Die Taliban. Geschichte, Politik, Ideologie

Die Taliban. Geschichte, Politik, Ideologie

Datum:
Lesedauer:
12 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Herzlich willkommen zu „Angelesen“ dem Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr! Heute stellen wir Ihnen das Buch von Conrad Schetter und Katja Mielke vor. Es trägt den Titel Die Taliban. Geschichte. Politik, Ideologie. Das rund 100 Textseiten umfassende Buch erschien im Jahr 2022 in der Beck’schen Reihe in München. 
„Wer sind die Taliban?“ Diese Frage stellte bereits das von Conrad Schetter und Jörgen Klußmann im Jahr 2011 herausgegeben Buch Der Taliban-Komplex. Damals – und die seitdem vergangenen Jahre rechtfertigen diesen Ausdruck – war die Welt noch eine andere: Im Jahr 2011 verorteten die Herausgeber die Geschichte der Taliban zwischen Aufstandsbewegung und Militäreinsatz, so der Untertitel des Buches.  Zu dieser Zeit erreichte die zehn Jahre zuvor von den Vereinigten Staaten begonnene westliche Militärintervention ihren Höhepunkt; im August 2021 wurde sie beendet. Die Bilder von der chaotischen Evakuierung der verbliebenen USUnited States-Truppen, ihrer Verbündeten und zahlreicher afghanischer Menschen haben sich in unser kollektives Bildgedächtnis eingeprägt. In Deutschland beschäftigen sich gleich zwei Ausschüsse des Bundestages mit dem Afghanistan-Einsatz und seinem Ende. Seitdem sind die Taliban in Kabul an der Macht.

Der Ausdruck Taliban-Komplex verdeutlicht auch, dass diese Bewegung ‚komplex‘ ist. Trotz ihrer Vielfältigkeit hängen deren Angehörige aber in vielfältig verflochtener Weise miteinander zusammen. Und wer genau sind sie? Diese Frage warf Schetter im Jahr 2013 erneut auf und beantwortete sie in einem Aufsatztitel: Wer sind die Taliban? Lifestyle zwischen Stammeskultur, Islamismus und Globalisierung (Erschienen im von Bernhard Chiari herausgegebenen Sammelband Auftrag Auslandseinsatz ). Eine Antwort auf diese Frage liefert das knappe, doch höchst informative Buch von Katja Mielke und Conrad Schetter. Das in der ‚Beck’schen Reihe‘ erschienene Werk bietet einen kurzgefassten Überblick über die Geschichte, die Ideologie und die politischen Strömungen der Taliban von ihren Ursprüngen in den 1980er Jahren über die Gründung als politische Bewegung in den 1990er Jahren bis zum Krieg gegen die westliche Staatengemeinschaft und das von dieser gestützten Regierung in Kabul in den Jahren von 2001 bis zum August 2021.

„Seit dem Vietcong in den 1960er-Jahren beeinflusste wohl kaum eine Guerillabewegung so sehr die Weltpolitik wie jüngst die Taliban.“ Dieser Satz leitet den Band ein. Solche Vergleiche mahnen eigentlich zur Vorsicht. Doch die Autorin und der Autor besitzen eine langjährige Expertise zur Thematik: Sie sind Angehörige des Bonn Centre for Conflict Studies (BICCBonn International Center for Conversion), das Schetter seit 2013 als Direktor leitet. Es mag ein historischer Zufall sein, dass dieses Institut im Jahr 1994 gegründet wurde, im gleichen Jahr wie die Taliban. Wie nur wenige weitere Forschende befassen sich Mielke und Schetter seit Jahrzehnten mit Afghanistan: mit der Ethnisierung der Politik, den Möglichkeiten humanitärer Hilfsleistungen sowie der Problematik von Migration und Flucht. Ein Leitmotiv ihrer Forschungen kreist um die vordergründig einfach scheinende Frage Wer sind die Taliban?

Das Buch, das diese Frage klärt, gliedert sich in sechs Kapitel. Zunächst betont die Einleitung drei Spannungsfelder, in denen die Geschichte der Talibanbewegung zu verorten ist: erstens zwischen lokalen und zentralen Gewalten im „gesellschaftliche[m] Mosaik“ Afghanistans; zweitens zwischen pragmatischen und ideologischen Ansätzen; drittens zwischen Eigenständigkeit und Fremdsteuerung.

