Der Sport des Militärs Transkript

Der Sport des Militärs Transkript

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Dass die Kampfkraft des Soldaten im Gefecht eng mit seiner körperlichen Leistungsfähigkeit zusammenhängt, war offensichtlich, seit es überhaupt militärische Auseinandersetzungen unter den Menschen gibt. Natürlich kommen in militärischen Auseinandersetzungen heutzutage technisch sehr ausgefeilte und leistungsstarke Waffensysteme zum Einsatz. Doch trotz aller Technisierung behält die körperliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Menschen im Gefecht einen hohen Stellenwert. Im 20. Jahrhundert lassen sich genügend Beispiele finden, die belegen, dass allein der Einsatz einer großen Anzahl technisch überlegener Waffensysteme den Sieg in einer militärischen Auseinandersetzung nicht garantieren kann. Somit liegt auf der Hand, dass Sport, verstanden als Sammelbegriff für sämtliche Aktivitäten, die geeignet sind, die körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten oder zu verbessern, eine große Rolle in der Sphäre des Militärischen spielt. Launig, jedoch keineswegs abwegig, wird in diesem Sinne die Bundeswehr mit ihren derzeit knapp 181000 Soldaten und Soldatinnen im vorliegenden Band als „der größte Sportverein in Deutschland“ bezeichnet. Wie die Herausgeber betonen, soll der Band in kompakter Form ein umfassendes Informationsangebot zur Verfügung stellen, das „sowohl die historische Relevanz als auch die Breite des aktuellen Beziehungsgeflechts zwischen Sport und Militär“ abdecken möchte Die Beiträge sind in fünf Sektionen eingeteilt. In den Beiträgen der ersten drei Sektionen – Sport und Militär, Sport als Dienst und Spitzensport im Militär – steht das aktuelle Beziehungsgeflecht zwischen Sport und Militär im Vordergrund. Martin Elbe nähert sich dem Thema aus militärsoziologischer Sicht. Das Interesse der Militärsoziologie am Sport in der Bundeswehr war bisher wenig ausgeprägt. Dabei bieten dessen Erscheinungsformen ein breites Spektrum möglicher Untersuchungsgegenstände. Das reicht vom verpflichtenden Dienstsport bis zu den potentiellen Veränderungen, die Exoskelette für die Körperauffassung mit sich bringen könnten. Für die Auffassung, der Dienstsport habe neben körperlichen Effekten auch günstige Folgen für Charakterbildung und Persönlichkeitsentwicklung, gibt es allerdings keine empirischen Belege Generalmajor Georg Klein und Oberstleutnant Christian Lützkendorf erörtern in ihrem Beitrag die Bedeutung des Sports für die Bundeswehr. Dabei verweisen sie unter anderem auf die Invictus Games. Dieses sportliche Großereignis, bei dem einsatzversehrte Soldaten und Soldatinnen verschiedener Nationen antreten, fand 2023 erstmals in Deutschland statt. Bei diesen Spielen ist nicht das Aufstellen neuer Rekorde das Ziel. Vielmehr geht es um öffentliche Anerkennung für Menschen, denen es trotz teils schwerster Verletzungen gelungen ist, sich ins Leben zurück zu kämpfen. Nicht Mitleid, sondern Respekt ist gegenüber diesen Kameraden und Kameradinnen die angemessene Einstellung, wie es im Motto der Veranstaltung „A Home for Respect“ zum Ausdruck kommt. Der internationale Charakter der Spiele unterstreicht dabei das Potential, das Sport im Hinblick auf grenzüberschreitenden Austausch und Verständigung bietet. In anderen Beiträgen werden die sportwissenschaftlichen Theorien und Erkenntnisse dargelegt, die den Trainingskonzepten sowie der Ausbildung der Sportlehrerinnen und -lehrer bzw. Fachsportleiterinnen und -leiter in der Bundeswehr zugrunde liegen. Auch werden Dienststellen wie das Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr im westfälischen Warendorf vorgestellt, das sich dem Motto „Leistung steigern, Belastbarkeit optimieren, Gesundheit fördern, Teilhabe ermöglichen“ verschrieben hat und unter anderem für die Betreuung von Spitzensportlern in der Bundeswehr zuständig ist. Die Spitzensportförderung ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt des Sports in den Streitkräften. Die Bundeswehr unterhält 15 Sportfördergruppen mit rund 850 Athleten. Der im Beitrag von Regierungsdirektor Andreas Hahn und Oberleutnant Kristin Schönherr abgedruckte Medaillenspiegel zeigt, dass bei den Olympischen Spielen von 1992 bis 2022 annähernd die Hälfte aller deutschen Medaillengewinner Angehörige der Bundeswehr waren. „Damit wird nicht nur das Image der Bundeswehr gefördert, sondern auch der gesellschaftliche Auftrag an den Bund zur Spitzensportförderung erfüllt“. Gemeinsam ist dem Spitzensportler im Wettkampf und dem Soldaten im Gefecht die Anforderung, Spitzenleistung unter Druck zu erbringen. Wie bereitet man sich darauf psychisch am besten vor? Dazu führt der Sportpsychologe Sebastian Brückner in seinem Beitrag aus, dass der traditionelle Ansatz, Menschen gegen Stress zu immunisieren, indem man sie ebendiesem Stress dosiert aussetzt, an Boden verliert. An die Stelle stressbasierten Drills tritt immer mehr das Bestreben, Trainingsmethoden anzuwenden, mit denen auf ganzheitliche Weise die Resilienz des Einzelnen gestärkt werden kann. Die USUnited States-Armee verfolgt dieses Ziel etwa mit einem speziellen „Master Resilience Training“. Gesteigerte Wertschätzung der mentalen Gesundheit soll letztendlich eine auf deren Erhalt ausgerichtete Leistungskultur im Militär etablieren. Für den Historiker ist in diesem reichhaltigen Band naturgemäß die Sektion IV mit dem Titel Historische Facetten des Militärsports besonders interessant. Philipp Münch geht in seinem Beitrag auf den Verein „Hamburger Turnerschaft von 1816“ im Ersten Weltkrieg ein. Die von Turnvater Jahn ins Leben gerufene Turnbewegung war im frühen 19. Jahrhundert stark vom Geist des Liberalismus beseelt gewesen. Nach der gescheiterten Revolution von 1848 verflüchtigte sich dieser politische Enthusiasmus. „Die staatlichen Kerneinrichtungen Schule und Militär übernahmen mit den rein gymnastischen Übungen allein die apolitischen Aspekte des Turnens in ihre Lehrpläne“ Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die deutsche Jugend dazu aufgerufen, sich freiwillig vormilitärisch ausbilden zu lassen. Die Resonanz war insgesamt und auch unter den jugendlichen Mitgliedern der Hamburger Turnerschaft sehr mäßig. Die publizistischen Bemühungen der Vereinsleitung, den Turner-Nachwuchs zur vormilitärischen Ertüchtigung zu animieren, fruchteten nicht. Während die älteren Vereinsfunktionäre noch Turnvater Jahns nationalistische Ideale im Kopf hatten, war für die junge Generation „Turnen bereits zu einem Sport und einer Freizeitaktivität geworden, die sich…auch wieder beenden ließ“. Christoph Nübel geht in seinem Beitrag Sportfesten nach, die das deutsche Militär im Ersten Weltkrieg regelmäßig veranstaltete. Gerade angesichts massenhaften Artillerieeinsatzes und vollautomatischer Waffen wurden „die Körper der Soldaten als eine Kriegsressource betrachtet…, deren Leistungsfähigkeit über den Sieg entscheiden würde.“ Ziel war, möglichst viele Soldaten für regelmäßige körperliche Betätigung zu begeistern. Die Ergebnisse des Leistungsvergleichs wurden gemessen, über die Sportfeste wurde umfangreich berichtet. Sie sollten die Kampfkraft des militärischen Kollektivs steigern „und sie mit scheinbar objektiven Kriterien öffentlich…demonstrieren“. Mit der Deutschen Lieblingssport, dem Fußball, befasst sich der Beitrag von Markwart Herzog. Diese zuerst in England aufgekommene Sportart wurde im Kaiserreich populär, wozu die regierenden Hohenzollern nicht unerheblich beitrugen. