Der Hitlerputsch 1923 Transkript

Der Hitlerputsch 1923 Transkript

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42 MIN

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Major Gutzeit
Liebe Hörerinnen und Hörer, von „Zugehört“, Herzlich willkommen zu unserer Folge „Der Hitlerputsch von 1923“. Dies ist aber keine reine zugehört Folge, sondern außer der Reihe eines unserer Feature. Dies ist ein Feature von Christian Blees, basierend auf dem gleichen Buch von Dr. Peter Tauber. Dr. Peter Tauber ist auch Interviewpartner für Herrn Blees bei dieser Folge. Und hier geht es um den ersten Griff zur Macht. Ein Feature zum rechten Umsturzversuch in München im Weimarer Krisenjahr 1923. Wenn weiteres Interesse an diesem Thema besteht, schauen Sie auch in unsere „Zugehört“ Folge zum Krisenjahr von 1923 vorbei. Und wenn Ihnen dieses Feature gefällt, dann bestimmt auch unser Feature zur Kubakrise auf unserer Website. Viel Spaß dabei. 

Orginalausschnitt
Hier ist der deutsche Rundfunk mit allen deutschen Sendern. Die Reichssendeleitung überträgt am Vorabend des 9. November aus dem historischen Münchner Bürgerbräukeller das Treffen der Kampfgenossen des Jahre 1923 mit einer Ansprache des Führers. 
Ilka Müller 
München. 8. November 1936. Die traditionsreiche Großgaststätte Bürgerbräukeller im Stadtteil Haidhausen ist mit knapp 2000 Personen bis auf den letzten Platz gefüllt. Schon immer haben hier Veranstaltungen aller Art und verschiedener politischer Richtungen stattgefunden. An diesem Sonntagabend spricht der deutsche Reichskanzler Adolf Hitler.
Orginalausschnitt
Es gibt viele Tage in der Geschichte einer Bewegung, die es verdienen, in der Erinnerung gehalten zu werden. Es gibt kaum einen Tag in der Geschichte unserer Partei, der es mehr verdient als der Novembertag von damals immer ein Feiertag der Bewegung zu sein.
Ilka Müller 
Das Ereignis, auf das sich der Führer des nationalsozialistischen Deutschlands bezieht, liegt an diesem Abend genau 13 Jahre zurück. Am 8. November 1923 hatten Adolf Hitler und seine damaligen Gefolgsleute erstmals versucht, eine nationalsozialistische Revolution auszurufen. Doch der sogenannte Hitler Putsch sollte am Ende kläglich scheitern. Erst Ende Januar 1933 gelang es den Nazis schließlich doch, an die Macht zu kommen. Seitdem feierten sie das historische Datum jedes Jahr aufs Neue mit einer pompösen Gedenkveranstaltung. Stets unter völliger Verklärung dessen, was damals tatsächlich geschehen war.
Peter Tauber 
Wenn man ein Buch schreiben müsste, wie man nicht putscht, dann muss man ein Buch über den Hitler Putsch schreiben, weil das in seiner Durchführung und Vorbereitung dilettantisch war.
Ilka Müller 
Der Historiker Peter Tauber, Autor des Buches Der Hitler Putsch 1923.
Peter Tauber 
Die spannende Frage ist, ob wir mit Blick auf das Jahr 23 dem Hitler Putsch überhaupt diese Aufmerksamkeit widmen würden, wenn es nicht das Jahr 33 geben würde. Also besteht nicht die Gefahr, dass wir den Putsch überhöhen in seiner Bedeutung, weil Hitler zehn Jahre später eben doch die Macht an sich reißt?
Ilka Müller 
Peter Tauber glaubt Nein. Zum einen, weil der Hitler Putsch historisch gesehen den Schlusspunkt einer zuvor langandauernden Krisenzeit markiert. So führt die Reichsregierung nur eine Woche später, Mitte November 1923, als neues Zahlungsmittel die Rentenmarkt ein. Dadurch kann die Inflation erfolgreich gestoppt werden. Für mindestens genauso wichtig hält der Historiker aus heutiger Sicht zudem noch etwas anderes.
Peter Tauber 
Der Hitler Putsch ist der letzte Versuch mit Gewalt die Weimarer Verfassung zu beseitigen. Aber am Ende gewinnt die Demokratie. Und mit Blick auf die Frage Was lernen wir heute, glaube ich, können wir zumindest lernen, dass Demokraten bereit sein müssen, für ihre Überzeugungen und Werte zu kämpfen und dass man diesen Kampf auch gewinnen kann. Das ist, glaube ich, das, was das Jahr 23 zeigt.
Ilka Müller 
1923 hat die deutsche Reichsregierung große Probleme, die im Vertrag von Versailles festgeschriebenen Reparationszahlungen an Frankreich zu leisten. Die Franzosen marschieren daraufhin gemeinsam mit Belgien im Ruhrgebiet ein. Sie wollen die ausstehenden Zahlungen sicherstellen, indem sie unter anderem geförderte Kohle requirieren. Die deutsche Reichswehr sowie die bewaffneten Kräfte der Landespolizei sehen sich nicht in der Lage, den französischen und belgischen Truppen entgegenzutreten. Daraufhin ruft die Reichsregierung von Berlin aus die Bewohner des Ruhrgebiets zum passiven Widerstand auf.
Peter Tauber 
Das heißt die Behörden, die Verwaltung, verweigern die Zusammenarbeit. Die Kumpel in den Zechen treten in den Streik. All das wird dann von der Reichsregierung finanziert, und das heizt enorm die Inflation an! Es heizt natürlich den Hass auf die Franzosen an, die Franzosen versuchen mit restriktiven Maßnahmen trotzdem die entsprechenden Kohlenlieferungen zu generieren. Das führt wieder zu Gewalt, so dass dort ein Klima entsteht, bei dem es nahezu täglich zu Übergriffen kommt, zu Verhaftungen, zu Ausweisung. Und es heizt eben die negative wirtschaftliche Entwicklung an, so dass das Reich im September nicht mehr in der Lage ist, diesen passiven Widerstand zu finanzieren und folglich die Reichsregierung dann entscheidet ihn einzustellen.
Ilka Müller 
Auch im Süden des Deutschen Reiches kommt es bereits kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs zu Unruhen in München ruft Kurt Eisner am 8. November 1918 den Freistaat Bayern aus und erklärt König Ludwig den Dritten für abgesetzt. Eisner ist Mitglied der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, kurz USDP. Bei der USDP handelt es sich um eine Abspaltung der SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands. Peter Tauber schreibt.
Sprecher
Der Sozialist Kurt Eisner trat an die Spitze der Regierung. Für kurze Zeit träumten linke Politiker und Intellektuelle von einer Räterepublik nach sowjetischem Vorbild. Doch die handelnden Personen waren nicht in der Lage, die Alltagsprobleme der Menschen zu lösen. Nach einer verheerenden Wahlniederlage für die USPD am zwölften Januar 1919 wurde Eisner am 21 Februar auf dem Weg zum Landtag, wo er seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten erklären wollte, ermordet. Eine sozialdemokratisch geführte Regierung übernahm das Ruder.
