Denkmäler für den Widerstand- Transkript

Denkmäler für den Widerstand- Transkript

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Wenn in der Bundeswehr von Tradition gesprochen wird, kommt die Rede fast immer gleich auf die Kasernennamen. Die sind ja auch so schön greifbar und angreifbar.

Aber natürlich gibt es auch andere Formen von Tradition – Zeremonielle etwa wie der Große Zapfenstreich oder die feierliche Vereidigung von Soldatinnen und Soldaten. Oder eben die Denkmäler. Mit denen hat sich Generalmajor Josef Blotz, zuletzt stellvertretender Kommandierender General des Eurokorps in Straßburg, in seiner Dissertation auseinandergesetzt. 

Das ist vielleicht eine eigene Erwähnung wert: andere Generale und Admirale gehen als Berater in die Rüstungsindustrie, kommentieren in den Medien den Krieg in der Ukraine oder engagieren sich in wohltätigen Vereinigungen. Dass jemand sich an seinen Studienabschluss in Pädagogik erinnert und ihn zu einer Promotion ausbaut, das ist schon selten – und vielleicht auch keine schlechte Sache. Da kann man General Blotz zu seinem Doktortitel nur beglückwünschen.

Was also ist ein Denkmal? Blotz ist hier sehr gründlich, das wollen wir gar nicht alles wiederholen. Sagen wir einfach: ein Denkmal ist etwas, das Menschen gezielt setzen, um an etwas zu erinnern. Anders als etwa bei einem Baudenkmal ist hier die Erinnerung und Würdigung das Ziel – wer es wahrnimmt, soll mal an etwas denken. 

Ebenso grenzt Blotz sauber ab, was ein Denkmal für den Widerstand ist. Was genau unter dem Widerstandsbegriff zu verstehen war, hat sich im Verlauf der Jahrzehnte mehrmals gewandelt. In den frühen 1950er Jahren galten alle, die sich gegen das NSNationalsozialismus-Regime und dessen Krieg gestellt hatten, zumeist als Verräter. Dann besann sich die bundesdeutsche Gesellschaft langsam: den nationalkonservativen Widerstand um Claus Graf Stauffenberg und Carl Goerdeler, aber auch den Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke und den christlichen Widerstand entdeckte man ganz langsam für sich. Aber kommunistischer oder sozialistischer Widerstand? Den überließ man dann doch lieber der DDRDeutsche Demokratische Republik, die ihrerseits für die Opposition der „Junker“, wie man es dort nannte, wenig übrig hatte. 

Blotz hat deshalb eine methodische Entscheidung getroffen, die nachvollziehbar ist, aber zusätzlichen Forschungsbedarf aufzeigt. Er behandelt in seinem Buch ausschließlich Widerstandsdenkmäler in der Bundesrepublik – also im Westdeutschland von vor 1990 und dann auch im gesamten heutigen Bundesgebiet ab 1990. Eine vergleichbare Untersuchung für die Denkmalspraxis der DDRDeutsche Demokratische Republik wäre des Schweißes der Edlen wert. 

Aber auch in Westdeutschland begann nach der Wende eine neue Phase des Umgangs mit dem Widerstand im Dritten Reich. Im Kalten Krieg hatte man den kommunistischen Widerstand weitgehend dem Systemgegner DDRDeutsche Demokratische Republik überlassen; dieser Mechanismus fiel nun weg. Auch im früheren Westen begannen Initiativen von unten, Geschichtswerkstätten und Initiativen nun, nach dem Widerstand der Arbeiter, des kleinen Mannes, der Schülerinnen und Schüler zu fragen. Wo solche Frage aufkamen, da kam es irgendwann auch zu Denkmalsetzungen. 

Was also ist ein Denkmal? Die Bronzestatue im Innenhof des Bendlerblocks in Berlin kennen sicher viele. In ihrem Material und ihrer Formensprache unterscheidet sie sich kaum von dem, was im Dritten Reich gängig war. Kein Wunder, hatte ihr Schöpfer, der Bildhauer Richard Scheibe, doch schon vor 1945 so erfolgreich öffentlich ausgestellte Werke geschaffen, dass ihn Hitler auf die sogenannte „Gottbegnadetenliste“ hatte setzen lassen – die Liste jener Künstler, die den Krieg unbedingt überleben sollten. 

