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Die "Schichttorte" in der Vorneverteidigung des Kalten Krieges

Die "Schichttorte" in der Vorneverteidigung des Kalten Krieges

Datum:
Lesedauer:
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Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stand im Zentrum der strategischen NATO-Überlegungen im Kalten Krieg. Es galt das Prinzip der Vorneverteidigung entlang der Grenze zwischen NATO und Warschauer Pakt. Die NATO ging in ihrem General Defence Plan (GDP) von einer deutlichen konventionellen Überlegenheit des Warschauer Paktes aus. Deswegen war es erforderlich, die Verteidigung so früh und so weit vorne wie möglich zu beginnen.

schematische Darstellung der Stationierung von Streitkräften der Bündnispartner entlang der innerdeutschen Grenze

Stationierung von Streitkräften der Bündnispartner entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze

Bundeswehr/Bernd Nogli 2023

1961 ordnete der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses und ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General Adolf Heusinger, die Bezeichnung „Vorwärtsverteidigung“ statt „Vorwärtsstrategie“ an. Damit sollte verdeutlicht werden, dass die NATO keine Angriffsoperationen plane. Im Jahr 1967 änderte der damalige Bundesverteidigungsminister Gerhard Schröder den Begriff in „Vorneverteidigung“.

Vorneverteidigung und „Flexible Response“

Die Entwicklung der Vorneverteidigung bis zu ihrer endgültigen Struktur vollzog sich seit 1952 in mehreren Schritten. Dabei rückte die Verteidigungslinie immer näher an die bundesdeutsche Ostgrenze heran. Dies entsprach der NATO-Strategie der „Flexible Response“ (Flexible Antwort). Seit Ende der 1960er Jahre stützte sie sich auf drei abgestufte Reaktionsformen. Die erste Stufe bildete die „Direkte Verteidigung“ mit konventionellen Streitkräften. Die zweite Stufe war die „Vorbedachte Eskalation“ mit dem gezielten Einsatz taktischer Nuklearwaffen. Die dritte Eskalationsstufe bildete schließlich die „Allgemeine nukleare Reaktion“. 

Die „Direkte Verteidigung“ sollte bei einem Angriff des Warschauer Paktes unmittelbar an der östlichen Grenze der Bundesrepublik Deutschland beginnen. Die operative Planung der Vorneverteidigung stellte besondere Herausforderungen. Zum einen war es die geringe Tiefe des bundesdeutschen Territoriums, zum anderen die konventionelle Überlegenheit des Gegners. Außerdem erforderte der Schritt zur nächsten Eskalationsstufe eine gemeinsame NATO-Entscheidung.  Dies würde Zeit beanspruchen und eventuell auch Raumverlust. Daher hatte gerade die Bundesrepublik ein besonderes Interesse an einer konventionellen Verstärkung der NATO. 

Seite an Seite - die „Schichttorte“

Wie in einer Schichttorte erhielten acht NATO-Korps von Norden nach Süden Gefechtsstreifen zugewiesen. Im Norden stand das Dänisch-deutsche Korps LANDJUT (Allied Land Forces Schleswig-Holstein and Jutland), mit bis zu 60.000 Soldaten in Schleswig-Holstein und Süd-Dänemark. Es war übrigens damals das einzige multinationale Korps innerhalb der NATO. Nach Süden hin folgten von der Elbe bis nach Nordhessen das I. Niederländische Korps, das I. Korps der Bundeswehr mit bis zu 115.000 Soldaten, das 1. Britische Korps sowie das I. Belgische Korps. Von Mittelhessen bis Südbayern lagen das III. Korps der Bundeswehr mit bis zu 70.000 Soldaten. Es schlossen sich an das V. und das VII. USUnited States-Korps sowie das II. Korps der Bundeswehr mit bis zu 90.000 Soldaten. Von Nachteil war der lange Anmarschweg des I. Belgischen und des I. Niederländischen Korps. Ihre Standorte lagen mehrere hundert Kilometer von ihren Gefechtsstreifen entfernt.

Die Durchmischung der alliierten Streitkräfte war ein klares Signal der Bündnissolidarität. Durch den Einsatz von USUnited States-Streitkräften sollte gleichzeitig der Abschreckungseffekt erhöht werden. Hinter den vorne eingesetzten Korps befanden sich weitere Truppen der USAUnited States of America und Kanadas als Reserve. Hinzu kamen die französischen Streitkräfte in Deutschland. Problematisch war jedoch der Austritt Frankreichs aus den militärischen NATO-Strukturen im Jahr 1966. Damit fehlte der Vorneverteidigung das Hinterland. Bis zum Wiedereintritt Frankreichs in die NATO 2009 standen seine Truppen unter nationalem Einsatzvorbehalt.

Die REFORGER-Manöver

Von zentraler Bedeutung war – auch durch den Austritt Frankreichs – die Zuführung zusätzlicher Reserven in laufende Operationen. Nur so ließ sich der geographische Vorteil der Warschauer-Pakt-Truppen ausgleichen. Aus diesem Grund führte die NATO ab 1969 die Manöver namens REFORGER (Return of Forces to Germany) ein. Ziel war die schnelle Verlegung amerikanischer Truppen nach Deutschland. Dabei wurde in Friedenszeiten schweres Material für die notwendigen USUnited States-Verteidigungskräfte in Deutschland eingelagert. Im Ernstfall konnte, so die Planung, das Personal schnell aus den USAUnited States of America eingeflogen werden. Dies übte die NATO regelmäßig in Großmanövern, auch in einer Kombination von mehreren Übungen.

Ein politisch heikler Punkt war jedoch der „richtige“ Zeitpunkt für die Zuführung von REFORGER-Kräften. Die politische Entscheidung dafür lag bei der jeweiligen USUnited States-Regierung. Sie musste im Krisenfall abwägen, ob eine frühzeitige Verlegung zu einer Eskalation führen könnte. Andererseits könnte eine spätere Entscheidung den Gegner in seiner Angriffsabsicht bestärken. Vor diesem Hintergrund behielt die nukleare Abschreckung in der Strategie der „Flexible Response“ besondere Bedeutung. 

Text und Karte zum Herunterladen: 

DOI: https://doi.org/10.48727/opus4-629

von Erwin Teichmann

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