Ilka Müller 
Anfang April 1919 wird in München erneut eine Räterepublik ausgerufen. Die Stadt von einer neu gegründeten Roten Armee besetzt. Die gewählte SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands Regierung flieht nach Bamberg. Als die Berliner Reichsregierung Truppen in die bayerische Hauptstadt entsendet, eskaliert dort die Gewalt. Es herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Am Ende der Auseinandersetzungen sind fast 1000 Tote zu beklagen. Knapp ein Jahr später, am 16 März 1920, wird Gustav Ritter von Kahr zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Von Kahr ist Mitglied der Bayerischen Volkspartei BVP.
Sprecher
Von Kahr formulierte offen das Ziel von Bayern aus der von Sozialdemokraten und Liberalen geprägten Weimarer Republik etwas entgegenzusetzen.
Ilka Müller 
Schreibt Peter Tauber.
Sprecher
Bayern sah er als Ordnungszelle, um von dort aus die Politik in Berlin zu beeinflussen. Eine der wesentlichen Ursachen für diese Entwicklung Bayerns war das Trauma, unter dem die bayerische Politik seit den Tagen der Räterepublik litt. Dass damals eine linke Minderheit die Macht an sich gerissen hatte, durfte sich nicht wiederholen. Vor allem die Tatsache, dass Bayern nicht selbst in der Lage gewesen war, die Räterepublik zu beenden, lastete schwer auf der bayerischen Politik. In der Folge wurde München zu einem Rückzugsort der Republik, Gegner aus dem ganzen Reich.
Ilka Müller 
Einer dieser Republik Gegner ist ein gebürtiger Österreicher mit Namen Adolf Hitler.
Peter Tauber 
Hitler erlebt in München die Räterepublik. Die Niederschlagung ist zu dieser Zeit noch Soldat der Reichswehr scheidet dann aus und findet schnell politischen Anschluss in der Deutschen Arbeiterpartei, die dann später zur NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei wird. Er wird Vorsitzender und durch seine Art der Agitation findet er in München schnell eine größere Resonanz. München ist zu der Zeit ein Ort, in dem sich viele nationalistische, auch völkische Gruppen sammeln. Es gibt immer wieder neue Strukturen und Organisation, und die Nationalsozialisten erheben für diese Ideen recht schnell eine Art Alleinvertretungsanspruch. Er wird recht schnell zum Führer dieser Bewegung. Er wird auch von seinen Anhängern recht früh so genannt.
Ilka Müller 
Aus Peter Taubers Buch.
Sprecher
Es dauerte nicht einmal ein halbes Jahr, und Hitler hatte der Partei seinen Willen aufgezwungen. Nachdem er im April 1920 aus der Reichswehr entlassen worden war, widmete er sich ganz seiner politischen Agitation. Am 24 Februar 1920 erfolgte die Umbenennung der DAP in Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei und das 25 Punkte umfassende Parteiprogramm wurde vor 2000 Anhängern verkündet. Schließlich übernahm Hitler im Juli 1921 das Amt des Parteivorsitzenden. Mit aller Macht wurde nun der Aufbau der Partei vorangetrieben. Seit dem Kauf des Völkischen Beobachters verfügte die NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei über eine eigene Zeitung und mit dem Aufbau der Sturm Abteilung SASturmabteilung als paramilitärischen Verband der Partei begann man gezielt gewaltbereite Männer..
Ilka Müller 
Im Jahr 1923 erlebt die NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei einen enormen Zustrom. Ende des Jahres ist ihre Mitgliederzahl auf über 50.000 angewachsen. Die meisten davon sind Männer und stammen aus dem Großraum München. Sie erwarten von Hitler, dass dieser nicht weiter nur gegen die Reichsregierung in Berlin agitiert. Er soll endlich auch Taten folgen lassen.
Peter Tauber 
Hitlers Wirkung manifestiert sich vor allem in seinen Reden, in der Agitation von größeren Menschenmengen. Und in der Tat, viele Menschen kamen zu seinen Kundgebung. Er sprach manchmal an einem Abend, auf mehreren Kundgebungen unmittelbar hintereinander. Oft gab es entsprechende Auflagen, weil es im Umfeld dieser Veranstaltungen auch zu Gewalt kam. Aber die Nazis haben sehr damit gespielt, diese Auflagen teilweise zu umgehen, teilweise sie auch einzuhalten, teilweise in Verhandlungen mit den Verwaltungsbehörden, sozusagen zusätzliche Möglichkeiten für sich weitere Veranstaltungen durchzuführen, zu erreichen. Und die Verwaltungen haben es oft schwer gehabt, eine klare Haltung einzunehmen. Hitler hat genau gewusst, wie er da mit den Behörden auch spielt und es gab natürlich in den Behörden teilweise auch Sympathisanten.
Ilka Müller 
Peter Tauber schreibt.
Sprecher
In zahllosen Kundgebungen agitierte Hitler gegen die Regierung in Berlin, gegen die Juden, gegen die November Verbrecher und provozierte gleich zu Jahresbeginn die bayerische Regierung. Hatte man ihm zunächst die Durchführung von zahlreichen Versammlungen anlässlich des geplanten Parteitags Ende Januar untersagt, so endete die Auseinandersetzung mit einem politischen Erfolg Hitlers. Am Ende konnten alle zwölf geplanten Massenkundgebungen stattfinden. Die erteilten Auflagen wurden entweder zurückgenommen oder von Hitler schlicht und einfach ignoriert. Die Fahnenweihe musste aufgrund des großen Andrangs sogar vom Circus Krone auf das Marsfeld verlegt werden. Den Abschluss bildete ein Marsch durch die Stadt, der von der Landespolizei eskortiert wurde. Die bayerische Regierung hatte versucht, Hitler die Stirn zu bieten und war gescheitert.
Ilka Müller 
Einer, der davor warnt, Hitlers wachsende Popularität zu unterschätzen, ist der Journalist Stephan Grossmann.
Sprecher
Im Circus Krone, in dem er neuerdings mit Vorliebe spricht, beherrscht er den riesen Raum. Er hat ein aus dem Innern kommendes nationales Pathos. Reißt die Leute mit weiß genau, wann die Münchner den Ernst satthaben, wann er in bayerisch oberösterreichischen Dialekt reden muss und wann er letztes Hilfsmittel humoristisch jödeln muss.
Ilka Müller 
Der Zeitzeuge Heinz Haushofer, Jahrgang 1906, wird sich Jahrzehnte später erinnern.

