Rainer Wohlfeil (1927–2024)
Rainer Wohlfeil (1927–2024)
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Wer sich mit den Konzepten, Problemen und Gegenständen von Militärgeschichte auseinandersetzt, kommt an Rainer Wohlfeil nicht vorbei. Im Alter von 96 Jahren ist der Frühneuzeithistoriker und ehemalige Leitende Historiker des Militärgeschichtlichen Forschungsamts am 14. April 2024 in Hamburg verstorben.
Rainer Wohlfeil war Mitarbeiter der ersten Stunde des 1957 gegründeten Militärgeschichtlichen Forschungsamts (MGFAMilitärgeschichtliches Forschungsamt), der Vorgängerinstitution des heutigen Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr). Er prägte die theoretischen Grundlagen des Faches Militärgeschichte in Deutschland entscheidend. Sein programmatischer Aufsatz „Wehr-, Kriegs- oder Militärgeschichte?“ gehörte zu den Eröffnungsbeiträgen der ersten Ausgabe der Fachzeitschrift „Militärgeschichtliche Mitteilungen“ (MGM) von 1967. Wohlfeil wies darin der Militärgeschichte ihren Platz in der allgemeinen Geschichtswissenschaft zu und begründete sie als Sozialgeschichte der bewaffneten Macht. Das Fundament dazu hatte bereits der erste Amtschef des MGFAMilitärgeschichtliches Forschungsamt, Oberst i.G.im Generalstabsdienst Hans Meier-Welcker, gelegt.
Dem ausgewiesenen Frühneuzeithistoriker war damit eine Definition gelungen, die im Wesentlichen heute noch gültig ist. Der ebenfalls kürzlich verstorbene Historiker Reiner Pommerin würdigte Wohlfeils Beitrag in einer Sonderausgabe der Militärgeschichtlichen Zeitschrift (früher MGM) 2017 als „Meilenstein“.
Mitarbeiter der ersten Stunde
Mit Rainer Wohlfeil ist einer der letzten Angehörigen des MGFAMilitärgeschichtliches Forschungsamt verstorben, der den Zweiten Weltkrieg noch als Zeitzeuge miterlebt hat. 1927 in Königsberg geboren, leistete Wohlfeil im letzten Kriegsjahr Arbeits- und Kriegsdienst. 1946 legte er sein Abitur ab und studierte von 1950 bis 1955 in Göttingen und Mainz Biologie, Philosophie, Rechtswissenschaften und Geschichte. 1955 wurde er mit einer Arbeit über „Die Pfalz in der Kriegsverfassung des Deutschen Bundes 1815–1866“ promoviert. Aus seiner Feder stammten die ersten Studien, die das MGFAMilitärgeschichtliches Forschungsamt für das Bundesministerium für (seit Ende 1961 der) Verteidigung und andere öffentliche Einrichtungen zu erstellen hatte. Als Mitarbeiter der damaligen Abteilung I, Allgemeine Wehrgeschichte, schrieb er zudem Kapitel für zwei frühe Bände der wissenschaftlichen Reihe „Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte“: „Rückzug und Verfolgung – zwei Kampfarten. 1757 bis 1944“ und „Untersuchungen zur Geschichte des Offizierkorps. Anciennität und Beförderung nach Leistung“. Während die erste Studie noch eine erkennbar applikatorische Zielsetzung verfolgte, war die zweite Studie und hier vor allem Wohlfeils Beitrag über Beförderungsgrundsätze schon stärker sozialgeschichtlich ausgerichtet. Diese Richtung schlug sich auch im „Handbuch zur deutschen Militärgeschichte 1648-1939“ nieder, dessen Konzeption maßgeblich aus der Feder des Leiters der Abteilung I, Gerhard Papke, stammt. Wohlfeil erarbeitete hier die Kapitel „Vom stehenden Heer des Absolutismus zur Allgemeinen Wehrpflicht (1789–1814)“ und „Reichswehr und Republik“.
Blieb dem Haus verbunden
Parallel zu seiner Tätigkeit im MGFAMilitärgeschichtliches Forschungsamt lehrte der bekennende Europäer an den Universitäten Freiburg und Mainz. 1964 habilitierte er sich in Mainz mit einer Studie über „Spanien und die Deutsche Erhebung 1808–1814“. Nach dem Weggang des ersten Leitenden Historikers Andreas Hillgruber (1968/69) übernahm Wohlfeil 1969 für wenige Monate dieses Amt, bevor er 1970 auf eine Professur für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Hamburg wechselte, die er bis 1990 innehatte. Hier machte er sich vor allem als Experte für Bauernkriegs- und Reformationsgeschichte einen Namen. Gleichzeitig hielt er Kontakt zum MGFAMilitärgeschichtliches Forschungsamt. Von 1970 bis 1989 war er Mitherausgeber der MGM/MGZ. Auch einem weiteren Publikationsprojekt blieb er treu: 1965 hatte er von Oberst i.G.im Generalstabsdienst Wolfgang von Groote, Meier-Welckers Nachfolger, den Auftrag bekommen, ein Forum zu schaffen, das militärgeschichtliche Forschung außerhalb des MGFAMilitärgeschichtliches Forschungsamt fördern sollte. Daraus entstand die Publikationsreihe „Militärgeschichtliche Studien“. Als Mitherausgeber betreute Wohlfeil diese Reihe, in der vor allem Dissertationen erschienen, bis Ende der 1980er Jahre.
Sein Credo, dass Militärgeschichte als „Geschichte der bewaffneten Macht eines Staates“ in der „Breite ihrer historischen Erscheinung behandelt“ werden müsse, bleibt über seinen Tod hinaus aktuell. Das ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.