Soldaten im Nachkrieg - Transkript

Soldaten im Nachkrieg - Transkript

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Herzlich Willkommen zu „Angelesen“, dem Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Heute stellen wir das Buch „Soldaten im Nachkrieg. Historische Deutungskonflikte und westdeutsche Demokratisierung 1945-1955“ von Jörg Echternkamp vor. Der Begriff Zeitenwende bezeichnet eine unerwartet eintretende politische Entwicklung, die bisherige Gewissheiten über den Haufen wirft und von einer Regierung Handeln unter neuen, ungewohnten Rahmenbedingungen verlangt. Es herrscht weitgehend Konsens darüber, dass der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 eine Zeitenwende für Deutschland und Europa markiert, ebenso wie es das Ende der sowjetischen Hegemonie in Mittelosteuropa 1990/91 tat. Die seltener auftretende und mit erheblich größeren Verwerfungen verbundene Steigerungsform der Zeitenwende ist der Epochenbruch. Der bislang letzte in der europäischen Geschichte fällt ins Jahr 1945. Deutschland war sein unrühmliches Epizentrum. 
Infolge der verbrecherischen Politik seines Staats- und Regierungschefs lag das Land in Trümmern. In den Städten war kaum noch ein Stein auf dem anderen. Kaum eine Familie hatte keine Kriegstoten zu beklagen, acht Prozent der Bevölkerung waren ums Leben gekommen. Dass die westdeutsche Gesellschaft, „auf die Krieg und Völkermord lange Schatten warfen, eine friedfertige und demokratische Ordnung ausbilden“ konnte, ist vor diesem Hintergrund keine Selbstverständlichkeit. Jörg Echternkamp nimmt in seiner vorliegenden Habilitationsschrift das erste Jahrzehnt nach Kriegsende in den Blick und fragt nach der Rolle, die Deutungen des Zweiten Weltkriegs für die Einstellung der Bevölkerung zu Krieg und Militär in der Nachkriegszeit gespielt haben. Diese Einstellung hatte sich schon in den letzten Kriegsjahren zu wandeln begonnen. Die sich immer deutlicher abzeichnende Niederlage hatte den Boden für um sich greifende Kritik an der militärischen Führung“ bereitet, die „sich nicht…auf eine Handvoll hitlertreuer Generale beschränkte“. Viielmehr erstreckte sie sich auf das gesamte Offizierskorps, während die Masse der einfachen Soldaten, zumal die jungen, in der Zeit der NSNationalsozialismus-Diktatur aufgewachsenen, als praktisch schuldlos betrachtet wurde. Die klassische, aus dem 19. Jahrhundert überkommene preußisch-heroische Vorstellung vom Militärischen war in diesem Sinne bei vielen Deutschen bereits erschüttert, als die Alliierten in den westlichen Besatzungszonen ihr Programm der reeducation einleiteten. Dieses Programm sah auch die Zerstörung des Militarismus in Deutschland vor, wobei schon damals fraglich war, ob und wie man diesen Begriff definitorisch trennscharf erfassen könne. Praktisch umfasste die Politik der Entmilitarisierung Strafverfahren gegen führende Wehrmachtsoffiziere und ein allgemeines Verbot des Tragens von Uniformen aus dem Dritten Reich. Zudem richtete sie sich gegen Straßennamen, Denkmäler sowie Literatur und Presseerzeugnisse, die als kriegsverherrlichend eingestuft waren. In diesem Sinne war vieles an der Entmilitarisierung Symbolpolitik, deren Auswirkungen auf das Bewusstsein der Deutschen exakt zu vermessen schwierig ist. Echternkamp weist zurecht darauf hin, dass etwa das aus dem Verkehr ziehen kriegsverherrlichender Literatur einen großen Unterschied zur Zeit nach dem Ersten Weltkrieg darstellt, in der diese Art Literatur ins Kraut geschossen war und sich großer Beliebtheit beim Lesepublikum erfreut hatte. Die Alliierten selbst schätzten den Erfolg ihrer Demilitarisierungspolitik als sehr groß ein. Das lässt sich daran ablesen, dass 1949 in amerikanischen Geheimdienstberichten gar vor überhandnehmendem Pazifismus unter den Deutschen gewarnt wurde: „Es werde schwer sein, die Deutschen dazu zu bewegen, auch nur in einem Verteidigungskrieg zu kämpfen“. 
