Der Hitlerputsch 1923 - Transkript
Der Hitlerputsch 1923 - Transkript
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Herzlich Willkommen zu „Angelesen“, dem Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Heute stellen wir das Buch Der Hitlerputsch 1923 vor. Es wurde von Peter Tauber geschrieben und erschien 2023 im Reclam-Verlag in der Reihe Kriege der Moderne. Es mag zunächst verwundern, dass ein Band in der Reihe Kriege der Moderne erscheint, der scheinbar nichts mit Krieg zu tun. Allerdings versteht sich die Reihe nicht nur als Vermittlerin klassisch operationsgeschichtlicher Themen. Vielmehr sollen auch die wichtigsten militärischen Krisen der Moderne betrachtet werden. Und der Hitlerputsch war kein rein politisches, sondern eben auch ein militärgeschichtliches Ereignis. Erich Ludendorff, der stellvertretende Chef der Obersten Heeresleitung im Ersten Weltkrieg, unterstützte den Hitlerputsch. Und nicht wenige Angehörige der Reichswehr waren antirepublikanisch eingestellt und teilten Hitlers Ablehnung der Demokratie. Eine besondere Bedeutung hatte die Infanterieschule der Reichswehr in München. Hier wurden alle zukünftigen Offiziere der Reichswehr ausgebildet. Ihre Angehörigen nahmen eine teils sehr unrühmliche Rolle im November 1923 ein. Viele waren patriotisch eingestellt und verstanden dies fälschlicherweise als unvereinbar mit der jungen Demokratie. Am Abend des 27. Oktober 1923 hielt Hitler in München eine Rede. Anwesende Lehrgangsteilnehmer erkannten, dass die übrigen Gäste auch Angehörige der Schule waren. Einer der Zuhörer, Stabsoffizier und Ausbilder an der Infanterieschule, ging anschließend zum Redner und sagte: „Herr Hitler, die Infanterieschule weiß, was sie zu tun hat, wenn sie uns rufen.“ Ernst nahm diese Äußerung wohl vor allem Hitler, der unter Zuhilfenahme des ehemaligen Offiziers Gerhard Roßbach die Infanterieschule tatsächlich rief. Am 08. November ereilte die jungen Offizieranwärter der Ruf, die neu gegründete nationale Regierung zu unterstützen. Sie traten im Hof an und bewaffneten sich. Munition wurde ausgegeben. Der Schulkommandeur unterstützte die Putschisten nicht, sondern wollte mit Berlin sprechen. Einem Leutnant dauerte das zu lange, deshalb stellte man den Kommandeur unter Arrest. Danach marschierte man zum Bürgerbräukeller, wo erst einmal stundenlang nichts passierte. Die Lage war unklar, jedoch erschien Hitler am Morgen des 09. November. Die Nazis begannen nun ihren Marsch durch München. Die Infanterieschüler hatten sie dabei im Schlepptau. Allerdings machten nicht alle Offizieranwärter mit. So wandte sich Hansjochen Leist vom Magdeburger 12. Infanterieregiment an seinen Bataillonskommandeur mit der Bitte um Rat. Der Kommandeur, niemand geringeres als Kurt v. Hammerstein-Equord, antwortete: „Preußischen Vorgesetzten gehorchen.“ Damit war die Sache für Leist klar. Trotz seiner politischen Sympathie zu den Putschisten hielt er sich an seinen Eid. Preußischer Gehorsam war sowohl für Leutnant Leist als auch für Oberstleutnant von Hammerstein-Equord eben nicht der Kadavergehorsam, zu dem er später herabstilisiert wurde, sondern Gehorsam aus Einsicht. Der Hitlerputsch hatte eine lange Vorgeschichte, die in der Endphase des Ersten Weltkriegs begann und im Krisenjahr 1923 gipfelte. Nach dem Scheitern der letzten deutschen Großoffensiven im Frühjahr 1918 musste der faktische Chef der Heeresleitung, Erich Ludendorff, eingestehen, dass der Krieg verloren war. Er gab die Verantwortung nun zurück an die politische Reichsleitung. Diese musste dem Waffenstillstand bedingungslos zustimmen, die Wiederaufnahme von Kampfhandlungen war illusorisch. Kurz nach Kriegsende setzte Ludendorff die