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wurde massiv die Auffassung propagiert, dass dieser Sport mehr als jeder andere die Eigenschaften fördere, die für den Wiederaufstieg der Nation unerlässlich seien: Disziplin, Einsatzbereitschaft, Kampfgeist. Die einflussreichste Stimme der einschlägigen Publizistik war der Tübinger Sportlehrer Paul Sturm, der sich vom Fußball neben der „Stählung des Körpers“ auch die „Mobilisierung der seelischen Kräfte des Volkes“ versprach. Diese Auffassung war auch für die extreme Rechte des Parteienspektrums anschlussfähig. Ganze Passagen aus Sturms 1924 veröffentlichtem Buch „Die seelischen und sittlichen Werte des Sports“ finden sich als Plagiate in Hitlers „Mein Kampf“ wieder. Im Zweiten Weltkrieg kam der populäre Ballsport auch in der Wehrmacht nicht zu kurz. In deren Reihen fand sich eine große Zahl von Fußballmannschaften, die abseits von Kampf und Dienst ihrem Sport nachgingen. „Der Wert der sportlichen Aktivitäten unzähliger Militärmannschaften für die…Unterhaltung der Soldaten (und) die Vergemeinschaftung in männerbündischen Kameradschaften wurden als nützlich erkannt und von den…Vorgesetzten großzügig gefördert“. Mit der Eintrübung der militärischen Lage ab Winter 1942/43 änderte sich dies. Unter den Vorzeichen des totalen Krieges blieb den Freunden des runden Leders wenig Raum für ihre Passion. Nicht uninteressant ist, dass die männerbündische Dimension auch abseits des Militärischen im zivilen Profifußball lange eine Rolle spielte. Vorstellungen von soldatischer Männlichkeit fanden ihre Entsprechung in der Vorstellung von Kameradschaft im Fußball. Frauen wurde in dieser Vorstellungswelt nur streng begrenzt Platz eingeräumt. Josef „Sepp“ Herberger, der seine Tätigkeit als Fußball-Nationaltrainer vom Dritten Reich zur Bundesrepublik bruchlos fortsetzen konnte, legte zwar Wert auf die stabilisierende und entlastende Funktion, die eine Ehefrau für einen Profifußballer haben konnte. Abseits des Bundes der Ehe war Herberger jedoch jedweder Erotik abhold. Herzog überliefert die Anekdote, dass er mitunter „einen als Unterkunft für die Nationalmannschaft vorgesehenen Gasthof nicht in Betracht zog, weil ihm die Zimmermädchen „zu hübsch“ erschienen“. In einem derartigen Enthaltsamkeitsgebot wirkte nach 1945 noch einige Jahrzehnte die nach dem Ersten Weltkrieg von Paul Sturm und anderen popularisierte Idee einer „Schule der Härte“ nach, die angeblich nötig sei, um sowohl auf dem Platz als auch auf dem Gefechtsfeld seinen Mann zu stehen. Sektion V wirft einen Blick über den Tellerrand und präsentiert Aufsätze zu Geschichte und Gegenwart des Verhältnisses von Sport und Militär in anderen westlichen Staaten. Oberstleutnant Dieter Koller wendet sich in seinem Beitrag dem USUnited States-Militär und seinem Verhältnis zum American Football zu. Diese typisch amerikanische Sportart hat seit langem einen hohen Stellenwert für die Streitkräfte. Der spätere Armeegeneral Douglas MacArthur ließ 1922, als er Brigadegeneral und Superintendent der Militärakademie in West Point war, das Sportprogramm der Akademie deutlich ausbauen. Football lag ihm dabei besonders am Herzen, weil er die verbreitete Meinung teilte, diese Sportart fördere „Führungsfähigkeiten, Organisationsfähigkeit, Stressresistenz, Übersicht in schwierigen Situationen, den team spirit und das taktische Denken der zukünftigen Offiziere“. Der sehr populäre College Football wird von den Streitkräften als Werbemöglichkeit genutzt. In den Spielpausen laufen auf den Großbildschirmen Werbespots aller Teilstreitkräfte. Bei besonders wichtigen Spielen überfliegen Luftfahrzeuge der Air Force das Stadion. In seinem Fazit verwirft Kollmer die Annahme, das Engagement der Streitkräfte bei Großveranstaltungen des College Football habe zur Militarisierung der amerikanischen Gesellschaft beigetragen. Vielmehr sei „für die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner das eigene Militär genauso ein Teil ihrer Identität wie American Football“. Um Sport und Militär in Großbritannien und seinem Empire vom mittleren 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg geht es im Beitrag von Frank Reichherzer. In den Public Schools, privaten Schulen für die Sprößlinge des gehobenen