Heinz Haushofer 
Ich war Jugendbewegter, ich war Pfadfinder gewesen, war Wandervogel gewesen, und mein Leben hatte sich sehr stark in kleinen Kreisen oder, wie man damals sagt, in der bündischen Jugend abgespielt. Ich war also absolut nicht dazu erzogen und nicht darauf eingestellt, mich dem Massenrausch hinzugeben und habe im Circus Krone erlebt, wie also diese sechs oder 700 oder 8000 Leute, so mögen es gewesen sein, von Hitler langsam aufgeheizt worden. Zu diesem berühmten Phänomen, dass diese ganze Zirkus Krone dann bebte und vibrierte wie ein Resonanzkörper, weil ein bespielten Instrument und wenn man da mitten drin saß und sah, wie zu Rechten zu lenken und zu fallen und hinten langsam diese sich aufbaute, dieser Massenrausch, da gab es die Möglichkeit dabei zu sein, mitzumachen und wenn du das nicht konntest, dann war ein Gefühl der Entfremdung.
Ilka Müller 
Es beginnt bereits unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkriegs. In Ost und Mitteleuropa entstehen in dieser Zeit neue Staaten, die, wie Peter Tauber es in seinem Buch formuliert, alle um ihre innere Verfasstheit ringen. So ist es in Deutschland beispielsweise keineswegs klar, dass die Revolution vom November 1918 den Weg zu einer parlamentarischen Demokratie ebnen wird. Feinde der Republik, sowohl von links wie von rechts, unternehmen immer wieder Anläufe, um die von ihnen ungeliebte neue politische Ordnung zu beseitigen. Bei Aufständen in mehreren deutschen Städten kommt es zu massiven Gewaltausbrüchen und einer großen Zahl an Toten.
Peter Tauber 
Die Kommunisten haben 1923 so etwas wie den deutschen Oktober geplant, nach dem Vorbild der Sowjetunion Deutschland entsprechend umzubauen. Und die Rechten haben die Demokratie zutiefst abgelehnt, wollten einen autoritären Staat und natürlich auch Revanche für den verlorenen Krieg und dazu kam eine immense materielle Not. Viele Menschen haben auch aus sozialer Not heraus Zweifel gehabt, dass die Republik die richtige Staatsform ist und aus diesem Gemisch heraus war es eben für die Republik, für die Demokraten in der Weimarer Republik eine immense Herausforderung, diesen Staat sattelfest zu machen.
Ilka Müller 
Erschwerend kommt hinzu, dass die neue demokratische Regierung notgedrungen ein Bündnis mit jener Armee eingehen muss, die erst kurz zuvor von den Fronten des Ersten Weltkriegs zurückgekehrt ist. Nur so lassen sich Recht und Ordnung überhaupt aufrechterhalten.
Peter Tauber 
Der große Unterschied zur Bundeswehr und der Bundesrepublik ist ja, dass es die Bundesrepublik schon gab, und dann wurde die Bundeswehr aufgebaut. Das heißt, die Demokratie hat eine eigene Armee aufgebaut. In der Weimarer Republik war es genau andersherum Die Reichswehr, sozusagen als Fortsetzung der alten kaiserlichen Armee der Kontingent Armeen der Länder existierte schon, als die Republik gegründet wurde. Es waren dieselben, die in Verantwortung standen, die die Armee führten, und das waren in der Regel keine Demokraten. Es waren oft Loyalisten, das heißt, sie waren der Verfassung loyal, aber ob sie mit dem Herzen dabei waren, da kann man natürlich nicht nur Zweifel haben, sondern das ist nachweisbar, dass ein Herz für die Republik bei vielen Reichswehr Offizieren nicht schlug. Also die Armee musste sich immer wieder auch den Vorwurf gefallen lassen, dass sie nicht loyal zur Republik stand, zwar loyal zur Nation, aber eben nicht zur neuen staatlichen Ordnung.

