Transkript Militär und Klima

Transkript Militär und Klima

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33 MIN

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Janssen: Herzlich willkommen zu Zugehört, dem Podcast des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Schön, dass Sie wieder dabei sind. Mein Name ist Philipp Janssen und bin Macher des Wissenschaftspodcasts AnnoPunktPunktPunkt und derzeit im Rahmen einer Reservedienstleistung am ZMSBW tätig. Für mich ist das heute sozusagen ein Auswärtsspiel hier im Studio in Potsdam. Mir gegenüber sitzt mit Dr. Frank Reichherzer ein geschätzter alter Bekannter. Hallo.
Reichherzer: Hallo Philipp Janssen.
Janssen: Wir wollen heute über die Umwelt und Militär sprechen und das ist ein neues Programm, an dem Sie gerade tätig sind.
Reichherzer: Ja, tatsächlich. Das ist ein Forschungsprojekt, das ich hier im Rahmen einer Kooperation mit der Volkswagen Stiftung gefördertes Projektes mit der TUTechnische Universität Dortmund und Professor Dr. Sommer und Dr. Kerrin Langer, die ich früher auch mal hier im ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr war, verfolge. Und wir schauen uns eigentlich Diskurse über Greening-Strategien an, aber letztendlich in dem ganzen Projekt. Und das ist dann auch mein Anteil, geht es um das Verhältnis von Militär und Umwelt, was das eigentlich ausmacht. Und das ist hier im ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr verortet im Leitthema Militär und Gewalt.
Janssen: Das wäre jetzt sozusagen auch meine Anschlussfrage gewesen, weil Sie sind ja genau eben dafür bekannt, zuletzt bei dem Projekt über militärische Gewalt teilgenommen zu haben. Und jetzt eben dieses Thema zu Military Greening. Wie kommt man da hin?
Reichherzer: Ja, das mag am ersten Blick ein bisschen weit weg erscheinen, aber wenn man militärische Gewalt denkt und auch das Konzept von militärischer Gewalt versucht zu begreifen, dann kommt man sehr schnell dahin, dass das Militär als Organisation stofflich, materiell gebunden ist. Und diese Stoffe, Materie, Energie, die kommen natürlich aus der Umwelt. Also überhaupt ein Militär aufzubauen, braucht das Militär schon mal Umwelt und ist in Umweltbeziehungen eingebunden. Auf der anderen Seite sind natürlich auch militärische Aktionen, militärisches Handeln, haben auch wiederum Auswirkungen auf die Umwelt. Da rede ich nicht von Kriegführung, da ist es wahrscheinlich auch am offensichtlichsten, auch wenn man jetzt in aktuelle Kriege, Ukraine, Gaza oder ähnliche Orte blickt. Ja, da sieht man es deutlich, aber man sieht es auch in der Abschreckung, Manöver, allein das Militär da ist, verursacht eine Militär-Umwelt-Beziehung.
Janssen: Ja, aber lassen Sie uns doch gerne das einfach mal so aufdröseln und mal weiter und tiefer betrachten, wie wir, welche Facetten dieses Thema haben kann. Sie hatten jetzt gerade schon angesprochen, dass es die Möglichkeit gibt, dass allein durch Abschreckungen da auch Sachen passieren. Dann gibt es natürlich auch das, was Sie auch beschrieben haben. Auswirkungen, aber wie wirkt sich das jetzt genau aus? Lassen Sie uns einfach gerne da mal ein bisschen weiter tiefer gehen.
Reichherzer: Wir können es ja mal so fassen, zum Beginn einfach mal diese verschiedenen Varianten von Militär-Umwelt-Beziehungen mal für die Hörer und Hörerinnen herauszuarbeiten.
Janssen: Gerne.
Reichherzer: Also die eine ist Umwelt als Bedrohung. Das ist eine Dimension, die im Militärischen sehr stark ist, wenn man sich auch mal vorstellt, dass bis ins 20. Jahrhundert, späte 19. Jahrhundert die meisten Soldaten dann hier auch an Umwelteinflüssen sterben. Also Verwundung, Wundbrand, das sind die hauptsächlichen Todesursachen, die für das Sterben im Krieg verantwortlich sind. Das sind Umwelteinflüsse, weil das sind Bakterien, Infektionen, ähnliches. Da ist schon mal der Umweltfaktor sehr groß oder das ändert sich dann mit antiseptischen Wundheilverbänden. Dann sterben nicht mehr so viele Menschen an diesen Verwundungen durch Schüsse oder Explosionen. Aber Umwelt bleibt trotzdem im Thema. Krankheit, Läuse, Entlausung. Also da wird Umwelt schon ganz stark auch als Bedrohung für militärisches Funktionieren wahrgenommen. Oder dass Kriege, Kämpfe überhaupt auch in der Umwelt stattfinden, ist schon mal so ein Punkt. Wenn man jetzt mal an extreme Orte wechselt, Vietnam fällt mir gerade so als ein Beispiel hier ein, da wird auch die Umwelt, der Dschungel, der für amerikanische Soldaten dann doch sehr unwirklich ist, ja auch als Teil, als Krampf mit der Umwelt wird auch der Vietnamkrieg sehr oft beschrieben. Und wenn sie davon vielleicht so eine Ahnung haben wollen, dann zieht sich das auch durch alle möglichen Vietnamfilme durch, dass das ein Krieg mit gegen die Umwelt ist, die ja auch hier eine sehr starke Bedrohung auf Soldaten dann auch ausüben kann. Also das wird hier sehr deutlich.
Janssen: Mir fällt dann zum Beispiel noch so etwas vielleicht etwas Banaleres ein, wie der Film Das Boot beziehungsweise See gehende Schiffe, die Brückenwache, die da ja auch im Sturm mit untersteht oder auch Iwo Jima mit diesen zerklüfteten Felsen, wo man auch nicht genau weiß, wo ist denn da jetzt der Feind? Das ist ja auch so ein bisschen das, wo auch gerade in Vietnam oder auch in Vietnamfilmen viel damit gespielt wird. Man weiß nicht, wo jetzt vielleicht eine Klappe aufgeht und irgendein feindlicher Soldat dann hervorkommt und einen aus dem Hinterhalt beschießt. Es ist schon auf jeden Fall sehr interessant. Gerade wenn man nochmal drüber nachdenkt, wie ich es gerade während Sie gesprochen haben, gemacht habe, dann fallen einem wirklich zig spezielle Themen wie jetzt Vietnam, der Dschungel, der so sehr unwirklich wirkt, bis halt zu so einfachen Sachen wie... das Meer, der Atlantik, Sturm, Seegang.
