Zugehört 82 - Transkript

Zugehört 82 - Transkript

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36 MIN

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OTL PDPrivatdozent Dr. John Zimmermann: Herzlich willkommen, sehr geehrte Hörerinnen und Hörer zu Zugehört dem Podcast des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Mein Name ist John Zimmermann. Ich bin Leiter des Forschungsbereich zwei Militärgeschichte bis 1945 und begrüße Sie zu unserer heutigen Folge, zum Titel Passage in 1945 Kriegsende und Neuanfang. Im Mai 1945, also dieses Jahr vor 80 Jahren, endete der Zweite Weltkrieg mit dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition und der damit verbundenen Befreiung vom NSNationalsozialismus-Regime in Europa.
Anfang September dann auch der globale Krieg mit der Kapitulation des japanischen Kaiserreichs. Dazwischen fand im Juli und August die Potsdamer Konferenz statt, in der die sogenannten Großen Drei das weitere Vorgehen berieten und dabei ihre bestehenden Gegensätze nur mit Mühe verdecken konnten. Trotzdem starteten die Siegermächte bereits im Herbst 1945 die rechtliche Aufarbeitung und saßen in Nürnberg gegen als Kriegsverbrecher angeklagte Deutsche zu Gericht.
Daher gilt 1945 bis heute allgemein als eine, wenn nicht sogar die weltpolitische Zäsur des 20. Jahrhunderts bis zum Ende des Kalten Krieges. Grund genug also für das ZMS, sich mit dieser Phase der Weltgeschichte noch einmal genauer zu befassen und sie womöglich auch neu zu durchdenken. Dazu haben wir uns mit der Stiftung Preußische Schlösser Brandenburg-Berlin und mit dem Museum Berlin Karlshorst zusammengetan und versuchen, mit drei Experten, die sich gleich ihnen vorstellen werden, die Thematik noch mal zu durchleuchten.
Dr. Jürgen Luh: Schönen guten Tag mein Name ist Jürgen Luh vom Research Center Sanssouci. Ein Zusammenschluss der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten mit den Universitäten Potsdam und Frankfurt/Oder und bin interessiert vor allem an der Potsdamer Konferenz, über die wir vor fünf Jahren eine große Ausstellung hatten.
Dr. Jörg Morré: Guten Tag ich bin Jörg Morrè der Direktor des Museums Berlin Karlshorst. Wir sind der historische Ort an dem am 8. Mai 1945 die Wehrmacht vor dem damals sowjetischen Hauptquartier kapitulierte.
Dr. Frank Reichherzer: Ja und ich bin Frank Reichherzer. Ich bin auch Mitarbeiter im ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, auch im Forschungsbereich zwei und mich interessieren vor allen Dingen die Übergänge der Gewalt im Jahr 1945, wo man eigentlich nicht von einer Stunde Null sprechen kann, sondern auch unsere Titel Passage 1945 glaube ich mehr Anhaltspunkte gibt, die Zeit besser begreifen zu können.
Zimmermann: Herzlich willkommen hier im ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr auch ihnen drei und meine Frage gleich an Frank Reichherzer. Können Sie uns die Situation Ende des Zweiten Weltkrieges, also zwischen Konferenz, die noch kommen wird, und dem Ende des Krieges in Europa, dem Ende des globalen Krieges, dann auch im Pazifik, können Sie uns die Situation kurz darstellen, wie die sich ergibt?
Reichherzer: Die Situation ist ja sehr komplex. Das Deutsche Reich kapituliert am 8. Mai oder am 9. Mai, je nachdem welche Zeitrechnung man anlegen möchte aber es gibt auch schon vorher Teilkapitulationen im Westen, dann auch noch im Süden in Italien und in dieser Phase des Übergangs geht dann auch langsam die Herrschaftsgewalt auf die Alliierten über. Und nach den Konferenzen von 1945, von Jalta wo die sogenannten Großen Drei die Gestaltung Europas aber vielleicht auch die Gestaltung der Weltordnung nach 1945 sprechen wollten wird das nun hier in Potsdam auf der Potsdamer Konferenz bzw. Berliner Konferenz, wie sie sogar zeitgenössisch hieß, versucht weiter zu verhandeln. Und die Deutsche Frage, aber nicht nur die Deutsche Frage, zu verhandeln und zu besprechen und auch zu Maßnahmen zu kommen, wie denn dieses besiegte Deutsche reich behandelt werden soll, wie man mit ihm umgehen soll und vor allem aber auch wie es regiert werden soll.
Zimmermann: Ja, Sie sprechen von den großen Drei. Herr Morré, Sie sind ja Leiter des Museums am historischen Ort eines der großen Drei. Die Rote Armee hat dort oder Stalin hat darauf beharrt, dass dort die Kapitulationsurkunde noch mal unterschrieben wird vor Vertretern der Sowjetunion. Sind es nicht eigentlich die großen Vier, wenn wir jetzt an die Siegermächte denken? Fehlt da nicht Frankreich?
Morré: Na ja zwei Einlassungen dazu. Es gibt die Anti-Hitler-Koalition. Und das sind wirklich nur drei: Das ist eben die Sowjetunion, Großbritannien und die USAUnited States of America. Die kämpfen sehr lange, sage ich mal ganz allgemein, gegen das nationalsozialistische Deutschland. Diese Dreiergruppe findet sich erst im Jahre 43. Auch das ist ein längerer Prozess - nicht so einfach schnipp und jetzt kämpfen wir alle gegen Hitler. Und die stellen diese Bedingung auf, also als Kriegsziel bedingungslose Kapitulation. Das ist schon, das kann man sich heute auch noch mal viel besser vorstellen, das ist schon ein sehr hoher Anspruch. Also zu erwarten, dass das Deutsche Reich ohne jegliche Aushandlung von irgendetwas kapituliert, vor allen Dingen unter der Führung von Hitler. Frankreich na ja ist besetzt, vollständig besetzt zu dem damaligen Zeitpunkt. Es gibt eine Exilregierung in Großbritannien und naja das europäische Festland wird zwar schon 43 im Süden von Italien dann betreten aber die große Wende ist erst im Sommer 44. Also das sind alles relativ späte Entwicklungen. Darauf will ich hinaus. So dass also bis fast zum Schluss immer nur diese drei Länder sind. Die haben Armeen, die kämpfen, die stehen dann immer dichter bei Berlin. Unter denen wird auch ausgehandelt wer nimmt die Reichshauptstadt ein. Die Erwartung ist auch lange Zeit man wird Hitler irgendwie festnehmen können, also irgendwie diese Reichsregierung festsetzen und Frankreich ist da eigentlich nur ein Zaungast. Und ich würde mal sagen auf den letzten Metern sind es dann Erwägungen, die eben schon die Nachkriegszeit in den Blick nehmen, weil klar ist – und das ist eigentlich seit Sommer 44 klar – militärisch wird das Deutsche Reich den Krieg nicht gewinnen.