Schon in ihren Anfängen waren die Taliban ein vielfältiges Gebilde. In ihrer Gründungsphase Mitte der 1990er Jahre „avancierten [sie] zu einem Sammelbecken verschiedener Gruppen, die von Anhängern der bewaffneten Islamistengruppen […] der 1980er-Jahre über Kriegsfürsten bis hin zu ehemaligen Kommunisten reichen.“ [S. 9]. Diese Heterogenität warf einerseits zahlreiche Probleme auf: für ihre Führungsgestalten und Kämpfer genauso wie für die betroffene Bevölkerung. Andererseits aber besaß die Bewegung genau dadurch jene Anpassungsfähigkeit, die ihr das Überleben sicherte. All das widersprach dem im Westen verbreiteten Stereotyp. Dies ist eine zentrale These des Bandes: Das im Westen verbreitete „Barbarennarrativ und die Dämonisierung der Taliban“ verleiteten die politische wie die öffentliche Wahrnehmung dazu, die „Lern- und Anpassungsfähigkeit, Professionalisierung und Zielstrebigkeit der Bewegung“ zu unterschätzen [S. 11]. So zeigen Mielke und Schetter die vielfältigen Dynamiken einer Bewegung in der fortwährenden Entwicklung – organisatorisch, politisch, ökonomisch und im Gewalthandeln.

 

Die Grundzüge der afghanische Geschichte zeichnen Mielke und Schetter im ersten Kapitel nach. Die Lebensformen zwischen Nomadismus und Ackerbau bildeten oft die ökologisch-ökonomische Ursache für teils generationenlang vererbte Konflikte, etwa um die Bewässerungssysteme. Hinzu kam ein paschtunischer Dominanzanspruch gegenüber den anderen Ethnien Afghanistans. Obwohl der Islam im Land als alltagsprägende Lebensform verwurzelt ist, erfolgte seine Politisierung als „Gegenentwurf zum Kommunismus“ erst ab den 1960er Jahren (S. 19). Während des Krieges gegen die sowjetische Besatzung und das kommunistische Regime in Kabul entwickelte sich die Religion zur Integrationsidee. Das komplexe Spannungsverhältnis zwischen Moderne und Tradition war bereits unter den afghanischen Königen im 20. Jahrhundert ein komplexes Mobile, das es fortwährend auszutarieren galt. Dies war bei der prosowjetischen Regierung in den 1980er Jahren nicht anders als bei den prowestlichen Regierungen in den beiden Jahrzehnten zwischen 2001 und 2021. Stets waren lokale und regionale Vorstellungen von Eigenständigkeit und Ehre mit den Anforderungen der Moderne auszubalancieren. Dabei spielte auch die Frage nach der Stellung von Frauen eine grundsätzliche Rolle.

Das zweite Kapitel über die „erste Herrschaft der Taliban“ zeigt die Entstehung und Ausbreitung der Bewegung von 1994 bis 2001. Der im Kampf gegen die Sowjets verwundete Mullah Omar Akhund (1960-2013) avancierte in den frühen 1990er Jahren mit seiner Konzeption einer auf den Islam gestützten Ordnungsvorstellung zur Führungsgestalt ehemaliger Mudschahidin und etablierte eine Herrschaftszone im südafghanischen Kandahar. Nach dem Zusammenbruch des prosowjetischen afghanischen Regimes herrschte in den Regionen Anarchie, die durch Omars Bewegung durch eine neue Ordnung abgelöst wurde. Drakonische, aber meist vorhersehbare Maßnahmen führten zu einem Rückgang der Kriminalität und zur Entmachtung eigenmächtiger Warlords. Als Bewegung formierten sich die Taliban im Jahr 1994 im Süden des Landes in der Großstadt Kandahar. Mullah Omar firmierte seit dem 4. April 1996 als Führer der Gläubigen und blieb formal bis zu seinem natürlichen Tod im Jahr 2013 das religiös-politische Oberhaupt der Taliban.

