Karl-Adolf Zenker Transkript

Karl-Adolf Zenker Transkript

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Herzlich willkommen zu Angelesen, dem Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr.

Heute stellen wir den Beitrag von Burkhard Köster „Aus Liebe zur Seefahrt! Vizeadmiral Karl-Adolf Zenker“ vor. Dieser findet sich im Sammelband zur „Militärischen Aufbaugeneration der Bundeswehr 1955 bis 1970“, herausgegeben von Helmut R. Hammerich und Rudolf J. Schlaffer im Auftrag des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, erschienen 2011 im Oldenbourg-Verlag. Nach der bedingungslosen Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa wurde die Wehrmacht durch die Alliierten aufgelöst. Damit gab es in Deutschland keine Streitkräfte mehr. Die Siegermächte waren sich frühzeitig einig gewesen, dass Deutschland nach der Kapitulation demilitarisiert werden sollte. Dies hielten sie im Potsdamer Abkommen vom August 1945 fest. Unter dem Eindruck des sich in der Folge zuspitzenden Ost-West-Konflikts wurden jedoch bereits in den frühen 1950er Jahren Überlegungen angestellt, sich das deutsche militärische Potenzial wieder zu Nutze zu machen: Im „Kalten Krieg“ zwischen den Supermächten USAUnited States of America und Sowjetunion sowie ihren jeweiligen Verbündeten bzw. Bündnissen sollten in West wie Ost auch deutsche Soldaten einen Beitrag leisten. Bei allen Unterschieden in den diesbezüglichen Vorüberlegungen und Vorbereitungen war eines in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDRDeutsche Demokratische Republik gleich: Man benötigte Personal für den Streitkräfteaufbau, welches zuvor in der Wehrmacht gedient hatte. Dies betraf in der Bundesrepublik zunächst sogenannte militärische „Experten“, welche die politischen Entscheidungsträger über die Modalitäten eines deutschen Streitkräfte-Kontingents berieten. Viele von Ihnen gelten heute in der Bundeswehr als traditionsstiftend. Als Angehörige der sogenannten „Gründergeneration“ haben sie sich verdienstvoll um den Aufbau von Streitkräften in der jungen Demokratie bemüht. Dieser Streitkräfteaufbau erfolgte in enger Anlehnung an die Werte und Normen der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Die „zivile Kontrolle“, die konstituierend bei allen Aspekten der Aufbauarbeit war, trug dafür Sorge, dass sich die Bundeswehr deutlich von der Wehrmacht unterschied. Die Innere Führung als Leitphilosophie der jungen Streitkräfte sah eine völlige Abkehr von der geistigen Haltung der vormaligen deutschen Streitkräfte vor. Dass die Bundeswehr im Geiste solcher Prinzipien und Leitlinien aufgestellt wurde, ist denjenigen Militärs und Verteidigungspolitikern zu verdanken, welche damals die Verantwortung trugen und diese Weichenstellungen einleiteten und vertraten. Ein Vertreter dieser Gründergeneration war der Marineoffizier Karl-Adolf Zenker, der von 1907 bis 1998 lebte und später bis zum Inspekteur der Marine aufstieg. 

Wer war Karl-Adolf Zenker? Und ist er als „Gründervater“ der Bundeswehr traditionswürdig?  Mit 18 Jahren trat Zenker als Offizieranwärter in die Reichsmarine ein. Er folgte damit der Tradition seiner Familie: Bereits sein Großvater mütterlicherseits diente als Offizier in der Marine des Norddeutschen Bundes und später der Kaiserlichen Marine. Sein Vater Hans Zenker machte Karriere in der Zeit der Reichsmarine, war zuletzt Chef der Marineleitung und damit der höchste Marineoffizier in der Weimarer Republik. 