Zimmermann: Frank Reichherzer hat ja auch gerade angesprochen, dass man eigentlich von der Berliner Konferenz sprechen müsste oder sprechen wollte. Ist Potsdam zurückzuführen auf die Nähe zu Berlin als Konferenz oder dann dieser dieses Treffens, dieses dieser Verhandlungen, die dann nach dem Kriegsende lanciert werden?
Morré: Auf jeden Fall. Ich mein Berlin erleidet nochmal unglaubliche Zerstörungen in den letzten zwei Wochen im April. Irgendwo hätte man sicher auch einen Konferenzort gefunden, aber Potsdam war natürlich viel leichter. Und man muss ein bisschen, finde ich auch immer, den Sicherungsaspekt hinzunehmen. Man sieht das gerade auch in Karlshorst. Das ist ein friedlicher Vorort. Den konnte man militärisch aber sichern. Die Kämpfe sind dann zwar zu Ende. Also der 8. Mai ist ein Waffenstillstand, das kann man auch mal so sagen. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass alle Menschen ihre Waffen abgegeben haben. Also diese Sicherheit der Konferenzgäste war in Potsdam am allerbesten gegeben. Und hier hatte man ideale Tagungsbedingungen.
Zimmermann: Ja, Jürgen Luh, das ist ein fließender Übergang zu Ihnen und dem tatsächlichen Ort der Verhandlungen. Wie kommt das zustande?
Luh: Wenn man sich das im Verlauf anguckt, dann muss man sehen, dass der Vorschlag ursprünglich gewesen ist sowohl von Truman als auch von Churchill, der das vorgeschlagen hat, dass man einen Ort in den westlichen Besatzungsbereichen finden will, um sich zu treffen. Aber Stalin hatte natürlich kein Interesse da dran aus seinem eigenen Herrschaftsbereich herauszukommen. Er wollte ja auch nicht fliegen, sondern Zug fahren. Auch das musste ja genau kontrolliert werden. Und man einigt sich dann darauf, das in der sowjetisch besetzten Zone zu tun und kommt natürlich auf Berlin. Aber in Berlin steht, wie Herr Morré schon gesagt hat, kein Haus mehr was sich lohnt und was vor allem die Möglichkeit hat große Delegationen unterzubringen. Die Großen Drei kommen ja nicht alleine, sondern die kommen ja mit jede Menge Leute, die sie beraten, die nachher auch notwendig sind, um Ergebnisse zu produzieren. Und man findet hier, relativ vom letzten Bombenangriff unbeschädigt, zum einen das Schloss Cecilienhof, heute eines unserer Prunkstücke in der Stiftung, und man hat mit Babelsberg einen Ort, wo die Villen noch erhalten sind, wo man die Delegationen unterbringen kann. Und ja, der Sicherheitsaspekt spielt eine große Rolle. Das lässt sich gut absichern der Bereich, sowohl Babelsberg – man sieht das auf den erhaltenen Karten – als auch eben Cecilienhof an sich. Die Sowjetunion ist Gastgeber. Briten und Amerikaner kommen. Und wenn ich noch ein Wort, dann schon vorgreifend zur Konferenz, sagen darf, natürlich ist es erwähnt worden, ob die Franzosen nicht auch hätten daran teilnehmen können. Und das wird dann ausgehandelt. Churchill schlägt das vor und es wird ausgehandelt zwischen den Sowjets – zwischen Stalin – und den Amerikanern – zwischen Truman. Und beide sind der Meinung, nein die Franzosen wollen wir nicht, wenn man das ganz salopp sagen darf.
Morré: Ich möchte einmal noch kurz einhaken bei diesem Terminus Stalin wollte, Stalin hat gefordert, Stalin beharrte darauf. Ja natürlich, hat er das getan. Tatsächlich so mit dem Anspruch wir haben drei Jahre lang auf eigenem Territorium gegen diese Wehrmacht gekämpft. Das muss man ja auch ganz klar sagen. Die Sowjetunion ist das einzige Land, das auf eigenem Territorium mit eigener Armee kämpft und ja am Ende eben auf der Siegerseite steht. Und naja, er hat natürlich auch den Erwartungsdruck seines eigenen Landes jetzt diesen Sieg einzulösen. Gab auch gerade bei dem Akt der Kapitulation, wir werden das nicht in allen Einzelheiten hier auffächern, aber da halte ich Eisenhower, das ist Kommandierenden des amerikanisch-britischen Expeditionskorps, wie es dann offiziell hieß, der hat sehr diplomatisch dann geschickt als in Reims am 7. Mai dort die Wehrmacht nur nach Westen verhandeln will, nur im Westen kapitulieren will, hat er das sehr geschickt antizipiert, indem er sagte ich nehme das hier an in Reims, weil das der entscheidende Moment ist der Kapitulation. Aber ihr die Wehrmacht müsst vor dem sowjetischen Hauptquartier ein zweites Mal antreten. Wir führen hier einen Zwei-Fronten-Krieg. Also Stalin wollte das, das ist vollkommen klar. Aber die Koalitionäre in der Anti-Hitler-Koalition, in dem Fall mal exemplifiziert durch Eisenhower, haben das auch antizipiert. Also ich sehe da auch einen ganz großen Zusammenhalt der Kriegskoalition, wo es bei diesen diplomatischen Akten schon auch darum geht, immer diese Einheit doch noch mal zu präsentieren. Auch wenn die vielleicht schon Risse hatte.
Luh: Ja, das würde ich denken ist aber soweit man in die Quellen guckt ganz normal. Man sieht das deutlich, das wird auch konzidiert, sowohl von Truman dann als Nachfolger von Roosevelt, als auch von Churchill, man will noch zusammen agieren, und das ist tatsächlich gar keine Frage. Die Differenzen treten dann aber doch im Verlauf der Potsdamer Konferenz immer deutlicher Zutage, das muss man vielleicht ja auch sagen. Und interessant ist eben tatsächlich, was insgesamt für diese Konferenz gilt, dass es drei Mächte sind, eben Frankreich ausgeschlossen, da sind sich auch die USAUnited States of America wiederum und die Sowjetunion einig, also Truman und Stalin, die wollen de Gaulle nicht dabeihaben. Das Interessante ist, dass es aber drei Staaten sind, die glauben über den Rest der Welt bestimmen zu können. Und die sagen das auch tatsächlich, dass sie das machen wollen. Und da sind sich auch wiederum Truman und Stalin ganz einig, dass sie die Hauptmächte sind, die das können, während die Briten gerade noch so toleriert werden, weil die ohne die Unterstützung der Amerikaner im Krieg schlecht überlebt hätten, höchstwahrscheinlich. Und man China versucht auch noch die amerikanischerseits einzubeziehen, sowjetischerseits draußen zu halten letztendlich. Und wenn man sich das mit der heutigen Weltlage vergleicht, haben wir ja so eine ähnliche Lage im Moment, wo es die großen Mächte gibt, um dann wiederum andere auszuschließen. 