Nach ihrer Einnahme der durch die Kämpfe im vorangegangenen Bürgerkrieg weitgehend zerstörten Hauptstadt Kabul im September 1996 errichteten die Taliban ihr Erstes Islamisches Emirat. Die folgenden heftigen Kämpfe gegen ihre Gegner der Nordallianz wurden von Massakern beider Seiten begleitet, doch standen bis 1998 die größten Teile Afghanistans unter Kontrolle der Taliban. Allein der Nordosten des Landes verblieb unter der Herrschaft des tadschikischen Warlords Ahmad Schah Masud. Am 9. September 2001 wurde dieser von Taliban ermordet; zwei Tage später verübte die islamistische Organisation der Al Qa’ida ihre Anschläge in New York und Washington.

Das zweite Kapitel trägt den Titel „9/11 und der Kollaps des Islamischen Emirats“. Anders als im globalen Westen wahrgenommen, war der internationaler Dschihadismus nicht nur nicht deckungsgleich mit den Taliban. Vielmehr galt dieser im Religionsverständnis jener sogar teils als häretisch (S. 35). Dennoch suchte und fand Osama Bin Laden, der die Al Qa’ida im Jahr 1998 gegründet hatte, nach seinen ersten Anschlägen auf USUnited States-Einrichtungen in Ostafrika die Gastfreundschaft der Taliban. Wiederholt widersetzten sich diese den amerikanischen Auslieferungsforderungen. Und trotz der auf das eigene Land bezogenen Wahrnehmung der Talibanführung wurden Teile ihrer Bewegung von islamistischen Strömungen aus dem Ausland beeinflusst. Davon zeugte die Zerstörung der Buddhastatuen von Bamian unter dem – auch innerhalb der Taliban umstrittenen – Mullah Dadullah am 10. März 2001.

Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 unterschied insbesondere die USUnited States-Regierung unter George W. Bush nicht mehr zwischen dem internationalen islamischen Terrorismus und den im Lande verwurzelten Taliban. Die erneute Auslieferungsforderung der USAUnited States of America wurde erneut abgelehnt, sodass am 7. Oktober USUnited States-Luftangriffe und die Offensive der afghanischen Nordallianz begannen. Dies führte zum raschen Zusammenbruch der Talibanherrschaft. Bereits ab Ende November erörterten Delegierte verschiedener afghanischer Bevölkerungsgruppen auf dem Petersberg über Bonn die Neuordnung des Landes. Auf starken Druck der USUnited States-Regierung waren jedoch Talibanvertreter von diesen Verhandlungen ausgeschlossenen. Die pauschale Identifizierung der Taliban mit der Al Qa’ida und dem Terrorismus wurde der Komplexität der Dinge nicht gerecht – und das rächte sich einige Jahre später.

Das dritte Kapitel zum „Wiederaufleben der Taliban“ zeigt, dass bis 2005 eine Neuformierung der Taliban erfolgt war. Dieser Aufstieg wurde durch verschiedene Ratsversammlungen jenseits der Grenzen Afghanistans gesteuert. Im März 2003 konstituierte sich in der südwestlich von Kandahar gelegenen pakistanischen Großstadt Quetta das gemeinsame Koordinationsorgan. Diese Quetta-Schura bestand allerdings selbst aus einem Netzwerk komplexer Führungs-, Koordinations- und Unterstützungsstränge. In Ergänzung und bald in Konkurrenz hierzu bildete sich die Peschawar-Schura, zu der zahlreiche Talibanführer wechselten. Zudem bildete sich mit dem Haqqani-Netzwerk um einen Familienverband in Ostafghanistan eine weitere Gruppierung, die Aufsehen erregende Terroranschläge verübte. Später entstand im östlichen Iran die Maschhad-Schura, die insbesondere die schiitischen Kämpfer unterstützte. Alle Zweige der Bewegung richteten sich unter fortbestehender Konkurrenz und bei unterschiedlichen Führungs- und Unterstützungsstrukturen gegen ein gemeinsames Feindbild. Gegen die bis 2007 erzielten Erfolge der Taliban wurde die amerikanische Konzeption der Aufstandsbekämpfung entwickelt, ab 2009 folgte eine massive Truppenverstärkung. Die erheblichen Geländegewinne der amerikanischen Truppen und ihrer Verbündeten wurden begleitet von gezielten Tötungen von Talibanführern, aber auch Osama bin Ladens im pakistanischen Abbottabad am 2. Mai 2011.  