Dolchstoßlegende in die Welt, nach der das Heer im Felde ungeschlagen und von der Politik, insbesondere der Sozialdemokratie, verraten worden sei. Dieser Mythos wurde zur Hypothek für die Weimarer Republik. Er verhinderte auch, neben anderen Faktoren, dass Republik und Offizierkorps zusammenwuchsen. Hinzu kam, dass nach der Revolution von 1918 keineswegs Ruhe im Reich einkehrte. In zahlreichen Städten und Regionen kam es immer wieder zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Zuerst brachen kommunistische Revolten und der Spartakusaufstand aus. Reichswehrtruppen bekämpften dabei in Innenstädten Aufständische nach den im Weltkrieg erlernten Grundsätzen der Stoßtrupptaktik im Orts- und Häuserkampf. 1920 kam es zum Kapp-Lüttwitz-Putsch, der letztlich an zivilem Widerstand scheiterte. Die Reichswehr griff nicht ein. Anders war die Lage bei der Bekämpfung der Roten Ruhrarmee und beim Posener Aufstand. Hierbei wurde die Reichswehr von der Reichsregierung eingesetzt und kämpfte die Aufständischen nieder. Währenddessen marodierten antirepublikanische Freikorps im Baltikum. Als Ordnungsfaktor für die Republik war die Reichswehr das erste Machtmittel des Staates. Reichspräsident Ebert und den Chef der Heeresleitung Hans von Seeckt verband ein persönliches, aber auch professionelles Vertrauensverhältnis. Die Reichswehr sah sich aber zwei Vorwürfen ausgesetzt. Der erste bestand darin, dass sie im Kern antirepublikanisch eingestellt gewesen sei. Das war zwar theoretisch nicht von der Hand zu weisen, allerdings bewies sie praktisch mehrfach ihre Loyalität gegenüber Verfassung und Eid. Seeckt verlangte zwar überparteiliche, aber keineswegs unpolitische Soldaten und Offiziere, was gemeinhin missverstanden wird. Der zweite Vorwurf war, dass die Reichswehr aufgrund der Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrages zu klein wäre, um das Reich nach innen und außen zu verteidigen. Deshalb wurde eine sogenannte Schwarze Reichswehr aufgebaut; also eine verdeckte Armee. In Bayern war Hauptmann Ernst Röhm für deren Aufbau verantwortlich. Zahlreiche paramilitärische Verbände entstanden am Beginn der Weimarer Zeit und sollten der regulären Armee als Unterstützung bzw. Verstärkungsreserve dienen. Dass dies auch radikale Elemente anzog und ein Spiel mit dem Feuer war, zeigte der Deutsche Kampfbund. Hier schlossen sich der Bund Oberland, der Bund Reichsflagge und die Sturmabteilung zusammen. Angeführt von Adolf Hitler verfügten die Nazis so am 09. November durchaus über Machtmittel zur Durchsetzung ihres Putsches. Sie brauchten aber die Hilfe von Polizei und Reichswehr, da ihre eigenen Kräfte zu schwach waren. 1923 war das herausforderndste Jahr für die junge Demokratie: Anfang des Jahres marschierten belgische und französische Truppen ins Ruhrgebiet ein, weil das Reich die Reparationszahlungen nicht geleistet hatte. Die Reichsregierung reagierte mit passivem Widerstand – und zahlte weiterhin die Löhne. Daraufhin musste massenhaft Geld gedruckt werden und es kam zu einer galoppierenden Hyperinflation. Im Spätsommer 1923 erkannte die neue Reichsregierung die Aussichtslosigkeit des passiven Widerstandes und stellte ihn am 26. September ein. Am selben Tag reagierte die bayerische Landesregierung mit der Ernennung des früheren Ministerpräsidenten Gustav Ritter von Kahr zum sog. Generalstaatskommissar. Dies war de facto ein Akt der Auflehnung gegen die Zentralgewalt in Berlin. Zugleich regierten sowohl in Sachsen als auch in Thüringen sozialdemokratische Minderheitsregierungen, die von den Kommunisten gestützt wurden. Auch die KPD hatte eigene paramilitärische Verbände aufgebaut. In Berlin fürchtete man einen erneuten kommunistischen