Zimmermann: Ja, unser Thema ist ja nicht ohne Grund Passage 1945. Wir wollen gar nicht erst unterstellen, dass sozusagen der 8. oder 9. Mai je nach Lesart ein Punkt ist, an dem die Geschichte davor endet und dann eine neue beginnt. Sondern wir merken ja auch gerade an den letzten beiden Wortmeldungen, dass das eine fließende Bewegung ist. Also dass wir mit der Kapitulation quasi oder schon in der Vorbereitung der Kapitulation die Nachkriegszeit mitdenken. Wie kann man denn die Position, nehmen wir jetzt mal die Großen Drei, zum Zeitpunkt der Kapitulation hinsichtlich einer, wie auch immer, zu gestaltenden Verhandlungslösung, wie kann man die denn skizzieren, wie kann man die dann knapp zusammenfassen?
Reichherzer: Ich glaube, man muss das auf verschiedenen Ebenen betrachten. Die amerikanische Position ist ganz klar auf Weltordnung. Also die Ordnung der Welt fixiert. Der Begriff Weltkrieg wird vor allen Dingen durch die amerikanische Seite in das Konfliktgeschehen, der früheren 40er Jahre bis Mitte der 40er Jahre eigentlich eingespeist. Also der Weltkrieg, der am Ende geführt wird, um die Welt neu zu ordnen. Das ist da, glaube ich, die eine Ebene, die wichtig ist. Die andere Ebene ist dann die regionale, also die Gestaltung Europas. Wie soll Europa nach diesem Krieg im Nachkrieg aber dann auch im Frieden aussehen? Die Ebene gibt es dann doch sehr starke Reibungen und ich glaube, die gehen dann auch schon auf die Konferenz von Jalta im Februar 1945 zurück. Die man, glaube ich, mit Potsdam durchaus im Bezug sehen muss, wo die Forschungslage gar nicht so eindeutig ist. Man sucht immer, wer hat denn seine Interessen durchgesetzt, wer hat denn gewonnen und es fixiert sich immer auf die drei Personen, Churchill, Stalin und Roosevelt. Aber wenn man mal genauer hinschaut, ich glaube, die verhandeln ganz unterschiedliche Dinge. Also Roosevelt bekommt die Vereinten Nationen, die UNOUnited Nations Organization als Organisation. Großbritannien hat noch die Hoffnung, das Empire vielleicht erhalten zu können, also Churchill als ein großer Vertreter der imperialen Ordnung. Was sich ja schon fast wieder mit der amerikanischen Position widerspricht und Stalin hat ungefähr die Position überall da, wo die Rote Armee ist, ist mein Herrschaftsbereich und da entscheide ich. Auch die Briten, die ja wegen Polen in den Zweiten Weltkrieg eintreten. Deswegen ist das eine ganz große symbolische Frage, auch wie wird mit Polen umgegangen, also die freien Wahlen werden versprochen in Jalta, aber sie finden nicht statt. Also das sind auch diese Konfliktlinien, ziehen sich dann in der europäischen Nachkriegsordnung durch, aber auch auf der Weltordnungs-Ebene haben wir hier, glaube ich, unwahrscheinlich spannende Dinge zu erkennen. Die auch, ich meine mal ganz kurz bei Potsdam und Potsdam mit diesem regionalen Bezug, dem Deutschlandbezug, dem Europabezug, bindet ja aber auch die Konfliktschauplätze zusammen mit der Potsdamer Erklärung, die dann auch die japanische bedingungslose Kapitulation einfordert. Also hier auch noch mal diese Verbindung, die man in diesen Konferenzen immer sehen muss, dass sich hier die verschiedenen geografischen und geopolitischen Hierarchieebenen durchaus miteinander im Bezug betrachten müssen. 
Morré: Vollkommen klar, ich denke auch, dass man Potsdam nie ohne Jalta denken sollte. Jalta, also im Februar 1945, ist die Konferenz zu der Arbeitskommissionen zugearbeitet haben, wo man so anfängt, so ein bisschen den Deckel drauf zu machen. Der Krieg läuft aber noch. Und jetzt wissen alle, in der letzten Kriegskonferenz, sag ich jetzt mal, also Potsdamer Konferenz, geht es darum, den Abschluss zu finden. Und die Sowjetunion, Stalin, guckt da, ich würde es mal über die Grenzen mal aufziehen, ganz klar. Was ich vorhin auch skizzierte, wir befreien, wir, die Rote Armee, befreien unser Territorium. Und das ist eine unglaublich flexible Kategorie, gerade in Ostmitteleuropa. Westverschiebung Polens, nur mal als Stichpunkt – baltische Staaten, das sind alles Annexionen der Sowjetunion, kurz vor dem, oder eigentlich mit dem Zweiten Weltkrieg, mit Beginn des Zweiten Weltkrieges, 39, 40 passiert das alles. Stalin beansprucht das für sich als ureigenes sowjetisches Territorium. Das muss man nicht unbedingt auch so sehen. Aber man lässt ihn gewähren. Und das ist, was Herr Reichherzer sagt, schon ein Aushandeln der großen Positionen. Ein zweiter Aspekt scheint mir wichtig zu sein, das ist dann rein emotional. Diese Sowjetunion war vor dem Zweiten Weltkrieg einfach nicht mit am großen Tisch. Die waren geächtet. Das war eine Revolutionsjunta, wenn man so will, nicht im internationalen Kontext. Jetzt sitzen die mit am großen Tisch, die Großen Drei. Und einer davon ist Stalin, ist diese Sowjetunion. Also dieses emotionale Moment, das darf man nicht unterschätzen. 
Zimmermann: Wobei man natürlich auch dazusagen muss, die Sowjetunion ist auch die Gesellschaft letztlich mit dem größten Blutzoll, der zu entrichten war, um den deutschen Aggressor niederzuringen. Einfach noch mal, wenn man sich die Zahlen vergegenwärtigt bis zu 27 Millionen Tote, alles in allem zusammengerechnet gegenüber den Pi mal Daumen 300000 USUnited States-Amerikanern, die gestorben sind. Wobei man natürlich gleich ergänzen muss, wir reden über eine Konferenz, die stattfindet, während der Krieg noch gar nicht beendet ist. Also in Japan im Pazifik wird dann noch heftig gekämpft.
