Oberst Reinhard Hauschild- Transkript

Oberst Reinhard Hauschild- Transkript

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Herzlich willkommen zu „Angelesen“, dem Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. 
Heute stellen wir das folgende Buch vor:  „Oberst Reinhard Hauschild 1921 – 2005. Traditionsstifter für die Bundeswehr? Gedenkschrift zum 100. Geburtstag“ vor. Es erschien 2021 im Berliner Miles-Verlag. Die Herausgeber des Bandes sind Dirk Drews und Stefan Gruhl. Die Truppe für Operative Kommunikation der Bundeswehr gedenkt mit diesem Buch anlässlich des 100 Geburtstages von Oberst Reinhard Hauschild einem ihrer Gründerväter. Die Vorläufer der Operativen Kommunikation in der Bundeswehr sind die Truppe für Psychologische Kampfführung, die Truppe für Psychologische Verteidigung sowie die Truppe für Operative Information. Nie war diese besondere Truppe so in der Bundeswehr präsent wie heute. Sie ist mit den Aufgaben gewachsen und Menschen haben mit ihrer Lebensleistung den Weg geebnet; zu ihnen gehörte Oberst Reinhard Hauschild. Im Untertitel des Buches steht ein Fragezeichen. Es weist auf eine wichtige Perspektive hin. Denn Reinhard Hauschild ist als Persönlichkeit zweifelsohne Tradition der Truppengattung Operative Information; als Vorbild für die ganze Bundeswehr ist er dagegen wenig betrachtet worden. Zudem meinen es die Herausgeber ernst und wollen es sich mit der ehrenden Erinnerung an Hauschild nicht leichtmachen. Denn er war Wehrmachtsoffizier und erst später Oberst der Bundeswehr. Es ist das Verdienst der beiden Herausgeber, Dirk Drews und Stefan Gruhl, ein interessantes Stück Bundeswehrgeschichte in Verbindung mit einer Soldatenbiografie des 20. Jahrhunderts entdeckt zu haben. Der Sammelband vereinigt elf Aufsätze zum Leben und Wirken eines Offiziers mit vielen Facetten und doch auch deutlichen Konstanten. Und mit Erik Börgers, Jörg-Dieter Fischer, Sebastian Garlitzki, Falko Hark, Thomas Hauschild, Christina Matz und Martin Wroblewski sind in der Autorenschaft auch beide „Familien“ Hauschilds vertreten, die leibliche Familie des zuweilen alleinerziehenden Vaters von drei Kindern und die Truppenfamilie, in der Hauschild lebte und die er prägte. Seit 2015 ist er der Namenspatron der Kaserne in Mayen, der Liegenschaft des Zentrums Operative Kommunikation der Bundeswehr. Zu seinen Lebzeiten und besonders vor 1990 war Hauschild bekannt, wie der sprichwörtliche „bunte Hund“. Reinhard Hauschild war als „Mann des Wortes“, schon durch seine Veröffentlichungen in der Bundeswehr geradezu berühmt. Und das auch als ein militärisches Original und eine Frohnatur. Er wurde ein Vorbild in der jungen Bundeswehr und jemand, der als „Staatsbürger in Uniform“ modern und durchaus unkonventionell in seinen verschiedenen Verwendungen immer wieder bewies, was gewissenhafter Dienst und gutes Führen sein kann. Selbst die Verleihung des Preises „Bundeswehr und Gesellschaft“ im Jahr 2020 an die Garnisonstadt Mayen erklärt sich noch mit dem Fundament einer Zusammenarbeit in der Region, die Hauschild über Jahrzehnte mitgeschaffen hatte; legendär war dabei ein von 1967 bis 1991 veranstalteter Chrysanthemen-Ball der Garnison Andernach. In seinem Grußwort für den Band konzentriert sich der Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel auf die Dienstzeit Hauschilds in der Wehrmacht. Er bemängelt indirekt die Fokussierung auf dessen Bundeswehrdienstzeit unter Vernachlässigung der militärischen Führungsleistungen und moralischen Herausforderungen im Zweiten Weltkrieg. Als Wehrmachtsoffizier allein kann Hauschild aus heutiger Sicht jedoch kein Vorbild sein. Katholisch geprägt und dabei dem Nationalsozialismus durchaus distanziert gegenüberstehend, zeigte Hauschild andererseits zeitweise Begeisterung für Hitler und damals ein deutliches Unverständnis gegenüber dem Staatsstreich vom 20. Juli 1944. Der Krieg war für ihn eine persönliche Bewährung und Aufgabe, die Verantwortung für seine Untergebenen bedeutete. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion 1941 kämpfte er im Baltikum und nahm bis Januar 1942 als Geschützkommandant an der furchtbaren Hungerblockade von Leningrad teil. Als Artillerieoffizier in der 24. Panzerdivision und Frontoffizier von 1942 bis 1945 sei er schließlich doch wie viele andere gewesen – kein „Nazi“, aber loyal dienend bis zum Schluss. Die Auseinandersetzung mit der NSNationalsozialismus-Vergangenheit kam für Hauschild erst nach 1945. Auch das war kein Einzelfall in seiner Generation. Tapferkeit, Pflichterfüllung und Kameradschaft im Krieg blieben für Hauschild weiterhin Werte und Erinnerungen, die er unabhängig von den ihm bekannten Verbrechen der Wehrmacht bewahrte und in den Kreisen von Wehrmachtsveteranen pflegte. Und hier liegt ein Unterschied zur heutigen Zeit, denn Hauschild war einer dieser ehemaligen Soldaten der Wehrmacht, mit deren Dienst die Bundeswehr in der Demokratie aufgebaut wurde. Für Hauschild waren die NSNationalsozialismus-Diktatur, der Zweite Weltkrieg und der Kalte Krieg nicht bloße Geschichte, sondern die Abfolge seines von der Weimarer bis in die Berliner Republik durchlebten Lebens. Doch erst in der Bundeswehr hatte Hauschild die für die Gegenwart wichtigeren Wegmarken gesetzt. Und er wird daher aus der Betrachtung seiner Gesamtpersönlichkeit mit Leistungen nach 1955 Vorbild sein können. So war er nach einer zivilen Journalistenkarriere im November 1955 in die Bundeswehr eingetreten und bald im Verteidigungsministerium der erste Presseoffizier der Bundeswehr geworden. Spaß an der Freude konnte er fast immer aufbringen. Seine Begabung als „brillanter Conférencier“ blieb so nicht verborgen. Ungewöhnliche Aufträge mit Verbindung in die Zivilgesellschaft traute man ihm zu. Als stellvertretender Kommandeur begleitete er daher 1962 die Filmarbeiten zum ersten Dokumentarspielfilm über die Bundeswehr mit dem Titel: „Barras heute. Was ist bei der Bundeswehr wirklich los?“. Später wurde er Kommandeur des Psychologische Kampfführung-Senderbataillons 701 mit dem „Sender ohne Hörer“. Denn viele schöne Radiosendungen wurden nur zur Übung von der Bundeswehr produziert und leider nie gesendet. In der Garnison hatte Hauschild 1967 mit dem „Andernacher Stammtisch“ ein zivil-militärisches Netzwerk gegründet, das über viele Jahre bestehen sollte. Auch auf der internationalen Bühne war er durchaus in seinem Element. Die Olympischen Spiele von München 1972 unterstützte Hauschild mit seinen Soldaten. Seine Truppengattung war auch etwas Besonderes oder sollte man sagen etwas exotisch? Im Krieg hätte man auf die Soldaten der Truppen des Warschauer Paktes mit Sendungen und Flugblätter eingewirkt. Für Hauschild war das in seinen Worten „der Versuch, Einfluss zu nehmen auf den potentiellen Gegner, in der Absicht, dessen manipuliertes Informationsbild im Sinne der eigenen politischen und militärischen Führung richtigzustellen“ . Diese „psychologische“ Kampftruppe der Bundeswehr musste ihre Existenzberechtigung im Vergleich zu den gepanzerten Kampftruppen in der Ära der Entspannung zwar ab und an nachweisen, hatte aber auch eine gewisse Narrenfreiheit.Hauschild ging es dabei um die