Das vierte Kapitel zur „Rückkehr der Taliban“ setzt mit dem ab 2012 beginnenden Teilabzug der USUnited States-Truppen aus Afghanistan ein. Bis dahin hatten die Taliban ihre Organisation, Mobilisierungsmuster und Taktik erheblich professionalisiert. Dazu gehörte der systematisierte Einsatz der nun in großer Zahl produzierten Sprengkörper sowie die erheblich gestiegene auswärtige Unterstützung und Finanzhilfe.

Obwohl innerhalb der verzweigten Bewegung schon vorher Konflikte ausgetragen wurden, erreichte die „Taliban-Kabale“ – so eine Zwischenüberschrift – ihren Höhepunkt, als Mullah Omar im Jahr 2013 verstarb. Sowohl öffentlich als auch gegenüber den eigenen Anhängern blieb dies zwei Jahre lang geheim, was jedoch den inneren Machtkampf nur verzögerte. Gleichzeitig war den Taliban eine Konkurrenz durch den Ableger des Islamischen Staates erwachsen, gegen die diese mit Gewalt vorgingen. Gleichzeitig trugen gezielte amerikanische Luftschläge zur Zerschlagung – aber nicht völligen Auflösung – des IS"Islamischer Staat" Khorasan bei.

Die parallel zu den fortgeführten Kämpfen versuchte diplomatische Lösung zeigte die Errichtung des Taliban-Büros in der Hauptstadt Katars Doha im Jahr 2013. Innerhalb der Taliban war dieser Schritt kontrovers. Doch ist die Verhandlungsbereitschaft wohl auf die erfolgreiche amerikanische Aufstandsbekämpfung genauso wie auf den angekündigten Rückzug zurückzuführen. Die Wende erfolgte unter USUnited States-Präsident Donald Trump. Die von ihm forcierten Verhandlungen erbrachten 2018 einen ersten prekären Waffenstillstand. Terroranschläge radikaler Taliban und das Gebaren Trumps verzögerten den Prozess wieder, bis das Doha-Abkommen am 29. Februar 2020 den amerikanischen Rückzug besiegelte.

Als Trumps Nachfolger Joe Biden im April 2021 den Gesamtabzug der USUnited States-Truppen erst zum 11. September 2021 ankündigte, bot dies aus Sicht Taliban den Vorwand für ihre Großoffensive. Diese war aber schon lange zuvor vorbereitet und – so die Vermutung Mielkes und Schetters – durch das pakistanische Militär unterstützt worden. In der ersten Hälfte des Jahres eroberten die Taliban zahlreiche ländliche Gebiete, um die Jahresmitte wichtige Distriktstädte, bis Mitte August schließlich die wichtigsten Großstädte des Landes. Am 15. August 2021 übernahmen sie die Macht in Kabul, nachdem der letzte Präsident Afghanistans heimlich ins Ausland geflohen war. Während die letzten westlichen Truppen zusammen mit über 100.000 Menschen per Luftbrücke evakuiert wurden, errichteten die Taliban ihr Zweites Emirat unter Haibatullah Akhund.

Auf die chronologische Geschichte der Talibanbewegung von 1994 bis 2021 folgen zwei querschnittliche Kapitel. Das fünfte Kapitel beschreibt den „Schattenstaat“ in den von den Taliban bereits vor 2021 beherrschten Gebieten. Die Finanzierung der Bewegung stammte nicht allein aus der Drogenökonomie, wie häufig dargestellt. Vielmehr bezog die Talibanbewegung ihre Geldmittel zu 80 Prozent aus dem Ausland: über die Hälfte davon wurde von Staaten wie Pakistan, Saudi-Arabien, den Golfstaaten und dem Iran getragen; weitere zehn Prozent stammten von privaten ausländischen Spendern und 16 Prozent von dschihadistischen Organisationen. Dadurch war es der Bewegung möglich, seit 2007 regelmäßige Soldzahlungen an ihre Kämpfer zu leisten. Wie Mielke und Schetter betonen, veränderte dies die Gesamtbewegung: „Mit der Professionalisierung und Zentralisierung der ausländischen Finanzströme in den Schuras ging eine Kommodifizierung der Kampfaktivitäten der Taliban einher.“ (S. 75).