Morré: Auf jeden Fall. Also ich möchte das auf keinen Fall schmälern, aber da muss man schon sagen, dass ganz kaltschnäuzig sich Stalin das natürlich mit als Argument genutzt hat, also mitleidslos, würde ich das mal nennen. Auch das sind Dinge, die man jetzt neuzeitig meint, wiederzuerkennen. Aber das ist schon damals ein Aspekt. Also diese unglaublichen Opfer, die dieser Sieg, dieser sowjetische Sieg gekostet hat, wird aber eiskalt von Stalin politisch instrumentalisiert. 
Luh: Ja, aber es ist ja auch vernünftig, das zu machen, wenn er diplomatisch was erreichen will. Das muss man ja auch sehen, wenn man sich die Verhandlungen anguckt und man muss da nicht nur auf Potsdam gucken, man kann das in Jalta sehen, man kann das vorher in Teheran auch schon sehen, dass Stalin im Grunde der beste Diplomat ist, wenn man so will, was jetzt die Durchsetzung seiner Vorstellungen anlangt. Und das funktioniert fast immer auf dieselbe Weise, indem man eben keine Position aufgibt, sondern immer wieder, auch wenn es schon fast abgehandelt scheint, mit der Position, die man ursprünglich vertreten hat, noch einmal kommt, und zwar so lange, bis am liebsten Roosevelt das zugestanden hat, was er ja oft gemacht hat, oder in Potsdam dann Truman das konzidiert, der der am meisten dagegen hält, ist jeweils Winston Churchill gewesen, eben aus bestimmten Gründen, etwa was die Polen-Frage anlangt, die ja tatsächlich neben der deutschen Frage mit das meist Verhandelste während der Potsdamer Konferenz ist, wo es dann um die Grenzverschiebung geht und wie Herr Morré auch gesagt hat, richtig ist, dass Stalin das behalten hat, den Ostteil Polens, den er auch dank des Molotow-Ribbentrop-Paktes, dem geheimen Zusatz, eben einkassiert hat und es natürlich auch eine Westverschiebung der polnischen Bevölkerung gab, dass die wiederum ausgeglichen werden musste, und da sind die großen Streitpunkte, auf die man sich dann im Grunde ja auch nur vorläufig, wenn man sich genau die Vereinbarung anguckt, geeinigt hat. Denn alles sollte ja einer späteren Friedenskonferenz untergeordnet werden und das muss man auch sagen, vielleicht kann man das allgemein kurz zu Potsdam sagen, eine Konferenz, die vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 gewärt hat und wo wesentlich war, dass gleich am Anfang ein Rat der Außenminister eingesetzt wurde, an den man alle offenen, strittigen Fragen vergeben und verschieben konnte. 
Morré: Finde ich einen ganz interessanten Aspekt und auch das faszinierende historisch, wie provisorisch das eigentlich war. Also in den Geschichtsbüchern steht immer Potsdamer-Konferenz, Ende des Zweiten Weltkrieges, Beginn des Kalten Krieges, dann wird da auch so eine Zäsur da so eingehämmert. Nein, dieses Warten auf den Friedensvertrag, und wir wissen heute in der Rückschau der 2-plus-4-Vertrag von 1990 repariert sozusagen, völkerrechtlich ganz vieles, was bis dahin ungeklärt blieb und jetzt nochmal eine kleine Lanze für mein Museum, dieser Akt der Kapitulation. So eine Kapitulation ist eigentlich nur „Hört auf zu schießen“. Das ist relativ einfach und auch das Dokument ist extrem kurz, aber das ist quasi das einzig handfeste Ergebnis. Die Wehrmacht willigt ein 0 Uhr, also Mitternacht des 8. Mai, nach der Sommerzeit der Wehrmacht, 0 Uhr das 8. Mai aufhören zu schießen und damit ist der Krieg beendet, aber eben nicht diplomatisch. 
Reichherzer: Und die Gewalt geht auch weiter, also das ist auch nicht das Ende der Gewalt, sondern das ist auch was diese Passage 45 auch auszeichnet, als analytischer Blick oder als Bild, mit der man das Jahr oder auch die Übergänge beschreiben kann. Der Schießkrieg endet vielleicht, aber Gewalt wandelt sich in ganz andere Formen und wenn man dann jetzt Gewalt auch noch ein bisschen breiter denkt, jetzt nicht nur die physische Gewalt, sondern auch Staatsgewalten ändern sich. Also auch die Regierung Dönitz ist ja noch eine Zeit lang amtierende und vollziehende Gewalt im Deutschen Reich. Also das kann man auf mehreren Ebenen genau wie eben auch die Konferenzen durchaus betrachten und spielt auch eine wichtige Rolle. 
Morré: Auf jeden Fall und man muss auch sehen die ganzen Widerstandsbewegungen, Partisanenbewegungen, Resistance, wie immer die sich nennen, stellen Machtfaktoren dar und jeder in seiner Ecke von Europa versucht da Kapital draus zu schlagen und hier ist es natürlich schon auch wieder die Sowjetunion, Stalin, der da mit eiserner Hand, also die polnische Untergrundarmee wird einfach liquidiert, die wird wirklich umgebracht, die leitenden Offiziere. Damit fällt sie als Machtfaktor aus. Also das ist ganz eiskalt, zeigt aber wie Herr Reichherzer auch sagt, alle wissen mit diesem 8. Mai, mit diesem Waffenstillstand, dieser Kapitulation, ist das noch nicht vorbei. 
Luh: Ja das Interessante ist daran, wenn ich das noch kurz einhaken darf zu dem was Frank Reichherzer gesagt hat, der fortschreitende Gewalt, dass jetzt, wenn man so will, die allgemeine Gewalt, wie Herr Morré richtig sagte, zu Ende geht, aber wir haben dann so eine Art Bürgerkriegsgewalt in den verschiedenen Staaten, wenn man das vielleicht sagen kann, dass vom großen Krieg hin jetzt zu einer Art Bürgerkrieg eine Passage stattfindet. 
Reichherzer: Die ja dann auch noch kippt diese Gewalt, also wenn ich in die kolonialen Räume jetzt mal schaue, beispielsweise Algerien, am 8. Mai findet eine Friedensdemonstration, also da wird auch die Kapitulation gefeiert und diese Demonstration, Initiativ, geht dann in ein nationales Symbol für die algerische Unabhängigkeit und am Ende fallen Schüsse, dann wird gemordet, wieder zurückgemordet und innerhalb von sechs Monaten sind Zahlen sagen vier bis 20000 Menschen, dann vielleicht auch bei diesem gegenseitigen Massaker gestorben. Also hier geht die Weltkriegsgewalt direkt in Dekolonisierungsgewalt über und in den Vorläufer des Algerienkrieges.