Unabhängig von der Demilitarisierung war es unvermeidlich, dass der Krieg lange über sein Ende hinaus ein bestimmendes Thema blieb. Dafür sorgten nicht nur die materiellen Schäden, deren Beseitigung Jahre dauerte, und die Trauer um die Kriegstoten. Da war außerdem die Frage der Rückkehr deutscher Kriegsgefangener aus der Sowjetunion. Und nicht zuletzt hielt die Wiedereingliederung von Millionen Kriegsteilnehmern in die Nachkriegsgesellschaft den Krieg auf der Agenda. Über die Einstellung der Westdeutschen zum Krieg in den unmittelbaren Nachkriegsjahren sind wir durch Meinungsumfragen informiert, die die amerikanische Militärregierung durchführen ließ. 1946 gaben immerhin 56 Prozent der Befragten an, das NSNationalsozialismus-Regime sei Urheber des Krieges und somit für diesen verantwortlich. 70 Prozent allerdings bestritten, „dass die Deutschen insgesamt für den Krieg verantwortlich seien“. Verbreitet war die Entlastungserzählung, der Durchschnittsbürger habe schließlich in der Diktatur den Gang der Politik nicht beeinflussen können. 
In den Folgejahren verschob sich die Wahrnehmung. 1951 meinten nur noch 32 Prozent, dass Deutschland allein die Schuld am Kriegsausbruch trage. Fast 20 Prozent sahen eine gleich große Mitschuld auf Seiten der westlichen Kriegsgegner, die angeblich in den 1930er Jahren nicht ihr Möglichstes getan hatten, dem NSNationalsozialismus-Regime Schranken zu setzen. Die übrigen Befragten zogen es vor im Unkonkreten zu bleiben und gaben an, „dass anonyme Mächte wie das Schicksal oder der internationale Kapitalismus für den Krieg verantwortlich seien“. Diese Verschiebung im Meinungsbild hing mit der bundesdeutschen Presselandschaft zusammen. Hier hatten die Alliierten unmittelbar nach dem Krieg sehr darauf geachtet, die Betätigung von NSNationalsozialismus-belasteten Journalisten zu unterbinden. Das änderte sich ab 1947. Journalisten, die gleichermaßen kompetent, erfahren und unbelastet waren, gab es kaum. Daher kehrten mit Duldung der Alliierten „die ehemaligen Medieneliten über persönliche Seilschaften und Netzwerke in die Redaktionsräume zurück“, wo sie sich als durchaus anpassungsfähig an das neue, demokratische System erwiesen. Es kam ihnen entgegen, dass im heraufziehenden Kalten Krieg die aus den Kriegsjahren geläufige antikommunistische Tonlage grundsätzlich, wenn auch weniger schrill, weiterhin gefragt war. Über die Sowjetunion wurde vielfach verbreitet, sie habe die Absicht gehabt, das Deutsche Reich anzugreifen. Der deutsche Überfall vom Juni 1941 sei mithin lediglich ein legitimer Präventivkrieg gewesen. Diese mittlerweile längst widerlegte Behauptung wurde in den 50er Jahren vom Publikum gern geglaubt. Echternkamp zitiert aus Leserbriefen von 1957 an die Illustrierte STERN. Die Leserbriefschreiber artikulierten die Meinung, ohne Hitler stünde die Rote Armee wahrscheinlich längst an der Atlantikküste. Solche Quellen erlauben den Schluss, dass im Verhältnis der Westdeutschen zur Sowjetunion „die nationalsozialistische Propaganda von der Verteidigung des Abendlandes…fortwirkte“.      