Ilka Müller 
Viele Armee, Vertreter und konservative Kräfte leiden unter den Bedingungen, die im Vertrag von Versailles festgeschrieben sind. Ausgehandelt worden ist dieser von Vertretern Frankreichs, Großbritanniens, der Vereinigten Staaten sowie deren Verbündeter. Die deutsche Delegation hat erst gegen Ende der Verhandlungen aus ihrer Sicht wenige Nachbesserungen erreichen können. Indem Ende Juni 1919 unterzeichneten Dokument ist festgehalten, dass für den Beginn des Ersten Weltkriegs ausschließlich Deutschland und seine Verbündeten verantwortlich waren. Auch verpflichtet sich das Deutsche Reich, eigene Gebiete abzutreten, Reparationszahlungen an die Siegermächte zu leisten sowie das eigene Militär abzurüsten. In Artikel 160 des Versailler Vertrags heißt es unter anderem.
Sprecher
Spätestens am 31. März 1920 darf das deutsche Heer nicht mehr als sieben Infanterie und drei Kavallerie Divisionen umfassen. Von diesem Zeitpunkt ab darf die gesamte ist Stärke des Heeres, der sämtlichen deutschen Einzelstaat nicht mehr als 100.000 Mann, einschließlich der Offiziere und der Depots betragen. Das Heer ist nur für die Erhaltung der Ordnung innerhalb des deutschen Gebietes und zur Grenzpolizei bestimmt. Die Gesamtstärke an Offizieren einschließlich der Stäbe ohne Rücksicht auf deren Zusammensetzung darf die Zahl 4000 nicht übersteigen.
Ilka Müller 
In Kapitel zwei des Dokuments wird der Bereich Bewaffnung, Munition und Material geregelt.
Sprecher
Binnen zwei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags sind die deutschen Waffen, Munitionsvorräte und das Kriegsgerät einschließlich jeden Flugabwehr Gerätes, die in Deutschland über die zugelassenen Mengen hinaus vorhanden sind, den Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte zur Zerstörung oder unbrauchbar machen auszuliefern. Dasselbe gilt für alle, für die Anfertigung von Kriegsgerät, bestimmten Werkzeuge und Maschinen. Abgesehen von dem, was als notwendig für die Bewaffnung und Ausrüstung der zugelassenen deutschen Streitkräfte anzuerkennen ist.
Ilka Müller 
Die deutsche Reichswehr begreift sich seit jeher als eine Art Elite, die der Nation verpflichtet ist. In den turbulenten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg steht für sie vor allem eine Frage im Mittelpunkt.
Peter Tauber 
Wie können wir mit 100.000 Mann unseren eigentlichen Auftrag, nämlich die Verteidigung des Reiches, überhaupt gewährleisten? Das führt im Jahr 23 auch zu Diskussionen, dass die Reichsverfassung sagt, wir können nicht, wenn es linke Aufstände in Sachsen und Thüringen gibt und möglicherweise einen rechten Putsch in München gleichzeitig agieren. Wir sind zu wenig, wir haben zu wenig Kräfte, um im Zweifel die Republik zu schützen und das zeigt eben, dass es da schon ein tiefes Ringen gibt um die eigene Struktur, um das, was man ausbildet, um die Frage von Modernität. Gewisse Waffensysteme wie Panzer und Flugzeuge waren der Reichswehr ja auch untersagt, sodass gerade diese frühe Phase der Reichswehr auch sehr, sehr spannend ist.