Zimmermann: Wobei man natürlich gleich ergänzen muss, wir reden über eine Konferenz, die stattfindet, während der Krieg noch gar nicht beendet ist. Also in Japan, im Pazifik wird dann noch heftig gekämpft. Wir werden sicher gleich auch noch mal über den Einsatz von Atomwaffen reden müssen. Aber was mir wesentlich ist, an dieser Stelle noch mal festzumachen ist, dass der globale Krieg ja noch gar nicht beendet ist, der ja auch nicht erst 39 begonnen hat, sondern je nachdem, wie man es betrachtet, 1937 oder vielleicht sogar schon 1931 begonnen hat. Also diese Bedeutung der Potsdamer Konferenz erstreckt sich ja auf ein Gewalthandeln, das eigentlich noch im Fluss ist. Auch das ist dieser Passagegedanke, den wir hatten als Überschrift, durchaus zutreffend meines Erachtens. Wie muss man es denn einordnen, dass da Regierungschefs verhandeln, die sich eigentlich noch im Kriegszustand befinden? In Europa ist der Krieg zwar beendet mit der Niederringung des deutschen Aggressors, aber Herr Reich hat das Ganze gerade angesprochen. Das heißt nicht, dass das Ende der Gewalt ist, sondern die geht nur über in einen anderen Aggregatzustand, wenn man so will. Wie muss man das denn einordnen, dass diese Konferenz, da bin ich auch gleich bei der Bedeutung zum Beispiel, also es ist ja nicht so, dass die Potsdamer Konferenz unumstritten ist in ihrer Bedeutung, wir haben ja durchaus Menschen wie Henning Köhler, die schon vor über 20 Jahren gesagt hat, der hat eine globale Bedeutung, andererseits wird das aber wieder in Frage gestellt. Wolfgang Benz hat das mal vor ein paar Jahren, ich glaube 2018, als die Magna Carta der Nachkriegszeit gegenüber Deutschland bezeichnet, das ist ja schon Spagat dazwischen. Also wie muss man das denn werten? Wie muss man Potsdam denn werten? 
Morré: Den einen Punkt haben Sie jetzt schon gemacht, sieht man das Eurozentrisch oder global. Und ich würde immer in Anschlag bringen, das ist in Potsdam nach wie vor auch ein Aushandlungsprozess in einem laufenden Weltkrieg und der ist im pazifischen Raum eben noch nicht zu Ende. Es geht darum, dass die Sowjetunion als riesige Landstreitmacht – in Klammern und die muss ihre Soldaten erstmal hinbringen in den asiatischen Raum – als riesige Landstreitmacht eingreift in diesen Kriegsschauplatz. Da streiten sich ein bisschen auch die Gelehrten, aber es gibt durchaus Menschen, die sagen, es ist nicht nur der Abwurf der Atombombe, der den Krieg gegen Japan beendet, sondern durchaus auch das massive militärische Eingreifen des sowjetischen Heeres in der Mandschurei und das wissen natürlich die Staatschefs hier in Potsdam, die haben auf den Globus geguckt, also die gucken nicht nur auf Europa. 
Luh: Wenn man da nochmal kurz einhaken darf, auch was Herr Zimmermann gesagt hat, es stimmt nicht ganz, dass alle sich noch im Kriegszustand mit Japan befinden, denn die Sowjetunion ja nicht. Da muss man ja auch dran denken. Und es ist ja eines der Ziele ursprünglich der Amerikaner, auch in Jalta schon, unter Roosevelt, dann auch unter Truman in der Vorbereitung, die Sowjetunion zum Eintritt in den Krieg zu bewegen, aufgrund der Statistiken, die von den Generalstabchefs der Amerikaner aufgemacht worden sind, dass eine Invasion Japans 500000 amerikanischen Soldaten das Leben kosten würde. Und daraufhin wird dann halt verhandelt, soll ich nun eintreten, soll ich nicht eintreten. Und wie machen wir das? Und das nur ganz zum Abschluss. Aufgrund des Wissens um den erfolgreichen Test der Atombombe, dass man den Krieg vielleicht auf diese Weise beenden kann, wird das Interesse der Amerikaner geringer, dass die Sowjetunion in den Krieg eintritt, obwohl nicht ausdrücklich gesagt wird, auf der Konferenz ihr sollt nicht eintreten. Herr Luh, Touché, die Sowjetunion schließt tatsächlich mit Japan einen Nichtangriffspakt, was der Sowjetunion überhaupt erst im Kampf gegen das Deutsche Reich ermöglicht, sich ganz auf diese Westfront zu konzentrieren, also den Kampf gegen die Wehrmacht. Und aus diesen Verbindlichkeiten, sage ich jetzt mal, Sowjetunion herausgelöst wird. Und naja das Interesse war jetzt mäßig, denn ich meine, die Sowjetunion hatte auf dem europäischen Kriegsschauplatz schon einen, unter erheblichen Verlusten und Kraftanstrengung, eben gerade einen Krieg hinter sich. Also nun gleich wieder in den Kampf zu ziehen, das war sicherlich nicht oberste Priorität. Folgt aber so ein bisschen dieser Logik der Anti-Hitler-Koalition im Jahre 43 schon solche Verabredungen aufschienen. Und naja, es war die Einlösung eines Neudeutsch, eines Deals. 
Luh: Wenn man da noch das noch komplizierter machen soll für die Zuhörer, dann muss man sagen, dass das nicht der alleinige Grund gewesen ist, sondern dass die Sowjetunion parallel auch noch mit China verhandelt hat, weil es darum ging, wie dann eventuell zu erobernde Gebiete, die vielleicht auch chinesisch sind, unter sowjetische Verwaltung kommen oder ob die unter chinesische Verwaltung kommen. Und da konnte man sich auch nicht so recht einigen in der Zeit. 