Bürgertums, aus dessen Reihen auch die meisten Offiziere hervorgingen, war Sport Mitte des 19. Jahrhunderts fester Bestandteil des Lehrplans. Eine königliche Kommission zur Evaluierung der Lehrpläne lobte dies 1864 ausdrücklich und hielt fest, dass Kricket und Fußball eine große Hilfe dabei seien, beim Nachwuchs „einige der wertvollsten gesellschaftlichen Werte und männlichen Tugenden“ auszubilden. (Übersetzung des Rezensenten) Dazu passt das Ende des 19. Jahrhunderts vielgebrauchte Wellington zugeschriebene unbelegte Zitat, der Sieg über Napoleon in der Schlacht von Waterloo 1815 sei in den Sportstätten von Eton erfochten worden. Die verfügbaren Quellen deuten darauf hin, dass Sport „den größten Teil sowohl des Dienstes als auch der Freizeit“ britischer Offiziere ausmachte Dabei wurde die sportliche Betätigung in den überseeischen Besitzungen den lokalen Möglichkeiten und Gegebenheiten angepasst. Dass für den britischen Gentleman Sport auch die Jagd umfasste, versteht sich. Kavallerieoffiziere in Britisch-Indien tummelten sich hoch zu Roß bei der Wildschweinjagd mit Sauspieß. Man adaptierte mitunter auch Formen von Sport, die man in den unterworfenen Gebieten vorfand. So handelt es sich beim vermeintlich urenglischen Polospiel um die Adaption eines in Zentralasien verbreiteten Reitspiels. Durch die rasante technische Entwicklung, die in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg Waffensysteme mit unerhörtem Wirkungsgrad schuf, änderte sich auch die Sichtweise auf den Sport. Traditionalisten lehnten es ab, die Kriegsführung zu stark zu professionalisieren. Für sie blieb militärische Führung eine Frage von Charakter und Haltung, für deren Formung wiederum der Sport essentiell war. Progressivere Stimmen, die sich schließlich durchsetzten, sahen den Sport hingegen weniger als Charakterfrage, sondern unter Gesichtspunkten der körperlichen Fitness und des Zusammenhalts der Truppe. Für sie war Sport nicht Dreh- und Angelpunkt der Formung des militärischen Führers. Vielmehr wurde er „in ein effizientes, wissensbasiertes Ausbildungssystem integriert“. Während des Ersten Weltkriegs war kein Soldat durchgehend an der Front. Für jeden Verband gab es auch Phasen der Verwendung in rückwärtigen Räumen. In diesen Phasen eignete sich Sport gut zur Vermeidung von Langeweile. Zuletzt schreibt Reichherzer, Krieg und Sport sprachlich auf dieselbe Ebene zu stellen sei nicht zulässig. Eine solche Gleichsetzung, so der Autor, sei eine Strategie, die darauf abziele, den Ausnahmezustand des Krieges zu normalisieren. Dies regt zu weiterem Nachdenken an. Wörtlich heißt es bei Reichherzer: „Kämpfen ist nicht gleichbedeutend mit der Wildschweinjagd.“ Diese Aussage wird heute vermutlich den meisten Menschen nachvollziehbar erscheinen, auch dem Rezensenten, der bislang allerdings an keinem Krieg teilgenommen hat. Andererseits lesen wir etwa im Tagebuch des Kriegsteilnehmers Ernst Jünger unter dem 1. Dezember 1917: „Es ist zweifellos der aufregendste Augenblick im Kriege, wenn man den Gegner dicht vor sich sieht. Dann ist der Soldat in jeder Fiber gespannte Jagdleidenschaft.“ Es wäre näher zu untersuchen, ob und inwieweit diese Einstellung repräsentativ war und ob sich vergleichbare Äußerungen von Teilnehmern anderer Kriege finden ließen. Doch scheint dieses Beispiel darauf hinzudeuten, dass Kriegsteilnehmern die Gleichsetzung von Krieg mit Jagdsport nicht von vornherein abwegig oder unzulässig erschien. Abschließend lässt sich sagen, dass dieser Sammelband seinem Anspruch, sowohl die gegenwärtigen als auch die historischen Bezüge zwischen Militär und Sport aufzuzeigen, vielschichtig und in sehr anregender Weise gerecht wird. Das war „Angelesen, das Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Heute zum Buch von Martin Elbe und Frank Reichherzer: „Der Sport des Militärs.“

von Christoph Kuhl

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