Das Renommee des Soldatenberufs, das unmittelbar nach Kriegsende auf einem Tiefpunkt war, stieg in den 50er Jahren wieder. Das hatte nicht nur mit entsprechenden Presseberichten zu tun, die dies im Sinne der mittlerweile von den Westalliierten gewünschten deutschen Wiederbewaffnung begünstigten. Es lag auch an der erfolgreichen Lobbyarbeit von Verbänden, die die Interessen von Veteranen, Kriegsversehrten und ehemaligen Kriegsgefangenen vertraten. Die noch verbliebenen deutschen Kriegsgefangenen blieben in der Presse ständig präsent. 1950 erklärte die Bundesregierung den 26. Oktober zum „Tag der deutschen Kriegsgefangenen“. Er wurde seitdem vielerorts mit gut besuchten Solidaritäts-Schweigemärschen begangen. 
Davon, dass es im Zuge der Wiederbewaffnung „wieder eine Ehre sein soll, den Waffenrock für die Verteidigung des Abendlandes zu tragen“, wie das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL 1952 formulierte, zeugte auch die Tatsache, dass so mancher Bundestagsabgeordnete seine persönlichen Angaben im Bundestagshandbuch änderte. Wo zuvor nur in dürren Worten von „Teilnahme am 2. Weltkrieg“ die Rede gewesen war, wurden jetzt Verwendungen wie „Batterieführer“ oder „Regimentskommandeur“ angegeben. Wo in der Presse Berichte über die Verbrechen der Wehrmacht erschienen – und das war bereits in den frühen 50er Jahren der Fall, keineswegs erst ab 1968 – lösten sie meist verständnislose Rückmeldungen der Leserschaft aus. In den Leserbriefen wurden die Verbrechen nicht bestritten, „aber relativiert durch die Umstände…und den Verweis auf die Verbrechen der Gegenseite“. Dieses Phänomen ist heute unter dem neudeutschen Begriff „Whataboutism“ bekannt. Die Soldatenverbände taten, was sie konnten, um das Bild vom anständigen Wehrmachtsoldaten zu etablieren. In ihren Augen hatte, wie es ein Mitglied 1951 in einer Verbandszeitschrift ausdrückte, der deutsche Soldat bis zum Schluss tapfer gekämpft, „in Gedanken an das Wohl seiner Heimat, aber nicht als Hitlerknecht“. Zur Unterstreichung dieses Standpunkts lag es nahe, sich entschieden von vormaligen Kameraden abzugrenzen, die dem verblichenen „Führer“ zu pflichteifrig gedient hatten.        
Das betraf insbesondere Ferdinand Schörner. Ihn hatte Hitler noch im April 1945 zum Generalfeldmarschall befördert. Schörner war für die brutale Behandlung seines unterstellten Bereichs berüchtigt gewesen und hatte bis in die letzten Kriegstage Todesurteile an Wehrmachtsoldaten vollstrecken lassen. Als die Sowjets ihn 1955 aus der Kriegsgefangenschaft entließen, zeigten ihm sämtliche Soldatenverbände die kalte Schulter. Für die Bundesregierung bot sein Fall die Gelegenheit, den westlichen Alliierten zu zeigen, dass die an sich erwünschte und geförderte Integration früherer Soldaten in die Nachkriegsgesellschaft nicht um jeden Preis stattfand. Schörner wurde wegen Totschlags angeklagt und verurteilt, saß zwei Jahre in Haft und verlor seine Pensionsberechtigung. Für die Masse der ehemaligen Soldaten waren Fälle wie Schörner „in den Deutungskämpfen der ersten Hälfte der fünfziger Jahre [eine] Kontrastfolie, mit deren Hilfe die eigene Gruppe ihre Position in der Nachkriegsgesellschaft untermauerte“.   