Nach Rekrutenausbildung, seemännischer Grundausbildung, Seekadetten- und Offizierausbildung absolvierte Karl-Adolf Zenker u.a. mehrere Bordkommandos auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“ und in der 1. Minensuchflottille. Im Zweiten Weltkrieg fuhr er an Bord von Zerstörern zur See, bis seine aktive Seefahrt 1944 ein vorläufiges Ende fand. In diesem Jahr kam auch sein erster Sohn zur Welt – seine Ehefrau Else Schultz hatte er 1942 geheiratet. Eine für seine spätere Karriere entscheidende Verwendung in der Operationsabteilung im Oberkommando der Kriegsmarine (die 1. Seekriegsleitung) in Berlin schloss sich an. Als Referent für Minenkriegführung der Seekriegsleitung erlebte er in Berlin das Kriegsende. Nach kurzer Kriegsgefangenschaft und einer Tätigkeit im Deutschen Minenräumdienst wurde Zenker in der Wasserstraßendirektion Pfalz angestellt. 1951 wurde der Fregattenkapitän a.D. durch zwei der besagten militärischen Experten der Bundesrepublik Deutschland, Adolf Heusinger und Johann Adolf Graf von Kielmansegg, für die Mitarbeit in der Dienststelle Blank gewonnen. Wie kam man ausgerechnet auf Zenker, dem mittlerweile zweifachen Familienvater mit Aussicht auf eine Ministerialkarriere in der zivilen Verwaltung? Grund dafür waren, neben seinen Qualifikationen und dem persönlichen Hintergrund, vor allem Zenkers gute Kontakte und sein Ruf. Diese gingen zurück auf seine Zeit in der Operationsabteilung des Oberkommandos der Kriegsmarine. Auffällig viele der an den planenden Arbeiten zum westdeutschen Verteidigungsbeitrag beteiligten Offiziere kannten sich aus der gemeinsamen Tätigkeit im Oberkommando der Wehrmacht, insbesondere der Operationsabteilung. Diese Kontakte setzten sich nun für seine Berufung in den Aufbaustab nachdrücklich ein. Zenker besaß den für die Führungselite der frühen Bundeswehr typischen Hintergrund: Er entstammte einer namhaften Familie und gehörte einem derjenigen Offizierjahrgänge an, in dem wegen der Restriktionen des Versailler Vertrags von 20 Bewerbern nur einer ausgewählt werden konnte. Zwangsläufig entstand in diesen Jahrgängen ein entsprechendes Elite-Gefühl. Zugleich waren die Offiziere dieser Jahrgänge in Streitkräften aufgewachsen, die loyal hinter dem Staat gestanden haben. Dies galt für Marineangehörige noch stärker als für Heeres- oder Luftwaffenoffiziere. Unter dem Eindruck der Flottenunruhen und des Matrosenaufstandes am Ende des Ersten Weltkrieges schwor sich das Offizierkorps der Reichsmarine auf unbedingten Gehorsam und absolute Treue zur Staatsführung ein – diese galten unabhängig davon, welcher Natur diese Staatsführung war. Zenker galt als Garant für diese maritime Tradition des apolitischen Offiziers als „Repräsentant eines wie auch immer legitimierten, souveränen Staates“. Damit einher ging jedoch auch seine ihm bescheinigte politische Unbedenklichkeit: Da Zenker nicht der NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei angehörte, nicht aktivistisch auffällig geworden war oder sich öffentlich über die Judenverfolgung oder andere völkerrechtswidrige Aspekte der deutschen Kriegführung geäußert hatte, galt er als politisch unverdächtig und damit gut geeignet, den Bundeswehraufbau konstruktiv zu begleiten. Als Referent und später Leiter „Gruppe Marine“ in der Planungsabteilung der Dienststelle Blank brachte Zenker seine planerischen Fähigkeiten und Verhandlungsgeschick ganz im Sinne seiner Fürsprecher und der Befürworter einer deutschen Marine ein. So prägte er ganz wesentlich das Aufgabenprofil und das „Gesicht“ der Bundesmarine mit, das heißt bei den Entscheidungen, welche Schiffe und Boote welche Aufgaben in welchem Seegebiet übernehmen sollten. Die dabei zu beantwortenden taktischen, operativen und organisatorischen Fragestellungen behandelte er „unemotional, nüchtern und realistisch“. Einem Rückgriff auf Wehrmachtsvorschriften stand er skeptisch bis ablehnend gegenüber – allgemein bewies er, trotz seiner konservativen Erziehung und Sozialisirung, eine erstaunliche Aufgeschlossenheit gegenüber Modernisierungen und unkonventionellen Lösungsansätzen. Diese Aufgeschlossenheit erstreckte sich jedoch nicht auf Personalfragen, die ihm in seiner zentralen Dienststellung zuhauf erreichten: Hier bevorzugte er nachweislich jene Offiziere, die ebenfalls Verwendungen in der Seekriegsleitung aufweisen konnten oder gute Kontakte zu den ehemaligen Angehörigen der Operationsabteilung unterhielten. Hervorzuheben in diesem Zusammenhang ist die auffällige Reserviertheit, mit der Zenker auf den Vorschlag reagierte, Konteradmiral a.D. Rolf Johannesson für eine Spitzenposition vorzusehen. Johannesson war in Marinekreisen als der NSNationalsozialismus-Führung gegenüber eher kritisch – wenn auch nicht oppositionell – eingestellt bekannt. 