Reichherzer: Und um es noch mal komplizierter zu machen, hat man auch noch eine extrem kriegsmüde USAUnited States of America. Also die USAUnited States of America sind auch nicht mehr unbedingt an dieser Unconditional Surrender-Formulierung gegen Japan interessiert, weil sie auch merken, dass jetzt mit dieser Anstrengung in Europa jetzt hier dann auch durchaus Konzessions-Entscheidungen zu treffen sind und dieses Spannungsfeld von, dass Roosevelt unbedingt das Eingreifen der Sowjetunion möchte in Jalta. Und dann die Bombe im wahrsten Sinne des Wortes, während der Potsdamer Konferenz ja platzt. Also da der Trinity Test, so heißt dieser erste erfolgreiche Test der Atom-Bombe, der wird ja dann Truman dann auch in Potsdam reingereicht. Und dann ändert sich auf einmal relativ viel, als man weiß, diese Waffe funktioniert. Und auch das strategische Kalkül der USAUnited States of America, den Krieg jetzt auch wirklich schnell beenden zu wollen, wird jetzt hier dann nicht mehr mit dem Eingreifen der Sowjetunion, sondern mit der Atombombe möglich.
Zimmermann: Um es jetzt wieder einfacher zu machen, ist dieser Einsatz der Atom-Waffe, ist er tatsächlich noch der Einsatz einer Waffe gegen den Gegner im Krieg, mit dem man sich im Krieg befindet? Oder ist er vielleicht schon so ein Signal Richtung künftige Weltordnung, schaut mal, was wir können, über welches Potenzial wir verfügen. Also jetzt uns mal überspitzt zu formulieren, wird die Atombombe tatsächlich auf Japan geworfen, oder ist es mindestens auch eine politische Symbolpolitik brutalster gegenwärtiger Gewalt sozusagen? 
Reichherzer: Sie wollten es einfacher machen mit der Frage. Ja, also ich glaube es ist beides. Es kommt immer wieder auf die Entscheidungsebene an und das, was man über diese Atombombe überhaupt weiß. Also ich glaube, dieses Atomwissen und vieles ist da, wenn man diese Atombombenabwürfe Hiroshima und Nagasaki betrachtet, relativ vieles Interpretationen aus der Zeit des Kalten Krieges, die genau dieses Signalling oder Telegraphing dann da auch, glaube ich, mit hineininterpretieren. Ich glaube, dass auf der höchsten politischen Ebene war, ja, wir probieren das jetzt aus. Wir müssen das gucken, aber dass die Auswirkungen dieser Bombe und was sie eigentlich ist, im August 1945 beileibe und noch nicht so bewusst war wie nach den Abwürfen und dann auch vielleicht fünf, sechs, sieben Jahre später. 
Morré: Also ich kann nur sagen, besuchen Sie unsere Konferenz, es ist tatsächlich diffizil. Ein Aspekt, wenn man mal diese militärische oder die Materialunterstützung für die Sowjetunion mit in Betracht zieht, das Leih-Pacht-Abkommen, das ist ganz wichtig, um die Sowjetunion kampffähig zu halten, in jeglicher Hinsicht. Ein Aspekt, Hightech, also zum Beispiel Radartechnik, Echolottechnik, wird gegen Ende des Krieges von den USAUnited States of America nur noch wiederstrebend geliefert oder nicht mehr vollumfänglich, weil man schon auf die Zeit danach schaut. Und dann geht es eben darum, was hat eben eine Armee an technischen Möglichkeiten und so rum gesehen ist, eben eine Bombe, neuen Typs, eine neue technische Möglichkeit, die zu dem Zeitpunkt nur die USAUnited States of America hat. Und das war schon wichtig, das zu markieren.
Luh: Wenn man sich das aber genau anguckt, sieht man, Truman erfährt das am 16. Juli, dass das ein erfolgreicher Test der Atombombe war. Churchill erfährt das praktisch gleichermaßen, denn man muss auch immer mitdenken, dass an der Entwicklung der Atombombe nicht nur die Amerikaner, sondern parallel auch die Briten beteiligt waren, denn sämtliche wichtigen britischen Wissenschaftler sind in den USAUnited States of America mit zusammengezogen worden. Also das funktioniert für beide gleichermaßen. Und man ist sich nicht gleich einig, ob man das Stalin sagen soll oder nicht, aber beide sind in der Meinung Truman wie Churchill, die Waffe soll eingesetzt werden. Churchill empfiehlt das ausdrücklich. Und als Truman, das am 24. Juli beiläufig an Stalin weitergibt, ist die Reaktion eine ruhige, so schreibt Truman und auf den geht das ja alles zurück, was wir darüber wissen. Und Stalin empfiehlt ihm, die Waffe einzusetzen. Also insofern ist diese Waffe noch als Waffe eingesetzt, auch mit Zustimmung Stalins und der Sowjetunion. Aber was die sich nicht klar gemacht haben, man sieht das dann auf der Rückfahrt, als in Hiroshima die Bombe abgeworfen ist, die Nachricht an Truman kommt. Und der großartig hat alles super funktioniert, dass da zwischen 100000 und 160000 Leute tot sind und eben keine Militärs in der Großzahl, sondern Zivilisten. Das ist damals noch unter jeglicher Vorstellungskraft, muss man sagen. Und die Langzeitauswirkungen hat damals überhaupt niemand bedacht, jedenfalls nicht die Politik. 
Morré: Also das würde ich auch sofort unterschreiben, das ist quasi so in dem Moment. Es ist sicherlich auch, das klingt jetzt makaber, aber wir wollen auch mal gucken, wie diese Waffe funktioniert. Und dann nimmt man schon an, dieser Schock, eben diese unglaublich Zahl an zivilen Opfern. Und bei Stalin würde ich tatsächlich auch immer annehmen, der auch einfach ganz nüchtern sagt, naja, dann sollen die mal zeigen. Wenn die sagen, sie hätten hier eine neue Bombe, das möchte ich mal sehen, wie die so funktioniert. Und es hat ihn ja also auch sein Land überhaupt nicht betroffen, das wusste er in dem Moment ja auch. 
Zimmermann: Also der Einsatz der Atombomber Hiroshima, Nagasaki wäre fast schon wieder eine Idee für einen neuen Podcast, um das alles vertiefen zu können. Das kann man an dieser Stelle natürlich nicht, aber to make it short and simple, was ist das Ergebnis von Potsdam? Also es wird ja bis heute auch immer mit so Begriffen wie Potsdamerabkommen hantiert. Das war es ja nur nicht, ein Abkommen, sondern es ist eigentlich eine Erklärung sozusagen der beteiligten Mächte. Aber was da drin steht, wissen wir. Aber was ist das Ergebnis des Ganzen? Also womit fahren die Großen Drei, um sie jetzt zu personifizieren, von Potsdam aus nach Hause?