Reichherzer: Ja, tatsächlich, das ist ein ganz guter Punkt, den man hier nochmal sehen kann. Auch das Militär als Institution, die sehr viel Umweltwissen produziert. Also Landkarten ist so eine Sache, die ist offensichtlich. Also die Kartografierung von Landschaften zum Zwecke der Kriegführung, Kriegsplanung und so. Aber wenn man das auch ins 20. Jahrhundert hineinzieht, kann man sehen, dass auch sehr viel Wissen über Klima, fängt dann bei Wetter an. Da kann man auch sehen, wie wichtig das ist, wenn man in die Invasion 1944, 6. Juni dann auch geht, dann sind auch die Wettermacher, nicht die Wettermacher, aber wenn man mal sagen will, die Meteorologen sind die, die quasi das Datum der Invasion bestimmen. Na, da klärt es auf. Und man kann auch sehen, wie Wetter in der Kriegführung benutzt werden kann. Das Wetterwissen der Alliierten ist besser als das der Deutschen, weil die Alliierten vorher auch die Wetterbasen Spitzbergen ausschalten und so der Deutsche Wetterdienst, denkt Regen, Sturm im Kanal, alles sicher. Wohingegen das alliierte Wetterwissen in diesem Fall viel besser ist. Man sagt, hier klart es auf, am Morgen des 6. Juni klart es auf. Also hier kann man noch sehen, wie diese, eine andere Dimension, wie Umwelt, Umweltwissen auch eine Waffe im Krieg, für den Krieg auch sein kann. Das wäre so ein Punkt über das Wetterwissen, aber dann kommen auch so ein paar Wettermodifizierungen, ist so ein Thema, also dass man, Denn manche kennen das vielleicht aus der Automobilindustrie, dass wenn so ein Hagel Richtung Sindelfingen zieht und dann, dass diese draußen geparkten, fertigen Fahrzeuge nicht vom Hagel zerschlagen werden, fliegen Flugzeug hinein und impfen, so heißt es dann auch. Diese Hagelwolken, dann hageln die woanders ab, auf dem Feld, der Bauer wird entschädigt und dann bleiben die Karossen von Beulen verschont. Also das sind einfache Wettermodifikationen, über die das Militär auch schon sehr früh, also am Ende des Zweiten Weltkriegs nachdenkt und die NATO hier dann auch sehr stark auch in diese Wettermodification-Forschung investiert. Es gibt dann auch eine ganz große erste internationale Umweltkonvention im Bereich der Kriegführung, die ENMOD-Convention aus den 70er Jahren, die eben diese Wettermodifizierung im Krieg untersagt und die Unterzeichner sagen, wir werden hier nicht forschen und nichts zu machen. Also da kann man sehen, wie das auch schon so laufen kann. Vietnam, Agent Orange, Entlaubungsmittel, also da kann man sehen wie auch so die, nicht nur die, also wie die Gestaltung der Umwelt durch Technik eine extrem wichtige Rolle dann auch für das Militär spielen kann und das ist wieder eine andere Relation zwischen Militär und Umwelt.
Janssen: Ja, das ist ja jetzt auch eine moderne Art von Landscaping, wenn man Agent Orange benutzt. Was wir ja schon irgendwie kennen, sind ja so Sachen wie Verwüstung oder das Einschneiden in den Boden, weil man Schützengräben ausheben möchte. Wie schaut sich das Projekt diesen Bereich so an? Also wirklich aus dem Sinne des Konfliktes heraus gedacht?
Reichherzer: Ja, das ist auch eine spannende Dimension. Da haben wir ja auch einen Projektpartner in München sitzen, der sich daran beteiligt, der auch auf den Westwall in seiner Habilitationsschrift geblickt hat, Johannes Großmann, wo dann auch hier Landschaftsarchitekten eine wichtige Rolle spielen in der Art und Weise, wie Bunkerbauten in die Landschaft integriert werden. Teilweise sprechen die auch für die Landschaft und sagen, nee, das ist ästhetisch nicht gut, kann aber so abgetarnt werden. Also diese Landschaftsanwälte, wie die dann im Nationalsozialismus heißen, die sprechen dann quasi für die Landschaft. Das kann man ja heute aus Autobahnbauten, dass dann da auch für die Natur ein Mitspracherecht bekommt. Das ist schon eine ganz starke Sache, die man ganz weit auch tief in nationalsozialistischer Ideologie dann da auch erkennen kann. Ich sage nicht, dass jetzt hier klare Linien sind, aber man kann hier sehen, dass hier ähnliche Gedanken dann auch doch in den gleichen Kontexten vorherrschen. Dann gibt es das Konzept der Wehrlandschaft. Finde ich auch ein sehr spannender Punkt, also wo die Landschaft quasi in die Verteidigungsbemühungen oder auch in die vielleicht auch Angriffsbemühungen integriert wird. Das ist dann, ein Beispiel ist in dieser Wehrlandschaftsplanung, dass man Bäume, wie man die an Straßen entlangbaut, man kennt das von Napoleon, Alleen, Schattenspenden, aber das ist natürlich dann auch Tarnungsmöglichkeiten für Fahrzeuge, für Aufmärsche oder das beispielsweise im Ostraum. wenn man mal in der 30er, 40er-Jahre-Sprache, wenn man die mal nutzen möchte, die Ostseite von Gewässern abgeholzt ist und die Westseite bepflanzt und dann in den Bäumen und in den Heckenreihen dann dort auch schon Positionen für Maschinengewehren und etwas weiterhin vielleicht auch für Artillerie, Geschütze dann auch vorgesehen sind, die in die Landschaft quasi eingebaut sind. Also das sind dann auch Konzepte von Wehrlandschaft, die man dann auch hier erkennen kann.