Umsturzversuch und wollte sich zunächst mit der Gefahr von links befassen. Am 27. September übertrug der Reichspräsident daher die vollziehende Gewalt im Reich an die Reichswehr. Diese marschierte im Oktober in Sachsen und Anfang November in Thüringen ein und stürzte de facto die jeweiligen Landesregierungen. Berlin wollte so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits die linke Gefahr in Sachsen und Thüringen beseitigen und andererseits Handlungsfähigkeit demonstrieren, um so den Agitationen aus Bayern entgegenzutreten. In Bayern hatte sich ein Triumvirat gebildet, das die Macht ausübte und darüber nachdachte, wie eine Veränderung der politischen Verhältnisse in Berlin erreicht werden könnte. Erstens gab es den bereits angesprochenen Gustav Ritter von Kahr. Als Generalstaatskommissar regierte er Bayern seit Ende September mit quasi-diktatorischen Vollmachten. Dabei wurde er, zweitens, unterstützt vom Chef der bayerischen Landespolizei, Hans Ritter von Seißer. Die bayerische Polizei durfte nicht unterschätzt werden. Sie verfügte in etwa über Personalstärke, Gliederung und auch Kampfkraft einer Infanteriedivision. Ein noch wichtigerer Protagonist war, drittens, Generalleutnant Otto von Lossow. Er war nicht nur Kommandeur der 7. Reichswehr-Division, sondern auch Landeskommandant und damit höchster Soldat in Bayern. Seine Rolle war besonders konfliktreich. Einerseits verpflichtete er seine Truppen auf Bayern, andererseits betonte er die grundsätzliche Treue zum Reich. Lossow wurde von seinem Vorgesetzten sogar seines Kommandos entbunden. Die bayerische Regierung setzte ihn allerdings kurzerhand wieder ein. Diese drei Männer mussten sich gegenüber Hitler positionieren. Sie konnten ihn aufgrund seiner Macht, die er buchstäblich auf die Straße bringen konnte, nicht ignorieren. Leiden konnten sie ihn alle drei nicht und man hätte ihn lieber nicht eingebunden. Aber ohne Hitler ging Ende 1923 in München nichts mehr. Seine Reden füllten riesige Säle und die Regierung Bayerns traute sich nicht, gegen ihn vorzugehen. Immer wieder machten Gerüchte die Runde, die Hitlerleute, wie die Nazis zeitgenössisch genannt wurden, wollten putschen. Kahr, Lossow und Seißer wollten zwar eine Veränderung der politischen Verhältnisse, schreckten aber vor einem offenen Konflikt mit Berlin zurück. Konkrete Umsturzpläne hatten sie nicht. Hitler hingegen betrachtete das Zögern der drei Männer als Hinhaltetaktik ihm gegenüber und fürchtete, sie wollten ohne ihn handeln und ihn kaltstellen. Diese Furcht gab womöglich den Ausschlag für die Ereignisse des 08. und 09. November. Hinzu kam, dass Hitler gegenüber seinen Anhängern mehrfach behauptet hatte, Kahr und Lossow stünden auf seiner Seite. Damit hatte er in seinen eigenen Reihen über Monate riesige Erwartungen geweckt, woraus ebenfalls ein enormer Handlungsdruck erwuchs. Gustav Ritter von Kahr hatte für den 08. November in den Bürgerbräukeller zu einer Kundgebung geladen, nachdem Hitler ihn am Tag zuvor zum Handeln aufgefordert hatte. Sowohl Kahr als auch Lossow nahmen Hitler das Versprechen ab, keinen Putschversuch zu starten. Hitler hatte an diesem Tag wohl den Punkt erreicht, an dem er beschloss, Kahr, Lossow und Seißer seinen Willen aufzuzwingen. An Ludendorffs Mithilfe bestand wohl kein Zweifel, wenngleich der Weltkriegsgeneral nie eine Marionette Hitlers war, sondern auf eigene Rechnung handelte. Wer hier wen benutzte, ist nicht so leicht zu beantworten. Hitler handelte während des Putsches intuitiv, im Affekt und ohne Strategie. Klare Zuständigkeiten hatte er nicht benannt. Das war Absicht, sollte doch im großen Moment alles von ihm abhängen. Einen konkreten Ablaufplan gab es auch nicht. Man