Morré: Ich glaube ganz simpel, technisch. Wir haben ein Modus dieses besiegte Deutschland zu verwalten. Also Besatzungszonen war schon in Jalta geklärt, aber man redet jetzt über diesen alliierten Kontrollmechanismus, wie das immer heißt, es gibt dann Kontrollrat, in Berlin gibt es eine Kommandantur. Man hat das geregelt, dass es in den Besatzungszonen Militärgouverneure gibt. Es ist dann relativ klar, dass jeder Gouverneur in seiner Besatzungszone das nach seinem mehr oder weniger Gutdünken machen kann. Es gibt so Orientierungspunkte, wie so eine Absprache laufen soll. Und jetzt kann man sich schon streiten, wie weit jeder in seinem Herzen diesen Willen zur Kooperation nach Hause getragen hat. Für die Sowjetunion würde ich da tatsächlich annehmen, nur mäßig, dass für die sowjetische Politik klar war, wo ihr Einflussbereich ist, wo sie agieren kann. Und das macht sie dann eigentlich auch sehr schnell klar. Man sieht das in Berlin, dass ja lange Zeit, also zwei Monate alleine nur von der Roten Armee besetzt ist, dann räumt man diese anderen Sektoren vereinbarungsgemäß. Aber alles, was für die Sowjetunion an Nachkriegspolitik in Bezug auf Deutschland wichtig ist, zieht sie in ihren Sektor und lässt da keine alliierten Einrichtungen zu. Die sind alle in den Westsektoren von Berlin und in der eigenen Besatzungszone ist das auch. Also hier hat man sehr prototypisch dieses, okay, wir haben das und das Gebiet, das verwalten wir und ob uns da einer reinreden kann oder nicht, das sehen wir dann. 
Luh: Das kann man auch ganz kurz noch fassen, als ein Ergebnis dessen, was Herr Morré jetzt gut skizziert hat, im Grunde sind das Grenzziehungen, die in Potsdam festgelegt worden sind. Einmal tatsächlich die Grenzen in Europa, Binnengrenzen und Einflusssphären und dann weiter gedacht auch schon eine Einteilung von Einflusssphären und damit auch Grenzen gezogen in der Welt. Und das ist abgesehen jetzt von Details. Und wir sind zu dem Nürnberger Prozess in dem Sinne gar nicht gekommen, der ja auch vorbereitet wird und es gibt ein, eine Ziffer im Potsdamer Abkommen, – was kein völkerrechtliches Abkommen ist, in westlicher Auffassung, in sowjetischer Auffassung, schon in chinesischer Auffassung auch – dass ein solcher Prozess gemacht werden soll, geht es aber vor allen Dingen darum, dass man die Einflusssphären begrenzt. Und das ist das, was dann tatsächlich auch, glaube ich, und vielleicht hat dann sowohl Henning Köhler als auch Benz recht, dass das für die Zeit danach prägend gewesen ist.
Zimmermann: Worüber wir jetzt bisher noch gar nicht geredet haben, aber das ist ja auch Teil dieses Titels Passage, der nicht nur, aber vor allen Dingen außenpolitisch formatiert wird, diese ganze Zeit wird natürlich von außenpolitischen Entscheidungen, die wir jetzt auch die ganze Zeit besprochen haben, quasi geframed wird, man glaube ich, Neu-Deutsch sagen. Was ist denn mit den Deutschen? Die Großen Drei haben sich nicht wirklich für die deutsche Bevölkerung interessiert. Zu diesem Zeitpunkt, wir wissen auch von der Potsdamer Stadtbevölkerung bei der Vorbereitung der Konferenz, spielte die, nennen wir das mal vorsichtig, eher keine Rolle und wurden auch aus den Häusern oder Gebäuden, die man brauchte für die Konferenz, relativ kurzfristig entfernt, so muss man es ja auch sagen, die hat man einfach rausgetrieben. Aber wie nehmen das die Deutschen denn wahr umgekehrt? Also Stichwort Nürnberger Prozess haben Sie gerade angesprochen. Diese rechtliche Komponente ist ja schon früh während des Zweiten Weltkrieges mitgedacht worden. Wie gehen wir mit den besiegten Aggressoren, nicht nur Deutschland, sondern auch Japan, wie gehen wir damit um, wie gehen wir mit Kriegsverbrechern um? Das soll sich jetzt nicht nach Last but not least anhören, aber die Deutschen sind ja quasi zur Passivität verurteilt. Sie müssen abwarten, was die Siegermächte über sie entscheiden. Was ist denn da geplant? Was ist denn da so das Vorhaben der Großen Drei?
Morré: Der Ansatz, die Verantwortlichen zu bestrafen, also das, was wir auch als Entnazifizierung historisch wahrnehmen, der ist schon um die Jahreswende 44/45 da, es werden dann noch Richtlinien ausgearbeitet. Das Problem jetzt aus Sicht der Deutschen ist, also die Frage ist, wie weit kannte das jeder? Es stand wahrscheinlich nicht im „Völkischen Beobachter“, also es kannte er keiner. Und subjektiv für uns erschreckend in der Rückschau, wie viele Menschen dachten, wieso, ich habe mich doch vollkommen ordentlich verhalten, also ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen. Und wenn jetzt irgendein Militärkommandant mich hier einbestellt, auf die Ortskommandantur, dann gehe ich da auch hin, denn ich habe mir ja nichts vorzuwerfen, das lässt sich alles klären, was dann häufig ein Fehlkalkül war, weil eben die Siegermächte da sehr unterschiedlich, aber doch am Anfang sehr einheitlich, recht unerbittlich gegen die Deutschen vorgingen und ganz klar sagten, die haben diesen Krieg angefangen, es sind enorme Verbrechen ihnen anzulasten und jetzt suchen wir die Verantwortlichen und wer in der NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei war, der ist per se erstmal, steht er im Verdacht einer dieser Verantwortlichen zu sein. Reichherzer: Ja und daran schließen dann auch die Gerichtsverfahren an, also Nürnberg dann mit dem internationalen Militärtribunal, aber dann auch Nachfolgeprozesse, die sich ja dann auch bis weit in die Bundesrepublik und die bundesrepublikanische Geschichte kennt dann den Ulmer Einsatzgruppenprozess vielleicht, aber ganz besonders bekannt ist dann auch der Auschwitzprozess, bis hin dann ja auch zu Eichmann in Jerusalem. Also diese Aufarbeitung, die rechtliche, die ist da groß und die soll auch rechtlich passieren, weil die, was die Alliierten auch ganz klar kommunizieren und das eigentlich auch schon seit der Atlantik-Charta, sie kommen als Besatzer, als siegreiche Armee, aber nicht um die Deutschen besser gesagt zu versklaven oder sonst irgendwie. Das eine Bestrafung da sein wird, das ist klar, ja, ist auch Teil, das kann man übrigens im „Völkischen Beobachter“ lesen, also immer die Drohungen mit ja, die Alliierten, die werden euch bestrafen, wenn wir den Krieg verlieren würden, das kann man schon da ablesen, aber hier jetzt ganz klar dann auch diese Verrechtlichung des Umgangs mit dem Krieg, also das Verbrechen gegen den Frieden und das Führen das Planen eines Angriffskrieges, das sind dann zentrale Momente, mit denen sich dann die Verantwortlichen im Deutschen Reich konfrontiert sehen und später dann mit den Nürnberger Nachfolgeprozessen, wo dann aber auch noch exemplarisch Institutionen, also das Oberkommando der Wehrmacht, die Ärzteschaft oder so was, dann auch noch symbolisch auch mit abgestraft werden und man da eigentlich, ist eigentlich ein geschichtspolitischer Prozess im doppelten Sinne, wo eigentlich die Abkehr dieser Deutschen vom Normalweg der Geschichte beurteilt und dann auch bestraft werden soll. 