Professionalität in Wort und Technik. Ein Weg war der Kontakt zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, das Vorbild für Aus- und Fortbildungen. Ein anderer Weg war der Einsatz von Reserveoffizieren sowie die Genehmigung nebenberuflicher Tätigkeiten seiner Soldaten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und weil er seine künftigen „Hörer“ im Ernstfall, die NVANationale Volksarmee-Soldaten, richtig ansprechen wollte, förderte er zudem die Beschäftigung mit der DDRDeutsche Demokratische Republik und deren Militär. Ab den 1970er Jahren entwickelte sich dann auch das Profil von „Radio Andernach“ als Sender der Truppenbetreuung. Freilich geschah dies, verglichen mit heute, nur mit geringer Reichweite. Zimmerlautsprecher in der Andernacher Kaserne und kleine Tonbandkassetten im Postversand mussten zunächst reichen. Ab 1975 war Hauschild in seiner letzten Verwendung Kommandeur der Schule der Bundeswehr für Psychologische Verteidigung, kurz PSV. Seine Überlegungen vom Bild des „PSV-Einzelkämpfers“ mit den Kampfmitteln von Information und Emotion waren dabei von seinen Erfahrungen als Journalist und Presseoffizier geprägt. Damals wurde die PSV sehr kritisch betrachtet, wenn es darum ging, ob sie im Frieden in die Bevölkerung der Bundesrepublik für die Förderung des Wehrwillens wirken sollte. In den neuen Krisenjahren des Kalten Krieges zwischen dem Afghanistaneinmarsch der Sowjetunion und dem NATO-Doppelbeschluss ging Hauschild 1980 in den Ruhestand. Oberst war er geworden, General konnte er oder sollte er nicht werden. Das im Buch beschriebene Beispiel des Brigadegenerals Dr. Karl Christian Trentzsch kann als Vergleich zur Bewertung dienen. Die Erklärungsansätze sind vielfältig, aber es hat wohl etwas mit seinen vielen Talenten und Neigungen zu tun. Einiges davon erschien seinen Vorgesetzten wohl etwas suspekt, dabei Hauschilds ernstzunehmende schriftstellerische Tätigkeit, seine Freude am Karneval oder seine übergroße Begeisterung für das Kochen in der Bundeswehr-Filmschau. Er trat sogar 1969 einmal als ARD-Fernsehkoch auf. Später brachte er es in einer internationalen Kochvereinigung als „Grand-Maître de Chuchi“ zu Erfolgen am Herd. Er kochte auch schon einmal in der Bundeswehr-Truppenküche, wenn er wollte. Hauschild folgte eben seinen vielfältigen Interessen mit einer bemerkenswerten, professionellen Ader bis hin zum Perfektionismus. Selbst als Schriftsteller von Romanen, wie „Flammendes Haff“ und „Beurteilung für Hauptmann Brencken“ sowie eines kulturhistorischen Kochbuchs und von lustigen Spruchsammlungen der Bundeswehr, wie „Ich glaub´, mich knutscht ein Elch“, hatte er sich in der Bundeswehr und in der Gesellschaft eine gewisse Anerkennung und Bekanntheit erarbeitet. Erinnerungen von Weggefährten und pfiffige Beispiele der aktuellen Traditionspflege zu Hauschild runden den Reigen über diese „bunte Figur“ im Buch ab. Der Sammelband ist ein Beispiel dafür, wie sich Truppenteile und Verbände auf hohem Niveau mit ihren Vorbildern aus der Geschichte der Bundeswehr auseinandersetzen können. Die einzelnen Beiträge bieten darüber hinaus Anknüpfungspunkte für die militärhistorische Forschung zur Bundeswehr im Kalten Krieg. Das war „Angelesen! Das Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Heute zum Buch von „Oberst Reinhard Hauschild 1921 – 2005. Traditionsstifter für die Bundeswehr? Gedenkschrift zum 100. Geburtstag“ vor. Es erschien im Jahr 2021 im Berliner Miles-Verlag. Die Herausgeber sind Dirk Drews und Stefan Gruhl. Geschrieben von Heiner Bröckermann, gelesen von Heiner Möllers.