wollte verschiedene wichtige Punkte in München besetzen, wie z.B. das Rathaus, und von da aus den Putsch nach Berlin tragen. Die Mithilfe von Reichswehr und Polizei waren unabdingbar. Im Bürgerbräukeller war am 08. November abends das gesamte bayerische Landeskabinett anwesend. Hitler war wütend, dass Kahr ihn nicht über die Veranstaltung informiert hatte. Dieser wiederum hatte auf Saalschutz verzichtet, weswegen die Nazis in der Übermacht waren. Die SASturmabteilung kaperte die Veranstaltung und die wenigen anwesenden Polizisten leisteten keinen Widerstand. Kahr musste seine Rede unterbrechen, Hitler drängte auf die Bühne, schoss in die Luft und erklärte die Regierung für abgesetzt. Das Triumvirat aus Kahr, General Lossow und Polizeichef Seißer war völlig überrumpelt. In einem Nebenzimmer sprachen die drei mit Hitler. Was wer genau gesagt hat, ist nicht mehr bekannt. Aber angeblich raunte Lossow den anderen beiden die Worte „Komödie spielen“ zu. Schließlich kam auch noch Ludendorff hinzu und wies die drei Männer an, den Putsch zu unterstützen. Sie gaben nach und willigten ein. Damit begann der eigentliche Staatsstreichversuch. Allerdings schlugen Kahr, Lossow und Seißer Adolf Hitler mit einer Strategie, die der Weltkriegsgefreite selbst oft genug anwandte: Sie hatten gelogen. Nachdem Hitler den Bürgerbräukeller verlassen hatte, ergriffen die drei Männer keine Maßnahmen zur Unterstützung des Putsches. Zunächst begann jedoch die Besetzung wichtiger Punkte in der Stadt. Die SASturmabteilung brachte das Wehrkreiskommando unter ihre Kontrolle, vergaß aber, die Telefonzentrale rechtzeitig zu besetzen. Der diensthabende Offizier konnte daher an vorgesetzte Dienststellen den Putschversuch melden. Die Reichswehr war also informiert. Die Verbände des Deutschen Kampfbundes versuchten derweil sich zu bewaffnen. In Lastwagen wurden Waffen zur Infanteriekaserne herangekarrt. Ein Kompaniechef, Hauptmann Eduard Dietl, wurde von Hitler beauftragt, die Waffen auszugeben und die SASturmabteilung in die Infanteriekaserne zu lassen. Allerdings erschien sein Vorgesetzter, Oberst Hugo von Wenz zu Lahnstein, und erteilte einen gegenteiligen Befehl. Dietl gehorchte notgedrungen und der Putsch begann zu scheitern, bevor er richtig begonnen hatte. Ähnliche Szenen spielten sich auch andernorts ab. Weder Reichswehr noch Polizei hatten Anweisung erhalten, die Hitlerleute zu unterstützen. An vielen Orten verlangten die Putschisten von Polizei oder Reichswehr entweder die Herausgabe von Waffen oder die Übergabe von Gebäuden. Die Polizisten und Soldaten beugten sich jedoch nicht und die Putschisten scheuten einen offenen Konflikt. Teilweise marschierten SASturmabteilung-Verbände ziellos durch die Münchener Innenstadt. Eigenständig und intuitiv entschieden zahlreiche Beamte und Offiziere in diesen chaotischen Stunden, Eid und Verfassung treu zu bleiben. Währenddessen hatten drei Reichswehrgenerale unter der Führung Kreß von Kressensteins Gegenmaßnahmen eingeleitet. Als schließlich klar war, dass die Reichswehr den Putsch nicht unterstützte, wandten sich Seißer und Lossow offen gegen Hitler und Ludendorff. Am nächsten Tag, den 09. November, war das Wehrkreiskommando noch unter Kontrolle der SASturmabteilung. Die Reichswehr erhielt um 07:30 Uhr den Befehl, das Gebäude zu stürmen. Mit Panzerwagen, Maschinengewehren und Feldkanonen rückte die Truppe an. Nach einem kurzen Schusswechsel, dem zwei Putschisten zum Opfer fielen, besetzte die Reichswehr einen Teil des Gebäudes. Parallel zum Vorgehen der Reichswehr versuchten Hitler und Ludendorff, mit einem großen Demonstrationszug zum Wehrkreiskommando zu gelangen. Die Aktion hatte kein militärisches Ziel, sondern