Seine vergleichsweise offenen Äußerungen zu Fragen der Kriegführung im Zweiten Weltkrieg verhinderten, so wird vermutet, die mögliche Förderung, obgleich seine Qualifikation dafür unter Zeitgenossen unbestritten war. Johannesson passte eben nicht in das Bild des geradlinigen, unpolitischen Gefolgsmanns, der die Befehle und Vorgaben der Führung nicht in Frage stellte – und war damit ein Problem für Zenker. Dieser stand für Marinekontinuität und Pragmatismus, nicht gerade für eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, geschweige denn deren Aufarbeitung.
Sehr deutlich wurde dieser Umstand durch die später sogenannte „Zenker-Rede“. Anlässlich der Begrüßung der ersten Angehörigen der gerade aufgestellten Marine im Januar 1956 in Wilhelmshaven stellte Zenker die Marine in eine 100-jährige Tradition, derer man sich „nicht zu schämen“ brauche, auch wenn der Enderfolg in beiden Kriegen versagt geblieben sei. Die Marine habe unter den beiden Großadmiralen Erich Raeder und Karl Dönitz „sauber, anständig und ehrenhaft“ Krieg geführt, an beiden Personen „hafte kein Makel“ – sie hätten nur ihre Pflicht getan. Raeder und Dönitz befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch als verurteilte Kriegsverbrecher in Haft – ein Umstand, den führende Militärs als Hypothek für den Streitkräfteaufbau und Hemmnis für die Gewinnung von Freiwilligen für die Bundeswehr ansahen. Aus heutiger Sicht scheinen solche verharmlosenden Aussagen über zwei Hauptkriegsverbrecher geradezu himmelschreiend – Zenker jedoch war sich der politischen Sprengkraft, die diesen Statements auch schon Mitte der 1950er Jahre innewohnte, offenbar vollkommen unbewusst. Die Rede rief bundesweit Empörung hervor und entzündete hitzige Debatten über das Traditionsverständnis und die innere Verfassung der gerade aufgestellten Bundeswehr. Unter dem politischen Druck, den diese Reaktion zunehmend hervorrief, wurde Zenker erst formal gemaßregelt und dann als kommissarischer Leiter der Abteilung Marine im Verteidigungsministerium abgelöst. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass diese dienstlichen Konsequenzen erst als Reaktion auf eine Große Anfrage aus dem Parlament gezogen wurden. Die Inhalte seiner Rede waren zuvor im Ministerium nicht gänzlich unbekannt – auch auf höchster Ebene schienen also die beabsichtigten Ausführun-gen bezüglich der Großadmirale als nicht allzu problematisch empfunden worden zu sein. Vonseiten zahlreicher Marineangehöriger und ehemaliger Offiziere schlug Zenker angesichts der ausgelösten Debatte eine Welle der Sympathie entgegen – zu viele der Weggefährten teilten seine Auffassung. So erklärt sich auch seine weitere Karriere: Die langjährige Loyalität wurde einige Jahre später belohnt und Zenker vom ersten Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Ruge, für eine Nachfolge in diesem Amt empfohlen. Dieses trat er 1961 an. Auch in der „Großadmiralsfrage“ sei der Bezug zu Rolf Johannesson bemüht: Johannesson pflegte eine bewusste Abkehr von den Großadmiralen und der von ihnen vertretenen Zeit mit ihren Wertvorstellungen und Zielen, die auch im Fern-bleiben bei den Begräbnisfeierlichkeiten für Dönitz und Raeder zum Ausdruck kam. Sehr deutlich wird so an den beiden durch Zenker und Johannesson eingenommenen Haltungen zu den Großadmiralen, wie weit man sich innerlich tatsächlich von der Wehrmacht abgewandt hatte und wie stark man mit den Wehrmachtsgenerationen zu brechen wagte. Zenker verkörperte dabei einen Offizier- bzw. Marinetypus, der für unerschütterliches Korps- und Loyalitätsdenken stand. Als unpolitischer Diener reüssierte Zenker ebenso als führender Mitarbeiter der Seekriegsleitung im Oberkommando der Wehrmacht, wie in Diensten der alliier-ten Sieger im Minenräumdienst, in der zivilen Schifffahrtsverwaltung bis hin zum Inspekteur der „neuen“ deutschen Marine – stets zuverlässig, tüchtig und gewissenhaft. 