Janssen: Wir sind jetzt so oft so im vorbereitenden Moment und jetzt ist es ja aber auch so, dass der Krieg, wir hatten es vorhin schon mit Agent Orange so leicht angesprochen, aber darüber hinaus gibt es ja auch noch sowas wie Granaten, Raketen, Bomben, die dann ja auch nochmal was mit Landschaft machen.
Reichherzer: Ja.
Janssen: Da würde ich gerne nochmal ein bisschen mehr von Ihnen hören.
Reichherzer: Ja, da gibt es eigentlich mehrere Dimensionen. Das ist ein guter Punkt. Wir müssen da jetzt drauf schauen, dass wir mal die kurzfristige Dimension haben. Also der wird zerstört, also wird Landschaft eigentlich zerstört, entsteht ein Trichter, nehmen wir das mal an, also geht da was kaputt, aber andererseits in dem Trichter entsteht da wieder ein neues Leben, wenn sie auf Truppenübungsplätze schauen, dann kann man das auch erkennen, dass dort teilweise eigene Biotope entstehen können, die ja noch wieder gepflegt werden müssen. Das ist dann dort, es entsteht wieder eine eigene Landschaft, Natur ist immer auch so, es gibt spannende Fotodokumente, wie sich in Verdun beispielsweise, wie Natur sich diese Kriegslandschaften wieder rückaneignet. Andererseits kann man aber auch in der langfristigen Dimension sehen, also wir haben jetzt Zerstörung und Wiederaneignung der Natur in der kurzfristigen, dann vielleicht in der mittelfristigen Perspektive. Langfristig kann man aber auch erkennen, wie diese Munitionsreste aber auch immer noch töten können. Also wenn man in den 70er Jahren eine Karte von Nordfrankreich sich anschaut und auf Missbildungen bei Neugeborenen schaut, dann bilden die quasi die Frontlinien des Ersten Weltkrieges ab. Das sind alte Munitionsreste, die über Grundwasser 70 Jahre später dann auch wieder immer noch töten können. Dieses Problem haben wir auch in Nord-Ostsee, verklappte Munition, wo jetzt die Hülsen durchrosten und Dinge dann auch ins Wasser gehen, in Fische, in Nahrungsketten gelangen oder als Phosphor an Strände. Also wenn Sie an der Ostsee, Nordsee spazieren gehen, sehen Sie vielleicht manchmal diese Dinge, dass da Phosphor nicht mit Bernstein zu verwechseln ist und Phosphor sich dann entzünden kann. Das sind natürlich alte Munitionsreste, die nach dem Zweiten Weltkrieg dort im Meer als Müllhalde verklappt worden sind. Da sind wir auch bei der Waste-Problematik, also Military Waste, militärische Abfälle, das ist die eine Seite und dann auf der anderen Seite, bei dem Hineinkommen in das Militär, haben wir da natürlich auch Ausbeutung der Natur, Exkavismus, wie das die Forschung nennt. Das sind so die beiden Endpunkte eines Stoffwechselprozesses, für den das Militär eigentlich ein interessantes Fallbeispiel darstellt.
Janssen: Was ich noch ganz interessant in der Vorbereitung fand, war der Punkt des Energy Denials, das musst du natürlich gleich mal kurz auflösen, aber dass wir auch nochmal darüber nochmal ein bisschen sprechen, weil es ja nochmal ein bisschen tiefer, ein bisschen mehr hinter die Front auch geht.
Reichherzer: Ja, das ist ein spannender Punkt, den Kerrin Lange, unsere Projektmitarbeiterin, und ich mal kam auf die Idee, Sie kennen vielleicht unsere Zuhörerschaft, die Area Access, Anti-Area Access, Anti-Area Denial und Access Denial. Also quasi geht es um Räumlichkeiten in dem militärischen Denken, in der Militärdoktrin, also quasi einem Gegner den Zugang zu bestimmten Räumen irgendwie verwehren zu können. Wir haben das jetzt genommen und wir sehen, wenn wir in die Geschichte schauen, das kann man 2000 Jahre, 10.000 Jahre, kann man ewig lange zurücksehen, immer in anderen Kontexten, geht es aber auch um Energy Denial, also das Verweigern einer gegnerischen Streitmacht auf Energie und Ressourcen zurückgreifen zu können. Das Zerstören von Treibstofflagern. Aber auch die Politik oder die Strategie, die Kriegsstrategie der verbrannten Erde, also auch tote Räume, tote Naturräume, tote Kulturräume, also hier geht Natur und Kultur in eins, also mit Kulturräumen meine ich dann Städten oder das von Menschen gemachte, also Häuser, Behausungen und alle möglichen Infrastrukturen, diese zu zerstören, aber auch die Natur zu zerstören, die kann auch ein Teil von der Kriegsstrategie sein und kann auch erhebliche Einflüsse auf den Gegner haben und eben den Stoffwechsel des Gegners, den Metabolismus, wie wir das nennen, um den auch zu zerstören. Also das kann man auch so weit denken, Zerbomben von Raffinerien im Zweiten Weltkrieg, also die große Combined Bomber Offensive, die auf bestimmte Schlüsseltechniken der deutschen Industrie im Zweiten Weltkrieg achtet, ist natürlich auch eine Art von Energy Denial.
Janssen: Genau, es fing erst mit den Kugellagerfabriken an, ging dann rüber zu den synthetischen und dann Raffinerien in Rumänien, um dann einfach so zu versuchen, die Mechanik von Rüstungsgütern zum Erliegen zu bringen und dann natürlich das Betreiben dieser Maschinen auch zu minimieren.