Ilka Müller 
In seinem Buch schreibt Peter Tauber.
Sprecher
Nicht minderschwer traf die neue Reichswehr die Skepsis, die ihr seitens der ehemaligen Offiziere entgegenschlug. Aus einer Zeit mit einem ausgeprägten Ehrenkodex kommen vieles ins Gewicht, wenn die Offiziere der alten Armee, wie man die Kontingentarmeen des Kaiserreichs nannte, den Reichswehroffizieren regelmäßig die Erwiderung des militärischen Grußes verweigerten. So saß die Reichswehr buchstäblich zwischen den Stühlen. Skandale und Fehlverhalten einzelner Soldaten, Gewaltexzesse bei den Einsätzen gegen Aufständische im Innern und das Unvermögen, mit der öffentlichen Kritik adäquat umzugehen, sowie eine Justiz, die entsprechende Vergehen kaum ahndete, waren zudem eine Belastung für das Ansehen der Armee. Auch die bisweilen von Offizieren offen zur Schau getragene Missachtung der Symbole und Farben.
Ilka Müller 
Im Herbst 1923 beginnt sich die politische Lage in Bayern dramatisch zuzuspitzen. Am 26 September wird Gustav Ritter von Kahr zum General Staatskommissar mit diktatorischen Vollmachten ernannt. Noch am selben Tag verhängt er über Bayern den Ausnahmezustand mit Generalleutnant Otto von Lossow und Hans von Seißer bildet von Kahr fortan ein Triumvirat.
Peter Tauber 
Gustav Ritter von Kahr gilt als klassischer Verwaltungsfachmann, nicht besonders charismatisch und auch ablehnend gegenüber der Republik in Berlin. Otto von Lossow war der Landes Kommandant der Reichswehr in Bayern, der Kommandeur der sieben bayerischen Divisionen und Bayern als ehemaliges Königreich mit vielen Menschen, zu denen auch Gustav Ritter von Kahr zählte, die von einer Wiedererrichtung der Monarchie nicht nur träumten, sondern teilweise auch offen sprachen, hatten eben ein besonderes Verhältnis zu der Reichswehr in Bayern. Und Lossow ist jemand, der mit dieser Loyalität auch gegenüber Bayern, aber natürlich als Teil der Reichswehr gegenüber dem Reich durchaus auch spielt in seinen Auftritten. Das ist eine schillernde Persönlichkeit. Hans von Seißer als Chef der bayerischen Polizei, der bayerischen Landespolizei eine spannende Person, weil er und das gilt für alle, die dort agieren, nicht sozusagen neu auf der Bühne auftaucht, sondern ihn verbinden aus der Zeit des Ersten Weltkrieges oder sogar davor gemeinsame Wegstrecken mit anderen Protagonisten.
Ilka Müller 
Ziel des Bündnisses aus Gustav Ritter von Kahr, Otto von Lossow und Hans von Seißer ist es, von Bayern aus die Republik zu beseitigen und in ganz Deutschland eine nationale Diktatur zu errichten. Ab Mitte Oktober lässt von Kahr mehrere 100 jüdische Familien, die Jahrzehnte zuvor aus Osteuropa eingewandert waren, aus Bayern ausweisen. Damit möchte der General Staatskommissar bei den Rechtsextremen Sympathien gewinnen. Gleichzeitig will von Kahr Adolf Hitler die Führungsrolle im rechten Lager streitig machen. Der württembergische Gesandte in München, Carl Moser von Filseck, berichtet.
Sprecher
Zwischen den Mitgliedern der Regierung und Herrn von Kahr sollen bezüglich der Behandlung Hitlers Meinungsverschiedenheiten bestehen. Ein mir gut bekannter Beamter des Ministeriums des Innern bezeichnete mir das Verhältnis zwischen Kahr und Hitler als sehr gespannt. Wenn trotzdem Herr von Kahr gegen die nationale Sozialisten nicht schärfer einschreitet und die Partei auflöse, so habe er dazu seine ganz bestimmten Gründe. In Hitlers Partei befinde sich nämlich eine große Anzahl früherer Offiziere, auf die sich Herr von Kahr absolut verlassen könne. Mit ihnen bestehe vollständige Einvernehmen. Dadurch sei Hitler unschädlich gemacht.
Ilka Müller 
Auf der anderen Seite baut auch Adolf Hitler auf die Unterstützung wichtiger Militärs. So weiß er zum Beispiel Erich Ludendorff auf seiner Seite. Ludendorff hat im Ersten Weltkrieg unter anderem als Stellvertreter Paul von Hindenburg fungiert, dem Chef der Obersten Heeresleitung. Im März 1920 war Ludendorff zudem am sogenannten Kapp Putsch beteiligt. Einem misslungenen konterrevolutionären Putschversuch gegen die Weimarer Republik.
Peter Tauber 
Ludendorff kommt Anfang der 20er Jahre nach München, verschreibt sich politisch der völkischen Bewegung und ist natürlich aufgrund seines Nimbus im Ersten Weltkrieg auch einer derjenigen, die die Dolchstoßlegende verbreiten, in völkischen und rechtsextremen Kreisen hoch angesehen. Hitler weiß das und versucht auch die Autorität..
Ilka Müller 
November 1923 treffen sich Adolf Hitler und Erich Ludendorff mit einigen ihrer politischen Gefolgsleute. Die Männer sind sich einig darin, dass die Zeit für den Sturz der Reichsregierung gekommen ist. Kopfzerbrechen bereitet den Anwesenden in diesem Zusammenhang eine Rede, die Gustav Ritter von Kahr für den folgenden Abend im Bürgerbräukeller angekündigt hat. Peter Tauber schreibt.
Sprecher
Tags zuvor hatte Hitler persönlich Kahr aufgefordert, zu handeln. Lohse und Kahr hatten ihm wiederum erneut das Versprechen abgenommen, nicht zu putschen. Das Gerücht, dass die Nationalsozialisten einen Putsch planten, waberte schon seit Jahresbeginn durch München und war erst in den letzten Tagen vermehrt wieder zu hören gewesen. Hitler trieb die Sorge um, dass man nun offensichtlich ohne ihn Schritte gegen die verhasste Regierung in Berlin plante. War die Rede? Kahrs der Auftakt für eine solche Aktion. In jedem Falle hatten Kahr, Lossow und Seißer es offensichtlich nicht für notwendig befunden, Hitler einzubeziehen. Oder ging es Kahr nur darum, seinen Führungsanspruch im nationalen Lager mit einer Kundgebung zu untermauern und Druck auf Berlin auszuüben? An diesem Abend fällte Hitler endgültig die Entscheidung, den Männern, die er bisher für sich zu gewinnen trachtete, seinen Willen aufzuzwingen.
Peter Tauber 
Er ist nicht eingebunden, er weiß nicht genau, was da geschehen wird, und entscheidet sich dann eben, das Momentum zu nutzen. Die SASturmabteilung umstellt den Bürgerbräukeller und er marschiert dann in den Saal ein. Und schon das funktioniert nicht so, wie er das geplant hat.
Ilka Müller 
Unter den Zuhörern im Bürgerbräukeller befindet sich an diesem Abend auch der 23-jährige Günter Grassmann
Günter Grassmann 
Von Kahr hat gesprochen und auf einmal gab es links beim Eingang eine gewisse Unruhe. Dann kam eine Gruppe herein, voran Hitler in hellen Trenchcoats, sehr blass hinter ihm den einzigen, den ich kannte, das war der Führer des Freikorps Oberland, Friedrich Weber. Und dann noch zwei oder drei Leute. Hitler drängte dann gegen das Podium vor, dass also genau mir gegenüber auf der Nordwand stand und gab mit einer Pistole einen Schuss ab und schoss in die Decke. Ich kann mich noch erinnern, wie da dann der Putz schon ein bisschen heruntergerissen ist, aber ich habe nicht den Eindruck, dass dieser Vorgang die Leute irgendwie erschreckt hat.
Ilka Müller 
Peter Tauber schreibt.
Sprecher 
Es kam zum Tumult. Die im Saal anwesenden SASturmabteilung-Männer holten Hakenkreuz Armbinden hervor und legten sie an, sie waren bewaffnet. Kahr musste seine Rede unterbrechen. Als es Hitler auch nach dem Betreten der Bühne nicht gelang, die Aufmerksamkeit vollends auf sich zu ziehen, schoss er mit seiner Pistole in die Decke und rief die nationale Revolution ist ausgebrochen. Der Saal ist von 600 Schwerbewaffneten besetzt. Ein Verlassen des Saales ist unmöglich. Wenn nicht sofort Ruhe eintritt, kommt ein Maschinengewehr auf die Galerie. Die bayerische Regierung ist abgesetzt, eine provisorische Reichsregierung wird gebildet. Kahr und auch Lossow und Seißer waren überrumpelt. Hitler bugsierte die drei in ein Nebenzimmer. Über den Verlauf des Gesprächs ist viel geschrieben worden. Angeblich raunte Lossow den anderen beiden Männern Komödie spielen zu. Auch Hitlers Verhalten wird unterschiedlich erzählt. Theatralisch, flehend und mit der Pistole drohend, die er im Zweifel auch gegen sich selbst richten werde, versuchte Hitler sie auf seine Seite zu ziehen. Doch seine Worte verfingen nicht. Schließlich bat und flehte er, den Vorwurf Seißers, er habe sein Wort gebrochen, entschuldigte er mit der besonderen Situation. Dann traf Ludendorff ein, der sich überrascht gab aber Kahr, Lossow und Seißer unmittelbar aufforderte mitzumachen. Schließlich gaben die drei Männer nach. Kurz nach 21:30 trat Hitler mit Kahr Lossow und Seißer sowie Ludendorff im Gefolge wieder vor die Menschenmenge, die von Göring mehr..
Ilka Müller 
… als eine Revolution ausruft. Befindet sich im Saal ein wesentlicher Teil der bayerischen Landesregierung. Einige der anwesenden Minister werden umgehend inhaftiert und als Geiseln in die Villa eines völkischen Verlegers gebracht. Noch einmal Der Zeitzeuge Günther Grassmann.
Günther Grassmann 
Man hielt damals Hitler für einen etwas komischen Spinner oder einen extremen Schreier. Er bezeichnete sich ja damals selber noch als der Trommler. Also das Ganze wurde nicht so furchtbar ernst genommen. Er ist dann auf dieses kleine Podium hinaufgegangen und hat erklärt, die nationale Revolution sei ausgebrochen und er würde jetzt nach Berlin marschieren und für Ordnung und für eine nationale Regierung sorgen.
Sprecher
Hitler trommelte längst nicht mehr nur für die nationale Sache.
Ilka Müller 
Heißt es in Peter Taubers Buch.
Sprecher
Er trommelte in eigener Sache und wies in seiner Rede den anderen Männern großzügig ihre Rolle in der künftigen Staatsführung zu. Für Seißer, erfand er kurzerhand den Posten eines Reichspolizeiministers, den es bis dato gar nicht gab. Ludendorff sollte Chef der Armee und Lossow Reichswehrminister werden, sowie Kahr Stadthalter in Bayern. Hitler suggerierte ihm damit, die Wiederherstellung der bayerischen Monarchie sei möglich und die Führung der nationalen Regierung übernehme er. Hitler selbst ließ er die Menge wissen, die daraufhin in Jubel ausbrach.

