Vorbereitungen, die wir treffen, damit wir abschreckend wirken, ist die Resilienz der Gesellschaft zentral. Und das ist der Punkt, wo ich sage, da stehen wir wirklich erst ganz am Anfang der Zeitenwende. Denn das ist die richtige Zeitenwende, nicht sozusagen die Ausrüstung der Bundeswehr.
Michael Gutzeit: Ich denke, das sind drei sehr gute Punkte, also Kommunikationsstärken für Glaubwürdigkeit, Sorgen und Resilienz sichern. Ich glaube wirklich ein kurzes, klares Rezept, um aus diesem Schlamassel herauszukommen von Drama, Drohnen und Drohnen der Beziehung der Ehe, wie auch immer, zwischen Washington, Moskau und der NATONorth Atlantic Treaty Organization. Herr Professor, vielen, vielen Dank, dass Sie heute hier bei uns Potsdam waren.
Carlo Masala: Vielen herzlichen Dank für Ihre Einladung zu diesem Podcast.
Michael Gutzeit: Und liebe Damen und Herren, herzlichen Dank fürs Zuhören. Das war unsere neue Folge zugehört mit dem Titel Drama, Drohnen und Drohnen, Washington, Moskau und die NATONorth Atlantic Treaty Organization.

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