Reichherzer: Genau, das ist ein ganz wichtiger Punkt und umgekehrt kann man es auch in der Offensivstrategie sehen. Also bleiben wir mal einfach beim Zweiten Weltkrieg. Stalingrad, Baku, Ölfelder, oft werden Kriege oder Feldzüge oder Teiloperationen nur geführt, um Energie sicherzustellen, um weiter Krieg führen zu können oder um Rohstoffe zu sichern. Das ist ein ganz spannender Punkt, der auch in unserem Projekt eine Rolle spielt, dass die Energiesysteme, in denen Militärs operieren, wir sind jetzt hier in einem petrochemischen System, so könnte man unsere Gegenwart beschreiben, gibt es auch noch andere, Militär hat viele Energietransformationen in den letzten 150 Jahren durchgemacht. Und schauen Sie mal auf Schiffe, da sieht man das deutlich von Muskelkraft, also wäre das Biomasse, dann kann man zu Segel, zu Kohle, zu Öl und in einigen Fällen dann auch zu atomgetriebenen Booten. Also sehr viele Energietransformationen mit ganz unterschiedlichen Ansätzen, wo dann auch ganz unterschiedliche geostrategische Erwägungen dran ziehen. Wenn die Royal Navy von Kohle auf Öl umsteigt, Sie wissen jetzt, dass Großbritannien gibt es viel Kohle, Kohle, wenig Petroleum. Dann auf einmal rückt der Persische Golf mit den dort vorhandenen Ölressourcen auf einmal in das Zentrum strategisch, geostrategische Überlegung und dass der mittlere Osten dieses wichtige strategische Zentrum in vielen Überlegungen der letzten 50 Jahre ist, kann man auch hieraus ableiten. Dass sich das vielleicht verschieben kann, wenn man andere Energiesysteme, Energieträger hat, wenn man jetzt beispielsweise im Greening-Bereich über Batterien nachdenkt, die, wenn sie leistungsfähiger sind, unwahrscheinlich gut auch nicht nur in non-tactical vehicles, sondern aber auch in anderen doch zum Einsatz kommen können. Da kann man auch sehen, wie sich geostrategische Blickrichtungen einfach verändern. Das ist das eine, aber andererseits kann man aber auch sehen, das nennt Meta Crawford, eine amerikanische Wissenschaftlerin, die jetzt in Oxford forscht, Die nennt das Deep Cycle, also das quasi, um die Energieversorgung des militärischen Stoffwechsels sicherzustellen, benötigt das Militär, das diesen Stoffwechsel und den Zugang dazu sichern kann. Der ist sehr rohstoffintensiv und so dreht sich die Spirale immer weiter und auf einmal ist einfach sehr viel Militär, militärische Kraft, Macht, Energie notwendig, um überhaupt ein Militär als Streitmacht aufrechterhalten zu können. Und das bezeichnet die Forschung als Deep Cycle. Und hier gibt es auch Ansatzmöglichkeiten, vielleicht auch hier umzudenken und dann andere Doktrinen ein bisschen zu entschlacken von bestimmten Energieträgern. Und das geht dann auch damit einher. Es war jetzt eine kleine Tour. Wir waren ja vorher bei Stalingrad und Baku. Kann man auch sehen, wie sich solche Dinge dann auch Erwägung der Kampffähigkeit, der Ressourcenabhängigkeit von Streitkräften dann letztendlich nicht nur als Wirtschaftskrieg, sondern auch als genuin militärisches Problem darstellen und dann auch große strategische Entscheidungen auch mitbestimmen.
Janssen: Genau, Sie hatten es ja angesprochen, die Art, die Energieträger, die man in Maschinen steckt, erstmal Muskelkraft, dass man die Ruder bewegen kann und dann sind wir jetzt ja in den Sphären von elektronischer Kampfführung, Cyberspace, aber auch die ganze Elektronik, die dann ja zum Beispiel in den Drohnen verbaut wird, zieht dann ja auch wieder einen Bedarf an seltenen Erden zum Beispiel nach sich. Oder Lithium für die Akkus, mit denen man dann diese Drohnen betreibt. Und es ist auch ganz interessant, dass es eigentlich eine stete Weiterentwicklung von diesen Bedarfen gibt, und auch Innovationen gibt, die dann dazu führen, dass man dann nochmal weiterzieht und eben nicht bei dem bleibt, bei dem man gerade ist.
Reichherzer: Ja genau, das würden wir auch so sehen im Projekt und dem versuchen wir eben mit diesem Konzept des militärischen Stoffwechsels, also eine Stoffgeschichte des Militärs auch schreiben zu können, also die stoffliche Basiertheit des Militärs. Ich bin jetzt Ideenhistoriker, von Geburt hätte ich jetzt fast gesagt, aber sagen wir mal ein bisschen später von der akademischen Neugeburt, die dann irgendwann kommt, bin ich Ideenhistoriker, weil ich kann durchaus diese Stoffe immer in Ideenkontexte einordnen. Es gibt spannende Geschichten über Zucker und Industrialisierung. Stickstoff und Militär ist ein extrem wichtiges Thema. Haber-Bosch-Verfahren, Stickstoffherstellung, Munitionsproduktion im Ersten Weltkrieg, aber auch Stickstoff als Kunstdünger. Das sind irgendwie diese Punkte, die auch dazu führen, wenn man das Militär mal aus stofflicher Perspektive betrachtet, auch Militärgeschichte anders und breiter denken kann. Und aus diesen Inseln, da haben wir die einen, die machen Operationsgeschichte, die anderen machen Militär und Gesellschaft, die anderen machen ein bisschen Organisationsgeschichte. Ich glaube, dass dieser stoffliche Ansatz, weil diese Stoffe durch die ganze Organisation fließen, sie kommen hineinfließen, hindurch und fließen heraus, dass es unwahrscheinlich viel bringen könnte, die Militärgeschichte auch auf neue Art zu denken, nicht umzudenken und gar nicht irgendwie jetzt eine Revolution auszurufen. Sie wissen ja, alle Revolution Military Affairs sind nie Revolution, sondern es sind immer kleine Weiterentwicklungen. Hier können wir, glaube ich, über den Tellerrand hinausschauen. Wenn wir eben Stoffe und energetische Basiertheit von militärischen Organisationen und Operationen uns anschauen, kommen wir sehr weit, weil das kann Verbindungen herstellen, die wir über dieses Konzept sehen können, die man sonst nicht so deutlich sehen kann.
Janssen: Jetzt kann man sich ja das dann nochmal weiter operationalisieren. Wir hatten ja vorhin gerade schon darüber gesprochen, die Auswirkungen zum Beispiel von Natur auf Truppenübungsplätzen, wie sich das irgendwie auswirken kann. Wie schaut sich jetzt das Projekt dieser Bereiche an, man kann das ja wirklich von dem einzelnen Schiff, dem einzelnen Panzer denken bis zu dem ganzen System Bundeswehr.