Scheibes monumentale Statue ist also das eine; zu ihr passt auch die Gedenktafel an der Wand, auf der die fünf Offiziere namentlich aufgeführt sind, die in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli ihre Beteiligung am Umsturz mit dem Leben bezahlt haben. Am anderen Ende stehen dann schlichte Kunststofftafeln, die über ein historisches Geschehen informieren, vielleicht mit einem eingeätzten Bild. Hier zeigt sich dann, dass die Grenze zwischen dem künstlerisch gestalteten Denkmal und schlichterer Informationsvermittlung fließend sind. 

Das Buch von Josef Blotz geht vom allgemeinen zum besonderen – eine sinnvolle Struktur. Nach der Definition dessen, was er unter den Begriffen „Widerstand“ und „Denkmal“ versteht, behandelt es die Erinnerungslandschaft im Überblick – das heißt, Denkmäler für alle Formen von Widerstand. Hier geht es auch um den Widerstand von Frauen oder etwa um den Widerstand speziell von Christen. In einem Exkurs behandelt Blotz auch die Denkmäler in der DDRDeutsche Demokratische Republik

Der dritte Teil dann befasst sich spezifisch mit jener Form von Widerstand, der klar die meisten Denkmäler gesetzt worden sind: dem Staatsstreich und Attentat vom 20. Juli 1944. Blotz unterscheidet zwischen „Persönlichkeitsdenkmälern“ einerseits, also der Würdigung einzelner am Widerstand beteiligter Personen, und „Ereignisdenkmälern“ andererseits. Diese stehen häufig am historischen Ort und erinnern an etwas, das sich an diesem Ort abgespielt hat – etwa die Ermordung von Menschen, die sich gegen das Regime aufgelehnt hatten. Bestes Beispiel hierfür sind die schon beschriebene Bronzestatue und Gedenktafel im Bendlerblock. Im Rahmen der Bundeswehr sind Persönlichkeitsdenkmäler“ vor allem die in Kasernen aufgestellten Büsten oder Statuen von Namensgebern der jeweiligen Kaserne, so etwa Henning von Tresckow in der Unterkunft des Einsatzführungskommandos. 

Ein Sonderfall, aber lohnend zu lesen, sind die von Blotz so genannten „ephemeren Denkmäler“. Worum geht es? Es gab und gibt wohl wirklich Denkmäler, die mit dem Ziel geschaffen worden sind, nach einer gewissen Zeit spurlos wieder zu verschwinden. Das gilt etwa für die Gipsbüsten von drei Widerständlern, die für die Expo 2000 in Hannover geschaffen wurden. Oder aber Denkmäler, die nur zu bestimmten Zeiten sichtbar werden, wie die Büste des katholischen Politikers Eugen Bolz in der Kirche, in der er getauft wurde, und die nur am Jahrestag seines Todes aufgestellt wird. Ist es ein Widerspruch, wenn ein Denkmal dauerhaft erinnern soll, aber selbst vergänglich ist?

Damit sind nicht jene Denkmäler gemeint, die irgendwann errichtet, dann aber von unbefugter Hand zerstört, gestohlen oder sonstwie vernichtet wurden. Denen hat Blotz noch einmal einen eigenen Abschnitt gewidmet. Nach seiner Zählung gilt das für 62 Denkmäler, wobei einige sogar mehrfach Opfer solcher Straftaten wurden. Vier davon sind Denkmäler für den Generalfeldmarschall Erwin Rommel, einen der bekanntesten Militärführer des Zweiten Weltkrieges, der sich am Ende gegen Hitler wandte, von diesem eine Beendigung des Krieges forderte und dafür zum Selbstmord gezwungen wurde – eine Widerstandshandlung, die bis heute umstritten ist. Dieser Streit um den Widerstand macht dann eben auch vor solchen Denkmälern nicht Halt.