Neben der auf Verharmlosung angelegten Deutung, die der Arbeit der Soldatenverbände zugrunde lag, gab es freilich auch Publikationen, die den Zweiten Weltkrieg mit dem Ziel der Aufklärung oder der Unterhaltung thematisierten. Folgerichtig stellt Echternkamp daher für die junge Bundesrepublik eine „Pluralisierung von sinnstiftenden Angeboten für die Kriegszeit“ fest. Von einer Verdrängung des Kriegs konnte mitnichten die Rede sein. Im Gegenteil wurde es manchen Pressekonsumenten zu viel: Echternkamp zitiert aus Leserbriefen, deren Verfasser dafür plädierten, sich mit der zurückliegenden Kriegszeit nicht mehr zu beschäftigen. Das war für die Mehrheit allerdings keine Option. Da das Er- und Überlebte die Gegenwart mitprägte, „musste die jüngste Vergangenheit interpretiert, mussten ihre Überlieferungen mit neuen Deutungsangeboten versehen werden“. Die von den Soldatenverbänden verbreitete Deutung aufzugreifen erschien der Bundesregierung hilfreich bei der Umsetzung eines ihrer aufwändigsten Projekte, das gesellschaftlich alles andere als unumstritten war: dem Aufbau neuer deutscher Streitkräfte. Wie diese „in Staat und Gesellschaft so integriert werden könnten, dass sich die fatalen Entwicklungen der Weimarer Republik und des Dritten Reiches nicht wiederholten“ – das war hierbei die entscheidende innenpolitische Frage.  
Die Antwort bildete die Innere Führung. Freilich lässt sich nicht übersehen, dass diese mühevoll etabliert werden musste und in den Anfangsjahren zu kurz kam. Nicht zu Unrecht bezeichnet Echternkamp den Aufbau der Bundeswehr, die von 1955 bis 1960 auf 500 000 Mann aufwachsen sollte, als überhastet und stellt fest, dass diese Vorgehensweise „dem intellektuellen Lernprozess enge Grenzen“ zog. Immerhin brauchte man bei der Durchsetzung der Inneren Führung keinen großen Aufwand zu betreiben, um das traditionelle heroische Kriegsbild abzuräumen, das, wie erwähnt, durch die katastrophalen letzten Weltkriegsjahre bereits schwer erschüttert war. Kontinuitäten und Diskontinuitäten im Kriegsverständnis kamen im 1957 erschienenen Handbuch Innere Führung zum Ausdruck. Als zentrales Kontinuitätsmoment wurde die unterschiedslose Betroffenheit von Streitkräften und Zivilbevölkerung im Kriegsfall hervorgehoben. Fast die Hälfte der Toten des Zweiten Weltkriegs waren Zivilisten gewesen. In künftigen Kriegen sei, so hieß es im Handbuch, eine vergleichbare Relation zu erwarten. Aus dieser für militärische wie zivile Sphäre gleich großen Gefahr im Ernstfall ergab sich das „verteidigungspolitische Argument für den Kern des Konzepts der Inneren Führung: die Integration von Militär und Gesellschaft“. Überwiegend verwies das Handbuch aber auf Diskontinuitäten. Anhand des Beispiels der Partisanenbekämpfung wurden die Verbrechen der Wehrmacht dargestellt und ausdrücklich auch als solche benannt. Sich bruchlos in die Tradition der Wehrmacht zu stellen, war somit ausgeschlossen. Wolf von Baudissin, der als „Vater der Inneren Führung“ wesentlich für das Handbuch verantwortlich zeichnete, hatte die junge Generation der ersten Wehrpflichtigen als Hauptzielgruppe im Auge. Diese Generation war von zeitgenössischen Soziologen als die „skeptische Generation“ beschrieben worden, die traditionellen Autoritäten nicht mehr mit derselben Bereitwilligkeit folgte wie frühere Generationen. Entsprechend enthielt das Handbuch die Feststellung, dass die Autorität militärischer Vorgesetzter sich nicht mehr in erster Linie formal aus Dienstgrad oder Dienststellung begründete, sondern durch glaubwürdiges Vorleben der freiheitlichen Werte, zu deren Schutz die neuen Streitkräfte ins Leben gerufen worden waren.         
Befürwortet wurde laut Meinungsumfragen die Wiederbewaffnung im Jahr 1956 nur von 44 % der Bundesbürger. Wer sie ablehnte, hatte dafür freilich nicht zwangsläufig pazifistische Motive. Viele schätzten schlicht den neuen Wohlstand, den die Wirtschaftswunderjahre seit 1950 mit sich gebracht hatten. Man wollte in dessen friedlichem Genuss nicht mit etwas behelligt werden, das man für überholt hielt. Der organisierte Protest, den es gegen die Wiederbewaffnung gab, entfaltete keine große Schlagkraft. Seine Hauptakteure, SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands und evangelische Kirche, fanden nicht zusammen, weil die SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands bis 1959 eine ausgesprochen kirchenkritische Haltung vertrat. 