Reichherzer: Richtig, also wir sind ein kleines Projekt mit einer Mitarbeiterin und zwei Projektleitern und einem Kooperationspartner mit dem Rachel-Carson-Center in München und der Ludwig-Maximilians-Universität. Aber wir vernetzen uns in viele Bereiche. Das ist ein Thema, das gerade im Kommen ist. Aus verschiedenen Richtungen, Umweltmilitär, vor allen Dingen aus der CO2Kohlendioxid-Emissionssache gibt es einiges an Forschung. Das nehmen wir auf. Und wir im Projekt, wir untersuchen ein Waffensystem, das macht Kerrin Langer, das zentrale Schiff einer Epoche und versuchen da mit dem Partner, die für uns Energieflüsse berechnen können. Also was ist Eisen, wie viel Energie ist in Eisen drin, wie viel Energie ist in Eisen drin, das man im 1900 produziert und wie viel Energie im Jahr 2020. Das sind auch Unterschiede und verschiedene Militär-Umwelt-Relationierungen, die da drin sind. Da schauen wir uns mal an, wie entwickelt sich das. Wir wollen aber auch auf ein Kampfprinzip schauen, also wie manifestiert sich das Verhältnis von Feuerkraft, Schutz und Bewegung. Panzer ist das eine, wie sich das zeigen kann. Ein Ritter ist ein anderes, aber auch eine Festung oder eine Burg ist eins. Sie hat null Bewegung, aber viel Schutz und viel Feuerkraft. Beispielsweise so wollen wir uns mal anschauen auf einer ideengeschichtlichen Ebene. Wie wird das ausgehandelt, wo geht das hin? Die Fragen sind auch so, wir denken immer in der Box, Panzer, also so ein fettes, schweres Ding aus Stahl mit einer großen Kanone drauf. Muss das denn aus Stahl sein? Das ist jetzt seit 110/15 Jahren aus Stahl gebaut, aber wenn man in die innovative Industrie schaut, kann der Schutz auch durch viel leichter, einfacher dann auch hergestellt werden, Schräume, die in Zwischenräumen sind und etwas ein eindringendes Projektil abwenden können, dass man es einfach abhängen kann, Neues dran. Also hier ist Innovationskraft auch gefragt und das ist auch ein Teil des Projektes, der jetzt nicht so sehr in meiner Verantwortung liegt. Das ist mir in dem Bereich der Transformationssoziologie in Dortmund auch. Was sind eigentlich Strategien, militärische Vorhaltung von Gewalt, aber auch militärische Anwendung von Gewalt, so wenig wie möglich umweltschädlich zu betreiben. Da kann man jetzt sagen, Umwelt interessiert den Krieg nicht, aber der Meinung sind wir im Projekt nicht. Diese Art von totaler Kriegführung, dass alle Schranken weg sind, die sehen wir nicht. Wir würden auch nicht sagen, Zivilisten interessieren nicht, interessiert alle, meine eigenen Leute interessieren nicht. Das finden wir ein Denken, das ist mit der inneren Führung und mit einer Bundeswehr, wie wir sie denken, nicht vereinbar. Es gibt auch den Tatbestand des Ökozids, der immer mehr im Völkerrecht eine Rolle spielt. Und man kann auch sehen, wie Umwelteinflüsse in der Kriegführung delegitimierend wirken. Also die Ukraine liefert Berichte, dokumentiert die Umweltschädigung der russischen Invasion in der Ukraine und stellt die genau neben die Kriegsverbrechen der russischen Invasion. Das gleiche passiert auch in Gaza, wo es auch dokumentiert wird, wie groß ist der Umwelteinfluss jetzt auf Gaza, auf den Krieg in Gaza. Und es wird genau neben Menschenrechtsverletzungen dann auch dorthin gestellt. Man kann hier sehen, dass hier zumindest ein starker Bewusstseinswandel da ist, dass das auch die nachhaltige Zerstörung einer Landschaft, Lebensräume, in denen wir Menschen leben, auch nicht wirklich möglich sind. Sprung jetzt, ganz kurz, noch in die Zwischenkriegszeit. Viele werden wahrscheinlich die Denkschriften von Stülpnagel kennen, Stülpnageldenkschrift, Verseuchung mit Giftgas von bestimmten Gebieten, Zerstörung. Da stellte sich am Ende auch für viele die Frage, wenn wir Deutschland zerstören, wenn wir Deutschland verseuchen, für was kämpfen wir denn eigentlich noch? Also auch der Schutzaspekt. Militär schützt Gesellschaften und schützt sie auch in den natürlichen Umwelten. Und wenn wir diese Umwelt zerstören und nicht wahrnehmen, dann denken wir, den Schutz, den Militär bietet, nur halb, weil wir leben in unserer natürlichen Umwelt und wir sind auf diese angewiesen. Amerikanische Militär ist das intensiv, dann auch Klimawandel auf den Einfluss von Militärpersonal, Hitze. Das wird da eigentlich sehr intensiv erforscht. Auch wenn es jetzt Umweltschutz von der aktuellen amerikanischen Administration in den Bereich des Kampfbegriffs des Woken gerückt wird und hier eine De-Woke-ification betrachtet wird und man hier auch keine Gelder mehr hinein investieren soll, sehen, dass amerikanische Militärs und Experten über, across the board würde man sagen, seit den 1990er Jahren viel differenzierter.
Janssen: Es war vor allem auch interessant, wenn man jetzt nochmal Energy Denial auf der einen Seite nimmt, dazu dann nochmal das, was sie geradezu Ökozid gesagt haben und dass man dann ja wiederum, wenn man diese beiden Parameter nimmt oder diese beiden Punkte nimmt und dann einfach mal schaut, was ist in den letzten drei Jahren in der Ukraine passiert, dass man ja immer wieder ganz viele Punkte dafür findet. Ob es jetzt der Staudamm ist, der von wem auch immer gesprengt worden ist oder ob es die Kämpfe um das ukrainische Atomkraftwerk im Osten der Ukraine sich dreht, dass da immer wieder geguckt wird, machen wir da jetzt was in der Region, was für Auswirkungen hätte es?, Tschernobyl lässt grüßen, wenn da irgendwas mit diesem AKW passiert oder Fukushima in einer gewissen Art und Weise vielleicht auch noch. Also was hat das dann für Auswirkungen für die Umwelt? Ist auch ganz interessant, eben vor diesen beiden Parametern. Energy Denial und Ökozid, was Sie auch gerade beschrieben haben.