Morré: Es ist vollkommen richtig, das dauert aber sehr, sehr lange, wir erinnern uns in den 90er Jahren in der Bundesrepublik, das fängt in der Altbundesrepublik an, dann im vereinigten Deutschland geht es weiter, die Diskussion und die Rolle der Wehrmacht, also die sogenannte saubere Wehrmacht. Also eine Armee, die einfach das getan hat, was man eben in Kriegen tut und von daher nicht als nationalsozialistisch oder sonst wie anzufeinden sei. Das bricht erst 50 Jahre später auf und führt zu einem Sturm in der deutschen Erinnerungskultur. Also ich betone das deswegen, weil wir bei uns im Museum Karlshorst diesen Vernichtungskrieg, der Wehrmacht, gegen diese Sowjetunion zum Hauptthema gemacht haben. Zu Recht, das ist notwendig.
Zimmermann: Eine weitere Passage, wenn man so will, also auch der juristischen Auseinandersetzung mit dem Kriegsende, die weit, weit in die Kriegsfolgengesellschaften, dann ja auch zweier deutsche Gesellschaften hinein reicht. Wenn man diesen Passagenbegriff abschließend nochmal fassen möchte, was macht diese Zeitspanne zwischen Beendigung des Krieges und Übergang, ja wie will man das nennen, in eine wieder zivilisiertere Welt, was macht diese Phase aus, diese Passage? 
Luh: Wenn man das sagen kann, ist das die Passagebegriff ein guter Begriff als Gegenstück zu dem lange gehandelten Stunde-Null-Begriff, den Frank Reichherzer am Anfang schon mal gesagt hat. Wo es noch, ich erinnere mich, ich komme von der Freien Universität und Anulf Baring, der immer gesagt hat, es müsste jemand mal ein Buch über die Stunde Null, was das eigentlich ist, und genau schreiben, und hat es das gegeben, was dann, glaube ich, in diesem Sinne so nie erschienen ist, er wollte das immer jemandem als Dissertation andienen. Aber der Passagebegriff ist genau das Gegenteil von Stunde Null. Es gibt eben keinen Punkt, auf den irgendwas fixiert ist, sondern es gibt etwas, was es schon immer gegeben hat und was sich über die Zeit in der einen oder anderen Geschwindigkeit weiterentwickelt. Und das ist, glaube ich, dass was diese Zeit ausmacht, wie es aufgrund des Krieges gekommen ist, wie es dann am Ende des Krieges war und was sich daraus entwickelt hat. Und das halte ich eben für, glaube ich, einen guten Begriff, der sich durchsetzen sollte, um diese Zeit zu fassen. 
Reichherzer: Und diese radikale Offenheit, die auch mit der Situation verbunden ist, aber die auch wieder eingeschränkt werden kann. Also das ist, als wir den Passagenbegriff entwickelt haben, hat uns genau das, was Sie, Herr Luh, gesagt haben, dann ja auch vorgeschwebt, diese Transformation, aber auch das, was bleibt. Also es ändert sich ja auch nicht alles, sondern und wie neu und wie Ordnung neu ausgehandelt wird in diesen Übergängen. Das kann man wirklich auch auf verschiedenen Ebenen betraten. Von der Weltordnung bis zur persönlichen Erfahrung von Menschen in Europa, in Afrika, in Asien, in Amerika, Lateinamerika, wo der Krieg ja auch Wirkung gezeigt hat, kann man diese Übergänge von was Altem zu was Neuem und wenn man da einen Kunstbegriff nimm, wie emergiert aus diesen Ruinen des Zweiten Weltkriegs denn die neue Ordnung des Nachkrieges und des Friedens.
Morré: Es ist alles gesagt.
Zimmermann: Außer, dass das natürlich nur der Aufschlag war zu etwas viel größerem, jetzt kommt der Werbeblock. Wir haben viele Themen angeteasert heute, die man in so einem Podcast natürlich nicht erschöpfend besprechen kann und wo wir für bei all unseren tiefen Expertisen selbstverständlich auch nicht immer berufen sind. Deswegen haben unsere drei Institutionen sich zusammengetan und wir vier in Persona sozusagen eine Konferenz zusammengestellt am 2. und 3. September unter diesem Titel Passage 1945 Kriegsende und Neuanfang, wo wir mit vielen Expertinnen und Experten auch für detailliertere Fragestellungen ins Gespräch kommen wollen und diese Zeit, ja, wenn man so will, neu diskutieren wollen und auch innovative Ansätze führen wollen, wenn Sie sich darüber informieren wollen, seien Sie herzlich eingeladen auf der Website natürlich des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, aber auch der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, sowie des Museums Karlshorst, sich über das Programm dieser Veranstaltung schlau zu machen und fühlen Sie sich auch eingeladen, daran teilzunehmen, mit uns zu diskutieren und wir freuen uns auf Sie.
Bleibt mir am Ende. Jetzt sind wir am Ende des Werbeblocks, aber leider auch am Ende des Podcasts. Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen Mitdiskutierenden heute bei Jürgen Luh, bei Frank Reichherzer und bei Jörg Morré. Vielen Dank, dass Sie hier waren und unseren Podcast mitgestaltet haben. 
Luh: Danke. 
Reichherzer: Ja, danke. Ich freue mich auf die Konferenz. 
Morré: Sehr gerne.
Zimmermann: Sehr geehrte Hörerinnen und Hörer, das war Zugehört, der Podcast des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr dieses Mal zum Thema Passage 45 Kriegsende und Neuanfang. Noch mal die Erinnerung. Schauen Sie auf unsere Websites. Interessieren Sie sich für unsere Tagung? Diskutieren Sie mit und mit uns mit und inspirieren Sie uns vielleicht auch für neue Podcasts? Alles Gute! Auf Wiedersehen! John Zimmermann vom ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr.

 

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