Blotz diagnostiziert ein Anwachsen der Denkmalsetzungen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. War man in den 1950er Jahren noch zurückhaltend, so nahm die Zahl der errichteten Denkmäler dann kontinuierlich zu. Aber Blotz sieht dabei auch, dass sich die Art der Denkmäler im Laufe der Zeit ändert: An die Stelle der monumentalen Bronzestatue treten andere, modernere Materialien wie Edelstahl oder Plexiglas, an die Stelle der bildlichen Darstellung treten Texte, und insgesamt verlagert sich der inhaltliche Schwerpunkt von Ehrung zu Belehrung. Ein Sonderfall ist das, was auch das Cover ziert: ein Stolperstein für Claus Graf Stauffenberg vor dem Haus, in dem er und seine Familie seit 1933 wohnten. Stolpersteine aus Messing, eingelassen in den Boden der Straße – das hätte man sich 1953 unmöglich als Denkmal vorstellen können.

Es kann nicht überraschen, dass sich die meisten Denkmäler in Berlin und München finden – Berlin als Reichshauptstadt war der Ort vieler Widerstandshandlungen, und München als „Stadt der Bewegung“ folgte dahinter – man denke an Georg Elser oder die „Weiße Rose“. Interessant aber vielleicht doch, dass es auch ein Nord-Süd-Gefälle gibt: von Berlin und München abgesehen sind in Süddeutschland deutlich mehr Widerstandsdenkmäler zu finden als im Norden der Republik – ohne dass Blotz hierfür eine Begründung liefern könnte. Mentalitätsfrage?

Einen eigenen Abschnitt widmet Blotz den Denkmälern im Bereich der Bundeswehr. Immerhin war die Bundeswehr in den 1950er und 1960er Jahren führend gewesen, als es darum ging, das Aufstehen gegen Hitler und den Krieg vom Geruch des Verrats zu befreien und als traditionswürdig wahrzunehmen. Kein Wunder also, dass auch im Bereich der entsprechenden Denkmäler die Bundeswehr einiges zu bieten hat – und eben nicht nur im Bereich der Kasernennamen. Das müssen nicht immer bildliche Darstellungen sein: In der Julius-Leber-Kaserne in Berlin erinnern drei Metalltafeln mit einem Text von Leber an den Namensgeber: „Für eine gute und gerechte Sache ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis – Julius Leber“. 

Gut tausend Denkmäler hat Blotz identifiziert – nicht alle behandelt er im Text, und nicht alle sind im Buch dargestellt, sonst läse sich das ja so spannend wie das Telefonbuch. Nein, der komplette Katalog der Denkmäler steht im Internet; der Link ist im Buch angegeben, und das ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr lädt auch zu Nachträgen, Ergänzungen und Korrekturen ein. Solchen hybriden Veröffentlichungsformen gehört wohl die Zukunft.

Wer soll das alles lesen? Natürlich, Historiker, auch Wissenschaftler aus dem Bereich Denkmalpflege. Aber wer sonst noch? Das Buch ist weniger eines über den Widerstand als darüber, wie die bundesdeutsche Gesellschaft über den Widerstand gedacht, sich an ihn erinnert hat. Es ist auch eine Geschichte des sich ändernden Geschmacks – eine Bronzestatue aufzustellen würde heute vielen als schwülstig erscheinen. 

Und wie so manche Bücher über Denkmäler: das Buch lehrt, genau hinzuschauen. Wo sehen wir in unserer täglichen Umgebung solche Orte der Erinnerung, kleine und große. Stolpern wir – wenn nicht im Wortsinne, dann aber doch im übertragenen – über die Stolpersteine in unseren Straßen? Schauen wir, wer dort gewohnt hat: ermordete jüdische Familien, vertriebene Künstler, oder vielleicht jemand, der wegen Widerstands gegen das NSNationalsozialismus-Regime ermordet worden ist? Wer ein Gespür für so etwas entwickeln will, auch dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen. 

von Winfried Heinemann

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