Reichherzer: Ja, natürlich auch noch der Einsatz von Atomwaffen, mit dem immer wieder mal gedroht wird, spielt ja natürlich auch noch eine Rolle. Den kann man auch noch reinschieben. Ja, das ist natürlich auch diese Politik der Verwüstung. Also mit dem Staudamm, wie auch immer es war, ist natürlich dann auch ein toter Raum geschaffen, Seuchen durch verwesende Tiere. Also das ist auch so ein Punkt, der sich auch über die Geschichte der Kriegführung immer zeigen lässt. Also dass dann auch gezielt mit bestimmten Dingen verseucht werden, im Mittelalter, was weiß ich, tote Tiere in Brunnen werfen oder sowas. Das sind alles so Punkte, die man da sehen kann und da soll halt wirklich die Grundlage für die Kriegführung entzogen werden. Dem Gegner, das ist hier ein wichtiger Punkt, die natürliche Grundlage, also die naturbasierte, das ist eins. Und wenn man auch nochmal genau schaut auf die deutschen Rückzüge, da hatten wir ja auch mal eine spannende Workshop, die Chris Helmecke hier im Haus veranstaltet hat, zur Ostfront 1944 letztes Jahr, wo auch ganz klar rauskam, dass ja auch eine Politik der verbrannten Erde nicht nur Energy Denial für den Vormarsch der Roten Armee gewesen ist, sondern dass hier eine Zerstörung des natürlichen und kulturellen Raums geplant war, der eigentlich ein Leben bis in die 1970er, 80er Jahre nicht mehr ermöglichen sollte. Also das ist auch Teil dieser Politik, wo man auch wieder sehen kann, da entzieht man sich ja wieder eigene Energie, man kann sehen, dass aber ab dem Zeitpunkt auch von deutscher Seite nicht mehr erwartet worden ist, diesen Raum zurückzuerobern.
Janssen: Genau, und dass der Gegner Schwierigkeiten hat, diesen Raum, den er dann ja auch erobert, irgendwie zu nutzen, wenn da wirklich die komplette Infrastruktur, alle Häuser, alle Felder gerodet, gesprengt, zerstört werden, ist es ja wie so eine Pufferzone, die damit ja geschaffen wird, zwischen dem, wo der Feind seine Base hat, wo er dann Logistik zieht, zu da, wo der Feind dann ist. Also man ist ja in einem Niemandsland, wo man ja auch die Truppe da nicht mehr versorgen kann. Und dann für die Zeit danach ist da auch einfach nichts. Ja, spannender Gedanke.
Reichherzer: Vollkommen richtig, ja genau. Und das ist, glaube ich, ein Konzept, das man hier so in Ansätzen immer wieder sehen kann. Und unser Ansatz von Energy Denial wäre mal der erste Versuch einer Systematisierung dieser Ansätze. Letztendlich ist auch das Entziehen von Gas, Öl, gut, die Europäische Union und wir haben uns dann auch selbst dazu entschlossen auszusteigen, aber auch die Politik mit diesen Energieversorgungen zu spielen, ist natürlich auch ein Punkt von Energy Denial. Das kann man jetzt hier vielleicht in unserer aktuellen Gegenwart nicht so stark erkennen, aber wenn ich jetzt ein bisschen ansetze da, aber wenn man jetzt beispielsweise in 70er Jahre in die Ölpreiskrise hineingeht, durchaus. Wie die Ölwaffe, die dann da so auftaucht, da haben wir wieder Energie, Rohstoffe und sowas sogar in einem Wort verbunden, ist doch dann hier auch sehr interessanterweise dann auch zu erkennen.
Janssen: Auf jeden Fall. Ich fand den Punkt ganz interessant, der im Konzeptpapier steht und der auch im Vorgespräch immer wieder rauskam. Dieses, wie viel Militär will man sich halten, um auch dann wieder sehr militärisch eine entsprechende Wirkung zu haben. Also die Idee, ich hoffe, ich greife jetzt nicht zu viel vorweg, aber wir können es gerne gleich nochmal mit Beispielen belegen oder unterfüttern. Aber wie viel...
Reichherzer: Also von den Greening-Strategien, die es überhaupt geben kann, die im Diskurs sind, wo eine Form davon wäre, was sich in Anführungszeichen Demilitarisierung nennt. Also... dieser Diskurs, der sagt ja, also Militär kann umweltverträglicher sein, in dem bestimmte Dinge und Aufgaben nicht mehr durch das Militär erledigt werden sollen, die gerade durch das Militär erledigt werden.
Janssen: Jein, ich finde zum Beispiel ganz interessant, dass man jetzt zum Beispiel in Kanada einen Truppenübungsplatz hat, wo man mit aktiven, echten Kampfstoffen arbeitet, damit die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Truppen dort echt üben können. Und dass man sagt, okay, man hält sich sowas vor, um eine bestimmte Readiness einerseits zu haben, also dass es die Truppen beübt sind und üben können und das wiederum aber auch eine Auswirkung hat auf den potenziellen Gegner, einen Konflikt zu scheuen, der dann wiederum noch mehr CO2Kohlendioxid beispielsweise oder noch mehr Verwüstung und Eingriffe auf die Natur ausüben würde.
Reichherzer: Ja, das ist glaube ich, dann sind wir wieder in dem Abschreckungsparadigma. Also Leben, Menschen sind immer in Umwelt eingebunden und jede Art von Lebensäußerung, die wir Menschen tätigen, jeder Atemzug ist ein Eingriff in die Umwelt. Also wir transformieren Umwelt immer und das ist auch nicht schlimm. Wenn man das jetzt auf die Organisation hochrechnet, ist das natürlich schon ein Punkt, durch Abschreckung, die umweltschädlich sein kann, ein größeres Übel zu verhindern, verhindern zu können, das ist klar. Das kann man auch in die Überlegung mit einbinden und sagen, dass das Abschreckungspotenziale so zu gestalten, dass sie so umweltverträglich sind wie möglich ist. Und so abschreckungspotenziel wie nötig. Das passt ganz gut auch in militärisches Denken hinein, wo immer ein Austarieren von militärischer Möglichkeit, Notwendigkeit, Angemessenheit. Das ist ja quasi das, was militärisches Führen, militärisches Entscheiden, militärisches Planen im Kern ausmacht. Und das kann man auch, wenn da Umwelt eine gewisse Rolle spielt, ist das durchaus ein denkbarer Prozess, auch diese Low-Carbon-Warfare, also überhaupt gar nicht zu diesem Warfare kommen lassen zu können.