sollte die Bevölkerung mobilisieren. Als sich Hitler und Ludendorff mit ihrem Gefolge dem Odeonsplatz näherten, trafen sie auf eine Postenkette der Polizei. Beide Seiten wollten zunächst keine Eskalation zulassen, aber es fiel ein Schuss. Wer ihn abgegeben hat, ist bis heute nicht geklärt. Die Polizei beendete den Putschversuch daraufhin blutig. Vier Landespolizisten, ein Unbeteiligter und dreizehn Putschisten sterben. Kurz darauf ergab sich Ernst Röhm und das Wehrkreiskommando war wieder unter Kontrolle der Reichswehr. Viele Teilnehmer des Demonstrationszuges warfen ihre Hakenkreuzbinden und teilweise auch Waffen weg und machten sich davon. So wie auch die eingangs beschriebenen Offizieranwärter. Sie kehrten in ihre Kaserne zurück und wurden dort mit Schimpf und Schande empfangen. Der Schulkommandeur hielt noch am Abend des 09. November eine Standpauke, wollte aber nur die Rädelsführer bestrafen. Dem Chef der Heeresleitung, Hans von Seeckt, reichte dies nicht. Er entließ den Schulkommandeur, löste die Infanterieschule in München auf und ließ die Haupträdelsführer festnehmen. Als die Schule ihren Lehrbetrieb ein Jahr später in Ohrdruf wieder aufnahm, war das Personal vollständig ausgetauscht worden. Abgesehen von den Angehörigen der Infanterieschule hatte sich die Reichswehr eidestreu und loyal verhalten. Der bayerische Ministerpräsident beschied der Reichswehr später tadelloses Auftreten. Am 26. Februar 1924 begann der Prozess gegen die Putschisten. Die verhängten Strafen und Urteile waren allerdings sehr mild. Das hängt auch damit zusammen, dass der Richter offen mit den Nazis sympathisierte. Kahr, Lossow und Seißer sagten als Zeugen aus. Ludendorff wurde freigesprochen und Hitler kam mit fünf Jahren Festungshaft auf Bewährung davon. Nach anderthalb wurde er entlassen und hatte sein Buch „Mein Kampf“ geschrieben. Danach ging er zurück in die Politik und baute die zunächst verbotene NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei neu auf. Insgesamt beruhigte sich die Lage im Reich nach dem Putsch. Hitler geriet kurzzeitig fast in Vergessenheit. Sein Versuch, den Aufstieg zur Macht mit einem Staatsstreich abzukürzen, war misslungen. Erst nach der legalen Ernennung zum Reichskanzler 1933 führte Hitler das Deutsche Reich dann sukzessive in Angriffskrieg, Völkermord und die eigene Vernichtung. Dazu trommelte er fleißig auf den Pauken des völkischen Nationalismus und schwadronierte von Lebensraum und Herrenmenschen. Die meisten Deutschen folgten ihm oder ließen ihn zumindest gewähren. Zuvor hatten die Nazis physische Gewalt gegen ihre politischen Gegner eingesetzt, um diese buchstäblich zu vernichten. Auf Einschüchterung und Prügel folgten bald Verschleppung und Mord. Natürlich glauben wir heute gern, diese dunklen Tage lägen hinter uns und wir Deutsche hätten unsere historische Lektion gelernt. 2019 ermordete ein Neonazi den CDUChristlich Demokratische Union-Politiker Walter Lübcke. Im Europawahlkampf 2024 wurde der SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands-Mann Matthias Ecke krankenhausreif geprügelt – vermutlich aus rechtsradikalen Motiven. Ende April 2024 kam es zu Angriffen auf Wahlkämpfer der Grünen, Linken und Volt. Wie die Hitlerleute 1923 verstehen Rechtsextreme in der heutigen Bundesrepublik physische Gewalt als legitimes Mittel der politischen Interessendurchsetzung. Und sie versuchen, aktive und ehemalige Soldatinnen und Soldaten auf ihre Seite zu ziehen. Dagegen muss sich eine freie und demokratische Gesellschaft wehren, wenn sie nicht zerstört werden will. Das war „Angelesen“, das Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, heute zum Buch: Der Hitlerputsch 1923 von Peter Tauber.