Seine Verdienste in der und für die Marine sind unbestritten. Seine Haltung zum NSNationalsozialismus-Regime mit seinen Vertretern, zur Wehrmacht und der Verstrickung der Kriegsmarine in die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges nicht. Nicht zu beantworten ist jedoch die Frage, inwieweit es in der damaligen Zeit möglich gewesen wäre, die gleichen Verdienste bei einer entschiedeneren Abkehr von der Vergangenheit zu erringen. Heutige Zeitgenossen würden Zenker dann womöglich ohne Zögern in die Riege der Traditionsstifter berufen. Vielleicht hätte Zenker dann aber auch nicht die Karriere gemacht, die ihn in das höchste Amt der Marine befördert hat und sich gar nicht in solchem Maße im Aufbau der Bundeswehr bewähren können. Kösters Beitrag zu Karl-Adolf Zenker ist ein lesenswertes Porträt eines Angehörigen der sogenannten Gründungsgeneration der Bundeswehr. In der Auseinandersetzung mit der Tradition der Bundeswehr empfiehlt sich dieser Beitrag, um eine an der Person Zenkers besonders anschaulich werdende Facette der Nachkriegsgesellschaft und ihres ambivalenten Verhältnisses zur Vergangenheit kennenzulernen. So zeigt sich in dem Lebensweg Zenkers das schwierige Verhältnis von militärischer Loyalität, Korpsgeist, fachlicher Professionalität, Zivil-courage und kritischer (Selbst-)Reflexion. Zenker steht dabei eher für die erstgenannten Aspekte – zu diesem Schluss kommt nicht der Autor, sondern der Leser selbst. Die in der Bewertung der Traditionswürdigkeit so wichtige Haltung zur Vergangenheit und dem Erbe der Wehrmacht fällt bei ihm zwiespältig aus. Wenngleich ihm keine offenkundigen Verfehlungen oder moralisch fragwürdiges Verhalten angelastet werden kann, ist seine Passivität hinsichtlich Kritik am NSNationalsozialismus-Unrecht, für das auch ein Großadmiral Dönitz steht, zu ausgeprägt. Das beweist auch der bis heute spürbare Nachhall der „Zenker-Rede“. Seine Leistungen für den Aufbau der Bundesmarine können nicht hoch genug geschätzt werden. Dennoch steht Zenker für den tüchtigen und marinekonservativ geprägten „Jawohl“-Offizier und nicht für den Typus eines kritisch denkenden und handelnden Offiziers, der auch Mut zum Abweichen beweist. Insofern sollten seine Verdienste um den Bundeswehr-Aufbau gewürdigt und nicht kleingeredet werden, eine Tradition kann Zenker jedoch nicht begrün-den. Das war Angelesen, das Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr“. Heute zum Beitrag von Burkhard Köster „Aus Liebe zur Seefahrt! Vizeadmiral Karl-Adolf Zenker“ aus dem Sammelband zur „Militärischen Aufbaugeneration der Bundeswehr 1955 bis 1970“ von Helmut R. Hammerich und Rudolf J. Schlaffer.

von Leonie Hieck

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