Es zeigte sich, dass für die meisten Bundesdeutschen die Wiederbewaffnung nicht das entscheidende politische Thema war. Andernfalls wäre zu erwarten gewesen, dass ihre überwiegende Ablehnung sich bei der Bundestagswahl 1957 in Stimmen für die Opposition und gegen die regierende CDUChristlich Demokratische Union/CSUChristlich-Soziale Union niedergeschlagen hätte. Dazu kam es nicht. Stattdessen erzielte die CDUChristlich Demokratische Union/CSUChristlich-Soziale Union die absolute Mehrheit. In seinem Resümee argumentiert Echternkamp, dass die Gesellschaft in der jungen Bundesrepublik von einem starken Bedürfnis nach Sicherheit geprägt war. Insbesondere für die aus der Kriegsgefangenschaft Entlassenen und die Millionen Vertriebenen aus den vormals deutschen Ostgebieten war das Leben in dem neuen westdeutschen Rumpfstaat ein „Aufbruch in eine zumindest streckenweise radikal veränderte, unbekannte Welt“. Sicherheit sollte nach außen durch die neue Bundeswehr und deren Einbindung in die NATO, nach innen durch einen umfangreich ausgebauten leistungsstarken Sozialstaat gewährleistet werden. Rückblickend lässt sich festhalten, dass diesem Unterfangen bis 1990 insgesamt, insbesondere bezüglich der äußeren Sicherheit, Erfolg beschieden war. Zwar hielten sich bei einem nicht unerheblichen Anteil der Bevölkerung Kriegsdeutungen der verharmlosenden Art lange und zäh, wozu nicht zuletzt die Soldatenverbände beitrugen. Die Verbände wandten sich aber trotz aller Pflege überholter oder problematischer Deutungen der Kriegs- und NSNationalsozialismus-Zeit eben nicht gegen den neuen Staat. Darin lag der entscheidende Unterschied zu vergleichbaren Organisationen, die es in der Weimarer Republik gegeben hatte. 
Als die vorliegende Arbeit 2014 veröffentlicht wurde, war die Bundeswehr hauptsächlich in Afghanistan und Mali aktiv. Obwohl Russland im selben Jahr rechtswidrig die ukrainische Halbinsel Krim annektierte, war die Zeitenwende von 2022 noch nicht abzusehen. Folgerichtig hat Echternkamp bei der Frage nach Verbindungslinien zwischen dem betrachteten historischen Sachverhalt und der Gegenwart die Armee im Einsatz vor Augen. Mit Recht weist er darauf hin, dass sich Parallelen erkennen lassen zwischen invaliden Kriegsgefangenen, die in den 50er Jahren zurückkehrten, und Bundeswehrsoldaten, die aus Afghanistan körperlich oder seelisch gezeichnet zurückkehrten.    
Sucht man heute, im Angesicht der Zeitenwende, nach Verbindungslinien zur Gegenwart, scheinen zunächst die Unterschiede zwischen den 1950er und den 2020er Jahren zu überwiegen. Längst ist die Bundesrepublik keine Nachkriegsgesellschaft mehr. Der Generalinspekteur der Bundeswehr sagte im Februar 2024, in fünf Jahren liege ein russischer Angriff auf NATO-Staaten im Bereich des Möglichen. Im ungünstigsten Fall ließe sich die Gegenwart somit eher als Vorkriegszeit beschreiben. Von bleibendem Wert ist die Erkenntnis, die das Handbuch Innere Führung schon 1957 formuliert hat: Im Verteidigungsfall wäre die zivile Sphäre keiner geringeren Gefahr ausgesetzt als die Streitkräfte. Diese Erkenntnis sollte die Verantwortlichen leiten, die gesamtgesellschaftlichen Verteidigungsanstrengungen schnell so weit wie möglich zu verstärken. Text: Christoph Kuhl, Gelesen von: Harald Potempa 

von Christoph Kuhl

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