Peter Tauber
Vom Bürgerbräukeller ausgehend versuchen die Putschisten zunächst die Kontrolle über die wichtigen Einrichtungen, die Infrastruktur in München zu erlangen. Dazu gehören die Kasernen, der Hauptbahnhof, die Post, auch das Wehr-Kreis Kommando. An verschiedenen Stellen werden sie abgewiesen. Hitler selbst erscheint dann noch an einem Kasernen Tor und möchte Einlass für seine Putschisten, die dort Waffen empfangen wollen, die Reichswehr vereinnahmen wollen.
Ilka Müller 
Über die Herkunft der Waffen, die Adolf Hitler und seine Gesinnungsgenossen an sich nehmen wollen, berichtet der Zeitzeuge Albert Lörcher. Er ist zum Zeitpunkt des Hitler Putsches zehn Jahre alt. Jahrzehnte später wird er sich noch sehr gut an die Nacht vom achten auf den 9. November 1923 erinnern.
Sprecher
Wir sind durch einen außergewöhnlichen Lärm aufgeweckt worden. Wir gingen aus unseren Betten und versuchten dem Lärm nachzugehen, wo er herkam, und landeten dann am Sankt-Anna- Platz, wo die Sankt Anna Kirche und die Klosterkirche direkt gegenüber standen. Wir waren überrascht, dass dort der Hauptplatz hell erleuchtet war mit Fackeln und dass dieser ganze Platz von SASturmabteilung abgesperrt war. Vor der Kloster Pforte waren Lastautos aufgefahren, die schwere Kisten mit Infanterie, Gewehren und Munition aufluden. Es war ein Riesentheater. Wir haben später erfahren, dass im Sankt-Anna Kloster eines dieser Waffenlager untergebracht war, die unter Umgehung der Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages heimlich Waffen angelegt hatten. Außerdem Sankt -Anna Kloster gab es noch in Ottobeuerin im Kloster, ein Waffenlager in der Michaelskirche in München und in dem alten Wittelsbacher Kloster bei Fürstenfeldbruck, um nur einige zu nennen. Die Waffen waren von der bayerischen Regierung für die Einwohner-Wehr bereitgestellt. Da die Einwohner Wehr aber mit den übrigen rechtsextremen Verbänden zusammenarbeitete, haben praktisch alle diese rechtsextremen Verbände Zugang zu diesen Waffen gehabt. Und sie waren auch vorgesehen für den Fall einer Auseinandersetzung als Bürgerkriegsarmee. Und sie waren eingerichtet, auch besonders von der bayerischen Regierung mit Richtung auf einen Sturz der Berliner Regierung.
Ilka Müller 
Ernst Röhm, der Jahre später als Führer der SASturmabteilung fungieren wird, hat im Oktober 1923 den Bund Reichskriegsflagge gegründet, gemeinsam mit Mitgliedern der paramilitärischen Vereinigung macht er sich am Abend des 8. November auf den Weg das Wehrkreiskommando sieben an der Münchner Ludwigstraße zu besetzen. Das Vorhaben glückt. Doch die Putschisten begehen einen schweren Fehler. Erst gegen 23:30 und damit 90 Minuten, nachdem sie das Wehrkreiskommando besetzt haben, übernehmen Sie auch die Kontrolle über die Telefonzentrale. Dadurch gelang es den überrumpelten Militärs, die Führung der Reichswehr über Rihms Besetzung Aktion zu informieren. Kurz darauf treffen vor Ort Adolf Hitler und Erich Ludendorff ein. Peter Tauber schreibt.

Sprecher
Im Geschäfts Zimmer Lossows wartete Hitler gemeinsam mit Ludendorff auf das Eintreffen des Generals, der aber in der Stadt Kommandantur am Hofgarten längst über die Gegenmacht beratschlagte, um den Putsch niederzuschlagen.
Peter Tauber
Schon in der Nacht, als die Menge in Jubel ausbricht, Hitler, die nationale Revolution verkündet und dann aber den Bürgerbräukeller verlässt, nutzen Kahr, Lossow und Seißer die Gelegenheit, sich abzusetzen. Ludendorff lässt sie gehen, weil er aufgrund seines Ehrverständnisses nicht glaubt, dass die drei die gegebenen Versprechen, sich am Putsch zu beteiligen, brechen werden. Und unmittelbar danach agieren aber alle drei deutlich, indem sie auch entsprechende Anweisungen geben, die darauf hinauslaufen, dass man den Putsch nicht mehr unterstützt. Es gibt aber in München eine teilweise unklare Lage, weil die verschiedenen Stellen nicht so genau wissen, von wem kommen jetzt eigentlich die Befehle? Wer ist jetzt zuständig? So dass es einen gewissen Moment in der Schwebe bleibt. Aber recht schnell wird klar Landespolizei und Reichswehr tragen den Putsch nicht mit. 
Ilka Müller 
Gustav Ritter von Kahr, Otto von Lossow und Hans von Seißer noch am Abend des 8. November von dem Putsch plötzlich nichts mehr wissen wollen.
Peter Tauber
Die Motive der drei, sich von Hitler abzuwenden, sind sicher vielfältig. Kahr zum Beispiel hadert mit dieser Art Hitlers. Das entspricht nicht seinem Selbstbild, seinem Habitus. Er ist eben Monarchist. Die Art, wie die Nationalsozialisten auftreten, selbst wenn er viele Ziele teilt, das ist nicht seins. Lossow und Seißer merken natürlich auch, wie aussichtslos dieser Putsch ist, sodass sicherlich auch eine realistische Lageeinschätzung eine Rolle spielte. Gleichwohl ist es auch da so, dass man beide nicht als überzeugte Anhänger Hitlers beschreiben kann. Es gibt im Vorfeld einen engen Austausch. Sie nutzen sicher Hitler auch für Ihre eigenen politischen Ziele oder glauben, ihn instrumentalisieren zu können. Das ist ja ein Phänomen, dass immer wieder Menschen geglaubt haben, man könne Hitler instrumentalisieren. Das hat ja nie funktioniert. Und sie merken eben am Ende auch, dass es ihnen auch nicht gelingt. Sicher auch ein Grund, warum sie sich abwenden und ob am Ende nicht auch der Grund die eigene Haut zu retten, eine Rolle gespielt haben. Ganz so abwegig ist der Gedanke nicht.
Ilka Müller 
In seinem Buch nennt Peter Tauber Beispiele dafür, wie hilflos und unkoordiniert verschiedene Maßnahmen der Putschisten in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1923 wirken. So habe unter anderem ein Stoßtrupp die Redaktion der sozialdemokratischen Tageszeitung Münchner Post verwüstet.
Sprecher 
Wer ihnen den Befehl dazu gegeben hatte, blieb unklar. Denn schließlich stoppte sie ein Bote Hitlers, der erbost über die Aktion gewesen sein soll. An anderer Stelle in München wurde der Direktor des Hotels Vier Jahreszeiten Zeuge, wie die SASturmabteilung vorübergehend die dort residierenden Offiziere der Entente, also aus Frankreich, Großbritannien und Russland, festnahm. Kurze Zeit später wurden sie wieder auf freien Fuß gesetzt. Auf der Suche nach weiteren Gegnern verhaftete ein Zugführer im Bund Oberland unter Zuhilfenahme des Telefonbuch wahllos jüdische Bürger, um die Zahl der Geiseln zu erhöhen. Darunter waren auch Weltkriegs Kämpfer, die nach dem Vorzeigen ihrer Kriegs Auszeichnungen mit einer Entschuldigung wieder freigelassen wurden. Auch um Löhnung und Verpflegung hatte man sich nicht gekümmert. In zwei Druckereien stahlen die Putschisten gedrucktes Geld, um sich selbst ihren Sold auszuzahlen. Das Essen musste teilweise in Restaurants bestellt werden.
Ilka Müller 
Während die Reichswehr ihre Kasernen sichert, werden die übrigen öffentlichen Gebäude durch die Landespolizei besetzt. Auch das Generalstaatskommissariat, das Post- und Telegrafenamt sowie der Hauptbahnhof befinden sich in den Händen der Landespolizei. Allerorten müssen die Rechtsextremisten unverrichteter Dinge wieder abrücken. Einen Konflikt mit der Polizei will man lieber nicht riskieren. Viele Putschisten marschieren mehr oder weniger ziellos durch die Stadt. Peter Tauber schreibt.
Sprecher
Die mangelhafte Vorbereitung auf Seiten Hitlers, das Fehlen einer detaillierten Vorbereitung inklusive alternativer Handlungsoptionen, eine nicht existente Führung sowie der auch die spätere NSNationalsozialismus Herrschaft kennzeichnende Wirrwarr an Kompetenzen und die Überschneidung von Zuständigkeiten verhinderten ein einheitliches und schnelles Vorgehen, das unter Umständen die anfänglich unklare Situation zugunsten der Putschisten hätte wenden können. Doch aufgrund der zu geringen Kräfte und des schlechten Ausbildungsstand waren die Männer des Kampf Bundes kein ebenbürtiger Gegner für Landespolizei und Reichswehr. Und ob sie wirklich bereit waren, den Kampf aufzunehmen, darf angesichts der wenigen Beispiele, bei denen es zur Konfrontation kam, bezweifelt werden.
Peter Tauber
Die Regierung in Berlin erfährt unmittelbar in der Nacht von dem Putsch. Man kommt auch zu einer entsprechend Krisensitzung zusammen, deswegen ist relativ schnell klar, dass der Putsch scheitern wird. Man versichert sich dann natürlich der Loyalität der Reichswehr und es wird sehr schnell klar, dass die Reichswehr auch in Bayern außerhalb Münchens sich nicht an die Seite der Putschisten stellen wird, so dass man vielleicht noch nicht direkt von Entwarnung sprechen kann. Aber die Chancen, den Putsch erfolgreich niederzuschlagen, das wird recht schnell klar..
Ilka Müller 
Der Reichswehr gelingt es sämtliche Münchner Kasernen zu sichern. Das Wehrkreiskommando aber wird nach wie vor von den Putschisten besetzt gehalten. Darum schlägt die Reichswehr Führung ihr neues Hauptquartier in der Nachrichten Baracke der Infanterie Kaserne auf. Im Polizeipräsidium wiederum ist die Lage zunächst unklar. In den Reihen der Landespolizei gibt es zahlreiche Sympathisanten Hitlers und sogar NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Mitglieder. Der Leiter des Sicherheitsdienstes der örtlichen Kriminalpolizei ist Wilhelm Frick. Er wird später unter den Nazis noch Karriere machen und bis zum Reichsminister des Innern aufsteigen. Frick ist an diesem Abend in die Putschpläne eingeweiht und soll sicherstellen, dass die Landespolizei den Putsch unterstützt. Als die ersten Meldungen über die Vorgänge im Bürgerbräukeller eintreffen, wird unter anderem der Polizei Major Siegmund Freiherr von Imhoff misstrauisch. Sein Misstrauen wächst, als Frick abgewiegelt und sich weigert, einen Alarm auszurufen. Daraufhin beschließt von Imhoff, auf eigene Verantwortung zu handeln. Er alarmiert die Landespolizei. Diese rückt daraufhin aus und besetzt den Hauptbahnhof, das Telegrafenamt sowie die Hauptpost. In Peter Taubers Buch heißt es.
Sprecher
Die meisten Regierungsgebäude und militärischen Dienststellen sowie die Verkehrs- und Kommunikationszentren waren fest in der Hand der dem Reich und der bayerischen Regierung loyalen Kräfte. Die Putschisten hielten mit ihren Anhängern den Bürgerbräukeller. Das Wehrkreiskommando und das Stadtviertel rechts der Isar.