Die Parallelregierung der Taliban war durchaus effektiv. Die lokale Herrschaft der Taliban wurde durch Schattengouverneure und mobile Gerichte sichergestellt. Auch bestand eine zentrale Untersuchungs- und Beschwerdekommission, an welche sich die in ihren Rechten verletzten Menschen wenden konnten. Dieser nach sehr anderen als den westlichen Vorstellungen funktionierende ‚Rechtsstaat‘ fand seinen Ausdruck in dem 2006 erlassenen Regelwerk, der „laiha“. Mielke und Schetter verschweigen keineswegs die Gewalttätigkeit der Taliban. Doch konzedieren sie: „Interessanterweise basieren die Verhaltensvorschriften nicht allein auf islamischem Recht, und sie widersprechen nicht bzw. befinden sich sogar teilweise im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht.“ (S. 81)

Auch in den Politikfeldern von Bildung und Gesundheitspolitik sowie zur Rechtsstellung von Frauen oszillierte die Bandbreite der Politik der Taliban zwischen Ideologie und Pragmatismus: Der Einschränkung der Bildungsrechte für Mädchen stand die Etablierung eines funktionierenden Schulsystems gegenüber. Im Gesundheitswesen unterstützten die Taliban Impfkampagnen, nicht nur gegen Corona, und die Behandlung von Frauen, allerdings allein durch weibliches medizinisches Personal.

Das Kapitel schließt mit der Medienarbeit der Taliban. Auch diese widerlegte das westliche Zerrbild einer archaischen Bewegung: Wirkte diese anfangs noch über handgeschriebene Drohbriefe, so betrieb sie ab 2005 die Website Das Emirat, die ihre Botschaften auch auf arabisch und englisch in die Welt verbreitete. Die im frühen 21. Jahrhundert etablierten sozialen mobilfunk- und internetbasierten Netzwerke nutzten die Taliban so geschickt, dass sie zahlreiche Zielgruppen erreichten und so die Informationsüberlegenheit über ihre Gegner erlangten. Der Kampf im Informationsraum verstärkte sich ab 2009 und die professionelle Nutzung von Twitter, Facebook und Youtube per Mobiltelefon begleitete die Offensive von 2021. Der unermüdliche Medienkoordinator Zabihulla Mudschahed avancierte im Zweiten Emirat der Taliban zum Informationsminister.

Das schließende Kapitel beleuchtet die „Innen- und Außenverhältnisse“. Wiederholt betonen Mielke und Schetter das Ausmaß und die Wirkung der massiven ausländischen Unterstützung der Taliban. Ihr Verhältnis zum transnationalen Dschihadismus blieb ambivalent, doch setzten sich innerhalb der Bewegung letztlich die auf Afghanistan fokussierten Strömungen durch. „Die Aushandlung der Scharia-Interpretation“, so die Autorin und der Autor, „ist nicht zuletzt ein Machtspiel zwischen pragmatischen und orthodoxen Taliban.“ [S. 95].

Im Fazit zur „Zukunft der Taliban“ wiederholen Mielke und Schetter, dass aufgrund der fragmentierten Bewegungen eine pauschale Unterscheidung zwischen „radikal“ und „gemäßigt“ nur begrenzt möglich ist. Schon zeichnet sich ein neuer Generationswechsel ab. Solche Transformationen aber prägten die Bewegung seit ihrem Bestehen. Pragmatismus wünschen sich die Autorin und der Autor auch vom Westen: aus geopolitischen Gründen, aber auch, „um deutlich zu machen, dass nicht alles, was an zivilem Aufbau in den letzten zwanzig Jahren in Afghanistan stattgefunden hat, umsonst gewesen ist.“ [S. 115]. Diese Aussage beschließt den lesenswerten Band, dem eine breite Leserschaft zu wünschen ist.

Das war „Angelesen“ das Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Heute zum Buch von Conrad Schetter und Katja Mielke: Die Taliban. Geschichte. Politik, Ideologie.“

Text: Martin Rink
Gelesen von: Christoph Jan Longen
 

von Dr. Martin Rink

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.