Janssen: Sie hatten vorhin noch die NATO angesprochen. Und ist es nicht so, dass die NATO die erste Institution ist, die sich mit Umweltschutzthemen auseinandergesetzt hat?
Reichherzer: Ja, das ist richtig. Das ist ein spannender Punkt. Wir haben sozusagen in der NATO in den 60er Jahren zwei Achsen. Die eine sind die, die sich mit Environmental Modification, also mit Umweltmodifizierung beschäftigen, für die Kriegführung, vor allen Dingen jetzt hier im Bereich von Wetter. Und auf der anderen Seite aus den USAUnited States of America der Anfang der Umweltbewegung. Richard Nixon, der die Umweltbewegung dann auch entdeckt und dann auch sagt, wir können alles in Kulturkämpfe ziehen, aber nicht Umwelt, bringt dann da auch den Impuls, beziehungsweise die Nixon-Administration in die NATO hinein. Und dann entstehen in der NATO Einrichtungen, die sich mit Umweltschutz, vor allem mit Umweltverschmutzung beschäftigen. Das hat auch ein bisschen mit Deton zu tun, mit nachlassend kaltem Krieg. Die NATO sucht nach neuen Herausforderungen. Und da kommt dann wieder das, was ich vorher mit dem Militär als Organisation, die schützt, betrachtet hab. Also da kommen die Ambivalenzen militärischer Gewalt wunderbar hervor. Also zerstören und schützen. Gewalt ist immer ambivalent. Sie sichert, sie zerstört, sie schafft und sie macht kaputt. Das zeigt sich hier auch und für die NATO ist quasi Umweltverschmutzung eine der zentralen Bedrohungen für die Gesundheit westlicher, industrialisierter Gesellschaften in den 60er, 70er Jahren. Hier gibt es viel Forschung, vor allen Dingen auch zu Feinstaub, zu Industriebelastung. Das ist hier so eine Elemente und Environmental Protection ist ein Kernthema, das die NATO schon sehr früh eingeschrieben hat und das sich jetzt bis in die NATO-Geschichte verfolgen lässt. Und letztes Jahr hat die NATO in Kanada ein Center of Excellence eingerichtet, das sich mit Umwelt, Natur und Klimafragen beschäftigt. Also hier kann man auch sehen, wie wichtig das auch ist. Kritiker würden behaupten, hier ist eine Militarisierung des Klimaschutzes zu sehen. Aber, würde ich jetzt nicht so sagen, aber dass diese Themen auch für die NATO als eine, das erfolgreichste Militärbündnis als inter- und transnationale Organisation schon immer ein Thema ist, ist ganz spannend. Vielleicht ein Funfact, ein anderes Thema, was die NATO dann noch hat, ist Verkehrssicherheit. Und dass wir jetzt einen Sicherheitsgurt wie selbstverständlich im Auto umlegen, will ich ja nicht sagen, dass uns das die NATO eingebrockt hat, aber zumindest ist dieses Thema von Gurtsicherheit, NATO-Verkehr auch ein Punkt, der genau neben der Umweltverschmutzung als riesengroßes Problem für westliche Gesellschaften zu sehen ist, hier angegangen wird. Und letztendlich auch, da gibt es einen Pfad, der hier natürlich stark ist, Umweltproblematiken mit technologischen Lösungen zu lösen. Katalysatoren, Filtersysteme in größeren Industrieanlagen, das sind so Punkte, die hier auftauchen können.
Janssen: Sie hatten vorhin schon mal so angedeutet, sage ich mal, die Frage, dass, gerade im Hinblick auf Klimaschutz, wie viel Militär will man sich denn halten und dass jetzt auch in der heutigen Zeit die Imitierung von CO2Kohlendioxid, von global betrachtet Militär auch eine signifikante Hausnummer ist. Und man darüber nachdenken müsste und dann wiederum in dieses ganze Konstrukt hineinbringen, was ich gerade schon beschrieben habe. Können Sie das mal ein bisschen näher beziffern auch?
Reichherzer: Ja, das ist ganz schwer zu beziffern. Es geistert immer eine Zahl rum, dass wenn das Militär ein Land wäre, ist der dritt- oder viertgrößte CO2Kohlendioxid-Emitent weltweit. Also hinter China, Russland und den USAUnited States of America. Wobei den USAUnited States of America dann schon ihr eigenes Militär mit drin sind. Oder ein Vergleich ist, die USUnited States Air Force hat einen Carbon Bootprint, wie man es nennen könnte, oder na gut, beim Fliegen weiß ich nicht, was da der Punkt wäre, der ungefähr so groß ist wie der von Portugal oder Schweden, also wie eines Landes in der Europäischen Union. Das ist immer schwierig zu messen. Es gibt Ansätze, dies zu tun. Also das Militär, der Militärsektor ist im Kyoto-Protokoll erwähnt, aber ist nicht berichtspflichtig in den nationalen Treibhausgasinventaren. Und vor allen Dingen sind auch die Auslandseinsätze oder Expeditionen oder Military Broad oder Kriege, wenn man das mal international framen will, jetzt nicht nur für die Bundeswehr, die sind auch von diesem Inventar ausgenommen und die Zahlen dafür sind extrem schwer zu bekommen. Letztendlich sind sie auch nicht so wichtig, weil, sie sind hoch, das kann man sagen. Und für das Militär taucht jetzt so ein Stichwort auf, vor allen Dingen für, ich sag es jetzt mal für westliche Militärs, das Konzept des Low Carbon Warfare. Oder man kann so Überschriften lesen in Denkschriften wie Reducing the Energy Burden, the Fuel Burden or Less Fuel, More Fight. Das sind so Ideen, die vor allen Dingen auch im War on Terror aufgekommen sind, wo die meisten gefallenen amerikanischen Soldaten und Soldatinnen im Bereich der Treibstoffversorgung überhaupt zu finden sind. Also da sind die höchsten Casualties. Sie können sich vielleicht auch an Kunduz, den feststeckenden Tanklaster erinnern, der bombardiert wurde. Auch da Treibstoff. Also