00:40:44:06 - 00:41:00:20
Sprecher 3
Am Morgen des 9. November vermeldet die nationalsozialistische Tageszeitung Völkischer Beobachter, in München habe eine deutsche Nationalregierung die Macht übernommen. Der Autor eines Kommentars jubelt unter der Überschrift „Der Sieg des Hakenkreuzes“
Sprecher
Die völkische Revolution ist auf siegreichen Vormarsch. Deutschland erwacht aus seinem wüsten Fiebertraum und eine neue große Zeit bricht in strahlendem Glanze durch die Wolken. Die Nacht lichtet sich, es wird Tag und stolz erhebt sich wieder das Symbol deutscher Macht und Größe der Adler.
Ilka Müller 
Die tatsächliche Lage vor Ort sieht anders aus, weiß Peter Tauber.
Sprecher
Rund um das Wehrkreiskommando hatte sich seit dem Morgen eine neugierige Menschenmenge angesammelt. Dann rückten die General von Danner unterstellten Reichswehr Truppen an, die Soldaten positionierten sich auf den Dächern und oberen Stockwerken der umliegenden Gebäude und ließen Minenwerfer sowie Maschinengewehre in Stellung bringen. Nach dem Aufbau dieser Drohkulisse wurde ein Waffenstillstand vereinbart.
Ilka Müller 
Ernst Röhm, der Leiter des Bundes Reichskriegsflagge, macht sich auf den Weg, um mit General von Danner zu verhandeln. Kaum hat er das Wehrkreiskommando verlassen, kommt es zum Ersten und einzigen bewaffneten Zusammenstoß zwischen den Putschisten und der Reichswehr. Aus dem Wehrkreiskommando heraus fallen Schüsse. Zwei Soldaten der Reichswehr werden verwundet. Die Militärs antworten mit Maschinengewehrfeuer. Zwei Putschisten kommen ums Leben. Dies führt dazu, dass sich zahlreiche Besatzer ergeben, als es der Reichswehr gelingt, einen Teil des Wehrkreiskommando zu besetzen, sitzen Putschisten und Regierungstruppen plötzlich im selben Gebäude. Peter Tauber schreibt:
Sprecher
Röhm verhandelte mit Danner. Doch der ließ sich auf keinerlei Diskussion ein und forderte Röhm stattdessen zur Kapitulation auf. Lossow, so ließ er Röhm wissen, wolle sein Hauptquartier wiederhaben. Der Hinweis Röms auf seine Befehle, die er von Ludendorff erhalten habe, machten keinen Eindruck auf Danner. Vielmehr drohte er, das Gebäude stürmen zu lassen, wenn Röhm nicht freiwillig aufgebe. Röhm machte sich daraufhin auf den Rückweg ins Wehrkreiskommando.
Peter Tauber
Es wird sehr schnell klar, dass die selbst gesteckten Ziele der Putschisten nicht erreicht werden. Die entsprechende Infrastruktur Münchens wird nicht besetzt, die Reichswehr, die Polizei treten nicht eindeutig an die Seite Hitlers. Hitler merkt das und verfällt in eine auch später für ihn fast typische Apathie. Auf der einen Seite ein Fatalismus, auf der anderen Seite. Und es ist dann Ludendorff, der die Idee äußert, jetzt müsse man zur Tat schreiten, nicht mehr die militärische Entscheidung suchen, sondern mit einer politischen Demonstration die bewaffneten Organe in Bayern an die eigene Seite zwingen. Das Kalkül ist eben Wenn die Putschisten durch München marschieren, die Menschen in München Begeisterung äußern, sich an die Seite der Putschisten hinter Hitler und Ludendorff stellen, dann können Reichswehr und Polizei gar nicht anders, als sich doch noch den Putschisten anzuschließen. 
Ilka Müller 
Bei dem Marsch durch die Innenstadt stehen Hitler und Ludendorff 2000 Mann zur Verfügung. Beide hoffen darauf, dass die öffentliche Zustimmung aus dem Volk, Polizei und Reichswehr doch noch dazu bewegen werden, auf die Seite der Putschisten zu wechseln. Gegen den Weltkriegs Helden Ludendorff, so glauben sie, würden Soldaten und Polizisten zudem niemals die Waffen richten. In Peter Taubers Buch heißt es.
Sprecher
Eine politische Demonstration sollte anstelle einer militärischen Aktion die Entscheidung bringen. Zwar wurde deshalb angeblich befohlen, die Waffen zu entladen, aber wie die weiteren Ereignisse zeigen sollten, wurde dieser Befehl nicht ausreichend kommuniziert oder schlichtweg ignoriert. Nach einer Nacht ohne Schlaf und Verpflegung sowie mit einer schwindend geringen Aussicht auf Erfolg litt auch die Disziplin der Männer. In der SASturmabteilung, dem Stoßtrupp Hitler, dem Bund Oberland und dem Bund Reichskriegsflagge waren eben keine disziplinierten und gut ausgebildeten Soldaten, sondern Abenteurer, Demagogen, Freibeuter, Söldner, engstirnige Antisemiten, Opportunisten und Überzeugungstäter sowie Mitläufer versammelt. Als die Reihen einigermaßen fest geschlossen waren, setzte sich der Zug mit dem Sturm Lied Deutschland erwache auf den Lippen in Bewegung.
Ilka Müller 
Der Marschkolonne schlägt Jubel aus der Bevölkerung entgegen. Der Verkehr kommt zum Erliegen. Es strömen immer mehr Neugierige zusammen. Sobald Hitler und Ludendorff erkannt werden, sind Heil Rufe zu hören. Manche der Schaulustigen schließen sich dem Marsch der Putschisten an, das Ziel der Kolonne bleibt unklar. Der Weg führt fast zwangsläufig Richtung Wehrkreiskommando. Dieses wird teilweise immer noch von Erich Röhm und seinem Bund Reichskriegsflagge besetzt gehalten. Eine Konfrontation der Marschierenden mit Polizei und Reichswehr scheint unausweichlich. Doch die Stimmung und die Anwesenheit der vielen Menschen bestärkt die Putschisten in ihrer Annahme, dass Polizei und Reichswehr nicht schießen werden. Sie sind fest entschlossen, die Postenkette der Polizei zu sprengen. Hitler, Ludendorff und die anderen Putschisten in der ersten Reihe haken sich unter. Mit dieser Taktik ist es ihnen schon des Öfteren gelungen, bei Saal Schlachten und Demonstrationen gegnerische Reihen zu durchbrechen. Als sich die Marschkolonne dem Odeonsplatz nähert, ist die Landespolizei längst alarmiert. Ausgerüstet mit Stahlhelm und Gewehren haben die Polizisten den Platz abgeriegelt. Inzwischen ist Befehl erteilt worden, den Zug der Putschisten unter allen Umständen zu stoppen. Als Hitler und seine Getreuen sich weigern anzuhalten, kommt es zum Handgemenge. Michel Freiherr von Godin, Oberleutnant der Landespolizei, wird sich später erinnern.
Sprecher
Einzelne meiner Leute wurden angepackt und ihnen die entsichert, die Pistole auf die Brust gesetzt. Meine Leute arbeiteten mit Kolben und Gummiknüppeln. Ich persönlich hatte zu meiner Verteidigung, um nicht frühzeitig von meiner Pistole Gebrauch machen zu müssen, einen Karabiner genommen, parierte damit zwei mir vorgehaltene Bajonette und rannte die Betreffenden mit quer vorgehaltenem Karabiner über den Haufen.
Ilka Müller 
Peter Tauber schreibt.
Sprecher
Aus den Reihen der Putschisten rief Es nicht schießen, hier kommt Ludendorff! Noch immer hoffte man, dass die Autorität des Weltkriegshelden die Staatsmacht dazu bewegen würde, zurückzuweichen. Doch dann fiel ein Schuss. Ein Polizist sang tot zu Boden. Unmittelbar danach setzte Gewehrfeuer ein. Es entwickelte sich ein kurzer, aber heftiger Feuerkampf.
Ilka Müller 
Der 17-jährige Heinz Haushofer steht am Morgen des 9. November 1923 am Straßenrand.
Heinz Haushofer 
Da spiegelte sich alles, kann ich sagen, nur innerhalb von Sekunden oder Tagen mit wenigen Wortwechsel ab. Das ging alles derartig rasend schnell, aber jedenfalls dieser erste Schuss fiel. Und daraufhin feuerte dieser Kordon der Landespolizei, der also zwischen der Feldherrnhalle und der Residenz ausgespannt war, mitten hinein in die Marschierenden, die noch Marschierenden, die man auch gar nicht aufhalten konnte. Man muss sich vorstellen, diese Straße ist ja sehr schmal und von hinten drängten Tausende nach. Also selbst wenn jemand einen Stopp Kommandiert hätte, das wäre gar nicht möglich gewesen. Die hätten weitergehen. Und auf der anderen Seite, nach dieser ersten Salve war ja nun klar, dass es Widerstand geben würde. Die ersten Gefallenen und Verwundeten lagen auf der Straße herum. Es war ein neblig trübes Wetter, und ich sah, wie die großen Blutlachen sich auf dem nassen Asphalt ausbreiteten.
Peter Tauber 
Die Putschisten können sich zunächst nicht vorstellen, dass die Polizei auf sie schießen wird. Und dann kommt es eben zu einem sehr kurzen, aber heftigen Schusswechsel vor der Feldherrnhalle. Viele Putschisten kommen zu Tode, auch einige bayerische Polizisten sterben. Hitler wird verwundet. Der Mann neben ihm fällt tödlich getroffen, reißt Hitler mit. Und Hitler, dadurch vielleicht auch gerettet, renkt sich aber dem Armen aus. Das ist die Verwundung, wenn man so will, der davonträgt und flieht. Das ist der erste Anlass für Legenden in den Legenden der Nationalsozialisten. In den frühen ist Hitler also jemand, der selbst aufopfern noch ein Kind rettet in einen Sanitäts Fahrzeug zieht.
Ilka Müller 
Auch Albert Lercher wird Augenzeuge des Geschehens.
Sprecher 
Ich war mit zwei Schülern auch am Max Joseph Platz. Sie kamen in wilder Flucht zurück. Sie rissen teilweise ihre Hakenkreuzbinden runter und warfen ihre Karabiner weg. Als sie später dann diesen schaurig bombastischen Aufmarsch der Helden Ehrung für diese 14 Gefallenen sah, musste ich immer an diese Situation denken, die gar nicht heldenhaft war. Sie sind also in wilder Flucht davongelaufen?

Ilka Müller 
Noch einmal der damals 17-jährige Heinz Haushofer.
Heinz Haushofer 
Ich war der Sohn eines Offiziers, und mir war es im Grunde rätselhaft, wie man sozusagen einen solchen Aufmarsch gegen bewaffneten Widerstand in einer so schmalen Straße ohne irgendwelche Sicherung irgendwelcher Art einfach dagegen anrennen lassen konnte. Das musste ja zu einem Debakel führen, wenn es nicht politisch entsprechend vorbereitet war. Und das war es ja auch nicht. Es war ja im Stile Hitlers eine Demonstration gewesen und der Demonstration gedacht und nicht als eine politisch militärische Handlung in dem Sinne.

00:50:34:12 - 00:50:44:12
Sprecher 5
Das heißt also, ich bin also nach Hause gegangen mit einem Gefühl der Kritik an Hitler, dass ich auch damals nicht mehr los wurde.
Ilka Müller 
Kurze Zeit später beenden , Ernst Röhm und seine Mitstreiter vom Bund  Reichskriegsflagge auf Ludendorffs Rat hin, die Besetzung des Wehrkreiskommandos. Als die Landespolizei am Nachmittag am Bürgerbräukeller eintrifft, findet sie diesen so gut wie verlassen vor. Die wenigen Nationalsozialisten, die hier ausgeharrt haben, werden verhaftet, Waffen und Munition beschlagnahmt. Überall in der Münchner Innenstadt werden jetzt Putschisten in Gewahrsam genommen. Am Tag danach vermeldet die Regierung Oberbayerns:
Sprecher
Der Hitler Putsch ist dank dem staatstreuen, nachdrücklichen und Opfer mutigen Vorgehen der Landespolizei und der bayerischen Reichswehr erledigt. Die ungeheure Erregung, die das Ereignis im ganzen Volk hervorgerufen hat, dauert noch an.
Ilka Müller 
Der württembergische Gesandte Carl Moser von Fielseck ergänzt:
Sprecher
Die Psychose, welche die ganze Bevölkerung ergriffen hat, musste sich am Samstag und gestern noch gründlich austoben. Es ging in der Stadt ziemlich wild zu und an die Polizei und ihre Geduld wurden große Anforderungen gestellt. Immerhin konnten ernstere Zusammenstöße vermieden werden.
Ilka Müller 
Nach dem Scheitern des Putschversuchs flüchtet Adolf Hitler von München aus nach Uffing am Staffelsee. Dort versteckt er sich im Landhaus eines Freundes. Am 11. November wird Hitler ausfindig gemacht und verhaftet. In der Landeshauptstadt hat sich die Situation inzwischen beruhigt. Die Polizei ist in der Lage, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die zuvor nach München befohlenen Truppen der Reichswehr kehren in ihre Heimat Standorte zurück. Peter Tauber schreibt:
Sprecher 
Am 26. Februar 1924 begann der Prozess gegen die Putschisten, der aus Platzgründen in einem Speisesaal der inzwischen geschlossenen Infanterie Schule stattfinden sollte. Schon die Wahl des Gerichtsstandes war ein Politikum. Die bayerische Regierung hatte durchgesetzt, dass der Prozess nicht vor dem Reichsgericht in Leipzig, sondern in München stattfand. Hitler saß auf der Anklagebank. Kahr, Lossow und Seißer machten als Zeugen vor Gericht zudem keine gute Figur. Der Vorsitzende Richter Georg Neidhart erwies sich als unfähig, sympathisierte mehr oder weniger offen mit Hitler und gab ihm die Bühne, die er für seine stundenlangen Ausführungen forderte. So trug der Prozess mehr zur Steigerung von Hitlers Bekanntheit bei als der Putsch selbst. Alexander Graf zu Dohna, ein bekannter zeitgenössischer Strafrechtsprofessor, kommentierte später das Urteil. Das ist nicht mehr Justiz, das ist Willkür.
Peter Tauber
Der Prozess spielt in der weiteren Selbststilisierung, in der Propaganda der Nationalsozialisten eine ganz wesentliche Rolle. Hitler nutzt die Bühne, die der Richter, die die Justiz ihm bietet, für seine Agitation gegen die Republik gegen die Novemberverbrecher sowie diejenigen, die den Friedensvertrag am Ende unterschrieben haben, immer wieder aus rechtsextremen Kreisen tituliert werden. Auch für antisemitische Tiraden. Und der Richter lässt ihn gewähren. Hitler wird dann zu einer sehr milden Strafe verurteilt.
Ilka Müller 
Das Urteil gegen Adolf Hitler lautet fünf Jahre Festungshaft wegen Hochverrat. Gleichzeitig wird ihm nach sechs Monaten Haft Bewährung zugesichert. Im Anschluss an die Urteilsverkündung zeigen sich Hitler und Ludendorff am Fenster des Gerichtsgebäudes. Die davor versammelte Menschenmenge bereitet ihnen begeisterte Ovationen für Ludendorff, der mit einem Freispruch davongekommen ist. Wegen angeblich guter Führung Hitlers wird er am 20 Dezember 1924 aus der Haft in Landsberg am Lech entlassen. Während seines Aufenthaltes in der Gefangenen Anstalt hat er das Buch Mein Kampf geschrieben. In der politisch ideologischen Programmschrift erläutert Hitler seinen Werdegang zum Politiker sowie die eigene Weltanschauung. Auch hat er während der Haftzeit genau verfolgt, wie sich die völkische Bewegung weiter entwickelt hat.
Peter Tauber
Und ist es in der Tat so? Ohne Hitler zerfällt die NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, die auch verboten ist. Aber alle Menschen, die sich in ihr versammelt haben, die sich versuchen neu zu organisieren, die schaffen das nicht. Sie brauchen Hitler. Und Hitler sieht es sehr genau, hält sich deswegen auch zurück. Und als er dann aus dem Gefängnis kommt, nutzt er eben nicht nur den gescheiterten Putsch, sondern vor allem die Zeit danach, den Prozess, dass was dort zutage getreten ist, sein Buch „Mein Kampf“ um seine Partei, wenn man so will, die NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei wieder aufzubauen.
Ilka Müller 
Peter Tauber schreibt:
Sprecher
Zunächst sah es so aus, als ob Hitler und die NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei in Zukunft keine politische Rolle mehr spielen würden. Die Partei war verboten worden, ihr Vermögen eingezogen und der Völkische Beobachter musste sein Erscheinen vorübergehend einstellen. Überlegungen, Hitler nach Österreich abzuschieben, da er keine deutsche Staatsbürgerschaft besaß, waren jedoch verworfen worden. Nach einiger Zeit fiel dann auch das Parteiverbot und im Februar 1925 erfolgte die Neugründung der NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Hitler wurde ihr unumstrittener Chef, konnte aber seine Agitation gegen die Republik erst 1927, nach dem Ende seines Redeverbots, wieder mit voller Kraft aufnehmen.

Ilka Müller 
Wohin dies letztlich führt, ist bekannt. Am 30. Januar 1933 kommen die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler tatsächlich an die Macht. Nur neun Monate später wird der neue Reichskanzler im Münchner Bürgerbräukeller an den gescheiterten Putschversuch von damals erinnern und dabei unter anderem kräftig auf diejenigen schimpfen, die angeblich schuld waren an der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg.
Orginalausschnitt
So sind wir denn auch im November 23 marschiert, erfüllt von dem Glaube es könnte Gelingen, die Schande des Novembers zu beseitigen. Die Männer zu vernichten die Schuld waren an diesem ganzen Namenlosen Unglück unseres Volkes. Das Schicksal hat damals anders entschieden. Es sollte nicht gelingen, die Zeit war noch nicht reif dazu.
Ilka Müller 
Nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen sind, wird die Münchner Feldherrnhalle zu einem besonderen Ort der Parteipropaganda. An der östlichen Seite des Gebäudes wird eine Gedenktafel angebracht. Jeder, der an der Tafel vorbeikommt, ist verpflichtet, diese mit dem Hitlergruß zu ehren. Zusätzlich werden am Königsplatz zwei sogenannte Ehren Tempel für die getöteten Putschisten von damals errichtet. Das Wichtigste aus Sicht der Nationalsozialisten ist jedoch ein Gedenkmarsch der alljährlich am 9. November an das Geschehen von 1923 erinnert.
Peter Tauber
Die Frage Was wäre passiert, wenn Hitler es geschafft hätte, in München die Macht an sich zu reißen? Wie weit wäre er gekommen? Die ist natürlich spekulativ. Aber die Vorstellung, dass er 23 Erfolgreich, die Macht im Reich an sich gerissen hätte, das halte ich für abwegig. Dazu gab es zu viele und zu starke Kräfte, gerade auch in der Reichswehr, die sich sehr früh klar positioniert haben. Und im Zweifel wäre es dann eben auch zu einem wirklichen Bürgerkrieg gekommen. Aber dazu waren die Kräfte der Nazis zu dieser Zeit zu schwach, um diesen Konflikt erfolgreich zu bestehen. Es war ein Putsch, der militärisch von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Die einzige Chance wäre gewesen, dass durch die Tat die politische Ordnung so erschüttert wird, dass die Republik daran zerbricht. Aber da waren die demokratischen Strukturen zu stark. Das wäre aus meiner Sicht nicht gelungen.
Ilka Müller 
Ab 1940 finden die jährlichen Gedenk Feierlichkeiten der Nationalsozialisten nur noch in Form einer Rede Hitlers im Bürgerbräukeller statt. Zu groß ist die Angst vor alliierten Luftangriffen. Am 8. November 1942 prophezeit Hitler dort den deutschen Sieg in Stalingrad. Ein Jahr später stellt er den kompletten Wiederaufbau der zerbombten deutschen Städte innerhalb von zwei Jahren nach dem vermeintlichen Endsieg in Aussicht.
Nach der Kapitulation Hitlerdeutschlands im Mai 1945 dient der Bürgerbräukeller zunächst der USUnited States Army als Kantine. 1958 wird er als Groß-Gaststätte und Veranstaltungsort wiedereröffnet. 1979 schließlich abgerissen. Und trotz aller negativen Assoziationen, die viele Menschen heutzutage mit dem Hitler Putsch im Besonderen und dem Krisenjahr 1923 im Allgemeinen verbinden, Peter Tauber findet, dass es 1923 und in den Jahren danach durchaus auch Veränderungen im positiven Sinne gab, die den Menschen in Deutschland seinerzeit Hoffnung gemacht haben dürften.
Peter Tauber 
Die Weimarer Republik nutzt das Jahr 23 auch in der Entwicklung des Sozialstaats. Es gibt zum Ersten Mal so etwas wie ein Mieterschutz Gesetz. Es gibt ein Gesetz, dass Schwerbehinderte in den Arbeitsmarkt integrieren soll und das sind positive Entwicklungen, zumindest aus unserer Perspektive heute. Daneben das Gelingen beim Bau großer Infrastrukturprojekte und natürlich auch das individuelle Glück von Menschen, die trotz dieser Krisen geliebt, geheiratet, gelebt, Kinder bekommen haben und versucht haben, sich in dieser Zeit zu orientieren und ein gutes, ein zufriedenes oder glückliches Leben zu führen. Und ich glaube, das ist eine Geschichte so spannend, dass wir uns diese Gleichzeitigkeit von Not und Elend, von Glück, auch individuellem Glück, dass wir uns das immer wieder bewusst machen müssen und dass wir nicht alleine nur auf die Daten und die großen Personen schauen sollten, sondern auch an die normalen Menschen denken.
Ilka Müller 
Sie hörten „Der Hitler Putsch 1923“, eine Produktion im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Autor Peter Tauber, Hörfassung Christian Blees, es sprachen Ilka Müller, Markus Hofmann, Thomas Holländer und Christian Sänger, Regie: Christian Bless, Aufnahme: Christian Ulrich, Schnitt und Mischung: Ernst Bergner, Verwendung der Zeitzeugen Original Töne mit freundlicher Genehmigung durch Christina von Braun.

von ZMSBw Onlineredaktion

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