das sind die verwundbaren Linien im War on Terror gewesen, wo dann auch gezielt Anschläge, Kämpfe daran stattgefunden haben. Und im Irak und Afghanistan sind das die höchsten. Deswegen haben sich die USUnited States Army oder die NATO und andere beteiligte Einrichtungen sehr viel Gedanken darüber gemacht, den Energy Burden zu reduzieren. Aktuell schreiben amerikanische Kommandeure in einem Anschreiben aus dem Pentagon auch, sie sollen bitte nicht davon ausgehen, dass ihre Fahrzeuge immer aufgetankt sind. Also Energie, die Versorgung mit Treibstoffen. Wir haben immer Energy Denial-Geräte, diesen Riesenproblem. Und es ist nicht gegeben, dass der immer da ist. Wehrmacht-Geschichte, kann ein Lied davon singen, wie kritisch die Treibstoffversorgung war. Die Adennen-Offensive, wo es ja auch darum ging, Treibstofflager zu erbeuten. Selbst die Alliierten, die sehr viel Treibstoff haben, Pipelines durch den Kanal legen, der Streit zwischen Montgomery und Bradley-Patton, wer kriegt jetzt den Treibstoff und ins Deutsche Reich vorstoßen zu können, das sind immer limitierte Dinge, deswegen bietet das Nachdenken über die Energieversorgung und die Reduzierung von Energie, die Einsparung von Energie sowohl am operativen Ende, also in Operational Energy, wie man das nennt, eine wichtige Rolle, aber auch am stumpfen Ende, wenn man das so will, in der Gebäudesanierung. Es sind immer Kostenfragen. Also die Bundeswehr hat eine klimaneutrale Kaserne, kostengünstig. Und da freut sich jeder Haushälter, wenn er im Einzelplan 14 da auch was reduzieren kann, wo man dann auch vielleicht Mittel umschichten kann. Und da müssen wir immer tief sein, out of the box denken, Low Carbon Warfare, wie ich sagte, ist das Stichwort, was man auch immer hört, ist, solange da kein Fähigkeitsverlust mit verbunden ist. Why not? Wie viele Fähigkeiten hat die Bundeswehr in den letzten 30 Jahren verloren? Einige sind jetzt auf Greening-Strategien zurückzuführen? Ich denke, nein. Also da muss man auch nüchtern mit umgehen und ich denke auch, wenn man schlau ist und die Bundeswehr hat an den richtigen Orten oft schlaue, intelligente, fähige Menschen, dann müssen wir da auch fähig sein, auch mal out of the box zu denken. Und vielleicht ist diese Greening-Strategie, sind Green Transitions nicht einfach nur Ersetzen des Bekannten durch neue Technik, künstliche Treibstoffe etwa. Vielleicht bietet auch das uns vielleicht auch einen Vorteil, einen Fähigkeitsgewinn. Vielleicht können wir Dinge besser als andere, wenn wir in diese Richtung denken. Und da offen zu sein und nicht von vornherein abzuwinken und Umweltschutz als irgendetwas Verrücktes, Grünes oder sowas zu qualifizieren, wäre, glaube ich, ein Fehler. Es ist nicht die oberste Priorität, darüber kann man sich klar sein, das ist auch nicht die Aufgabe des Militärs, der oberste Umweltschütze der Bundesrepublik zu sein, aber dass es bei Vorhaben, bei Beschaffung mitgedacht wird und dort getan, wo es getan werden kann, ist, glaube ich, ein Punkt, den man unbedingt dann auch sehen müsste und den wir auch, glaube ich, sehen und den die Industrie, glaube ich, auch fähig ist, schon lange zu sehen. Und wo man da anfängt, wie man da anfängt, da gibt es genug schlaue Ideen auf dem Markt, die man durchaus auch abgucken kann und vielleicht ist das Militär jetzt hier irgendwann aktuell vielleicht nicht der Vorreiter einer grünen Transformation, aber kann aber durchaus Dinge adaptieren, einbinden, aber vielleicht kann es auch in bestimmten Fällen auch Technologieträger oder auch Innovateur sein für bestimmte Dinge, die dann auch im zivilen Bereich eine Rolle spielen. Also wenn man ein Beispiel, wenn man auf die Brennstoffzellenforschung schaut und auf U-Boote, ist das eindeutig erkennbar, dass hier eine Minioritisierung stattfinden kann und wie jetzt hier das funktioniert. Und die Marine nutzt seit Jahren und hat auch den Abschied vom Verbrenner im U-Boot dann letztendlich auch geschafft und ist damit auch auf internationalen Rüstungsmärkten doch, denke ich, sehr erfolgreich.
Janssen: Gibt es denn auch schon irgendwas zu lesen für die Zuhörenden, die gerne noch weiteres dazu lesen wollen?
Reichherzer: Wir haben so Arbeits- und Working-Papers. Es gibt aber doch ein paar auf der Seite des Projekts bei der TUTechnische Universität Dortmund, die wir verlinken, findet man immer unsere aktuellen Projekte und dann auch bald die ersten Beiträge, die erscheinen werden, wo man hier dann auch tiefer noch in unser Projekt einsteigen kann.
Janssen: Wunderbar. Also einmal wunderbares Schlusswort gerade gesprochen, plus dann noch Literaturempfehlungen an die Hand gegeben, werden wir auch soweit verlinken. Das für die Zuhörerinnen und Zuhörer, die sich noch tiefer mit dem Thema beschäftigen wollen. Sie sich einfach ein bisschen einlesen können. Vielen Dank, Frank Reichherzer, für dieses wundervolle Gespräch.
Reichherzer: Vielen Dank, Philipp Janssen. Freut mich immer wieder gerne.
Janssen: Machen wir weiter. Und dann würde ich sagen, ein Follow-up, sobald Sie irgendwelche weiteren Erkenntnisse gewonnen haben.
Reichherzer: Unbedingt. Ich freue mich drauf und auch danke für alle, die zugehört haben.
Janssen: Das war's von Zugehört, dem Podcast des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Bis bald. Tschüss.
 

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